: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 10. August 2004

Bombenterrorsurrogat, 2004

Aus einer Pressemitteilung: Life: Detonierender Sprengstoff, etliche Gramm Gold und Stahlplatten

Würden Sie etliche Gramm Gold "einfach so in die Luft jagen"?

Es ist Kunst und macht doch kräftig WUMM! Peter Ehrentraut benutzt für seine Kunstwerke nicht Pinsel und Palette, sondern Sprengstoff, Gold, Stahlplatten und Zündschnur.

Mit 20-facher Schallgeschwindigkeit treibt die Explosion das Gold in die sich deformierenden Stahlplatten. Zur Zeit stellt Peter Ehrentraut in der Schaukasten-Reihe "en passant" der Galerie Art d'Ameublement seine so erzeugten Werke aus.


Anfragen dazu hier

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Branding und Revolution

Eigentlich ist die Welt gut eingerichtet für die kommende Weltrevolution der Nach-68er:



Es gibt vom Staat Flächen für Parolen. Und nachdem der Kapitalismus durch den Berliner Bankenskandal auch noch die nötigsten Baumassnahmen lahm gelegt hat, liegt auch gleich viel Material herum, um die Aufforderung in revolutionäre Praxis umzusetzen. An dieser Ecke der Stadt approachen manchmal sogar Counterrevolutionaries, bei denen man mit dem Extrem Stoning gleich mal anfangen kann.

Allerdings ist seit längerem bekannt, dass sich viele Beworbene gerade durch englische Claims, Visions und Mission Statements nicht angesprochen fühlen. Hier scheint das der Fall zu sein - keiner wirft einen Stein, und das Smashen bleibt ebenso aus wie die Weltrevolution.

Da hat der Kapitalismus aber noch mal Glück gehabt. Und die Linken können sagen: Die Theorie war richtig, die Praxis auch - nur die Claims waren, wenngleich prägnant und straight in der Message, leider suboptimal - äh, ich mein, scheisse.

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Montag, 9. August 2004

Das ist fein

Es gibt wieder neue Blogger-Blogs - zumindest einige wenige. 4 pro Woche.

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Essen! Fleisch! Wollust!

verbergen sich hinter diesem Bild.



Und eine Geschichte über ein Lokal

Er ist gerade in Berlin und will dich sehen. Das ist klasse. Er ist Tourist und will in eine typische Mitte-Kneipe. Das ist schlecht. Und es soll nicht allzu poppig sein. Damit wird es wirklich schwierig. Und nicht gerade an der Kastanienallee, auch bekannt als Allee der unveröffentlichten Versager. Damit hast du ein komplexes Problem. Aber immerhin kommt er aus einer der wohlhabenden Ecken Westdeutschlands und ist nicht durch Preise zu schocken, die den typischen Creativ-Sozialhilfeempfänger in Mitte abschrecken. Deshalb, und weil dir auf die Schnelle nichts anderes einfällt, sagst du um 8 Uhr im Entweder Oder.

Im Gedächtnis ist dir das Entweder Oder geblieben, weil du dort mal einen wunderbares Blind Date hattest. Das sollte eigentlich nur kurz dauern sollte und endete damit, dass du viele Stunden später im Tiefflug durch Berlin gedonnert bist, um sie gerade noch rechtzeitig beim nächsten Termin abzuliefern. Du erinnerst dich daran, wie die Sonne in kleinen gelben Flecken durch die Blätter des Baumes fiel, um den die Bänke im Freien gruppiert sind, und wie das Licht auf ihren Schlüsselbeinen ein nicht endend wollendes Spiel aus Hell und Dunkel aufführte. Du erinnerst dich daran, wie sie den Strohhalm des Milchshake sanft zwischen ihre gespitzten Lippen nahm und saugte. Du erinnerst dich daran, dass das eigentlich keine Kriterien für die Qualität eines Lokals sind, und trotzdem - zumindest kann man das im Entweder Oder erleben. Keine Frage, der Baum macht den Unterschied.

mehr bei restaur.antville

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Sonntag, 8. August 2004

Real Life 8.8.04 - Aufräumen nach der Tat

Auf den Festplatten von drei Laptops und 4 CF-Karten sind die gesammelten Daten des Blogbuches verstreut. Sichten, überlegen, sammeln, Dubletten löschen, sich über die Daten wundern, wegkippen.



Da sind neben den Bildern vom Produktionsprozess und von der Abgabe im Verlag, mitsamt Bildern, die einfach so, nebenbei entstanden. Dann sind da noch die gesammelten Kommentarschlachten von Januar, als das Buch durchsickerte. Da hat sich inzwischen die normative Kraft des Faktischen den Weg gebrochen. Aber es ist schon erstaunlich, welche Mengen an Texten da in die Welt gesetzt wurden. All die Empörung, der laute Beschluss, in Reaktion darauf selbst was zu machen, die ersten Einträge bei blogosfear.org, gibt´s die eigentlich noch?

Frühe Emails mit Journalisten, die ich im Oktober 2003 wegen konzeptioneller Fragen angehauen habe. Die Hälfte von denen ist inzwischen merh oder weniger arbeitslos. Aufs Bloggen ist aber nur einer gekommen, und das war der, der das ganze Thema locker genommen hat. Die anderen haben erst kaum verstanden, was das überhaupt sein soll.

Dann ist da die Email eines Verlagvertreters, der wollte, dass ich bei ihm Liquide Teil 2 mache, ihm, der mir den Wechsel finanziell versüssen wollte, und es nicht verstehen konnte, wieso jetzt dieses Blogzeugs. Freedom is a road seldom traveled by the multitude, hätte ich ihm geantwortet, wenn ich nachgedacht hätte, aber das fiel mir natürlich nicht ein.

Und diese eine direkte Absage, die einzige, die mir wirklich weh getan hat. Und die letzten Mails zum ironisch gemeinten Nachwort, dass man ja nochmal sowas, und so.

Falls doch, dann würde ich sie nochmal fragen.

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dressed in yellow

Es gibt da diesen Reflex, etwas haben zu wollen, wenn es jemand anderes in der Hand hält.



Also stellen manche gewitzte Immobilienleute schon mal Zeug in die unvermieteten Objekte. Irgendwelche Reste vom Umbau. Hauptsache, man glaubt, dass sich hier was tut, und der Leerstand nicht so gross ist.

Hier hat sich aber seit Wochen nichts mehr getan. Und das gelb ist zwar mal was anderes als das blau, ist aber auch nicht gerade anziehend.

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Samstag, 7. August 2004

Dior, Lange, D&G, Prada,

und was sonst noch teuer und a la mode ist, kauft man nicht immer in München. Die Vorsehung hat es in der reichen Provinzstadt so eingerichtet, dass es dort auch für gehobene Ansprüche ein entsprechendes Geschäft gibt. Die hiesige jeunesse doree hat sich mit ihrer weiblichen Hälfte schon zu früher Jugend die damals noch nicht nachgeformten Näschen an den Schaufenstern plattgedrückt, und Mama liess sich meist nicht lang bitten. Schliesslich sollten die Kinder nicht rumlaufen wie "Flichtling" oder Bewohner des Pius-Viertels.



Manche haben es geschafft, die Stadt zu verlassen und woanders ihr Glück zu machen. Es sind nicht viele; die meisten haben doch geheiratet und die Apotheke ihrer Eltern übernommen. Sie leben in der Vorstadt im süssen, pastellgespachtelten Koma des oberen Mittelstandes, unberührt von der veränderten Welt da draussen, die in wenigen Jahren ihre Vorstellung von Leben zertrümmern wird. Der Mittelstand wird das selbe Schicksal erleiden wie das mittlere Management; das System braucht frische Verlierer, und bei ihnen gibt es viel zu holen.

Sie wissen es noch nicht. Sie gehen mit ihren Kindern auch in dieses Geschäft, denn es ist inzwischen eine Tradition. Aber vielleicht treffen sie dort diejenigen, die gegangen sind nun kein Glück hatten; die Kreativen, die Wagemutigen und die Spinner, die die Krise aus dem Leben fern der Heimat gebombt hat. Die Fernseh-Autoren nach der Kirch-Krise, die Gründer, die sich auf die Nachfrage nach Luxusartikeln verlassen haben, die Kunst-LKler, die nicht mehr mal ein Praktikum in einer Werbeagentur kriegen, weil sie für diese Zeit überqualifiziert und unterbeschäftigt sind. Sie sind wieder zu Hause, und manche haben das Glück, dass sie ihre Münchner Wohnung vermieten können und so zumindest einen finanziellen Grundstock haben.

Aber Mama hält zu ihnen, steckt ihnen die Karte zu und schickt sie in den Laden, damit sie anständig aussehen. Vielleicht treffen sie sich dann mit ihren alten Freundinnen und denken einen Moment, vielleicht wäre so ein Kind und eine Ehe doch die richtige Lösung für all die Probleme. Und kaufen sich etwas Spiessiges, das in die Region passt, und nicht das rosa Kostüm von Lagerfeld mit den Glasperlenbesatz.

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Freitag, 6. August 2004

Old Economy

Wenn sie wenigstens nicht so dumm, bewegungslos, monoton und unkreativ wäre.



Wenn es wenigstens Alternativen gäbe. Alles ist gleich, mitmarschieren und verrecken, anpassen oder angepisst werden, und jeder fährt mal zur Hölle, ob er nun langsam verrostet und ausläuft oder mit lautem Knall in die Luft fliegt.

So undendlich borniert - manchmal überkommt mich ein weissblendender Hass gegen diese Statik, ich möchte Feuer sehen und Flammen.

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Dieses abartige Gefühl

zu hören, dass jeder 5. gehen muss, oder besser gehen wird, weil es nicht zur Rendite passt, und die, die einen heute vielleicht bräuchte, ist in Urlaub und deshalb kaum zu erreichen. Sie kriegt das noch nicht mal mit. Gut möglich, dass man ihr genau deshalb den Urlaub bewilligt hat.

Die Versager, die Teuren, die Besseren, die Ehrlichen, die Kinderlosen und Unverheirateten sind schon weg, und jedes mal blieben die Korrupten, die Kriecher und die Protegierten übrig.

Manche nennen das eine Institution des Qualitätsjournalismus in München.

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Definetly off topic.

And now for something different oder Ich kann Berlinhass auch ganz anders und indirekt.

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Donnerstag, 5. August 2004

Aus der beliebten Serie

"Autorenbilder, bei denen der Verlag schneller Nein sagt, als eine Praktikantin mit Caipi-Overdose beim Chefredakteur auf dem Schoss sitzt".



Don auf Grab im Wald/5.8.04/Rothenberg/Mittelfranken

100 Meter oberhalb von hier ist übrigens eine Investitionsruine des 18. Jahrhunderts, die es in Sachen Katastrophe locker mit den Immobilienfonds aus Berlin aufnehmen kann: Viel zu teuer gekauft, Altbau einfach weggerissen, Neubau zu schnell hingeklotzt und unzureichend fundamentiert, nach kürzester Zeit Einstürze in zentralen Bereichen, dann noch die falsche Standortwahl, und nach kurzer Zeit war das Ding veraltet und nur noch als Knast brauchbar.

Klingt nach New Economy, ist aber nur eine churbayerische Festung. Und 1083 Menschen waren am Ende tot, und wurden hier auf ein paar Quadratmetern im Wald verscharrt.

Trotz allem: Es gibt Stiche des späten 18. Jahrhunderts, auf denen zierliche, junge, der gesellschaftlichen Elite zugehörende Damen mit Sonnenschirm im Graben vor der Festung spazieren gehen und dabei scheinbar nette, gepflegte Convrsation machen.

Man darf nie glauben, dass sich je irgendwas ändert.

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Mittwoch, 4. August 2004

Seminar Witschaftsjournalismus

Man hat ihnen gesagt, dass es was bringt, später. Wenn sie in die Medien wollen. Denn Wirtschaftsinformationen sind wichtig, das ist also ein Zukunftsmarkt. Etwas, das jeder Arbeitgeber abfragen wird. Ein Core Asset, ergänze ich in Gedanken und höre weiter zu. ich gehöre nicht hier rein, ich war aber schon da, als sie gekommen sind, und sie haben hier, rund um mich, Platz genommen.

Sie haben Pause. Sie reden, wiederholen das Gelernte und schmeissen mit Fachwortbrocken durch die Gegend, die sich für mich unfassbar schal anhören. Der Unterschied zwischen ihnen und mir ist, dass ich eine Erinnerung und eine Vergangenheit an der Stelle habe, wo bei ihnen die Erwartung und die Ahnungslosigkeit ist. Sie sehen in diesen Begriffen noch einen Inhalt, vielleicht sogar sowas wie "Sinn". In der Theorie ist das alles auch logisch, es gibt Zahlen, Pressemitteilungen, und den Wink aus der Chefredaktion, das einfach abzuschreiben und nicht gross Fragen zu stellen.

In der Praxis werden sie erst gar nicht so weit kommen, von einem Chefredakteur einen Wink zu erleben. Auch nicht die ganzen tollen Partys, die es schon seit Jahren nicht mehr gibt, und die auch nicht mehr kommen werden. In der Wirtschaft regiert die Neue Enthaltsamkeit, und wenn draussen Millionen Arbeitslose stehen, schmeisst man keine Feste, von denen Medien berichten könnten. Es geht alles in Richtung stilles Meeting in Hotels, aber devote Interviews in gemieteten Clubsesseln sind wohl nicht das, was sich die Leute hier unter ihrer Zukunft vorstellen.

Sie sind übrigens keine BWLer. Germanisten, Politologen, Informatiker, die eine weitere Option haben wollen, bevor sie nach dem Ende des Studiums ins Nichts stürzen. Sie basteln an einer Hoffnung, die vor ihnen schon so viele andere hatten. 2000 ging, was schreiben konnte, in die neuen Wirtschaftsgazetten wie Konr@d, Net Investor, Bizz und die Internetseiten, die damals auch das letzte Provinzblatt wie "Die Welt" haben musste. Diese Leute sind immer noch auf dem Markt, und aufgrund der Nachfrage fast kostenlos zu haben. Was soll´s , immer nur rein in das gute Schlammloch, hier ist noch viel Platz, und spätestens 2010 geht es wieder aufwärts, dann braucht man wieder Leute, die Worte wie Success Story kennen.

Und keine Erinnerung haben.



Dann werfen sie die Pizzakartons weg und gehen wieder ins Seminar. Damit eine Zeit kommt, in der sie auch mal am Buffet essen können.

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Dienstag, 3. August 2004

Munich Area revisited

Im Sommer des Jahres 1999 kam ich zum ersten Mal auf das sogenannte Stettenkasernen-Gelände an der Schwere-Reiter-Strasse im nördlichen Schwabing. Hier ist Schwabing nicht mehr das, was es in den Tourismusbroschüren ist. Die Gegend wurde erst in den 20er und 30er Jahren bebaut; es herrscht eine fast kleinbürgerliche Atmosphäre, und das Gelände, das hier vor allem in den 50er Jahren entstand, war nochmal eine Steigerung der Hässlichkeit.

Er hatte mich eingeladen. Wir kannten uns aus einem anderen Leben, Anfang der 90er in München. Keiner von uns machte sich damals Gedanken über das weitere Leben. Fast 10 Jahre später waren wir beide irgendwie in diese neue Wirtschaft geschlüpft, er als Entrepreneur und ich als etwas, das sich weder mit dem Wort "Journalist" noch mit "Berater" adäquat umschreiben lässt. Er suchte Informationen über einen Zukunftsmarkt, in den er mit seiner Company eindringen wollte, und war dabei auf mich gestossen. Wir sprachen über die guten alten Zeiten und die noch besseren Zeiten, die er vor uns sah.

Ich sagte ihm etwas, was ich 1999 so sonst fast nie gesagt habe, weil mein normaler Job nicht die Wahrheit, sondern die Verankerung der Phantasien in der Realität war - und die Phantasien waren das Einzige, was damals Geld brachte. Ich sagte ihm, er sollte da mal rausschauen und überlegen, was das ist: Nur ein paar kleine Softwarebuden in einer runtergekommenen Gegend, kein New Media Cluster der First Mover der Emerging Markets, die hier aufgrund des kreativen Networkings vielleicht in 5 statt in 6 Monaten zum IPO kommen. Ich sagte ihm, was wir intern längst wussten, dass die Party bald vorbei sein würde, und ich machte den Fehler, ihm zu sagen, er soll das Geld zusammenhalten.

Manchmal frage ich mich, wozu ich eigentlich aus dieser Schicht komme, wenn ich dann solche Dinge sage. Das Geld haben die 2, 3 Generationen vor uns zusammengehalten; für uns war das ein Zeichen von Spiessigkeit, genauso wie Kachelöfen und signierte Kunstdrucke von Dali. Wir hatten damals, in den frühen 90ern kein Geld, sondern eine Karte, und wenn die kein Geld mehr ausspuckte, gab es manchmal einen Anruf von Mama, oder auch nicht. Manche klauten einfach ein paar Wochen Zeug zusammen, bis die nächste Apanage das Konto wieder aus der Alarmstufe tiefrot gehoben hatte. Mein Gegenüber war von meinen Ratschlägen nicht direkt beleidigt, aber das Gespräch war bald vorbei. Ich hatte in seinen Augen nicht den richtigen Spirit, und auch nicht den Willen, mit dem er das Ding zum Fliegen bringen wollte.

2002 ging er pleite. Er hatte eine FFF - Family Fools & Friends - Finanzierung gemacht, und dadurch wohl auch einen grossen Teil seines Erbes durchgeorgelt. Der Insolvenzverwalter hat, erzählt man, mehrfach versucht, ihm das Auto abzunehmen. Er nennt sich jetzt freier Berater, lese ich auf seiner Website. Wir haben seit 1999 nicht mehr miteinander gesprochen, und meine paar Mails wurden, wenn überhaupt, nur sehr kurz beantwortet; ohne Anrede, Grüsse, und die Unterschrift ist nur ein Buchstabe und ein Punkt dahinter.

X Dot Nichtsmehr, wenn man so will.

Letztes Wochenende bin ich mal wieder über das Gelände gegangen und habe ein paar Bilder gemacht. Bilder von den Schildern, mit denen man sich dort präsentiert. Vieles ist dort verfallen, aber an den Schildern sieht man es überdeutlich. Bitte einfach clicken.



Dahinter stehen menschliche Schicksale. Ich glaube aber nicht, dass man Mitleid empfinden soll. Schliesslich ist es eine Luxuskrise, und solche Regungen hatten sie - wir, wenn man so will - auch nicht. Nicht genug, also kein Grund für Mitleid. Nicht wirklich.

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Schwere-Reiter-Strasse 35

Man betritt das Gelände durch ein altes Eisentor. Angesichts der tiefen Löcher im Pflaster sollte man das Auto draussen abstellen, sofern es sich um einen Sportwagen handelt und man gesteigerten Wert auf den Auspuff und die Spoiler legt.




An Eingangstor ist ein Farbausdruck in Plastikfolie, für eine Veranstaltung von CapGemini. Der Drucker ist wahrscheinlich nicht mehr der Beste. Der Wegweiser wird von einer Schnur mit alten, schlaffen Luftballons umrankt. Der Symbolismus wurde hier unwillkürlich zu dick aufgetragen.




Man hat bei den Wegweisern die alten Schilder nicht abmontiert, um die neuen darauf befestigen zu können. Nun, da die neuen Schilder mitsamt Firmen verschwunden sind, weisen die alten Schilder wieder zu Einrichtungen, die es längst nicht mehr gibt.




Fast 600 Euro pro Monat für 43,5 Quadratmeter in dieser nicht eben luxuriösen Lage - das ist heute zu teuer. Ich glaube nicht, dass er dafür einen Nachmieter findet. Wenn man sich hier 2000 einmieten wollte, hatte man keine andere Wahl. München war vollkommen überbevölkert und ausgebucht. Manche mussten 5-jährige Laufzeiten akzeptieren. Mit den Startups kamen die Mitarbeiter. Die besten Köpfe aus der gesamten Republik, und die liessen auch die Mietpreise für Wohnungen explodieren. Studenten mussten deshalb noch im Winter 2001/02 in Turnhallen schlafen. Ich war damals eine Weile out of town und habe meine Wohnung an eine Studentin verliehen, die in der New Economy gescheitert war und eine Zuflucht brauchte.




Links hat die Krise ein grosses Loch gerissen. Es muss ein komisches Gefühl sein, das Firmenschild darüber oder darunter montiert zu haben und jeden Tag gleich zu Beginn des Arbeitstages das Scheitern der anderen zu sehen. Aber der Mensch gewöhnt sich an alles. Auch an das Schild rechts oben, ein vergilbter Farbausdruck in Plastikhülle, der mit Tesa angeklebt ist.




Eine andere Lösung ist es, den Firmennamen an die Wand zu schreiben. Nur sollte man das bisweilen nachpinseln lassen. Verwitterung macht bei aufstrebenden Jungunternehmen keinen so tollen Eindruck.




Manche leisten sich doch noch ordentliche Schilder an den Briefkästen, nachdem man die Reste der Vorgänger entfernt hat. Manchmal kleben aber die Rückstände noch dran, weil man wohl mit dem Schild an sich zufrieden war. Vielleicht haben die Leute hier gar nicht mehr die Kraft, ihren Besuchern etwas vorzumachen, und ihre Facilities rauszuputzen. Oder das pralle Leben aufzuführen, das hat man sich hier vorgestellt. Damals, 2000. Lauter junge, success-orientierte Kreative, vor einem schnellen Aufstieg in die Toppositionen der Neuen Wirtschaft, die alles Dagewesene in den Schatten stellt. Eine neue Welt sollte das hier werden, jung, aufgeschlosen, lässig, casual friday every day, good looking, sexy.




Dieser Anspruch wird nur noch von 9live-Mitarbeiterinnen erfüllt, die manchmal über das kaputte Kopfsteinpflaster stackseln. 9live verdient ja noch Geld. Einer Erfolgsgeschichte. Immerhin.

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