: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 1. Januar 2009

Nicht spiessig.

Auch auf die Gefahr hin, in den Hipsterbrutzellen von Hoyerswerda bis Tübingen missverstanden zu werden, möchte ich nach einiger Lektüre zu den Ereignissen des neuen Jahres ein paar Dinge klarstellen:



Spiessig ist es nicht, sein Leben selbst zu bestimmen und friedlich Dinge zu tun, die einem geraten scheinen, selbst wenn dabei nicht viel passiert. Mit hunderttausend anderen auf Partymeilen grölen ist dagegen in etwa so fortschrittlich wie im Sportpalast Ja brüllen.



Es ist nicht spiessig, sich an Zweigen zu erfreuen, die vom Schnee überzuckert aus einem japanischen Holzschnitt stammen könnten. Es ist absolut nicht akzeptabel, sich zweimal im Jahr den Genuss eines Besuchs im Radladen anzutun, weil irgendwelche Cretins Räder als Allgemeingut ansehen.



Es ist nicht spiessig, im Berg den Entgegenkommenden ohne Unterschied einen guten Tag zu wünschen, denn damit zeigt man: Ich habe Dich gesehen, und wenn etwas sein sollte, helfe ich Dir. Du und ich, wir sind, wenn es darauf ankommt, eine Gemeinschaft. Es ist im Gegensatz dazu alles andere als sozial, vermeintliche Luxusautos anzuzünden und daneben auch noch andere Fahrzeuge mit zu beschädigen.



Es ist selbstverständlich und keinesfalls spiessig, oben auf der Alm jeden kleinen Rest Müll von der Brotzeit sorgfältig einzupacken und unten im Tal in den Mülleimer zu werfen. Es ist überhaupt nicht cool, sich zu besaufen und anschliessend die Flasche unter Autoreifen zu legen, oder sie auf dem Radweg zu zerdeppern, oder in geschlossenen Räumen Menschen mit Böllern zu bewerfen.



Man muss die Polizei nicht mögen, aber diese Leute sind keine Spiesser, sondern sie tun ihren Job - was viele Cretins vermutlich erst verstehen, wenn sie zu alt sind, um sich zu einem Mob zu firmieren und Wachen zwecks der Gaudi angreifen, und trotz ihrer verkorksten Existenz jemand brauchen, wenn sie von ihren Nachfolgern zwecks Ausraubung gestiefelt wurden.



In fact gibt es eigentlich nichts Langweiligeres, Dümmeres und Spiessigeres als asoziales Benehmen. Das kann jeder Depp. Der Spiesser von heute trägt nicht Loden, sondern Baseballkappe, Kapuzenshirt und ipod. Des Neuen Spiessers Eiche Rustikal heisst Billy, der Moselwein Coffee2go und der Schweinebraten Maxidöner zum auf der Strasse fressen. Der Spiesser von heute hat einen billigen Job mit beschissenen Arbeitszeiten und erwartet, dass die Läden für ihn bis Mitternacht aufhaben. Der Spiesser von heute fordert WLAN überall und beschwert sich über die deutsche Dienstnichtleistungsmentalität. Der Spiesser will alles, er gibt nichts und bescheisst bei der Fahrtkostenabrechnung. Der moderne Spiesser kann mit jeder Form asozialen Lebens prima leben, solange sein Macbook Pro keine Schramme bekommt. Dem modernen Spiesser schaut weg, wenn jemand randaliert, solange es nicht seine Lebensideale stört. Der neue Spiesser verteidigt seine Künstlersozialkasse, wie der alte Spiesser Kohl wegen der Rente wählte. Der moderne Spiesser hat seinen reinen, selbstbezogenen Egoismus an die Stelle des alten spiessigen Egoismus gesetzt, der alles kontrollieren wollte. Der moderne Spiesser hat deshalb nicht mehr mal ein Herz für einen Pudel. Man kann darüber reden, ob der neue Spiesser mit seiner Leckmich-Haltung ein widerlicheres Arschloch als der alte Kontroletti-Spiesser ist, und unter wem man besser leben würde, wenn man nicht das Glück hat, täglich a la Marinetti auf den Altar dieses Packs spucken zu können. Was fraglos die beste Art des Umgangs mit diesen Problemen ist.

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Irrsinnig komisch

"Madame d´Halières liess ein bezauberndes Lachen hören."
Crebillon der Jüngere, Les faits et gestes du Vicomte de Nantel


Nun, es mag scheinen, als hätte uns das Jahr 2009 zuerst mal ein wenig eingeschneit, was sich am Morgen vom Platz an der Heizung aus ganz hübsch machte. Nicht viel Schnee, aber doch genug, dass sich am Hügel gegenüber die Kinder rutschend ihre Knochen brechen. Wenn schon Winter, dann so.



Ich gehöre ja zu denen, deren gute Erziehung alte Weisheiten wie "gleich abräumen heisst später weniger arbeiten" zu vermitteln wusste, und gemeinhin halte ich mich auch daran; was übrig ist von der grossen Völlerei des Vorabends, ist bereits wieder weggeräumt, und nur wenige Reste künden von den Belustigungen des Vorabends mit drei sich steigernden Gängen, deren letzter etwas zu üppig geraten ist, und schuld sind nur die Österreicher, die Ricotta gegenüber Creme Fraiche billig erscheinen lassen, der Himmel mag wissen, warum.



Ja, es mag dumm sein, den Ricotta eines beliebten Herstellers billiger anzubieten, als die Creme Fraiche des Hausanbieters. Dennoch scheint es dem österreichischen Laden blendend zu gehen, wenn man den mit deutschen Fahrzeugen überfüllten Parkplatz sieht. Anders sieht es in den UdSSA aus, wohin mein Blick in den letzten Tagen seltener streifte - dort gibt es Finanzakrobatik, die man nur als Salto Mortale bezeichnen kann. Da ist etwa der im Besitz des Hedge Fonds Cerberus befindliche Autofinanzierer GMAC, der einen 6 Milliarden schwerden Bailout bekommen hat, gegen 8% Zinsen und Anteile für den Staat. Und was macht GMAC mit all dem schönen Geld? Sie teilen eine 0%-Finanzierung für grosse Opels an Leute aus, die sich als fleischgewordenes Ausfallrisiko ganz sicher keines dieser hässlichen Autos leisten könnten.



Wenn GMAC 4% jährliche Betriebskosten hat, 8% Zinsen zahlt und 0% Zinsen bekommt, und obendrein eine mild geschätzte Ausfallrate mit 5% hat, ist das Bailoutgeld in den 6 Jahren durchgebrannt, die diese tollen neuen Angebote dauern sollen. Es ist vollkommen klar, dass so etwas nicht gut gehen kann und wird - weder für GMAC, noch für einen Autobauer, der mit dem gestrigen Tag offensichtlich so eine Art pleite war. Und weil das alles natürlich nicht so sein darf, stellt das Finanzministerium quasi unbegrenzt Mittel für alles und jeden bereit, der was mit dem Bau dieser Schrottabwerkfahrzeuge zu tun hat. Der Staat als Bank für Firmen, die Banken zu riskant wären. Der Staat als Subprimesammler. Bis er selbst Subprime ist.



Ist es nicht toll? Bevor diese Ikonen der amerikanischen Wirtschaft pleite gehen, geht einfach der Staat pleite. Zugunsten der Private Equity Branche, der Akteinbesitzer, der Banken, und wer immer sonst noch Geld braucht. So macht man nadelabhängige Junkies, so perfektioniert man die Tricks, um den Staat auszunehmen, so ist es leichter, als irgendwas zu bauen, was die Leute auch kaufen wollen. Subprime hat die Krise ausgelöst, Subprime führt sie weiter, und wenn man nur genug Lügner findet, die das alles schön darstellen - hey, FTD, ich hoffe für Euch, dass Ihr endlich mal den Marktliberalismus zu spüren bekommt, den ihr predigt - kommt man schon irgendwie durch, Hauptsache, die Kurse steigen.

Heute ist es GM, die nur noch über den Tag überleben wollen. Demnächst dann der Staat, und seine Währung. Haltet Euch gut fest.

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Mittwoch, 31. Dezember 2008

Kontinuität im Fortgang

"Champagner, Candelight, Musik und Tanz begleiten das Grand Menü."
Aus dem Sylvesterprogramm eines feinen Rottacher Hotels


Sagen wir mal so: Wenn 2009 wird, wie mein letzter Tag 2008 war, kann es gar nicht schlecht werden, wenn man nicht gerade Banker, Werber, Berufsblogger oder PRler ist, denn die Krise ist da noch nicht eingepreist. Statt dessen wird sein:



Grandiose Aussichten für die, die über den Dingen stehen.



Beste Unterhaltung im Sonnenschein.



Bezahlbare kulinarische Freuden in unbezahlbarem Ambiente.



Einzigartige Gipfelerlebnisse fern der kleinlichen Bedenken.



Grandiose Sonnenuntergänge am See.



Und natürlich immer ein paar Zentimeter Schnee unter den Kufen beim Talwärts fahren, wenn es die anderen beim wilden 09er Ritt in die Botanik nagelt. Rutscht gut - und passt in den Kurven auf.

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Mittwoch, 31. Dezember 2008

Das vielleicht letzte Picnic des Jahres

1100 Meter hoch oben über dem Tegernsee, Sonne, 11 Grad, windstill, Sicht 150 Kilometer, gute Literatur.



Das Blau des Himmels in Technicolorkitsch, kein Laut aus dem Tal, nur ein paar Fesselballone über Gmund.



Über den Berg der Felssturz hinunter zum Ödberg und weiter nach Norden, Gmund noch im feinsten Wetter, dahinter unter dem allgegenwärtigen Dunst und den Abgasen der Städte in der grauen Zone:



(Grossbild)
1 Stuttgart
2 Augsburg
3 Frankfurt
4 München
5 Hamburg
6 Berlin

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Schon eingepreist

Das schönste Fernsehprogramm ist immer noch der Ofen, sagt die Beifahrerin, und sie hat so unrecht nicht. Was nicht nur an der aufgehenden Tarte, sondern auch an der Alternative liegt.



Eine Alternative, die, wie auch das Internet, sich im Bereich Wirtschaft einer grossen Lüge hingibt, dem "ist schon eingepreist", wenn irgendwelche kroiminelle Koksfresser in Frankfurt Papiere nach oben zocken, deren Aussichten in den kommenden Jahren miserabel sind. Dabei gibt man ohnehin ur zu, was man zugeben muss. Auch, wenn ganze Geschäftsbereiche wegbrechen, die Börse klammert sich an der Blase fest und negiert, was jahrelang gepredigt wurde: Dass sie eigentlich in der Lage sein soll, das zukünftige KGV einzupreisen.



Da schaut es 2009 mehr als mau aus. Gerade Banken mit starkem Investmentgeschäft. Überhaupt sieht es gar nicht so arg nach Kreditklemme aus: Im Gegenteil, es wird weniger investiert, also braucht man auch weniger Kredite. Und Banken. Tatsächlich würde man vielleicht aus mit der Hälfte der Banken auskommen, und volkswirtschaftlich besser fahren. Kommt vielleicht 2009. Lustigerweise sind Banken trotz der Kursmanipulationen immer noch so billig, dass sie eigentlich Angreifer anziehen müssten. Aber niemand findet sich, der sich jetzt sowas ans Bein hängen will. Ab einem Kursziel von 3 Euro können wir nochmal drüber reden.



Wenn man davon ausgeht, dass diese Leute dort die Entwicklung generell zu positiv einschätzen, werden wir nach dem Platzen der Obama-Blase ein lustiges Frühjahr sehen, und all diejenigen, die jetzt - zum wievielten Mal eigentlich? - von Bodenfindung reden, dürften ein paar unschöne Überraschungen erleben. Staatsanleihen, Währungen, Rohstoffe: Alles, was nicht gerade der von den Pressemehrlochhinhaltern ohne Fachkenntnis unter Beobachtung steht, also, sagen wir mal: Alles, was nicht der DAX ist, ist ausser Kontrolle.



Und natürlich wartet man auch heute wie schon nach der New Economy von einer grossen Entschuldigung derjenigen, die sich haben kaufen und nur zu gerne haben anlügen lassen. Iich wünsche keinem was Schlechtes, aber wenn für 10 arbeitslose Banker auch ein PR-Stricher und sein Medienfreier aus Arbeitssuche geschickt werden, ist das nicht gerade ein Anlass für Trauer. Auch das, keine Sorge, wird man dann als "schon eingepreist" bezeichnen.



"Schon eingepreist" ist nur das Mantra zur Selbstvergewisserung unserer modernen Scharlatane und Zukunftsschauer, das "wir wussten das alles schon vorher", man sollte sie anspucken, wenn sie dergleichen Lügen verbreiten, und sie wissen lassen, dass die Reinigung ebenfalls eingepreist ist; nur wenn ihnen jemand, wenn die Welt die Schnauze voll hat von diesen Leuten, das Maul einschlagen würde - das müssten sie dann selber zahlen.

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Montag, 29. Dezember 2008

Inversionswetterlage

Es ist kalt im Tal. Schön und bitterkalt. Wenigstens ist es nur diesig und nicht graubraun wie über München, wo sich die Abgase von hier aus erkennbar über der Stadt sammeln.



Der surreale Traum der erstarrten Landschaft verliert sich schon nach ein paar Metern im Wald, und auf der ersten Lichtung hat der Berg alle Zweideutigkeit abgeschüttelt; zurück bleibt ein Bilderbuchaufstieg durch eine Reisekataloglandschaft.



Oben auf dem Sonnenhang dann der Blick über das Tal: Unten die schwere, kalte Luft voller Dunst und Nebel, darüber die klare Luft der Berge und Sonnenschein. Man sieht sehr deutlich die Inversionsschicht, an der das schlechtere Wetter an seine Grenzen stösst.



(Grossbild)

Das hat sein Gutes und sein Schlechtes. Die Fernsicht nach München und Augsburg ist begrenzt, denn die liegen unter der Dunstglocke. Dafür ist es hier oben mit der vom Schnee reflektierten Sonne bacherlwarm. Man kann gar nicht anders als eine Stunde bräunen.



GemeinerNetterweise bekommen die Münchner gar nicht richtig mit, dass sie in einem stickigen Abgasmoloch sitzen, denn wenn sie nach oben schauen, sieht es dennoch blau aus. Man müsste anstelle der Plakatwerbung solche Bilder übertragen, mit der Aufschrift: "Fühlen Sie sich gefälligst schlechter - das Wetter ist gar nicht so schön, wie Sie glauben".



Aber das wäre natürlich nicht nett in einer Stadt, die Sorgen um ihre Banken und ihre Erfolgsgeschichte hat, und die ausserden schon mit der Staatspartei gestraft ist. Eine Staatspartei, die eine Art Inversionswetterlage des Terrors gegen die eigene Bevölkerung ist: Man weiss, wie schön es hier sein könnte, aber über allem lastet der Dreck, der Rauch und der Gestank all der Dekaden voller dummdreister Korruption, Lüge und Scheinheiligkeit.

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Sechstimmobilie oder was zu tun bleibt

[x] Wohnung oben im Stadtpalast
[x] Wohnung in der Maxvorstadt
[x] grosse Wohnung im Stadtpalast
[x] Wohnung am Tegernsee
[ ] Villa Minerva in Riva/Gardasee



[ ] Bergalmhütte ohne Internet

[Edit: Kommentare wegen eines Rekordversuchs der dümmsten Debatte 2008/9 geschlossen]

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Sonntag, 28. Dezember 2008

Bergruhe

Wieder in den Bergen, nach einem kleinen Zwischenhalt beim Antikmarkt Pfaffenhofen, und früh genug für eine kleine Rodeltour in den frühen, viel zu frühen Abend, hinauf über die Dunstschleier auf 1150 Meter, ausruhen, warten, und dann wieder hinunter ins Tal.











Es ist sehr still hier, und vorhin habe ich einfach vergessen, mein Postfach zu öffnen. Vielleicht, wenn ich immer hier wäre, würde ich einfach weniger irgendwas im Internet machen, weniger Nachrichten lesen, weniger Mails beantworten und schreiben, und wie eine um Essen bereicherte und qualitativ minderwertig bebilderte Version des Salzblogs
ausschauen.

Dummerweise muss ich hier am Abend arbeiten. Im Netz. Über das Netz. Und 2009 wird zu wichtig, als dass man davonlaufen und sich davor in einer Hütte in den Bergen verstecken könnte.

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Sonntag, 28. Dezember 2008

Kochen in Zeiten des Trüffelnotstandes

Was also tun, wenn unverhofft Trüffelbutter in einem Hause ist, das sich um deren Verwendung nie Gedanken gemacht hat, in Zeiten wirtschaftlichen Irrsinns und politischer Eskalation? Nicht unterkriegen lassen, gegen die Malaise der Banken helfen Silber und Damast, gegen den Nahen Osten blauweisses Porzellan, und gegen die Trüffelbutter ein selbst kreiertes Rezept, das da genannt wird:

Gnocchi mit in Trüffelbutter und Ricotta gedünsteten Kräuterseitlingen.



(Grossbild hier, Mittelbild hier)

Dazu nimmt man für zwei Personen die übliche Menge Gnocchi, einen grossen, etwa 80 Gramm schweren Kräuterseitling und schneidet ihn in feine Scheiben. In einer Pfanne erwärmt man 50 Gramm normale Butter und dünstet darin die Scheiben an, und fügt anschliessend einen Esslöffel Ricotta hinzu. Dazu kommen, sobald die Gnocchi im Wasser sind, drei Esslöffel vom Kochwasser, etwas Salz, Pfeffer und Safran, und dann 20 Gramm gute Trüffelbutter. Aufkochen, in eine Sauciere geben und nochmal ein Bröckerl Trüffelbutter dazu, und mehr braucht es eigentlich nicht. Vom Trüffelgeschmack bleibt nur ein angenehmer Hauch, der sich gut mit dem Rest ergänzt. So wird man auch mit dem Trüffelnotstand fertig, ohne, sagen wir mal, die Butter zum Rauskochen von Pfannkuchen zu verwenden.

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Es geht uns gut

Es ist gar nicht so schlecht, dass meine vegetarische Marotte daheim und auf dem Markt allgemein bekannt ist. Ich kaufe trotzdem bei Fleischanbietern ein; der Hofladen im Moos zum Beispiel hat ein selbstgebackenes Olivenciabatta, das alles, wirklich alles aussticht, was ich in der Hinsicht aus Italien kenne. Dort, wo ich meine Pilze und den Broccoli kaufe, gäbe es neben anderen ausgefallenen Dingen auch Gänseleberpastete, über die hier erhitzt geredet wird. Doch auch dort kennt man eine - für hiesige Verhältnisse - eigenartige Einstellung zum Fleisch, und folglich wurde mir heute als Präsent nicht die elsässische Innerei, sondern italienische Trüffelbutter mitgegeben. Also, richtige Trüffelbutter. Nicht das aromatisierte Zeug.



Und da haben wir schon das Luxusproblem des guten Essens mitten in der Krise: Trüffel als Pilz sind nämlich auch nicht so meines. Ich mag einen Hauch Trüffel in Ravioli, ich schätze es, wenn man ihn ahnt. Mich hebt es buchstäblich, wenn ich irgendwo beim Essen bin, und nebenan lässt sich ein Parvenü seine Pasta mit Trüffel überreiben, als wäre es Grana Padano der billigeren Sorte. Dazu kommt noch die Erinnerung: In meiner Jugend, nach dem Abitur, rutschte eine Bekannte erst in den Drogenmissbrauch und dann in die Psychosen ab, und dieser auch äusserliche Zerfall wurde von dem leicht fauligen Geruch von Trüffeln begleitet. Das Wissen, dass sich die Trüffelsau bei der Suche eigentlich nach dem Sexualgestank des Ebers orientiert, den sie mit dem Geruch von Trüffeln verwechseln, trägt auch nur begrenzt zu meiner Begeisterung bei - kein Mensch käme auf die Idee, sagen wir mal, Butter am Primärgenital eines männlichen Schweines zu reiben.

Ich bin, das kann man hier sehen, eher ein schlichtes Gemüt, banale frische Pasta mit einer Tomate und ein paar Gewürzen aus meinem Dachgarten ziehe ich im Sommer jedem Edelrestaurant vor, und ich wüsste im Winter wenig, was mir eine grössere Freude bereiten würde, als eine warme, verzwickt süss und sauer schmeckende Kürbistarte mit Schwammerl und Käse, deren Zutaten 2,50 Euro kosten, mithin also ein Zehntel dessen, was für 100 Gramm dieser Butter gezahlt wird. Edle Speisen dagegen verlangen nach komplexen, ein schlichtes Gemüt anstrengende Arrangements, und so kann ich sagen, dass sich italienische Trüffelbutter wirklich sehr gut mit Tete de Moine oder Scamorza ergänzt, wenn man über geschmacksintensive Brezensemmeln verfügt. Vielleicht probiere ich es heute Abend auch mit etwas aus Kartoffeln aus. Ich werde angesichts der wirklich dezenten Verwendung noch lange rumprobieren können, aber wieder einmal merke ich, dass ich die Verfeinerung nach Gusto der Masse nur bis zu einem gewissen Grad ertrage, dann wird es zu viel, dann brauche ich das Bodenständige, die Erde, ein Brett, die Kälte, einen schlichten Frischkäse wie den St. Ceols und ein Stück Kartoffelbrot, oder ein in Käse ersäuftes Gratin.

Ich bin eigenartig, ich weiss. Es gäbe so viel Wein zu trinken und Fleischstücke zu hypen, man könnte sich mit Fischeiern gross tun, ich habe Krebsmesser und Austernzangen aus Silber daheim, aber es geht mir gut, wie es ist, und nur, weil etwas anders schmeckt und mit Leid für das Tier verbunden ist, muss ich es nicht mögen. Generell frage ich mich, was eigentlich exklusiv ist: Der Cretin, der in einem Zelt unter hunderten anderer Hirnloser das Ergebnis einer Sternekantine a la Glotze in sich hineinschaufelt, oder derjenige, der die, seien wir ehrlich, banalen Grundlagen der Mythen kennt und für sich beschliesst, dass er es nicht haben muss.

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Freitag, 26. Dezember 2008

Feiertagslektüre a la Kaput oder Spass mit Bloomberg

Nun, was man in solchen Zeiten als Spass verstehen kann, mit etwas Zynismus und einem bestimmten Ruf:



Chamonix kaput. Wenn der Quadratmeter "nur" noch 6200 Euro kostet, ist das für mich eher eine natürliche Preisanpassung, denn so toll ist Chamonix, Schweizer Grenze hin, Mont Blanc her, nun auch wieder nicht. Es ist ziemlich scheusslich verbaut, bei (im Winter seltenen) Licht betrachtet. Allerdings: Die Hölle für Spekulanten. Schliesslich sind das die Winterpreise. Sommer in Chamonix ist wie Burma zur Monsunzeit. Da wird es noch lawinenartige Rutschereien geben, bis, sagen wir mal, 3000 Euro.



Kalifornien kaput. So kennt man das: Staatlich lizensierter Mord in den überfüllten Gefängnissen, aber keine Kohle, um Gerichte oder Schulen fertig zu stellen. Liebe Kalifornier, seid mit nicht böse, aber das Wählen von Österreichern ausserhalb von Österreich hat einen negativen Track Record. In Europa lernt man das in der Schule.



Japan kaput. Innerhalb eines Monats 8,1% Produktionsrückgang, zusammen mit den schon bekannten 27% Exportrückgang im November könnte man jetzt auf die Idee kommen, dass die bisherigen Vorhersagen etablierter Ökonomen zur Rezession 09 mit 3% global ein klein wenig optimistisch waren. Das passt alles nicht zusammen. Aber ich denke, dass man mit Maschinenbau immer noch besser dran ist, als mit dem Export von Altpapier (USA), überflüssiger Elektronik (Japan) oder Gänseleberpastete (Frankreich).

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the most exciting woman alive

Was ich an Eartha Kitt wirklich grandios, überlebensgross fand, war der Umstand, dass sie nicht älter, sondern immer nur besser wurde. Je älter sie wurde, desto mehr konnte man ihr den Wunsch nach einem Cadillac, so lang, dass man im Fond eine Kegelbahn bauen konnte, oder die Wunschliste an Santa Baby wirklich abgenommen hat. Sie war schon als junge Frau sehr, sehr gut, aber erst im Alter bewahrheitete sich das, was Orson Welles über sie von der aufregensten lebenden Frau gesagt hat. Eartha Kitt war für mich immer jemand, der mit die Angst vor dem Alter genommen und Lebenswege aufgezeigt hat. Und nun muss sie mit all den verstorbenen aufregenden Frauen konkurrieren. Sehr, sehr schade. Dabei hätte die Popmusik doch noch viele andere alte Schachteln für den Schredder gehabt, namentlich alle, die versucht haben, Eartha kommerziell nachzusingen.



Was uns wieder einmal zur Frage bringt, ob ein gewisses Mass an vorsichtigem Luxus & angemessener Verschwendung wirklich so schlecht sind, wie uns das von den Freunden von Frohn und Ausgezehr immer so gerne erzählt wird. Cui bono, sollte man fragen, wer hat eigentlich etwas davon, und die Antwort ist einfach: Keiner, am allerwenigsten man selber. Es stimmt natürlich: Am Ende geht man ohne alles und hinterläst den Besitz, aber davor, davor ist man dumm für jede Nacht, die man nicht angenehm unter dem Kronleuchter verbracht und davor von Silber gegessen hat. Zumal man es sich ja leisten kann, wenn man auf andere, weitgehend akzeptierte Verschwendungen wie Pay-TV, Rauchen, Pokern oder - bewahre - Kinder verzichtet.



Dazu könnte ich übrigens an dieser Stelle einiges erzählen, das vergangene Fest hat in unserer kleinen, verträumten Stadt eine dicke Spur aus Tränen, Rotz und Scherben der Familienkonflikte durch die besseren Strassen hinterlassen, aber angesichts diverser verdächtiger IPs und der Gefahr, dass diejenigen Nichtkinderlosen, die den Kelch des Leides bislang nicht trinken mussten, das missverstehen oder gar auf sich beziehen, lasse ich das lieber - und begnüge mich mit dem Hinweis, dass Eartha Kitt NIE ein Lied über Mutterfreuden geschrieben hat - im Gegenteil, sie wollte ein Kindermädchen, das den Nachwuchs hütet, der nicht vom Geräusch des Geldzählens gestört werden soll.

Das sollte uns zu denken geben.

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Donnerstag, 25. Dezember 2008

Himmelsgeist

Hinweg sie soll, die stille Zeit.



Der Bauch ist voll, der Arsch ist breit.
Fahr sie doch endlich zum Himmel
mit ihrem peinlich kurzen

(Aus der Serie Berufe die nicht jeder hat: Barockengelaufhänger)

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