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Sonntag, 9. November 2008

Blau






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Samstag, 8. November 2008

Erster Schnee

Ich komme von ganz oben. So hoch man gerade noch kommt. Umbrail und Stilfser Joch sind seit ein paar Tagen zu, Lawinengefahr, der Jaufenpass liegt schon verwaist im Schnee.



Nie war die Auffahrt so frei, nie war es da oben so einsam, allein mit den Wolken, dem Wind und den eisgepanzerten Bergen. Ich war in der Zukunft, und was von dort ins Tal kommt, ist kalt, lebensfeindlich und bitter.



Und es war eine Fahrt zum Tod; der lange Zug der Frauen aus Reschen durch das Dorf in die kleine, braungraue Kirche hinter dem Sarg, danach die Kapelle ohne Musik, und eine, die umkehrte, den Hut in der Hand und die Kirche nicht betrat, wer weiss, was sie mit dem Toten an Hass oder Liebe hatte. Da oben stirbt man nicht einfach, man bleibt unter den anderen, so oder so. 1000, 2000 Kurven später ist es nur kalt im offenen Wagen, nur kalt, aber schön, lebendig und voller Erinnerungen.



Ich war in vier Ländern, ich habe Tuorta da Nusch aus Müstair geholt. Bergkäse und Coppa aus Naturns, wo nebenan in St. Prokulus die Heiligen geröstet werden, Öl, Grana und Vinschgauer aus Meran und dort noch einmal unter den Lauben gegessen, Kaffee und Salz aus Österreich mitgebracht und Torte aus Gmund. Das meiste wird halten, manches wurde schon gekocht, und wer weiss, wann ich wieder wie der Wind über die Pässe fege, die im Tal dunkel und an den Spitzen vereist sind. Der Winter kann kommen, für mich und die Gäste.

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Freitag, 7. November 2008

Harte Tage für harte Männer

Vieles in meiner alten Wohngegend hat sich zum Schlechteren verändert. Das La Boheme: Weg. Der türkische Imbiss mit dem selbstgebackenen Brot: Weg. Das nette Antiquariat in der Schellingstrasse: Weg. Der Türkendolch: Weg. Statt dessen ein Lokal, das Soda heisst. Sehr viele Kleiderläden für anämische Globalclone. Studenten wohnen hier kaum noch, und die Kochschule ist immer rappelvoll. All die Probleme, die mit der 1a-Lage in einer zu teuren Stadt vermutlich unvermeidlich sind. Insofern ist es angenehm, dass in der Nordendstrasse/ Ecke Bauerstrasse mit Heckmüller ein Fachgeschäft für Kindermoden und Herrenwäsche existiert, das bruchlos aus den 60er Jahren stammen könnte. Dort kam ich gestern vorbei und sah die Pullis mit der Aufschrift Monza, neben den heute wieder todschicken, in meinen Augen aber eher BWL-spiessigen Rautensweatshirts.



Ich dachte an heute, an die Schneeberge auf den Pässen und den eisigen Wind in den Höhen, betrat alsdann den Laden und sprach: "Ich werde morgen auf einer Passhöhe in den Alpen in meinem offenen Wagen vermutlich erfrieren, und würde das gerne in einem dieser weissen Monza-Pullover tun; haben Sie ihn in Grösse L vorrätig?" Sie hatten, ich probierte und kaufte in der festen Überzeugung, mit der Monza-Aufschrift längst über das Alter hinaus zu sein, in dem man noch sowas wie Midlifecrisis haben kann und Torheiten wie Pässe im Schnee grundlos macht - vielmehr habe ich durchaus rationale Gründe, warum ich heute in Regionen anzutreffen sind, die andere längst auf Skiern betreten und in Rettungshubschraubern verlassen. Um nur mal den geringsten Grund anzuführen:



Ich muss meine einerseits neuen und ungetragenen, andererseits schon ziemlich vintage anmutenden und unverschämt günstigen Autohandschuhe einfahren. Die gerieten heute in einem Antikmarkt in meine Hände, waren noch zusammengenäht und aus dickem Hirschleder gefertig, das über die Jahre hart und unflexibel wurde. Kenner dieses Blogs werden vielleicht anmerken, dass es von mir Bilder mit mindestens vier Paar anderer, weicher und anschmiegsamer Handschuhe für offenes Fahren gibt, und sie haben recht: Aber die neuen Handschuhe sind nicht nur für das Fahren geeignet. Sie sind die einzigen, mit denen man auch den Wagenheber bedienen, Zentralverschlüsse aufschlagen oder ohne grosse Sorgen den heissen Motor anfassen könnte.

Abgesehen davon passen sie perfekt zum Pullover. Oder andersrum. Und das kann man so nicht am See tragen, also muss ich in die Berge. Weitere rationale Gründe kann ich mir ja heute zwischen Innbruck und Vorarlberg einfallen lassen. Sage solange bitter keiner, dass sich Herrenwäsche und Mode für grössere Kinder nicht ausschliessen würden.

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Freitag, 7. November 2008

SM-Himmel

Schlag mich! Martere mich! Gib mir Heiligennamen!



(Aus der beliebten Reihe: Kulturhistoriker belieben zu scherzen)

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Gewissen?

Die SPD in Hessen ist natürlich etwas ungeschickt. Solche Eingeständnisse einer Verräterin in den eigenen Reihen auf der eigenen Website zu veröffentlichen und wieder runterzunehmen, ist suboptimal. Üblicherweise würde man sowas befreundeten Journalisten diskret zur Verfügung stellen, die dann, anders als es die Beihelfer in der FAZ tun, die Fragen stellen könnten, die wirklich spannend sind. Aber wenn sich die Medien weitgehend zur Jagd auf die SPD gleichschalten und erst gar nicht wissen wollen, welche Motive es für den Verrat sonst noch geben könnte, findet man wohl kaum einen Journalisten, der sich dahinterklemmen will und darf. Die schreiben lieber von Gefahr für Leib und Leben, weil der SPD-Mann im Hintergrund mit dem vom Verrat begünstigten Innenminister der CDU übereinkommt, dass Polizeischutz organisiert wird. Keine parteipolitischen und finanziellen Interessen, nirgends.

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Mittwoch, 5. November 2008

Yes we can blackmail

Du hast eine Wohnung am Rande der Berge, gleich oberhalb eines traumhaft schönen Sees. Es ist Anfang November und immer noch sehr warm. Das Wetter ist wunderbar, und du entschliesst dich, heute mit einer Bekannten in ein Kloster zu fahren, das eine Wirtschaft mitsamt Sonnenterasse und einen phänomenalen Blick über die Alpenkette vom Chiemgau bis zur Zugspitze hat. Eine Sonnenterasse, auf der sich fette, alte Münchner an Schweinshaxen vollfressen, bis sie nicht mehr können und der Würgerei überdrüssig die Knödel zurück gehen lassen.



Du setzt dich an den äussersten Rand, denn schön ist das reiche Schauspiel nicht, und entscheidest dich für einen Germknödel. Es dauert ein wenig, weil es trotz Werktag voll ist, aber da ist diese Fernsicht mit 100 Kilometern, an der du dich nicht sattgeaffen kannst. Dann kommt der Germknödel und bildet den ersten Hügel in einer langen, grandiosen Reihe von Bergen voller Wald, Fels und Schnee.



Um das alles perfekt zu machen, erlebst du auch noch einen grandiosen Sonnenuntergang; Du würdest Deine Begleiterin jetzt gerne umarmen, in diesem warmen, satten, alles durchdringenden Licht, das dich aufsaugt mit seinem Glanz,



es zieht dich hinein, entreisst dir den italienischen Namen, das Leben, die Wohnung, den See, den Geschmack des Germknödels, du bist nackt in diesem Licht, es wirft dich auf deine Existenz zurück und obendrein in ein Bett in einem Schwellenland. Genauer, das viertgrösste Schwellenland der Erde, dein Kopf dröhnt noch vom Licht und vom Alk gestern Abend, und langsam fällt es dir ein: Du hast keine Wohnung am Tegernsee und keine Bekannte, die wie Romy Schneider aussieht, du bekommst keine Germknödel und das da vor dem Fenster sind auch keine Berge, sondern die von Favelas umschlossene Hauptstadt Washington. Du heisst Obama, bist seit gestern so eine Art künftiger Diktator, kannst aber im Gegensatz zu den drei grösseren Schwellenländern weder Wahlen kaufen wie die Inder, noch einen Volkskongress einschüchtern wie die Chinesen, und Oligarchen verknacken und Firmen erpressen wie der Putin darfst du auch nicht. Kurz, du bist der Boss eines maroden Landes, und du musst jetzt aufräumen, was dein Vorgänger Idi George Amin Bush an Zerstörung hinterlassen hat; ein paar Kriege, eine angekotzte Welt, und einen Quasi-Staatsbankrott, den Leute angezettelt haben, die dummerweise für deine Wahl gezahlt haben. Du beginnst zu begreifen, dass es eigentlich gar nicht so schlecht wäre, wenn jetzt deine besiegten Gegner, die Alte mit den Glubschaugen oder der Tattergreis die Scheisse angehen müssten.

Gestern warst der Held, heute wollen sie schon, dass du ihnen die fetten Arsche auswischst. Es ist der Tag nach dem Sieg, und die Hauskreditversicherer Ambac und MBIA lassen dich wissen, dass sie zusammen im letzten Quartal über 3,3 Milliarden Dollar Verlust verzeichnet haben. Um das in Relation zu setzen: Die einzelne Ambac-Aktie ist 2,01 Dollar wert, und macht einen Verlust von 8,45 Dollar. Sprich, die Läden sind so fertig und windig wie einer ihrer Subprimekunden im Rust Belt. Leider kannst du sie nicht pleite gehen lassen. Ohne Kreditrisikoversicherung werden Banken keine Kredite geben, und die Wirtschaft wird leiden. Also, das heisst: Was von ihr noch da ist, nachdem tausende Banken durch die Pleite der Versicherer gezwungen wären, die von Ambac und MBIA vertriebenen Derivate mit exakt Null anzusetzen, mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft. Das wird teuer. Zumal jetzt auch wieder das für die Refinanzierung so wichtige Rating wackelt.

Du hängst noch kotzend über dem Waschbecken, da stehen auch schon die Jungs des Autofinanzierer GMAC in der Tür. Eine Hälfte gehört General Motor, die andere dem Hedgefonds Cerberus, dem auch Chrysler gehört. Und siehe da, auch sie haben wegen schlecht zahlender Kundschaft 2,5 Milliarden Quartalsverlust. Wenn die keine Kredite mehr geben - wer soll dann noch einen schrottigen US-Wagen kaufen? Da wird der Staat helfen müssen. Sonst bricht der Staat zusammen. All diese Klitschen sind ziemlich tot, und du musst sie jetzt retten, damit sie im Untergang dem Land nicht den Rest geben. Deren Lage ist verzweifelt, aber deine ist auch nicht besser, wenn du solche Verwerfungen mit vielen Steuermilliarden beheben musst.

Also, es ist der 5. November und du hast die Arschlochkarte in diesem Spiel gezogen, gehe in das Oval Office. Gehe direkt dorthin, gehe nicht über den Biergarten von Kloster Reitberg Reutberg und ziehe keinen Germknödel ein.

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Föhnsturm

Seien wir ehrlich: Ohne den strammen Wind aus dem Süden wäre es heute einfach viel zu heiss.



Grosses Bild hier

Man sagt, es sei die längste Föhnphase seit Menschengedenken.

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Guter Morgen

1985 ging ich in meiner Heimatstadt in die Post, um ein paar englische Bücher abzuholen. Vor dem Gebäude hatten sich ein paar komisch aussehenden Demonstranten aufgebaut, mit antikommunistischen Plakaten, und einer mit offensichtlich amerikanischer Herkunft geiferte mich an: "Wia sin gägen die neue stalinistische Hidler Gorbatschow!" Wie wir erfahren durften, sollte man erst mal abwarten, solange es keine eindeutigen Klogriffe wie Bush, Andropov, Reagan oder Ceaucescu sind.



An dieser Stelle auch ein herzlichen "Fuck you" an die 48% der amerikanischen Wähler, die den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen haben und erneut für die Republikaner, ihren Opa und die bigotte Nachfolgekatastrophe gestimmt haben. Hier am Tegernsee ist es wunderschön, es gibt Föhn und jetzt schon über 20 Grad in der Sonne.



Life´s ok.

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Dienstag, 4. November 2008

Pretium laborum non vile

Ein wenig Föhnsturm im Schlosspark Ambras bei Innsbruck















Ich mag diese spezifisch irreale Stimmung, die einem Schlosspark zu eigen ist. Diese Ignoranz der Realität, das Zurechtmachen der Natur, und die Wesen, die davon angezogen werden.

Am Ende dann ein schwarzer Schwan. "Der schwarze Schwan" ist ein im Moment beliebtes Buch über scheinbare Unvorhersehbarkeit in der Wirtschaft, und zu solchen Phänomenen gehört auch, dass seit einer Woche so gut wie keinerlei guten Nachrichten aus der Wirtschaft kommen, und Aktien von Firmen am Anfang der schlimmsten Rezession seit 40 Jahren üppig steigen. Ich habe den Eindruck, dass es vor allem an der begrenzten Sicht der Marktteilnehmer liegt, die Implosion in Irland (da, wo der Staat für kaputte Banken garantieren will) wird so wenig beachtet oder auch nur vermeldet wie die Vollbremsung der ungarischen Wirtschaft. Ryanair bietet ab nächstem Jahr transatlantische Flüge ab 10 Euro an - weil es gerade massenhaft fast unverkäufliche Passagiermaschinen der Konkurrenz gibt, und weil weniger Leute in die USA wollen. Hier kommt sie, die Deflation, und die Aktien frisst sie auch noch, in ein paar Tagen. Oder Wochen. Ausserhalb der Mauern des Schlossparks, in dem gerupfte Pfauen auf Kinder warten, die ihnen für 10 Cent Vogelfutter kaufen, und nicht darauf achten, dass dieser Schwan im Wasser schwarz ist.

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Empfehlung heute - Ich mag Baudrillard

Eigentlich, dachte ich mir heute beim Frühstück, eigentlich hat die Wirtschaftskrise ja auch ihr Gutes. Sie schickt manche Titanen in den Staub, Märkte kommen wieder in ihre Gleise zurück, und ihre Kontraktion sorgt dafür, dass ein paar besonders beschissene Beufszweige demnächst ihre Büttel abwerfen, wie die Bäume da draussen ihre braunen Blätter.



Nehmen wir nur mal die Mediensimulationen, nachgerade im Internet. So Gossenschwemmen wie Spiegel Online, Daytradergeschmiere wie die FTD und noch viele andere. Teilweise natürlich auch Print, man muss nicht weit gehen, um sie zu finden. All die wohlfeilen Strich- und Stricherbuden, deren hugenbergöse Nachgangsgrützlinge seit Monaten andeuten, dass sie jeden Zuwachs der Schwarzbraun helfenden Steigbügelschurkerei bejubeln werden, und es nun - von 0 auf 4 in 65 Jahren - auch ausgiebig würdigen. Das, was ihnen bei Schröder nur teilweise gelungen ist, haben sie jetzt bei der hessischen SPD geschafft, und 4 der heimtückischsten Sozialdemokraten seit Noske dürfen sich nun freuen, bestätigt zu werden. Solange noch Geld für die Büchsenspanner der sog. 4. Gewalt da ist.

Und da schaut es schlecht aus. Wirklich schlecht. Nehmen wir nur mal die FTD, seit Anbeginn ein Verlustbringer für Gruner + Jahr, eine neoliberalalale Heilsverkündigungsklitsche, die nach den eigenen Massstäben als quietschrote Bilanzverschandelung längst in den Orkus gehören würde. Oder unsere Freunde vom Spiegel, die gerade das harte Brot des Auflageneinbruchs in das Maul gestopft bekommen. In Verbindung mit dem Anzeigengeschäft, das schneller fällt, als der Koch einen Umschlag mit jüdischen Vermächtnissen rüberschieben könnte, wird das alles kein Spass. Ja, es trifft sicher auch die Falschen, aber so mancher Richtiger wird unabsichtlich auch vom Markt gestraft werden. Und die PR-Stellen, auf die man sich flüchten kann, sind auch nicht mehr so üppig gesäht. Andere schleimen sicher billiger. Käuflichkeit gehört sowieso dazu. Manche werden unter die Räder kommen, und wie schon 2000 finde ich das gar nicht so schlecht. Damals die New Economy Lügner, heute die neoliberalen Begleitfurzmusikanten.

Ich werde dann immer noch auf meiner Terasse sitzen. Und ich bin mir sicher, dass auch Lübberding dann noch feine Texte über Baudrillard, Gewissen und Verrat schreiben wird. Und das Glas, das ich an dem Tage heben werde, da Hessen entbräunt ist, steht schon in meinem Küchenschrank. Langfristig sind sie alle Haider.

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Dienstag, 4. November 2008

Das lebende Fossil vom Spitzingsee

Man kennt das: In abgelegenen Regionen, nicht weit entfernt von lebensfeindlichen Wüsten und Einöden, wie beispielsweise der in Auflösung befindlichen SchurkengenossenschaRepublik Österreich, überstehen Lebensformen lange Zeitläufe, die sie andernorts längst hinweggespült haben. An der Grenze zu Österreich, in einer deutschen Sackgasse und von einem 1150 Meter hohen Sattel vom eh schon retardierten Schliersee getrennt, befindet sich der Spitzingsee, und an dessen Gestaden wird in einem Cafe ein Apfelrahmkuchen gehalten, den man ansonsten nur noch von Stillleben des 18. Jahrhunderts kennt:



Da ist der hoch überstehende Rand, der früher typisch für Kuchen war, das sind die handgeschnittenen Apfelscheiben, da ist der Rahm, den man heute unter Hungerleiderzwang nicht würde haben wollen, und da ist das Fehlen des Zuckers. Zucker war teuer, deshalb lebt der Kuchen allein vom Fruchtzucker der Äpfel und der Süsse des Honigs. So hat man das früher gemacht, und deshalb glänzen die Kuchen des 18. Jahrhunderts auch so gelblich in den prunkvollen Darstellungen der Tischkultur.



Das Ganze findet sich mit Sonnenterasse und blauweiss bedirndelter Bedienung - inzwischen finde ich diese Tracht gar nicht mehr so besonders, nur hier ist es mir wegen des besonders angenehmen und natürlichen Exemplars aufgefallen - im Cafe Kameter, und selbst, wenn man mich dafür zwischen Ostsee und Main hassen wird: Auf 1100 Meter wurde es heute locker über 20 Grad warm. Der Spaziergang um den Spitzingsee war dann auch nur mit Ablegen des Pullovers zu ertragen. Bei der Gelegenheit habe ich auch das Haus gefunden, in dem man prima einen Roman über die schlechte Zeit schreiben könnte, in der man einen Aston Martin DB7 mit 40.000 Meilen auf dem Tacho für weit unter 20.000 Euro kaufen kann. Allerdings braucht man den hier oben nicht, denn das Haus ist nur zu Fuss zu erreichen, und wozu einkaufen, wenn man zum Cafe rudern kann?



Ein kleiner Nachteil bleibt bestehen: Dieser grandiose Sonnenuntergang liess den See schon kurz nach 3 Uhr in Silber erstrahlen. Toll, wenn man viel zu lesen hat, eine Deadline für einen Roman, oder was immer man sonst so in der Einöde treiben kann. Oder vielleicht doch keinen Roman, sondern Kochübungen nach Grossmuttern Art. Und hoffen, dass auch dieses Jahr der Schnee ausbleibt. Sonst verwandelt sich die Region leider in der Münchner liebstes Skigebiet.

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Liebe SPD,

ich hoffe, dass die hinterhältigen Verräter Jürgen Walter, Dagmar Metzger, Silke Tesch und Carmen Everts aus der hessischen SPD so schnell wie möglich ausgeschlossen werden. Bei der Gelegenheit könnte man noch ein paar andere "Sozialdemokraten", die Köche brauner Suppen unterstützen, gleich auch noch rausschmeissen. Dieses Land und diese Partei brauchen keine als "rechte SPD" getarnte Steigbügelhalter der Baureihe "Zentrum 1933".



Ansonsten kann ich ja inzwischen fast froh sein, mit so einem Blick zum Frühstück am Strandbad in Bayern zu leben, wo die CSU noch viel Platz nach unten hat, die Wähler auch nicht dümmer als in Hessen sind und obendrein die Arschlochquote in erträglichen Parteien niedriger als in Hessen ist. Echt. Ich würde in Hessen nicht leben wollen. Nicht mit so einer CDU und solchen Charakteren in der SPD

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Montag, 3. November 2008

Feueradern

Das sieht nur ein paar Minuten so aus, während sich der Stau von Rottach bis zur Autobahn erstreckt.



Hielte man an, würde man ein paar Plätze im Stau verlieren, also fahren sie weiter, und so bin ich allein am See. Die Menschen sind seltsam: Als gäbe es nichts wichtigeres, als in die Dunkelheit und in die grosse Stadt mit der schlechten Luft zu kommen.

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Updike am See

Als ich noch nicht so viele Bücher und sowas wie eine Ordnung in der Bibliothek hatte, gab es ein einfaches Prinzip der Sortierung: Fachbereiche bei Fachbüchern, und Belletristik nach der Nationalität der Autoren. Jedes System hat bekanntlich seine Lücken und Fehler, der Katalog "Ornamennta Ecclesiae" stand in der Buchmalerei, und der Lemberger Joseph Roth fand sich unter den deutschen Autoren jüdischer Abstammung wieder, wobei ich expressis verbis keine Ecke für österreichische Literatur hatte. Im rechten Bücherschrank oben standen die Amerikaner, viele Amerikaner, unter anderem Poe, Twain, Bierce und die gesamte schwarze Serie von Hammett, Woolrich und Chandler. Auch ohne diese eigentlich unamerikanischen Literaturumtriebe - man denke nur an die Verwendung des Namens Marlowe bei Chandler in Anspielung auf den englischen Dramatiker Christopher Marlowe - übertrafen die US-Amerikaner problemlos die Südamerikaner, wie auch die Italiener, Spanier ohnehin und Russen auch, wobei russische Literatur, nun, also. Wie auch immer, mein Bücherschrank sollte eine gerechte Globalisierung bekommen, meinen Steinbeclk hatte ich schon, und so kaufte ich Amado, Ribeiro, Fuentes und Márquez. Für die Vermehrung der amerikanischen Literatur sorgte dann die Bemusterungsunsitte deutscher Verlage in der Hoffnung auf Rezensionen, der ich einen Haufen angelesener Langeweiler wie D. B. C. Pierre und Siri Hustvedt verundanke; traurige Versuche, die es nach Capote und Maraini nicht mehr gebraucht hätte. Dennoch habe ich heute einen selbstgekauften Amerikaner auf meine bevorzugte Lesebank am See mitgenommen.



Die Erzählungen von John Updike könnten in dieser Welt am See kaum fremdartiger sein. Ich habe mitten im Buch mit der Geschichte "Mein Vater am Rande der Schande" begonnen, bei der man davon ausgehen kann, dass sie autobiographische Züge hat. Ein Sohn, der das Tun und Lassen seines Vaters in den Jahren der grossen Depression betrachtet, den Abstieg der Familie vom provinziellen Bürgertum eines Handelsvertreters vor dem 1929er Crash zum Existenzminimum eines prekären Lehrerdaseins, das durch gelegentliche Griffe in die Schulkasse aufgebessert wird. Keine Geschichte, die in Zeiten wie heute besonders angenehm zu lesen wäre, vor denen der Boom für Wenige schon zu viel Armut und Angst bei den Vielen erzeugt hat, und deren Krise das Problem nochmal verschärfen wird. Als ich Berlin verliess, habe ich noch zu vergleichsweise günstigen BaWAG-Zeiten eine unschöne Überraschung nachgeschickt bekommen; was solche Versorgungsräuber 2008 unter den weniger Glücklichen und schlechter Abgesicherten anrichten werden, mag schon diesen Winter ein unschönes Thema für wirkungslose Leitartikel werden. Die Welt hat viele Sorgen, win paar mehr fallen da nicht auf, wenn der Banker um seine Boni weint und der Kaufstricher der Wirtschaftspresse vor der Einstellung seiner lachsfarbenen Lobbygosse sein Anliegen wortreich mit Verweis auf Leistung, die sich lohnen müsse, unterstützt.



Was Updike erzählt, ist dreierlei: Die Menschen finden sich mit dem Abstieg ab. Sie haben im Abstieg durch den Druck überhaupt keine Chance, sich gegen das System der Krise zu wehren. Und es hilft ihnen keiner, denn sie spielen keine Rolle. Updike schreibt über 20 verlorene Jahre im Leben von Menschen, die für die Katastrophe nicht verantwortlich sind, und dennoch die ganze Härte zu spüren bekommen, bis sie sich notgedrungen, unter Ängsten und Einschnitten arrangieren. Updike beschreibt diese Ambivalenz von Angst und Zuneigung sehr treffend in der Rückschau, und es hilft zu verstehen, warum sich Menschen in Krisen derartig passiv verhalten.

Es gibt in der New York Times einen brillianten und gleichzeitig irrwitzigen Beitrag über die neue Krise, und wie sich die Absicherung von amikanischen Lehrerpensionen über unfähige Berater und skrupellose Banker in Dublin bei einer ehemals und jetzt de facto wieder deutschen Bank zu einer Krise der Bildung in Amerika führt, oder warum diese Finanzkrise die Fahrkartenpreise in New York anheben wird. CDOs waren und sind zwar hochgefährlich, aber ein riesiges Geschäft, dessen Abwicklung einer scheinbar sicheren Welt den Boden unter den Füssen wegzieht. Allen, die von Absicherung und den Kapitalmarkt faseln und Schulen und andere Staatsaufgaben privatwirtschaftlich beteiben wollen, sollte man den Text auf Marmor ausdrucken und um die Ohren hauen. Gleichsam denen, die Lafontaine noch immer pauschal als Demagogen abtun.



Ach, Gewalt. Richtig, das gilt als unfein, wie das Verhaften von Bankmanagern. Das darf man nicht verlangen. Nun, in den USA ist es schon so weit, dass sehr viele Rentner nächstes Jahr sehr wenig Rente bekommen werden, weil ihre Pensionsfonds massive Verluste verspekuliert haben - das wird 2009 ein grosses Thema. Das bedeutet, dass sie sich keine gute medizinische Versorgung leisten können. Und nicht alle, aber im Durchschnitt doch kränker und früher tot sein werden. Wer einen Renter umbringt, der noch eine Woche zu leben hätte, ist ein Mörder. Wer sich grosszügig Boni auszahlt und damit für die Verluste kassiert, deren Folgen andere ausbaden müssne, gilt als Leistungsträger, den man halten muss. Sie können das: Manche wählen ja immer noch FDP und CDU. Manche finden es immer noch niederschreibenswert, wenn sich eine Koalition gegen die Erfüllungsgehilfen der Banker in Hessen findet. Die gleichen, die unfähig sind, Geschichten wie die New York Times zu schreiben; Geschichten, die auch sehr viel über unser Land erzählen, die man hier aber nicht hören will. Man soll sich bittschön mit den Folgen abfinden. In saure Äpfel beissen, und nicht in Kehlen.

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