: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 17. Mai 2013

Wir sitzen auf der Treppe

Was machst Du eigentlich so, hat mich der D. gefragt, als wir uns nach ein paar Jahren getroffen haben.

In solchen Momenten müsste ich eigentlich 10 Meter zurücktreten, vor mir müsste ein Orchestergraben aufgehen, der Dirigent müsste den Taktstock heben, und dann müsste ich, bekleidet in runtergeschlampter spanischer Hoftracht des 18. Jahrhunderts singen.

Entweder eine neue Variante der Registerarie des Leporello, Schöne Dame, dieses Fazblog enthält der Spiesser Torheiten, der Verfasser des Werks steht vor ihnen, wenn's gefällig, dann gehn wir es durch: Durch Ferengiidiotie verliern sie Milliarden, ihre Töchter sind selten Bastarden, und wenn doch stammen sie vom Tennislehrer, oder einem anderen billigen Verehrer...

Oder aber ich würde anheben: Tralalalera, Tralalala! Höööööört, was das man plaudert in meiner Stadt, ja Stadt, daaaaaa lacht ihr euch sihihcher platt.

Irgendwo da würde ich mich in besseren Tagen verorten, vielleicht diene ich einem Almaviva, der nur das beste will, vielleicht wartet aber in der Hellerhofstrasse aber auch schon der Komtur und begehrt Einlass, um alle hinwegzuraffen in den Medien, und ich verkrieche mich dann unter einem Tisch und rufe, sie sollten doch noch schnell um Gnade bitten... man weiss es nicht. Jedenfalls habe ich mir die Rolle auf den Leib geschrieben, und wenn, wie jetzt gerade, die Bühnentechnik etwas für Selbstmörder ist, dann spiele ich eben woanders auch noch auf. Traaalalalalala-la-Lahh!



Aber jetzt bin ich in Mantua, und da müsste ich in einen weissen Raum laufen und wie Sie Sterne singen: Ich bleibe an der Haustür stehn, um nochmal nach dem Haus zu sehn. Die Tür ist auf, die Wohnung leer, ich glaub mein Leben gibt nichts her - Wir sitzen auf der Treppe, um uns Geschichten zu erzählen.... Denn so ist Mantua. ich verschwinde hier völlig, ich bin kein Teil der handelnden Masse, kein Teil einer Schicht, ich sitze vor den Treppen von Sant'Andrea und schaue hinüber, und wenn ich noch ne gute Lüge hätte, würd ich mich nicht weiter quälen.



Denn von allen Geschichten schätz ich doch am meisten - das vergesse ich hier alles. Ich bin hier auch daheim und andererseits überhaupt nicht existent, ich öffne nur die Augen und schaue, was passiert. Warum ich das mache, warum das gelesen wird, wie ich das schreibem, darüber denke ich nie nach, das taucht auf, wird festgehalten und verschwindet wieder. Ich habe keine echte Themen- oder Schreibblockade, so wie Figaro auch immer etwas sagen kann, aber manchmal klaue ich auch einen Koffer mit den Geschichten anderer Leute, innen drin funkelt es schon, die haben dann den Schaden. Ich nehme alles, ich verschmähe nichts, ich baue um und verheimliche so viel, wie es sinnvoll ist. Es sind halt die Interessanten.



Alle sitzen auf der Treppe, ich manchmal auch, das ganze Leben eigentlich. Diese Sitzen auf der Treppe, auf dieser speziellen Treppe ist für mich heilig, als einmal jemand abfällig meinte, man sollte da nicht sitzen, weil die Kirchenbesucher gestört sein könnten, war ich entsetzt: Das ist Lästerung gegen das Leben, das dort gern ein wenig rastet. Was soll da die Religion? Es ist eine offene Bühne, dort sitzt niemand, der nicht gesehen werden möchte. So ist das Leben, so sind meine Texte, so bin ich, in mir funkelt es schon, bevor das erste Licht hereinscheint.



Ich bin vielleicht kein Lügner, aber ich nehme es nur dann genau, wenn es sich lohnt. Ich glaube nicht an die Objektivität, die an Studien glaubt oder an das, was in Geschäftsabschlüssen steht, die da nur ein paar Menschen auf der Treppe sieht, und keinen Zyklus des Daseins, ich schleife die sogenannte Wahrheit gern solange ab, bis darunter die Empfindung funkelt, und das macht mich manchmal etwas verletzlich und dennoch unverwundbar, denn es gibt nicht nur die platte Ebene der anderen, sondern so viele Schichten, auf denen ich gleichzeitig sein kann, und wenn eine nicht mehr möglich ist, gehe ich durch die brüchigen Wände ihrer Vorstellung in die Räume, die mir etwas bedeuten.

Selten nehme ich da jemanden mit, aber ich schreibe auf, wie es da ist.

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