: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 14. Juli 2005

Extreme Kreuznageling bei Cross IT.Media AG

Das waren noch Zeiten - 2002 ahnte niemand, wer ich bin, es gab noch eine Anja "Das Original" Fahs bei Cassiopeia und Liquide existierte nur als Dokument auf einer Festplatte. Überall verreckten tolle Firmen, und trotzdem glaubte jeder auf den Aufschwung nach einer Phase der Konsolidierung, die Thema des obigen Artikels des damals noch jungen, nur Insidern und seinen Todfeinden bekannten Don Alphonso war.

Das ist, wie auch der letzte FIWM-Vorständler und andere heute wissen dürften, lange her, und manche Hoffnung hat sich inzwischen zerschlagen, aus dem CEO des Weltmarktführers wurde ein freier Berater mit Blogschwerpunkt, aus dem Agenturbesitzer ein Einzelkämpfer am Küchentisch, aus dem Medienunternehmer der digitalen Wirtschaft ein kleiner Websitebetreiber auf der Suche nach neuen Märkten, irgendwo unter einem Stein bloggen die wohl auch ihr Leid, man muss das nicht lesen, denn hier geht es einfach darum die Geschichte schmerzlos zu Ende zu erzählen: Die Cross IT.Media AG, früher hoffnungsfroh an der bayerischen Börse, hat jetzt die Strassenseite am Karlsplatz gewechselt und taucht unter der Nummer 1507 IN 1931/05 beim Amtsgericht auf. Ende der Ad hoc.

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Autowelt AG - New Economy, wie sie sein soll.

Zuerst: Revolution des Autohandels im Zeitalter der Globalisierung und des geilen Geizes - mit einem Franchisekonzept und EU-Fahrzeugen an die Spitze.

Dann: Geplante Übernahme der schon 2003 verendeten German Brokers AG, einem Kadaver aus Zeiten des Internet-Aktienrausches. Ziel der Autowelt ist es, dadurch an der Börse gehandelt zu werden.

Dann: Doch lieber nicht.

Und schon einen Tag später hat man Besuch von der Kripo - da war wohl schon die eine oder andere Garantie wegen Auslandszulassung abgelaufen.

Und nur 5 Tage nach diesem Bericht, nach dem noch nicht klar war, ob es einen Insolvenzantrag gäbe, lesen wir heute: Es hat die Autowelt AG bei Kilometer 1 IN 168/05 aus der Kurve getragen, einRechtsanwalt leistet erste Hilfe, aber ob die noch Sinn macht?

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Sehr zu empfehlen - kein venezianischer Spiegel für die Ä.

Die Ä. sitzt mit dem E. bei ihrem Lieblingsitaliener. Sie geht gern hierher, vor allem, weil sie die Spaghetti Bolognese und die Cola inzwischen ohne Sächseln aussprechen kann, E. auch sein Schweinefleisch bekommt und die Gesamtrechnung mit einem Bier hinten auf 90 Cent ausgeht - das heisst, die geizistgeilige Ä. kommt mit 10 Cent Trinkgeld aus. Weil, zu nett soll man mit den Fremdländern auch nicht sein, solange man von ihnen keine jüdischen Vermächtnisse, saudische Exportbeihilfen oder französische Nummernkonten in Lugano bekommt. Das Leben ist ok für Ä., denn gerade hat ein grosser Elektrokonzern seinen Umzug von München nach Zug in die Schweiz verkündet - und das bringt kurzfristig 10.000 neue Stellen für die Umsiedlung, zur Hälfte finanziert durch die Arbeitsagenturen, zur anderen Hälfte dank grosser Steuerreform steuerlich absetzbar bei reduziertem Arbeitgeberanteil. Das sind Erfolge für Ä. und E., während der fidele G. am anderen Ufer der Spree Party mit den hübschen Jungunternehmern der New Economy 2.0 macht.

Alles prima, oder besser gesagt, fast alles, im Jahr 2 nach der bildvolksdemokratischen Machtergreifung. Nicht ganz. Denn gegenüber von Ä. hängt einer dieser Prunkspiegel, und Ä. renkt sich beim Versuch, den Kopf herrisch mit Ausblick auf die Naseninnenbehaarung zu recken, so, wie sie sich immer auf den Titelseiten der Spiegel-Hofberichterstatter findet, die Nackenwirbel aus. Der Prunkspiegel zeigt jedes Detail, er ist obszön brandneu, wurde im Sommer 2005 angeschafft, als das Restaurant in Erwartung neuer goldener Spesenzeiten umsattelte vom Toskana-Landhausstil hin zum spanisch-norditalienischen Barock, mit Anleihen zwischen heiligem Offizium und Metternich. Alles atmet Schwere und Strenge, auch wenn der Spiegel nur Kopie ist, denn die eigentlich nötigen Originale haben sie damals nur teilweise gefunden. Und so hängt gegenüber von der Ä. ein hässlicher Glasklops, der besser zu den Fleischklöpsen gegenüber passt, als denen lieb sein kann.

Die ultrakonservative Rechristianisierung und Umverteilung verdankt ihr Spiegelbild einem moslemischen Antikenhändler der zweiten Generation und einem dezidiert nichtchristlichen Kunden sowie der grauenvollen Überfüllung eines kleinen Kellerladens in Berlins Bergmannstrasse. Im heissen Sommer 2005 zog das Einrichtungsteam des Nobelitalieners durch diese Strasse, nur um festzustellen, dass die kleine Schwester des Kunden bereits grossflächig alles zusammengerafft hatte, was an älteren venezianischen Spiegeln zu holen war. In diesem Keller hatte es viele davon gegeben, aber nun sind sie alle weg, und so zog das Team weiter und bestellte letztlich sündteure, billig und protzig aussehende Kopien der Originale. Der Kunde jedoch hatte ein untrügliches Gespür für Verborgenes, und schliesslich, in einem kleinen Zwischenraum, hinter einem Barockschrank, einem Packen schlechter Öldrucke und einer durchnässten Kiste voller mottenzerfressener Stoffe, entdeckte er ein zartes Glasblümlein, grau von Staub und Schmutz, daran eine Glasleiste, ein Glasblatt, noch eine Leiste, eine matte Spiegelfläche, und so zog er am Ende einen halbwegs gut erhaltenen, venezianischen Spiegel der Zeit um 1850 oder älter hervor. Er tat so, als würde ihn der allenfalls als Ersatzteillager interessieren, wies auf abertausend Mängel hin, verhandelte eine Stunde mit dem Händler der 2. Generation, wie nur levantinische Nichtchristen mit Libanesen verhandeln - und einigte sich am Ende auf einen Preis, der vielleicht fünf mal so hoch war wie das, was der ein Verlustgeschäft beteuernde Händler gezahlt hatte, und ein Viertel dessen, was so ein Spiegel in einem normalen Antiquitätengeschäft heute kostet.

Venezianische Spiegel vor 1900 sind extrem selten, und purer Luxus und Verschwendung. Niemand braucht solche Spiegel mit den vielen Glasstücken, die Spiegelfläche ist klein und durch aufwendigen Schliff weitgehend unbrauchbar, und die Teile sind auch nicht geschaffen, alt zu werden. Ein Sturz, und sie sind Geschichte - ausserhalb von Venedig fand sich kaum jemand, der die vielfältigen Glasformen nachmachen konnte. Heute ist das unmöglich, weil sich die alten Verfärbungen und Weichheit des Glases aus echter Pottasche nicht mehr reproduzieren lässt. Weil klar war, dass diese Spiegel trotz ihres immensen Preises nur Verschleissgüter waren, wurde auch der Holzrahmen aus eher schlechtem Holz, wie Pinie oder Pappel gefertigt. Kurz, kaum einer hat Wischmobs, Umzüge, Bombenkrieg und spielende Drecksblagen überlebt, und selbst die, die durchgekommen sind, haben immer Schäden. Im Einzelnen sieht das nach dem Abschrauben einzelner Leisten so aus:



1. An dieser Stelle ist eine einzige Blume im Rahmen verschraubt, hier war früher weitaus mehr, also fehlt was.
2. Nochmal eine kleine Blume, daneben vier glasbesetzte Zierschrauben, brutal in das Holz gedreht. Gegenüber waren dagegen jeweils ein grosses Glasblatt. Da stimmt was nicht.
3. Der Rahmen ist unten wie auch die dortige Glasleiste gebrochen.
4. Eines der Blätter ist zertrümmert und wurde mit grünem Glaskitt wieder geklebt. Nicht besonders sauber, übrigens, wie überhaupt das Ding schon mal restauriert wurde, vermutlich in den 20er Jahren.
5. An dieser Stelle sind mitten in der Leiste zwei Blümchen, weil
6. die originale Leiste fehlt und durch zwei jüngere Bruchstücke ersetzt, deren Produktionsweise mit maschineller Bohrung sie auf die Zeit nach 1950 datiert.
7. Oben ist nochmal die Leiste und der Rahmen gebrochen.

Den Beschädigungen und Reparaturen zufolge hat der Spiegel zweimal Stürze überlebt und wurde mit geringen Mitteln nicht sehr sauber erneuert.



Hier zum Beispiel eine nicht originale, verrostete Fabrikschraube, die die Blume 1. fixiert. Damit sie nicht wackelt, wurde dahinter auf den Holzsockel harziger Klebstoff aufgebracht, der heute schwarzbraun wie die Sozialpolitik der Äs und Es ist - klebrig, scheusslich, ekelhaft, verstaubt, eine Beleidigung für jeden Betrachter, der kein Drecksfetischist ist. Runtergekommen wie die Moral eines schwarzen Parteispendeneintreibers ist der - im übrigen extrem seltene - geschnitzte Zwischenrahmen mit Blattgoldauflage.



Das verrät uns einiges über die Kosten beim ursprünglichen Kauf; die Ausnahmeform deutet darauf hin, dass dieser Spiegel damals eine Spezialanfertigung für ein mitteleuropäisches Interieur war. Bevor venezianische Spiegel nach 1945 zum Touristenkitsch herabsanken, konnten sie nach Bedarf bestellt werden. Gerade gehobene Einrichtungen nördlich der Alpen verlangten im vorletzten Jahrhundert nach goldenen Leisten; klassische venezianische Prunkspiegel bestehen komplett aus Glas und sind optisch zu massiv, wenn sie in kleinen Räumen hängen - sie erdrücken die Einrichtung. Auf der Rückeite finden sich dann auch einige Anpassungen bei der Aufhängung, die die These wahrscheinlich machen.

Zum anderen zeigt der gleichmässig verteilte Dreck, dass der Spiegel die letzten Dekaden irgendwo auf dem Schrank gelegen haben muss. Aufhängen war wegen der Brüche im Rahmen - sichtbar im obigen Bild links unten - riskant.



Da hilft nur eines - komplett auseinandernehmen wie Joschka die Merkel, und die Gläser in warmen Wasser sauberer waschen, als der Koch seine Dreckspfoten in Unschuld. Das dauert etwa eine Stunde, aber das Ergebnis lohnt sich. Solange wird der Rahmen vorsichtig geputzt, alte Klebereste werden entfernt, der silberne Grund wird an den nötigen Stellen nachgestrichen - sehr zu empfehlen ist dafür die matte silberne Künstlerfarbe auf Wasserbasis der bayerischen Firma Kreul. Keinesfalls überstreichen sollte man das Blattgold - so gut wie das Original wird das niemals, und wenn man die Fehlstellen nur ordentlich säubert, passt der Farbton des Holzes sehr gut zum matten Schimmer der alten Vergoldung.



Das Zusammenschrauben ist ein Puzzlespiel. Alle Teile ausser den Leisten des Problems 6 haben die gleiche grünlich-graue Tönung und viele längliche Lufteinschlüsse - it´s a feature, not a bug, die Blasen lassen das Glas schimmern. Soweit erkennbar, sind die Teile also original, wenngleich mitunter etwas bestossen. Die Bruchstelle der Leiste von 7 wird geklebt, der grüne Glaskleber von 4 wird silbern überstrichen. Die Blümchen von 1, 2 und 5 werden dort angebracht, wo sie nach Aussage alter Löcher hingehören: in die kleinen Zwickel oberhalb der unteren Leiste. Und siehe da, plötzlich stimmt es wieder mit der Symmetrie und den Objekten - zumindest im unteren Bereich. Die Nahtstelle der Ersatzleisten von 5 bleibt dann aber sichtbar, was zu verschmerzen ist - das Glas hat eine hellere Farbe und wäre so oder so bei genauem Hinschauen als spätere Ergänzung erkennbar. Jetzt wird die Stelle wenigstens nicht mehr durch eine Asymmetrie betont. Hinten werden dann noch zwei horizontale Latten aufgenagelt, um den gebrochenen Rahmen zu fixieren; Kleben würde da kaum helfen, zu hoch ist das Gewicht des 10 Kilo schweren Spiegels.

Letztendlich sind alle Zierschrauben noch da, spätere Schrauben der Reparaturen können entfernt werden, und die Glasteile sind ebenfalls komplett. Aufgehängt in der Wohnung sieht der Spiegel dann so aus:



Nachbemerkung: Äs würden es hassen, wenn sie wüssten, dass die Spiegelfläche einen typischen Makel hat, der dem Betrachter zum Vorteil gereicht. Die Fläche ist leicht gewellt und verzerrt das Bild; in der Mitte zieht sie zusammen und verbreitert an den Rändern. Will sagen: Das Gesicht wird schlanker, die Schultern werden breiter. Sofern man nicht aussieht wie geplatzter falscher Hase, macht der Spiegel den Betrachter also schöner - und niemand muss die Nasenhaare zeigen, um das Gesicht covererträglich zu machen.

Und noch der Ikea-Check: Natürlich gibt es bei Ikea keinen derartig teuren Spiegel; selbst, wenn dieses Stück Muranokunst sehr günstig erworben wurde. Das ist Gift für das Bestreben, am Ende dieser Serie alles billiger als Ikea bekommen zu haben. Aber: Nur eine Stunde später war auf dem Flohmarkt am Fehrbelliner Platz eine Frau, die im Auftrag der Tochter einer Freundin Omas altes Hutschenreuther Tee- und Kaffe-Service verkaufte - ein Bilderbuchfall für den Niedergang des Bürgertums. Für 12 Personen mit Dessert- und Kuchentellern, 76 Teile perfekt erhalten, die klassische "Margarethe"-Form. Mit vielen Extrateilen wie Kuchenplatten und so weiter. Für 60 Euro, damit hat sich der Spiegel mehr als amortisiert.

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Dienstag, 12. Juli 2005

Extreme Vorortsposhing

Es ist so: In den wirklich teueren Vororten, wo der Quadratmeter Boden so viel kostet wie der Quadratmeter Wohnung in einer mittleren Berliner Lage, ist alles dicht - weiter vorne etwa gibt es einen Chefarzt, der ein Grundstück neben seinem gekauft hat und verwildern lässt, damit er keinen nervtötenden Nachbarn hat. Andere, die ihren Reichtum erst später in eine architektonische Demonstration ihrer selbst umsetzen konnten, müssen also in die billigeren Vororte, wo man für das Grundstück auch ein halbes thüringer Dorf bekommen würde - aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls bleibt dadurch Geld übrig, das dann in die aufgehende Substanz gehen kann.



Nicht nur toskanaorange, wie das heute nun mal so sein muss. Nein, auch zwei achteckige, zweigeschossige Türme mit eigenem Dach. Dazu Fensterfronten Modell Stackenblochen (danke Holgi), gerade und mit 90° -Winkeln ausgerichtet. Weil Symetrie ist gerade ein Must Have. Und statt der Schiessscharten ein postmodernes Dreiecksfenster unter dem Dach. Und Jalousien auch im zweiten Stock, die eigentlich die Nachbarn besser brauchen könnten.

Burgkathedralenbauernhaus. Interessante Kombination. Ob die da drinnen Acrylmöbel mit Goldkanten haben werden?

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Wenn ich mir einen Artikel wünschen dürfte

Liebe Presseleute, wenn ich mir einen Beitrag über Blogs wünschen dürfte, dann wäre er ziemlich anders als vieles, was im Moment von Euch so geschrieben wird. Denn, liebe Kollegen, in Wirklichkeit erzählt Ihr Euren Lesern viel Scheisse, und das wisst Ihr auch. Wie so vieles entwickeln sich die Blogs hierzulade kontinierlich, es werden mehr, sie werden besser. Es gibt nicht irgendwelche besonders einflussreichen Blogger, in deren Gefolge zigtausende damit beginnen, und es gibt auch keine Themen, die Blogger enstehen lassen. Es gibt auch keine Business-Trends beim Bloggen über dem Niveau einer Selbstdarstellung von mehr oder weniger kompetenten Kleinstunternehmern. Es stimmt auch nicht, dass Blogs die Medienwelt jetzt und auf der Stelle umkrempeln werden, wie Ihr das in Euren Artikeln so gern schreibt, um eine heisse News zu haben. Die Ihr ja braucht, um das Thema zu machen und damit in der Redaktion gut dazustehen. mehr an der Blogbar

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Dienstag, 12. Juli 2005

Kreuzgang

200 Kilometer südlich von Berlin sollte man tunlichst nicht auf die Idee kommen, jenseits der Autobahn eine Tankstelle zu suchen. Kleinere Käffer haben allenfalls einen Bäcker oder etwas grüne Wiese, aber keine Tankstelle. Allenfalls, wenn man ohnehin vorhat, nach Naumburg zu fahren, kann man es wagen, den Tank weitegehend leer zu fahren. Naumburg hat dank seiner historischen Rolle und der intakten Altstadt, sowie einer berühmten Plastik der späten Romanik so etwas wie Fremdenverkehr, und deshalb wohl auch eine Tankstelle. Und natürlich den Dom, an dem viel zu viele auf der A8 Richtung München vorbeirasen. Mit einem schlichten, aber gelungenen spätromanischen Kreuzgang.



Der Weg zurück zur A8 führt wegen einer grösseren Baumassnahme durch Sachsen-Anhalts Pampa Richtung Osterfeld. Und dann kommen eben diese kleinen Städte, an deren Rand eine aufgelassene Fabrik den Reigen des Niedergangs eröffnet. Danach zieht sich der Zerfall Haus für Haus in den Ortskern, alles unbewohnt und marode. Niemand macht sich hier noch die Mühe, etwas zu vermieten. 15 Häuser, eins nach dem anderen, alle historische Bausubstanz, die Türen eingeschlagen, baufällig, verrottet, egal.

Am Ende dann ein Haus, in dem sich eine Werbeagentur niedergelassen hat. Noch ist sie da, in der langen Folge von Zerstörung und Aufgabe. Aber was hier beworben werden soll?

In der Zeit, als man den Kreuzgang baute, zog man die Bewohner mit speziellen Förderprogrammen in diese Region. Vielleicht sollte man den Arbeitslosen, den Faulen, den chancenlosen Kreativen ein anderes Angebot als teure Adobe-Fortbildungen anbieten. Die verlorene Generation hier herziehen lassen, steuerbefreien und die Unterkunft geschenkt, wenn sie es herrichten. Dann können sie nach ihrer Facon leben, und der Staat spart sich ganz nebenbei die Enstorgung ganzer Landstriche.

Nach Berlin sind es zwei Stunden mit dem Auto, die Lebenshaltungskosten sind niedrig, und wenn die richtigen Leute zusammenkommen, kann es eine hübsche Kolonie der Moderne im Niedergang werden. Und ich muss mich daheim am Abend dann nicht über den Munich Area Dreck ärgern, den die mir per Mail schicken. Wir haben viel Platz im Osten und viele unvermittelbare Kreative und New-Eco-Restbestände im Westen. Das gilt es zusammenzuführen. Da gibt es Synergien. Und wenn es dann so richtig gut läuft, verkloppen wir das Ganze an die Rumänen gegen ein Stück Wald in Siebenbürgen...

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Sonntag, 10. Juli 2005

Dirt Picture Contest - warum denn so förmlich?

So ein Ledersessel ist doch nicht stylisch... allenfalls was für Zigarillostinker und/oder als Wartesessel im SM-Bordell, aber doch keinesfalls was für die typische Berliner Wohnung. Zumal es dann dieses Stilmischmach gibt, 5 Teile Ikea, 2 Teile von Mama, ein Brocken Leder, der Tisch der Ex, die Klappstühle vomVormieter - das ist einfach nicht stylisch. Bunt darf es schon sein, aber es muss passen.



Na also! Identisch bis auf die poppige Farbe, lässig, loungig, Mitte vor 2 Jahren, taugt aber immer noch. So was findet man natürlich nicht in Mitte, da muss man schon in die besseren Viertel fahren, Fehrbelliner Platz, da stehen die rum und warten auf Liebhaber. Am Umstand, dass sie Stühle nicht den Bürgersteig unpassierbar machen, erkennt man die hohe Geisteshaltung des Spenders und der Passanten. In Mitte wären das sicher schon 14 Teile, auf 100 Meter verstreut - ach ja, der gute alte Westen.

Also schnell hin. Vielleicht überprüft die Mama hinten, ob die Dinger in den Kinderwagen passen.

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Gelbe Organzaseide

oder wie ich n ochmal nach Berlin komme - das geht so: Eigentlich komme icfh nur, um den Umzug in Form von 5 zurückgebliebenen Bürostühlen eines guten Herstellers und eines fast bankrotten Vorbesitzerfirma abzuholen. Und ein wenig Haifische durch das Riff mit seinen Immobilienwracks und Haifischmeetings zu kutschieren, nebst einigen kleinen Plünderungszügen durch die seichten Gewässer der Antikhändler. Eigentlich sind das reine Synergien, man fährt durch die Gegend, bepackt den Wagen, geht Abends aus, und wenn man am GBrillgestank nicht erstickt und um Mittag dem Betrunkenen auf der Strasse ausweicht und die Gang sich lieber mit den Russen prügelt und einem keiner die Reifen schlitzt oder eine Bierflasche drunter stellt -

dann kommt man unter Erreichung der selbstgesteckten Ziele schnell und unkompliziert nach Hause. Das geht so lange gut, bis man sich einen Sessel und einen dazugehörigen Pouf aus den 50er Jahren kauft, der ohne jede Frage vernünftig argumentiert werden kann, der Sinn macht, und der das Auto genau da vollmacht, wo die Stühle, die Ursache der Reise liegen sollten - quer hinten über dem Hutschenreuther-Service "Margarethe" für 12 Personen und unter dem gut 200 Jahre alten venezianischen Spiegel, die erst gekauft wurden, als es wegen dem gelben Sessel aus gelber Organzaseide ohnehin schon egal war.

Man kann das alles so erklären, dass man Berlin ausplündert, und die Goten ja auch öfters die römischen Provinzen heimsuchten. Am Ende steht aber immer die Erkenntknis, dass man nochmal hierher muss, früher oder später. Und man braucht eine gute Erklärung daheim. Zu sagen, dass andere ihr Geld verrauchen, mit Freundenmädchen durchbringen oder in stinkenden Alkoholikaresten ins Klo kotzen, mag vielleicht bei einer Berliner Familie ziehen - dummerweise ist dergleichen in den besseren Vierteln der Provinz kein anerkanntes akulturelles Phänomen.

Da hilft nur irgendwo verstecken - aber wo versteckt man einen kanariengelben Sessel und Pouf aus Organzaseide?

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Sonntag, 10. Juli 2005

Real Life 09.07.2005 - Nebentisch

Die fette Sau, die dir den Zigarrenrauch zwei Stunden ins Gesicht bläst. Sein raushängendes Hemd. Sein Freund mit Photohandy, das er benutzt, wenn die fette Sau zum zehnten Mal seinen übermässigen Alkoholkonsum ins Klo trägt. Ihre gegenseitige Versicherung, dass alles gut so ist, und dass sie massig geld bei dem Consulting verdienen werden.

Davor die Rolexbubis, vielleicht gefälscht, die keinen Job haben und sich beim Franzosen in der Bergmannstrasse überlegen, wie sie die Yacht des Vaters verticken. Das Problem ist die Welle zum Propellor, die ein früherer Mieter ruiniert hat. Deshalb ist jetzt ein Aussenborder dran. Geht trotzdem 60 oder mehr. Wird sicher ein geiles Geschäft.

Die beiden Mütter auf dem Betonklotz. Noch ein Kind oder reicht es erst Mal. Die Nachfahren sind solang bei Oma zwischengelagert, aus deren Besitz auch die Wohnung kommt. Eine willd as Geld ihres Bausparers anlegen, aber statt Aktien denkt sie im Moment eher an einen Kombi. BMW. Nebenbei schreiben sie pausenlos SMS. Sie sind höchstens 25.

Mal regnet es fast, dann ist wieder diese schwüle Hitze. Es sind viele Bettler in der Stadt, viel Verwahllosung mit und ohne soziale Sicherung. Und gegenüber sitzt ein Haifisch und sagt, dass er trotzdem lieber in Berlin als in der Provinz leben würde. Vier Stunden später ruft er dich vom Flughafen aus an, denn sein Taxi ist einfach losgefahren, sein gepäck noch im Kofferraum, und er hat nur noch sein Handy und das Kleingeld und er weiss nicht, was er jetzt in dieser Traumstadt machen soll.

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Freitag, 8. Juli 2005

Führendes Gehynkel*

Es gibt gute Blogger, schöne Blogger, was man will - aber hier schreibt der ins warumsollenimmernurandereverdienen Blogberatungsbizz wechseln wollende Robert Basic was von "führende deutsche Blogger", die den Teilnehmern was erzählen sollen. Regelmässige Leser dieses Blogs werden wissen, dass es "Führende" geben könnte, die ich weniger als Blogger denn vielmehr als wenig erfolgreichen Pay Content Apologeten betrachte. Aber unabhängig davon: Führend? Und wer ist dann bitte nachfolgend? Die selbst eingebildete Linkhuren und Trackbackschleimis der Führenden? Und wohin sollen die Führenden führen? Braucht die, wenn der Begriff schon fällt, "deutsche" Blogosphäre Führer?

Weia - mal ehrlich, Robert: Irgendwo verstehe ich die Grundidee ja, angesichts all der Knalltüten, die mit Blogberatung und Seminaren einen schnellen Euro machen wollen. Vielleicht kannst Du das wirklich besser. Aber der Gedanke, dass irgendjemand oder auch nur ein kleiner Haufen von mehr oder weniger gelesenen Bloggern auch nur ansatzweise sowas wie eine Führungsrolle einnehmen könnte, oder im wirtschaftlichen oder sonst irgendeinem Sinne führend oder sonstwie *hynkelnd ist, führt direkt ins Lächerliche.

Warum kannst Du nicht einfach, sagen wir mal, "erfahrene deutsche Blogger" schreiben? Das hynkelt nicht, das garbitscht kein bisschen, das ehrlicht schon fast und niemand muss Angst haben, als Führer Benzino Napaloni der deutschen Blogosphäre tituliert zu werden. Wobei ich schon sehe, dass so mancher gern ein Lügen-Propaganda-PR-Garbitsch wäre. Oder sonstwie führend (Symbolphoto zweier Bizzblogger).

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Weites Land

Gerade hier und jetzt.



Morgen Berlin. Dann Dirt Pics, nix Himmel.

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Real Life 06.07.2005 - Antreten im Morgengrauen

In Berlin gab es mal einen Tag, an dem du tatsächlich um 8 Uhr los bist. Der Grund war eine Eröffnung, gut 200 Kilometer nordwestlich. Ausserdem gab es auch mal eine PK um 10, der Thinktank begann um formal um 9, aber zuerst mal mit einem Frühstück. So kennt man das. 8 Uhr steht allenfalls mal bei irgendwelchen Ausschüssen an, aber auch das ist eher selten. Um 8 Uhr eine Präsi, ein Meeting, das ist Jahre her.

Morgen wirst du um 8 Uhr eine Präsi machen, Zielgruppenblabla und vertikale Kommunikationsstrategie, Interaktivität und low entry levels, die ganze Latte Neusprech nochmal. Du wirst im Koma sein, und sie werden hellwach sein. In einem lichten Moment wird dir einfallen, dass das hier Provinz ist, da ist ein Meeting um 8 etwas völlig normales, da denkt sich niemand was dabei, und vielleicht wirst du dir wünschen, dass es wieder so wird wie in der New Economy, als 8 Uhr gar nicht ging, weil man als Lusche galt, wenn man vor 4 ins Bett ging.

Aber das war in der Munich Area, nicht hier. Hier gehen die Uhren anders, und die Leute halten sich daran. Fuck. 8 Uhr. Und wahrscheinlich weiss da kein einziger, was so ein Blog ist, und warum man überhaupt mit den Lesern in Kontakt treten sollte. Von welcher digitalen Revolution sülzen die Trendleute eigentlich, wenn du um 8 Uhr eine Website vorführen sollst, vor Leuten, deren Behörde noch nicht mal eine Intranet hat, in einem Raum, in dem es kein Netz gibt und die Seiten auf deiner Festplatte liegen.

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Mittwoch, 6. Juli 2005

ICH werde mit denen nichts machen,

sagte der Kanzler. Kann schon sein, dass er keine Lust hat, mit denen links von ihm in ein Koalitionsbett zu steigen. Kann gut sein, dass er es nicht macht. Aber wenn es eine Mehrheit von Rot, Rosa und grünen FDP-Ersatzstoffen gibt, hat die SPD die Wahl, als Juniorpartner von Bad Mama merkel an die Wand gedrückt zu werden, was bei genauer Betrachtung auch für Masochisten kein Vergnügen wird - oder alle beissen in den weniger sauren Apfel, die Linkskoalition kommt (nachdem alle Gespräche über eine grosse Koalition gescheitert wurden), und Schröder tritt ab.

Ich, sagte Schröder. Er, nicht die SPD. Jetzt heisst es abwarten, ob die CDU-Umfragewerte so fallen, wie die Mehrwertsteuer steigen soll. Und wie lange der Möllewelle bei seinem lauwarmen Geschwalle bleibt, bis er dann in den nächsten Fettnapf trampelt.

Nicht, dass ich Lafontaine und Gysi allzu toll finde. Aber ich komme aus einem land und einer Stadt, wo immer nur die CSU geherrscht hat. Ich habe als Bayer ein gottverdammtes Recht darauf, zumindest im Bund von einer linken Koalition verarscht zu werden.

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Dienstag, 5. Juli 2005

Real Life 04.07.2005 -Sturmfront

Da kommt ein Gewitter, sagst du, und weil sie es vom Fenster aus nicht richtig sehen kann, geht ihr auf die Dachterasse, wo das Licht des Tages schon in einem fahlen Grau erstickt. Aus dem Westen, ausgestreckt über den ganzen Horizont, ist eine Front im Anmarsch, rasend schnell und finster. Du stehst neben ihr, schweigend, obwohl du eigentlich nochmal was zu sagen hast, etwas wie, dass man nie zu alt ist, sein Leben nochmal zu ändern, und dass es das noch lange nicht gewsen sein muss, und eine Scheidung nicht das Schlimmste sein muss, jedenfalls besser als die komische Idee, das alles mit einer Schwangerschaft jetzt noch retten zu wollen. Das, was da kommt, ist auch so schon genug Abbild dessen, was in ihrem Inneren tobt.



Man weiss nie, was kommt und was geschehen wird. Ausser vielleicht, dass man sich fast immer zweimal trifft, egal wie lange es her ist. Das war verdammt lang her, und der Freund, der sie damals uneingestanden neben seiner eigenen Freundin wollte, ist heute Arzt in Würzburg. Gestern hast du bei den alten Bildern eines von ihr gefunden, auf der Stufe ihrer Schule, heute kam sie dir entgegen, als du die Tür aufgesperrt hast, und sie ging spontan mit hoch. Auf eine Kanne Tee, für eine Stunde, und dann doch für einen Nachmittag, bis jetzt, als der Himmel explodiert, und sie könnte auch so kaum mehr bleiben, weil sie ja noch Verpflichtungen hat, daheim. Aber noch steht sie hier und schaut nach Westen, schweigend und faszieniert vom sinsitren Spiel der schwarzgrauen Wolken.



Dann geht sie, du bringst sie noch bis zur Treppe, und ihren Schritten kannst du entnehmen, dass sie sich beeilt. Dann stellst du dich wieder auf die Terasse und schaust zu, wie sich die Wolken zusammenballen. Langsam kommt der Wind auf, in kurzen Stössen, hier und da biegen sich die Bäume, bis die Böenwalze heranfegt, abgerissene Blätter fegen über die Dächer, und die letzten Schwalben sirren nach Osten, wo der Himmel noch in einem unnatürlichen, gelblichen Blau erstrahlt. Oben, auf dem Kamin, tappselt noch eine etwas nervöse Taube herum, direkt neben dem Blitzableiter, unter dem, sicher unzureichend vom Kamindach geschützt, ihr Nest ist. Aber es hat hier noch nie eingeschlagen. Hier passiert nie etwas.



Der Wind trägt feinen Niesel zu dir, dann die ersten dicken Tropfen, und plötzlich geht alles ganz schnell, ein Windstoss und dazu fast waagrecht das Wasser, nichts wie rein in dem Wissen, dass es sie in wenigen Augenblicken ereilen wird, da oben wandert das Gewitter mit 80, 90 Kilometern pro Stunde, da wird sie es nicht zum Auto geschafft haben. Dann bricht auch schon die Hölle los, von so ein Unwetter hat man hier oben direkt unter dem spitzen Giebel eines Stadtpalastes einen sehr unmittelbaren Eindruck, selbst wenn man nicht Mary Shelleys Beschreibung des Gebäudes kennen würde, in dem Frankenstein sein Monster erschafft und deren Dachkammer in allen Details ganz vorzüglich zu dem Raum passen würde, in dem du bist. Über ein Dutzend Kilometer hinweg, aufgereiht an einer dunklen Wolkenkette, fauchen die Blitze nach unten, du zählst die Sekunden, und dann wird es plötzlich hell wie tausend Sonnen, und es klingt so, als hätte jemand dein Trommelfell zerrissen. 100 Meter vielleicht, höchstens... aber es ist nichts passiert.

Es passiert nie etwas. Das ist alles nur Kulisse, es gibt keine echten Dramen, das Unwetter verzieht sich und die noch nicht gefallenen Töchter der besseren Familien gehen, bevor sie zwei Stunden während des Spektakels da draussen vielleicht etwas tun, hier oben so fern von ihrer Vorstadtwelt, was sie ihrem Nochmann und ihren Freundinnen nicht erzählen dürften. Und du schaust hinaus und überlegst, wie sich so eine Sturmfront wohl fühlen mag, da droben, und warum sie nicht ein einziges Mal die Stadt und das schwarze Pack und die Spiesser und die Kinderquäler und die Dummmacher und all den Lokaldreck in den grossen Fluss fegt, Tabula rasa macht und diesem Ort, an dem die Dummheit geboren wurde, eine neue Chance gibt.

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