Seminar Witschaftsjournalismus

Man hat ihnen gesagt, dass es was bringt, später. Wenn sie in die Medien wollen. Denn Wirtschaftsinformationen sind wichtig, das ist also ein Zukunftsmarkt. Etwas, das jeder Arbeitgeber abfragen wird. Ein Core Asset, ergänze ich in Gedanken und höre weiter zu. ich gehöre nicht hier rein, ich war aber schon da, als sie gekommen sind, und sie haben hier, rund um mich, Platz genommen.

Sie haben Pause. Sie reden, wiederholen das Gelernte und schmeissen mit Fachwortbrocken durch die Gegend, die sich für mich unfassbar schal anhören. Der Unterschied zwischen ihnen und mir ist, dass ich eine Erinnerung und eine Vergangenheit an der Stelle habe, wo bei ihnen die Erwartung und die Ahnungslosigkeit ist. Sie sehen in diesen Begriffen noch einen Inhalt, vielleicht sogar sowas wie "Sinn". In der Theorie ist das alles auch logisch, es gibt Zahlen, Pressemitteilungen, und den Wink aus der Chefredaktion, das einfach abzuschreiben und nicht gross Fragen zu stellen.

In der Praxis werden sie erst gar nicht so weit kommen, von einem Chefredakteur einen Wink zu erleben. Auch nicht die ganzen tollen Partys, die es schon seit Jahren nicht mehr gibt, und die auch nicht mehr kommen werden. In der Wirtschaft regiert die Neue Enthaltsamkeit, und wenn draussen Millionen Arbeitslose stehen, schmeisst man keine Feste, von denen Medien berichten könnten. Es geht alles in Richtung stilles Meeting in Hotels, aber devote Interviews in gemieteten Clubsesseln sind wohl nicht das, was sich die Leute hier unter ihrer Zukunft vorstellen.

Sie sind übrigens keine BWLer. Germanisten, Politologen, Informatiker, die eine weitere Option haben wollen, bevor sie nach dem Ende des Studiums ins Nichts stürzen. Sie basteln an einer Hoffnung, die vor ihnen schon so viele andere hatten. 2000 ging, was schreiben konnte, in die neuen Wirtschaftsgazetten wie Konr@d, Net Investor, Bizz und die Internetseiten, die damals auch das letzte Provinzblatt wie "Die Welt" haben musste. Diese Leute sind immer noch auf dem Markt, und aufgrund der Nachfrage fast kostenlos zu haben. Was soll´s , immer nur rein in das gute Schlammloch, hier ist noch viel Platz, und spätestens 2010 geht es wieder aufwärts, dann braucht man wieder Leute, die Worte wie Success Story kennen.

Und keine Erinnerung haben.



Dann werfen sie die Pizzakartons weg und gehen wieder ins Seminar. Damit eine Zeit kommt, in der sie auch mal am Buffet essen können.

Mittwoch, 4. August 2004, 21:47, von donalphons | |comment

 
Ja und?!
Menschchen wollen hoffen...Den Ennui des Oberklässlers kann man zwar blogsurfend goutieren aber was solls? Ja, was solls?
Ringsum wird geklammert. Tja. Und? Kann man als wohlwollender Beobachter nicht im Augenrand immer auch die zarte Verzweiflung sehen? Bei allem Getändel mit dem NewSpeak? Und wer baggert schon dauernd so tief das er den Illusionsdirektoren nicht, nie auf den Leim geht?
Die Trauer in der Betrachtung dieser Lemminge resultiert nur aus der unverstandenen eigenen Kraft. Kolbenfresser.

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Ich muss siggi recht geben: Was bleibt denen denn anders? Oft sind es ja gerade die "Germanisten, Politologen, Informatiker", die sonst keine andere Chance sehen und vielleicht besser nicht studiert hätten. Ein zurück gibt es nicht.

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Selbst erlebt
Hm. Ich sehe da meine eigene Bio: Geschichte, Politikwissenschaft und Kommunikationswissenschaft studiert, Prädikatsabschluss, nach der Uni kein Job, Sozialhilfe. Dann ne BSHG19-Stelle, das sind ABM-Maßnahmen für Sozialhilfeempfänger, in dem Fall aber eine Stelle als Presseprecher einer Menschenrechtsorganisation, die mir durch politische Protektion auf den Leib geschneidert wurde, aus dieser Tätigkeit in den Investigativjournalismus gerutscht, dort die Schweine durch bissige Stories geärgert, wie es sich gehört, zwischendurch nochmal mit magna cum laude promoviert, bei der Besetzung einer Assistentenstelle an der Frauenquote gescheitert, dann Weiterbildung zum Mediengestalter, Schockwellenreiter des Hypes, heute PR-Chef in der OE. Wer so eine bunte Geschichte hinter sich hat ist nur noch schwer zu beeindrucken. Außer den Juristen, Ärzten und den Lehramtsleuten haben die wenigsten Leute, die ich aus meiner Studienzeit kenne, eine gerade, glatte Karriere gemacht. Wo die heute sind reicht vom erfolgreichen Unternehmer bis zu Leuten, die von Arbeitslosigkeit zu ABM-Maßnahme pendeln, ihre ganze Lebensplanung darauf ausgerichtet hatten, das immer so zu machen, und in Hartz IV-Zeiten vor dem Nichts stehen.

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Was sie tun sollen? Vielleicht mal etwas die Realität anschaun, damit sie wissen, worauf die sich einlassen. Das Einzige, was man im Moment sagen kann, ist: Alles nur kein Journalismus. Schlecht fürs Überleben, schlecht für die Moral, schlecht fürs Karma.

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Medien/Journalismus ist wie ein Geliebter, der dich ins Unglück reisst. Man weiss, dass es kein Happy End geben wird, aber er ist sowas von anziehend. Das wissen auch die Anbieter solcher Kurse und Weiterbildungen. Da werden Träume verkauft. Wer hat denn schon von denen die Möglichkeit in den leeren Kühlschrank eines freien Journalisten zu schauen?

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*ahem* - und dann kommt so einer wie ich daher, Job, diverse freie Nebenjobs bei Lust und Laune, 1 Buch erfolgreich, das nächste in der Pipe, 3 Wohnungen, und Essen, was man will.

Jaja, der Weg zur Hölle ist gepflastert mit atypischen Success-Stories.

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Atypisch, weil die jungen Leute nicht Bücher schreiben wollen und nicht für Internet-News-Blogs (mit latenter Prozessgefahr) gerade stehen wollen. Die wollen die typische Karriere. Angestellt bei einem überegionalen Medium, Presseausweis mit fetten Rabatten und möglichst 35-Stundenwoche. Typisch, weil die sich nichts anderes vorstellen können, obwohl es für die Berufslandschaft mittlerweile untypisch ist.

Mir begegnen immer wieder in der Uni, wo ich immer noch ein paar Seminare gebe, Studenten, die gerne Journalist werden wollen, aber noch nie einen Artikel irgendwo geschrieben haben. Da werden junge Leute wissentlich ins Unglück gestürzt.

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Das Buch wollen die in dem Moment, wenn sie hören, welche Preise man danach als Freier verlangen kann. Ausserdem kann so ein Buch auch über ein paar Monate Arbeitslosigkeit hinweghelfen - siehe dann kommende Buchmesse.

Und zum Stürzen gehören auch die, die sich stürzen lassen.

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Ideologie
Realität. Realität anschaun... hm...
Ist das nicht das eigentliche Thema der alphonsischen Misanthrophiken? Nämlich - da hier auch schon der Schicht-käse zur Erwähnung kam - : Ideologie!
Und das im eigentlichen, ursprünglichen Sinne bei Murx, falls mein Gedächtnis da nicht löchrig ist. Ist es eh.
Ideologie im Sinne: Falsches Bewusstsein der eigenen Situation. Das zieht sich doch durch alle Gehirne der kleinen und großen Vertreter aus diesem gesellschaftlichen Segment. Und vom falschen Bewusstsein ist es nur ein kleiner Schritt zur kompletten Kombipackung incl. unethischem Verhalten.
Besonders phänomenal ist allerdings wieso sich das jetzt häuft. Und eigentlich noch krasser wird. Nein, sogar forciert wird in der Arbeitslosen- und der assoziierten Erfolgsindustrie.

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