: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 23. Januar 2019

Warum ich Buzzfeed.de schliessen würde

Ich habe kurz vor Weihnachten den gesammelten Frust deutscher Trashportale abbekommen, weil ich mich skeptisch zu ihren Erfolgsaussichten geäussert habe, nachdem andere schon mal vorgegangen sind, darunter übrigens auch die Gendermüllschleuder Jezebel. Ein paar Leute wollten mit einem Shitstorm zündeln, weil ich sexuelle Sonderwünsche nicht pc tituliert habe, und so generell hiess es, ich hätte keine Ahnung. Keine zwei Monate später wird jetzt bekannt, dass Buzzfeed 15% seiner Mitarbeiter vor die Tür setzt. So ist das nun mal. Man lege sich als Startupper nicht dem dem DCT-Champion an.



Entsprechend gehen bei Buzzfeed.de Ergebenheitsadressen von ähnlich gepolten Trashproduzenten ein. Ich nehme an, das hat auch damit zu tun, dass es bento, watson, zett und Vice nicht wirklich gut geht - das mit Springerbeteiligung aufgebaute Projekt Mic ist eh am Ende, und ein anderer Pöbler, der im Umfeld von Buzzfeed News abhängt, hat momentan auch schlechte Laune. Ich möchte trotzdem mal erklären, warum ich, hätte ich dort etwas zu melden, den deutschen Zweig einstellen würde. Nichts Persönliches, nur Erfahrung aus der schlechten, alten Zeit:

1. die enorme Konkurrenz. Eben von allen grossen deutschen Medienmarken, die sich frühzeitig gegen den kommenden Superstar, der nun keiner ist, wappnen wollten. Speziell Bento kann sehr viel leichter Traffic auf sich ziehen, als das bei Buzzfeed.de je möglich wäre.

2. Die Bildung der Deutschen. Die Leute, die sich für die Inhalte interessieren, können auch zum US-Original gehen, es ist ja nicht wirklich anspruchsvoll, auch im journalistischen Teil, wo der SJW-Morast Abermillionen von reaktionärem Kapital verbrennt. Wer das will, braucht den deutschen Ableger nicht.

3. Der deutsche Ableger ist nicht gross, aber der deutsche Werbemarkt ist komplex und wird von alten Medien dominiert, so dass da sicher noch eine längere Zeit wenig Profite erwirtschaftet werden. Native Advertising ist hierzulande auch nicht so einfach. Buzzfeed braucht aber unbedingt den Erfolg - nicht nur ein Break Even, sondern Gewinne. Wenn es mal laufen würde, könnte man in Deutschland schnell wieder Strukturen aufbauen, aber im Moment ist der einfachste Weg, alles zu killen, was Geld kostet und nicht wirklich zukunftsträchtig ist. Und die Deutschen sind nicht die Innovativsten.



4. Verschlanken ist nie einfach, weil man überall jemandem etwas wegnehmen muss. Es gibt viele lose Enden, Mehrfachbelastungen, Kompetenzen gehen verloren. Mit dem Absägen der deutschen Operation - und eventuell einer übersetzten .de-Seite von London aus - wird man wirklich einige Leute auf einen Schlag los, statt in allen Bereichen zu feuern. Dass Buzzfeed das gern macht, hat man bei der französischen Seite und den Podcastern schon gesehen. Im Kern würde das auch jetzt Sinn machen. Es ist halt nicht schön für die Betroffenen.

Zumal es um die Befriedigung reicher Investoren geht, die normalerweise ihr Kapital nicht auf einen Schlag, sondern in Tranchen auszahlen - zumindest war das früher bei Venture Capital meistens so. Bei solchen Gesprächen um weiteres, eigentlich schon bewilligtes Geld lohnt es sich, Schnitte zu präsentieren, die einfach, radikal und schmerzhaft sind, statt sich im Klein-Klein zu verstricken: Ein Blick auf die Entwicklungscharts, ein kurzes Nachdenken, wie lang es noch dauern würde, bis sich die Sparte trägt, dann das schlechteste Zehntel streichen - so würde ich da vorgehen, wenn ich in der üblen Lage wäre, das tun zu müssen. Montag wissen wir vielleicht mehr. Dagegen steht natürlich, dass Deutschland ein wichtiger Markt ist.

Oh, und ich glaube nicht, dass es deshalb für die anderen leichter wird, mit Podcasts, die teuer produziert werden und dann nur ein paar 100 Klicks bekommen, zu überleben. Die grosse Frage 2019, 2020, 2021 wird sein, wie man sich für Inhalte bezahlen lässt. Denn da draussen droht eine Rezession, und mittellose Millenials haben dann ganz andere Probleme als den Kauf eines Staubsaugers, der wie eine Laserkanone aussieht. Von den Trashportalen gibt es auch ohne Buzzfeed immer noch zu viele.

Edit: Sie haben sich diesmal anders entschieden, man darf gespannt sein, wo dann gekürzt wird:

https://twitter.com/danieldrepper/status/1088796136696107008

Edit 2: Sie haben Buzzfeed Espagna gekillt, also komplett, wie vermutet:

https://twitter.com/BuzzFeedEspana/status/1088790985038053379

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Dienstag, 22. Januar 2019

Heimarbeitsplatz

Das ist so toll.

Das ist so grandios.

Schon die Fahrten nach Frankfurt waren eine schwere Belastung, Berlin ist um ein Vielfaches schlimmer. Nicht dass ich es nicht ertragen - und die Vorteile entsprechend mitnehmen - würde.Ich habe das ja schon mal gemacht. Aber der Umstand, einfach mal arbeiten zu können und dann auch wieder nicht, die Freiheit, die Leistung zu erbringen, wenn es passr und nicht, wenn das Büro aufgesperrt ist - das ist schon toll. Das bisserl Disziplin, das ich dazu brauche, habe ich sowieso. Dieser Arbeitsplatz, das ist ein ganz grosses Privileg, selbst wenn ich ihn selbst finanziere, was mir allerdings nicht schwer fällt. 4 Meter zur Küche mit feinem Porzellan, Silberkannen und genau dem Tee, den ich brauche.



Kein Bus. Keine U-Bahn. Kein Scheibenkratzen am Morgen und statt des Bürostuhls verschiedene Sofas. Ruhe, wenn ich will, und Musik auf Knopfdruck. Experimentiermöglichkeiten. Ich habe nur den allerersten Beitrag für die FAZ tatsächlich in einem Büro geschrieben, und ich habe gemerkt, dass das nichts für mich ist. Einfach nicht meine Welt und zu viele Menschen. Man kann sich dort nicht gehen lassen. Alles gehört anderen Leuten. Man ist da nur Leistungserbringer in einer Maschine. Das passt nicht zu mir. Ich mache es daheim. Es macht mich glücklich. Wie können andere nur arbeiten, wenn nebenan kein halbfertiges Rad steht und an der Wand kein Gemälde hängt?

Irgendwie können sie es schon. Ich will aber nicht. Ich will diese meine Höhle und sonst nichts. Keine Karriere, keinen Titel, nur den grünen Samtsessel und den Blick auf Rokoko und lachsfarbene Wände.

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Sonntag, 20. Januar 2019

Zurück

Ich fahre nicht nach Berlin, um meine Vorurteile bestätigen zu lassen. Ich fahre hin und nehme es, wie es kommt. Die Bierflaschen in der Alkoholverbotszone, der Obdachlose, der sich in der Kochstrasse genau auf dem Treppenaufgang der U-Bahn übergab, die verbogenen Räder, all diese Menschen mit Plastiktüten, die Müdigkeit in den den Gesichtern, die Fixierung auf die Handies, die Notrufsysteme auf den Bahnsteigen. Ich beobachte, ich bemerke, ich spule mein dichtes Programm ab, ich gehe wieder.



Einfach gesagt, habe ich einen ganz guten Vergleich zum Berlin von 2004. Es hat sich etwas geändert, es gibt mehr Protzbauten, das Regierungsviertel kommt voran, vielfältiges Travertin mit bodentiefen Fenstern, etwas höhere Preise, kaum mehr Trödler, aber so insgesamt - es zerfällt so schnell, wie es aufgebaut wird. Wenn das der Fortschritt von 15 Jahren war, 15 Jahren des Aufschwungs im Rest des Landes, dann wird es jetzt in der Stagnation nicht gemütlich. Möglicherweise muss ich jetzt einige Zeit auf ein paar Termine im Jahr da hoch, aber ich kann immer wieder in den Zug steigen und nach Hause fahren. Es geht mir gut, sehr gut, und da sitze ich dann in grünen Chippendalesesseln und lese, wie andere dort beraubt werden, sich die Wohnungen nicht leisten können, und sich an Martenstein abreagieren, weil er das anspricht, was sie nicht vertragen. Die Profite machen die Zuhälter der richtigen Haltung, die fettkranken Medienkritiker mit Bewegungsproblemen, die Sasialtlasten als Meinungsbekämpfer, die Antifa, die von der Linken mit Staatsknete bezahlt wird, aber auch nicht wirklich gut. Im Alter wird das bei denen hässlich. Man liest gerade wieder viel von Depressionen. Ich nehme noch einen Tee.

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Sonntag, 20. Januar 2019

10 Jahre Stützen der Gesellschaft

Es war mir ein enormes Vergnügen. Und was das Blog alles so überstanden hat, intrigante Redakteure, Kampagnen, niederträchtuge Briefe, gezielte Mordversuche, einen kompletten Wechsel zu einer anderen Zeitung, während in der ersten noch gedacht wurde, das wäre jetzt vorbei, mehrere Relaunches durch meist wenig bedarftes Personal, ein Hackingvortrag vor versammelter Mannschaft, ein Override des Layouts gegen die Aufforderung, das nicht zu tun, ein Ausweichblog, ein wirklich tragischer Tod, ach, man könnte stundenlang erzählen und vor allem Danke sagen, bei Lebenden und, leider, auch Toten.



Ich hoffe, das wird noch lang so weiter gehen, zum Vergnügen der Leser und zum Ärger derjenigen, die viel dafür tun würden, dass es verschwindet. Ich möchte darin zwar keine Nachrufe schreiben, aber das ein oder andere "Ach" wird mir darin schon noch entfahren. Man triffft sich immer zweimal. Und die Stützen der Gesellschaft sind oft ganz schön stabil.

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Freitag, 18. Januar 2019

Liegen bleiben in Berlin

In der Nationalgalerie.



Neben dem Kanzleramt.



In der Kastanienallee am Weinbergpark.



In der Friedrichstrasse unter der S-Bahn.



An der U8 am Moritzplatz, bis zum Tod vor einer Woche, als auch andere hier vorbei hasteten.



Ich kann das nicht wegfiltern, ich kann nicht aufhören, diese Konfrontation zu sehen, auch wenn sie sich nicht gerade vor meine Füsse erbricht, wie am Freitag Morgen in der Kochstrasse. Es ist zu viel. Es ist ein Dauerzustand, und wie viele letztlich nur irgendwo bei Freunden unterkommen, weil aus den Träumen nichts wurde. - da gibt es keine Statistik.

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Donnerstag, 17. Januar 2019

Markenwerbung

Zweimal die gleiche Marke, im Abstand von 50 Metern. Einmal in der emotionalen Werbung vor schäbigen Kacheln, die früher vielleicht einmal als frisch und bunt galten.



Und einmal an den Füssen einer Person, die sich zum Schlafen hinter einen Aufzug zurück gezogen hat. Dazwischen enorm viele Berliner, die alle auf ihre Mobilendgeräte starren.



Man kann darüber reden, ob es Sinn macht, das zu zeigen, wenn man nach 2 Tagen wieder in den Zug steigt und dorthin fährt, wo weder Armut noch solche Marken relevante Rollen spielen. Es fällt mir halt auf. Wie all die Flaschensammler hier. Ich kann das nicht ignorieren, es ist zu dominierend. Vielleicht ist es einfach die Übung am realen Elend, die die Berliner zu so famosen Filterblasern im Netz macht. Wenn man das Mobilgerät braucht, um so vieles nicht zu sehen, will man auch im Netz nichts ertragen, das einem nicht behagt.

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Samstag, 12. Januar 2019

Eigene Wege ohne Dramen

Man darf das Bürgerradio nicht pauschal schlecht reden. Mir wurde da zwar nichts beigebracht - man wurde als Autodidakt behandelt und schaute sich dort ganz sicher nichts ab, sondern orientierte sich an Besseren - aber gelernt hat man trotzdem.

Vor allem: Sich nie auf andere verlassen. Wenn man das tut, kommt bei Strukturen ohne echte Pflichten meistens ganz schnell der Moment, da man ausgenutzt, für dumm verkauft und letztendlich hintergangen wird. Es passiert, weil es für die Ausnutzenden keine ernsthaften Folgen hat, solange sie ideologisch nicht aus der Reihe tanzen, ähnlich momentan wie bei Boris Palmer und den Grünen: Solche Strukturen brauchen immer Leute, es bilden sich Seilschaften, die Fleissigen arbeiten und die Faulen kommen um 5 Minuten vor 6 noch auf die Idee, ein altes Telefoninterview mit Linkskameraden zu bringen. Qualität spielt keine Rolle, man versteht schnell, warum die DDR nicht funktionieren konnte. Und weil immer Geld fehlt, werden die, die welches haben, als Melkkühe gesehen. Und mit schlechtestem Material ausgestattet, weil es ein natürliches Privileg der Armen ist, das Beste zu behalten. Es ist letztlich billiger, sich selbst etwas zu beschaffen, als sich mit anderen um die begrenzten Ressourcen zu streiten. Boris Palmer hat da einfach das Glück, mit Tübingen seine eigenen Ressourcen zu haben. Ich musste sie kaufen.



Natürlich wird so etwas dann auch nicht gern gesehen, denn der Besitzer eigener Materialien ist weniger erpressbar und abhängig. Wer eigene Technik hat, kann nicht über Studiozeiten kontrolliert werden. Man kann nicht, wenn man etwas nicht will, seine Freunde vom autonomen Projekt einen Tag lang die Mischpulte blockieren lassen. Der Sozialismus hat bei der Frage der Produktionsmittel absolut recht: Wer die hat, entscheidet. Und nirgendwo war es mehr wahr als in den Zeiten, da der eine die Sendelizenz hatte, und der andere nicht. Die günstiger werdende Technik war da ein Ausgleich, aber wirklich machtlos wurden die Besitztumswahrer der linken Szene erst mit den Sendemöglichkeiten des Internets. Und weil der Kanal heute Youtube heisst, und nicht mehr UKW, und weil das Nichtlineare im Kommen ist und die Technik heute für 400 Euro zu haben ist, wenn man halbwegs geschickt einkauft, werden die Bürgerfunker auch nie wieder bestimmen können, was alternativ sein darf, und was nicht. 1998 wäre es undenkbar gewesen, mal gebrauchte 10 Studiomikrofone zu bestellen und auszuprobieren. Heute gibt es gebrauchte Röhrenmikrofone für unter 100 Euro.



Was sich dagegen verstärkt hat, ist das Thema "verbrannte Frauen". Beim Bürgerfunk waren einige Anfang 50, die in anderen Sendern und Verlagen gearbeitet hatten, und in jeder Hinsicht ein Vielfaches an Erfahrung der abgedrehten Linksspasten mitbrachten, die hier die Mikrofone ohne Schutz bespuckten. Die Frauen waren hier, weil sie sich im Beruf aufgearbeitet hatten, und nicht mehr mit dem Druck klargekommen sind. Alkohol und Drogen spielten da, wie so oft im Journalismus, auch eine Rolle, aber so generell wurden sie in diesem Metier und dem Zwang, etwas Gutes zu liefern, einfach nicht fertig. Da hatten wir also blutige Amateure, teils desinteressieert und teilweise ehrgeizig, die erst einmal anfangen mussten, und Cracks, die in Wirklichkeit die Organisation und die Abläufe bestimmten - aber von den eigentlichen Machthabern wie Dreck behandelt wurden. Ich wurde, wie sich das gehört, von Frauen erzogen, was Patriarchat ist, lernte ich erst im Bürgerfunk kennen. Ich kenne solche Missbrauchs-Beziehungen - aus genau diesem Kontext, und ich bin daher auch nicht erstaunt, dass die schlimmsten Geschichten über Männer im Internet im Kontext mit Progressiven auftauchen. Feminismus hin oder her, bei der Linken sammelt sich einfach ein Publikum an, das unter Verweis auf das Grosse und Wichtige im Kleinen und Privaten jede Sauerei zu tun bereit ist. Und was eignet sich da besser als eine Frau, die mit den alten Strukturen nicht mehr auskommt und die neuen Strukturen nicht schon wieder verlieren will?



Sie hassen mich, aber ihre Psychosen bekommen - und bekamen sie damals - von den linientreuen "Guten". Ich war dort nur ein Jahr, mit schnell nachlassender Begeisterung, und mit dem Anwachsen der Technik schwand das Interesse, sich hier weiter unterzuordnen. Ich arbeite lieber allein, ich weiss, was ich kann, und ich brauche keine Stützen. Ich bedaure Leute wie Sanczny, die mich blockieren und melden und trotzdem offensichtlich zwanghaft lesen und mit Nonmentions bedenken, und all die anderen, die ihre Verzweiflung dort als Möchtegerndiskriminierte zur Schau stellen, und um Kauf bei ihren Wishlists bitten. Sie tun es, so wie es die Damen bei uns damals vermutlich auch getan hätten, einfach weil sie es brauchen - Geld ist immer der limitierende Faktor. Sie tun es, weil das Leben sich ansonsten einfach nicht wie geplant entwickelt, und eine Rückkehr in alte Strukturen auch nicht möglich ist. Vor 20 Jahren waren das eher noch Ausnahmen in Folge der Bildungsliberalisierung von 1968. Heute sind das ziemlich viele, denen ein Abitur und ein Master in Philosophie nicht weiter hilft, und wie das einmal ausgeht, will ich lieber gar nicht wissen. Reisst Euch zusammen, hätte ich damals gern geschrien, ihr könnt was und müsst hier nicht die Depression in ein anderes Licht tauchen. Heute frage ich mich, ob die Nachfolgerinnen wirklich etwas können und wenn ja, ob das Tun irgendetwas an ihrer Lage ändern würde. Vermutlich nicht. Eigene Technik erlaubt nicht nur autonomes Arbeiten, sondern auch ein Leben ohne Dramen anderer Leute. Bei manchen lohnt es sich wirklich, Hilfe anzubieten. Aber bei anderen... geht man besser eigene Wege.

Edit: Passend dazu eine Ze.tt-Autorin: https://twitter.com/immerwiederEva/status/1084752080362004481

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Donnerstag, 10. Januar 2019

Werte im Alter

Als ich 1998 mit dem Radiomachen begonnen habe, kam ich auch mit "richtigen" Studios in Kontakt. Also Kellern in München, schwarz und mit Schaumstoff verkleidet und natürlich ohne richtige Fluchtwege, in denen Männer viel rauchten und tranken und ab und zu auch Musik machten. Eines dieser Studios lag gleich beim BR und war der Gegenentwurf zur klinischen Welt der Regimesender: Kein helles Holz, unaufgeräumt, überall stapelten sich Gerätschaften, ständig stolperte man über Kabel, und es roch nach Lötzinn und verschmorten Kabeln. Es war damals noch so internetfern, dass man tatsächlich irgendwo Leute kennenlernte, die sagten, sie hätten da noch ein altes Sennheiser MD421, man sollte kommen und es sich anschauen. In diesem Studio war als Nebenmischpult - das Hauptmischpult war so gross wie die Kommandobrücke eines Flugzeugträgers - auch ein Allen & Heath GS3 mit 24 Kanälen. Das hätte ich damals auch kaufen können, man wollte es gegen ein damals modernes Digitalpult ersetzen, dessen Funktionen heute jedes 20-Euro-Billighandy mit seiner Rechenkraft bewältigen würde.



Mir war das damals zu teuer, die Herren des Studios wollten 4000 DM Freundschaftspreis und meinten, unter der Asche und den Whiskeyspritzern sei es wirklich gut erhalten und ein absolutes Schnäppchen, neu hätte das 10.000 DM gekostet. So war das damals, man nahm noch auf DAT oder Vielspurbandmaschinen auf und hoffte, die Bänder würden nicht gefressen werden. Späteres Editieren ging damsls eher schlecht, also brauchte man viele Kanäle, viele Kompressoren, Vorverstärker, Hallgeräte... man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Jedenfalls, momentan baue ich wieder Kapazitäten auf und stand vor der Frage, welches stationäre Mischpult ich will. Ein kleines von Yamaha, das heute auch nur noch 1/3 der 1000 Euro wert ist, die man 2010 ausgeben musste. Oder ein A&H GS3 mit 24 Kanälen wie damals, falls es irgendwie erschwingbar sein sollte, weil die 200 Euro Startpreis bei Ebay, das war sehr wenig. 100 weniger als das Yamaha. Und nach meinen Erfahrungen mit Interfaces und Treibern neige ich eher dazu, Hardware und Computerteile zu trennen: Lieber kein Mischpult, für das es in 5 Jahren keine Treiber mehr gibt, sondern einen externen Wandler, den man im Zweifelsfall halt entsorgt. Auch gute externe Soundkarten gibt es gebraucht schon ab 40 Euro. Dann kam der letzte Moment der Versteigerung, und ich bekam das Allen & Heath - für 201 Euro.



10.000 DM waren 1995 nicht ganz wenig Geld. Bis ich alles besammen habe, was ich brauche, lagere ich das Pult unter einem noch nicht endgültig aufgehängten Gemälde, das bei Sotheby Kensington mit Aufgeld 5000 Pfund gekostet hat, und heute nicht einmal mehr 1/10 gebracht hat - weil es für den normalen Käufer einfach viel zu gross ist.

Natürlich brauche ich keine 24 Kanäle, im äussersten Fall reichen 4 oder 5. Bei dem, was ich machen werde, spielt der Klang auch keine besondere Rolle - die Feinheiten, die man hier herausholen kann, hört man am Rechner ohnehin nicht mehr. Es ist halt ein riesiges Pult, mit dem man einiges tun kann, und als es gebaut wurde, war es noch eine richtige Investition. Heute hat es, obwohl es funktioniert, nur noch den Wert eines kleinen Chinamixers. Es ist ganz angenehm, etwas zu haben, das einen nicht an die Grenzen bringt. Aber dass alles, was gross, robust und dauerhaft ist, so wertlos werden kann, weil die Aufnahmetechnik so anders geworden ist, und die Lebensumstände so klein - das ist schon bemerkenswert. Das Gemälde kommt übrigens aus einer sehr weitläufigen Wohnung in Berlin, in der eine Dame wohnte, und die Räumlichkeiten werden jetzt geteilt und dann in zwei Stücken verkauft. Ich glaube nicht, dass alles besser wird, und wir alle reicher werden. Werte zerfallen nur schneller, und es gibt zu viel Geld und kein Gefühl, was es letztlich bedeutet, solange man es hat. Die Entwicklung schreitet voran und man rennt mit, ohne dass man nachdenken könnte. Ich hoffe, dass das, was ich da am Pult zu tun gedenke, etwas anders wird.

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