Koinzidenz

Ich gehörte noch nie zu denen, die Geburtstage gern feierten, schon gar nicht den eigenen, der immer zu früh und zu schnell kommt, bis er eines, hoffentlich sehr fernen Tages im netterweise übernächsten Jahrhundert aus Gründen des immer zu vorzeitigen Ablebens gar nicht mehr kommt. Aber der 31. Mai ist inzwischen so etwas wie ein Festtag. Denn am 31. Mai vor drei Jahren, A.I.D. MMV, kehrte ich so in etwa um diese Uhrzeit zurück auf den Stuhl, auf dem ich gerade sitze, und trank den ersten Tee nach dem Ende der anderthalb Jahre in Berlin. Viel ist seitdem geschehen, aber der 31. markierte eine entscheidende Zäsur in meinem Leben, den Tag, an dem ich erkannte, was ich bin und wo ich hingehöre. Ganz sicher nicht nach Berlin.

Diesen heutigen Feierlichkeiten ging diese Woche der Besuch des Mannes voraus, der mich im Winter 2003 beauftragte, in Berlin das Büro des Aufbau zu übernehmen. Wie allgemein bekannt sein dürfte, bin ich der Zeitung als langjähriger Autor sehr verbunden; dort erschienen meine ersten Printartikel, zufälligerweise übrigens auch im Mai 1998. Dass ich den Job annahm, war ebenso selbstverständlich wie das Angebot: Ich hatte nach "Liquide" und dem Ende meiner Beratertätigkeit etwas Zeit und auch ausreichend Geld, um dem chronisch klammen Blatt, bei dem man immer und manchmal nicht zu unrecht befürchten musste, dass der nächste Anruf das Ende verkünden würde, dort finanziell nicht zur Last zu fallen. Der Aufbau hatte sich unter einer unfähigen Leitung Anfang des Jahrtausends eine falsche Expansionsstrategie aufschwatzen lassen, zu der ich glücklicherweise nur meine Kritik und Ablehnung beitrug, was dann zu einer recht abrupten Streichung des Germany Correspondent aus dem Impressum führte. Das war aber 2003 längst vorbei, die Herrschaften hatten nach Verpulverung von viel Geld den Platz geräumt, und dann wurde auch noch die Berliner Büroleiterin schwanger. Also ging ich, ohne zu ahnen, was mich erwartete.



Zum Beispiel ein ziemlich aufgeregter Wichtigtuer, der behauptete, für uns auf dem deutschen Markt als Eintreiber von Fördergeldern und Werbung zu agieren. Der Herr war mitsamt einem sittenwidrigen Vertrag noch ein Restmüll der versagenden Mannschaft in New York, und erwartete, dass er erst mal ordentlich bezahlt würde, bevor er in eine Aktion trat, in die zu treten er aber schon seit längerem versäumt hatte. Ich kam frisch aus dem innersten Höllenkreis der New Economy und darf behaupten, dass das Problem schneller einer Lösung zugeführt wurde, als er sich einen Überblick über die zu tätigenden Rückzahlungen verschaffen konnte. Dann gab es noch Leute, die sich als freie Autoren ausgaben und behaupteten, man hätte ihre weinerlichen Traktate angefordert, einen zum Rechtsextremismus abgerutschten Stammenbruder, der lernen musste, dass man seinen islamophoben Dreck nicht mehr wollte, und zu allem Überfluss dann noch aus New York die Entscheidung, dass man lieber jetzt die Zeitung einstellte und nach Investoren suchte, als sich gänzlich zu ruinieren.

Das war alles andere als lustig. Der Aufbau hatte sich ziemlich gross ein paar Jahre davor in Berlin als Hauptstadtmedium angekündigt, ohne auch nur ansatzweise den Ansprüchen gerecht zu werden, und jetzt schien die Operation am Ende zu sein, mit einem, der sie aubaden musste, ohne etwas zum Niedergang beigetragen zu haben. Aber wie schon gesagt: Ich kam aus dem innersten Kreis der Hölle und musste nur zweimal wegen falscher Darstellungen der inkompetenten, koksnasigen Hauptstadtjournaille mit Abmahnungen drohen, liess ein paar ordentliche Pressebilder machen und begab mich in den Interviewmarathon. Am schlimmsten Tag gab ich 24 davon. Als ich zugesagt hatte, wusste ich, dass es würde passieren können, dafür war ich da, also tat ich es auch.



Dann waren die Medien weg und der Aufbau tot. Meinten sie zumindest, und wir hatten Zeit, einen Investor zu suchen und sehr, sehr oft nicht zu finden. Dafür lernte ich ein paar hochspannende Leute kennen, von denen man nie wirklich wusste, ob sie jetzt nur gestört, schon etwas Borderline, richtig verrückt oder gar die echte russische Mafia waren. Ab und zu gab es auch aufmunternde Anrufe und Leute, die wirklich Hilfe und Kontakte anboten. Zu denen gehörte an erster Stelle der Aufbau-Verlag, der in dieen Zeiten desöfteren klarstellen musste, dass er weder pleite noch das Berliner Büro des Aufbau, N.Y. ist. Die Leute, mit denen wir als Journalisten oft zu tun hatten, waren absolut reizend, nett und hilfsbereit. Da war wirklich noch sowas wie die alte Emigrantensolidarität spürbar, die sich auf die Vertreter der 3. Generetion, egal welcher Herkunft sie waren, übertragen hat.

Ich hasse Berlin, und ich war glücklich, als der Investor endlich gefunden wurde, den Aufbau unter seine Fittiche nahm und ich den zur Vortäuschung einer weiteren Tätigkeit aufrecht erhaltenen Berliner Betrieb einstellen konnte. Das Büro war schön, Berlin war hässlich wie die Seele eines Berliner Kaufbloggers, ich konnte packen und gehen. Es gibt nicht viele Leute, denen ich dort etwas zu verdanken habe; diejenigen, die anders sind, wissen das sehr genau, und sollte der Aufbau-Verlag das nicht wissen: Es ist deine der ganz wenigen Firmen der letzten 10 Jahre, bei denen mir der Insolvenzantrag wirklich weh tut, angefangen bei den dünnen Brechtbänden, die ich in den 8oern im Brechthaus kaufte, bis zu Hic&Hec von Mirabeau, das zu veröffentlichen dem Verlag nicht hoch genug angerechnet werden kann. Es gibt so vieles, was gerne auf den Ramsch kann, aber der Aufbau-Verlag soll leben. Wenn wir das damals gepackt haben, weden sie es auch schaffen. Das wünsche ich mir, zum dreijährigen, durch die Insolvenz vergällten Jubiläum jenseits von Berlin.

Samstag, 31. Mai 2008, 23:47, von donalphons | |comment

 
Leider wird es nicht klappen. Gernot Schulze hat schon vor einiger Zeit die Probleme geschildert:

http://www.boersenblatt.net/185303/

"Schulze: Man könnte das so zusammenfassen: 1991 hat seine BFL-Beteiligungsgesellschaft gemeinsam mit weiteren Investoren von der Treuhand die Aufbau-Verlag GmbH gekauft, die aber, wie jetzt höchstrichterlich bestätigt ist, gar nicht der Rechtsnachfolger des alten DDR-Verlags ist. Dann hat er 1995, als ihm Zweifel kamen, den Verlag als Privatmann erworben, diesmal vom rechtmäßigen Eigentümer, dem Kulturbund. Und damit kann er nun Ansprüche gegen seinen "eigenen" Verlag geltend machen - mit der rechten Hand also gewissermaßen gegen seine linke Hand vorgehen.

Wie lässt sich das Dilemma lösen?
Schulze: Als Privatperson ist er ja Inhaber sämtlicher Rechte. Deshalb könnte er alle Lizenzverträge, die in der Zwischenzeit rechtsunwirksam geschlossen wurden, nachträglich genehmigen, den Vorstoß damit „heilen“, wie es juristisch heißt. Aber es ist natürlich auch sein gutes Recht, dass er das nicht privatissime et gratis macht, sondern die Aufwendungen der Investoren in den "falschen" Verlag von der Treuhand wiederhaben will. Denn die hat den Investoren schließlich etwas verkauft, was ihr nicht gehörte und was sie daher nicht übertragen konnte. Und er kann Schadenersatz für die unzulässigen Verwertungen und Lizenzierungen geltend machen, den sich der Verlag dann bei der Treuhand zurückholen könnte. Das ist natürlich heikel, denn kein Lizenzpartner dürfte sich, bei allem Verständnis für die Lage von Aufbau, darüber freuen, wenn er in solche urheberrechtlichen Verfahren hineingezogen wird."

Man könnte auch kürzer fassen und den Namen des H. Lunkewitz verballhornen, was man sich aber aus rechtlichen Gründen ersparen sollte.

Er wird die Rechte mit sich nehmen und auch die in den vergangenen Jahren erworbenen Rechte behalten. Was er dann mit diesen Rechten machen wird, ist schwer einzuschätzen. Der Aufbau Verlag ist leider tot.

Das Tom Erben weitermachen will ist ehrenhaft, aber ich glaube nicht daran auch wenn ich ihm alles erdenklich Gute wünsche.

http://www.boersenblatt.net/199327/

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Abwarten. Sowas geht nicht einfach unter, egal wie gross die Probleme sind. Verlage sind keine normalen Unternehmen, und dieser Verlag gleich schon mal gar nicht. Ich bin betroffen, aber zuversichtlich. Dass Lunkewitz nicht tatenlos zuschaut, wie er ausgenommen wir, ist verständlich, nur der Weg ist das Problem.

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Tja, die Treuhand. Möglicherweise braucht es aber den Insolvenzantrag nur für die nächste Runde in diesem langen Rechtsstreit.

Gestern Abend hörte ich im Deutschlandradio einen Beitrag darüber, die Sache ist verzwickt. Lunkewitz hat den Aufbau Verlag zweimal gekauft: Das erste Mal 1991 - zusammen mit anderen Investoren - von der Treuhand, das zweite Mal 1995 - privat - vom Kulturbund. Der BGH hat im Frühjahr 2008 entschieden, dass die Treuhand den Verlag gar nicht hätte verkaufen dürfen, weil sie gar nicht Eigentümerin war, sondern der Kulturbund. Mithin erfolgten sämtliche Geschäfte (Lizenzen!) und Investitionen der Beteiligungsgesellschaft ohne Rechtsgrundlage. Laut DRadio, Börsenblatt, Welt und FAZ war aber der zweite Kauf rechtswirksam (bei anderen liest sich das zum Teil anders). Jetzt fordert der Verleger Lunkewitz, der den Aufbau Verlag 1995 privat kaufte, von der Aufbau Verlagsgruppe (an der Lunkewitz ja seit 1991 auch beteiligt ist) Geld, weil die Aufbau Verlagsgruppe Rechte vergeben hat, über die sie gar nicht verfügen durfte. Darum wohl der Insolvenzantrag.

Außerdem fordern Lunkewitz als auch diese Beteiligungsgesellschaft (also auch wieder Lunkewitz) von der Treuhand-Nachfolgerin BVS Schadensersatz. Allein die Prozesskosten für die Verfahren gegen die Treuhand gingen in die Millionenhöhe. Zudem sollen die Treuhandbeamten schon recht bald gewusst haben, dass bei dem Verkauf gepfuscht wurde.

Nachtrag: Wenn man anfängt zu kommentieren, dann aber zwischendurch einen Anruf bekommt, kann es passieren, dass andere dann schneller waren, bis man seinen Kommentar endlich abschickt. :-)

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Gutes wird durch Wiederholung auch nicht schlechter. Die Tragödie ist meines Erachtens, dass gerade der Aufbau-Verlag es nicht verdient hat, ausgerechnet so draufzugehen. Als wäre die Treuhand nicht eh schon ein Monster gewesen.

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dass gerade der Aufbau-Verlag es nicht verdient hat

um verdienst ging es damals, als die treuhand das ddr-vermögen übernahm, um es zu versilbern, nicht.

es ging darum, dass die bundesrepublik als rechtsnachfolgerin der soeben durch beitritt beendeten ddr geld brauchte. es wurde da von sonderbaren leuten mancher sonderbare deal eingefädelt, aber es sollte ja schnell gehen. es gab nicht nur verkäufer, die mehr wussten, als sie sagten. es gab auch käufer, bei dem zugriffen, was sie für ein schnäppchen hielten, obwohl sie wussten oder zumindest hätten wissen können, dass, beispielsweise, die eigentumsverhältnisse unklar waren.

wenn herr lunkwitz es schafft, ersatzansprüche gegen die treuhand bzw. deren rechtsnachfolger oder gewährträger durchzusetzen, wäre damit eine generation juristen in arbeit und brot gesetzt - erst wickelte die treuehand das ddr-vermögen ab, jetzt wird die treuhand nochmal abgewickelt.

das kann noch heiter werden. die steuersenkungen, die guido so grosszügig verspricht, die sind noch nicht dem topf, der kocht, wie man in sachsen sagt.

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Du wirst es wahrscheinlich auch bekommen, aber wenn nicht:

http://www.boersenblatt.net/199726/

Ich finde die Idee erst einmal gut. Gab es da nicht auch mal die Idee eines Verlages der Sortimenter?

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Interessant auch, wie die Presse im Falle Aufbau die ganze Zeit so tut, als wüßten sie genau bescheid, dabei ist der Fall so verzwickt, daß sie am Anfang in ihrer Empörung ganz auf Lunkewitz' Seite standen und inzwischen die Position der Geschäftsführung übernommen haben, beides jedoch im Brustton der Überzeugung.

Ein ganz guter Text ist bei buchmarkt.de erschienen.

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Danke für den Hinweis. Es ist in seiner Gesamtheit sehr, sehr traurig.

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Allerdings.

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