Wo man ankommen sollte

Für J. aus G., für S. aus P., für K. aus M. und andere

Ja. Das ist so eine Sache.

Es gibt da einen Unterschied zwischen Euch und mir. Es ist wirklich so, weiter als bis zur nächsten Kurve denke ich nicht. Man lernt das beim professionellen Fahren, da braucht man alle Konzentration, erst am Ausgang der einen Kurve sollte man anfangen, die kommende Kurve zu fühlen. Anders gesagt: Meine Lebensplanung was in etwa so kurzfristig, wie die Chancen, die sich aufgetan haben. Manche von Euch, die es nicht so leicht hatten, die sich bewerben mussten und Nachweise bringen: Ihr hasst das. Zurecht. Oder zu unrecht? Anders könnte ich es nicht, ich habe keine Lust, mich um irgendetwas zu schlagen, ich bin dann einfach so, dass ich das bekomme, was ich brauche. Aber das ist für andere natürlich keine Option, und so reicht es bei Euch nicht, nur an die nächste Kurve zu denken. Ihr würdet damit nicht glücklich werden.

Nun ist es aber so, dass ich nicht gerade finde, dass Ihr gut damit gefahren seid. Es ist eigentlich die immer gleiche Geschichte, die Gedanken waren schon die halbe Strecke voraus, und dann lag in einer Kurve etwas, das da nicht liegen sollte. Etwas, an das man nicht glaubte denken zhu müssen. Ich bin vor ein paar Jahren hoch zum Lago di Valvestrino, und dann an der Üferstrasse entlang, bis zum Ende, und dann wieder zurück. Die Kurven sind dort recht ungleichmässig, die eine Seite ist weit und die andere dafür eng, man muss also aufpassen. Und als ich so dahinfuhr und um eine Kurve kam, lag da ein Felsbrocken auf dem Weg. Einfach so. Caduta Sassi, steht ja auch auf den Schildern, aber wenn er dann da mal liegt, der Brocken, exakt an jenem Punkt, da man wieder Gas geben würde... sowas in der Art ist passiert auch im Leben, und da denkt man besser nicht an die Gardesana, an das Restaurant la Fenice unten in Sirmione, oder vier Kurven weiter.

Wenn man aber reingerauscht ist, ist es eher unerfreulich. Der Vorschlag, den ich machen möchte, und der vielleicht ein guter Kompromiss aus der Ablehnung meiner Haltung und den Gegebenheiten ist, die nun mal so sind, wie sie sind und nicht geändert werden (amüsanterweise für das Schicksal, das sich nicht gerne foppen lässt, ist das nämlich immer mit dabei, diese Steine fallen immer in Zusammenhang mit Konstruktionen runter, die so aussehen, als wären sie unverrückbar) - der Vorschlag ist zu überlegen, wie es sein sollte, wenn man später einmal daran denkt. Ich gebe zu, diese Haltung ist natürlich durch mein Studium geprägt, in dem der Mensch und sein Handeln ein Nichts vor dem Historiker und seiner Einschätzung ist. Aber später einmal wird man sein eigenes Leben betrachten und sich wundern, wo man rausgekommen ist, und wo nicht.

Womit wir zum Herrn mit den roten Schuhen kommen. Würde ich weiter denken müssen, wäre der Herr mit den roten Schuhen und der lässigen, weissen Hose trotz des Damenrades eine klare Option für das, was kommt, wenn ich einmal nicht mehr jede Kurve nehmen muss.



Die Frage sollte also nicht sein, wie bekomme ich die nächste Belobigung von meinem Boss, den Posten oder den Erfolg. Die Frage ist, wie werde ich so 70, dass ich lässig mit weisser Hose und immer nich so jugendlich mit roten Schuhen als Mann auf dem Damenrad durch eine schöne Stadt radeln kann, dabei zufrieden bin und so unglaublich lässig und angenehm wirke. Wie eine französische Fahne. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Entspanntheit. Was muss ich tun, um dorthin zu kommen. Genau das tun. Keinen Jota mehr. Alles, was nicht nötig ist, durch Wohlleben ersetzen, nichts auslassen, und immer daran denken: Es gibt genug andere Idioten, die sich darum reissen, in die Felsbrocken zu rasen und dann mies drauf zu sein. Nie etwas für die Konstruktion tun, die nur darauf wartet, einen hinterrücks fertig zu machen, sondern die Konstruktion genau so weit nutzen, dass sie einen dorthin bringt. So schnell wie möglich. Und sie dann hinter sich idealerweise sprengen.

Denn am Ende kann es nicht viele solche Plätze geben, auf denen solche Leute mit roten Schuhen lässig aussehen. Das Alter macht es zunehmend schwer, wegen all der Brocken, die da kommen. Es geht nicht um die vielen Kurven, es geht um das Ankommen, das anderen nicht vergönnt ist, aus welchen Gründen auch immer.Und dann in eine Bar, Zeit haben und sich denken: Senfgelbe Schuhe. Das wäre vielleicht noch was. Nachher noch schnell kaufen, morgen kommen ja die Freunde für eine Woche.

Die, die auch durchgekommen sind.

Samstag, 28. Mai 2011, 01:16, von donalphons | |comment

 
Hammer!

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Der Weg dorthin ...
Perfekte Erklärung zu dem Mann mit den roten Schuhen.

Leider vermisse ich ein paar kleine Hinweise, wie man wirklich dort hinkommt. Es ist nämlich so, daß - speziell in meiner Welt - doch ein paar ganz dicke Felsbrocken (Erkenntnisse) dazugekommen sind. Die da wären:

- die Gesellschaft arbeitet gegen einen

- mein Vadder und meine Mudder kamen leider aus Sklaven-Verhälnissen (bürgerlich, konservativ) und haben den Sohnemann entsprechend erzogen. DA muss man erst einmal rauswachsen

- Kohlen, vermisse ich sehr im Artikel. Was nützt die schönste Grundeinstellung, wenn ich gar keine Zeit oder anders gesagt $$$ habe, um mich auf den Marktplatz zu setzen und die Welt 1 Woche zu betrachten und so Rückschlüsse zu ziehen.

Politisch werden wir leider immer weiter gezwungen (durch Real-Lohn-Verminderung) mehr-für-weniger-Geld zu arbeiten.

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Die Einstellung zu dem Thema (wie im Artikel beschrieben) ist 100%-ig korrekt.

In meinem Fall habe ich aber leider erst die Erkenntnis bekommen, als ich genug Kohlen gesammelt habe um mir mal ein paar Jahre Auszeit zu gönnen.

... vorher war ich in der Hamster-Rolle gefangen.

Alles Gute

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Nun, sicher, es ist nicht so leicht und so gesellschaftlich akzeptiert, wie es früher und ganz früher war. Die Ungleichverteilung ist ja ein Mittel zur Anfeuerung solcher spassfeindlicher Einstellungen. Aber für den Beginn reicht es ja vielleicht schon, sich nicht mehr dauernd turbozucommitten.

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Sehe ich ähnlich wie Makkusth - ab und zu die Beine baumeln zu lassen, ist harte Arbeit, wenn das Elternhaus entsprechend calvinistisch geprägt war.

und bei Geld ist es das gleiche Thema: Einkommen ist nicht gleich Vermögen. Solange die Reserven nicht dauerhaft reichen (könnten), ist es hart (wenn auch nicht unmöglich), über die Welt zu philosophieren.

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habe heute diesen Mann reinszeniert. War schön, zumal ich diese Kleidungsstücke in der Garderobe habe, nur die Idee für die Zusammenstellung oder die Inspiration habe ich von hier. Ok es geht natürlich um mehr, aber es hilft zu verstehen.

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Rote Schuhe zu weißem Beinkleid: ist das vielleicht der Papst?

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Ja.
Werde diesen Text auf Kärtchen drucken lassen (wie dunnemals der mit dem Pfirsich Melba) und bei Bedarf an mir näher stehende Menschen verteilen.

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