Besser

Was wäre aus mir geworden, wäre ich in Berlin geblieben?

Es stand nicht zur Auswahl, es gab gute, beste Gründe, zurück zu gehen, und nur einen Grund zu bleiben: Einen Job, den ich vermutlich noch immer hätte.

Aber: Ich bin in Berlin verrundet. Das lag an einer Kombination aus generell eher fragwürdiger Küche, Stress, zwei langen Wintern und wenig Bewegung. Radfahren ist dort wirklich gefährlich, die Strassen sind in einem schlechten Zustand, und obendrein ist alles flach und Brandenburg. Bis zur Stadtgrenze: Über eine Stunde. Also tat ich zu wenig und hatte nach anderthalb Jahren die Quittung am Körper.



Übrigens, wenn mir Leute erzählen, dass man in Stadt Y mit Job Z soundsoviel verdienen könnte, ist diese Erfahrung immer etwas, das mich innerlich lächeln lässt: Geld ist nicht alles. Arbeit kann einen am falschen Ort mehr kosten, als man glauben mag. Nicht sofort, aber langfristig. Das Heimtückische ist: Wenn man es begreift, ist es zu spät.

Ich weiss nicht, wie weit ich weg war von jenem Punkt, an dem es keine Umkehr mehr gibt. Ein, zwei Jahre, so meine Schätzung, hätte ich so weiter machen können. Die Erkenntnis, dass ich auf keinem guten Weg war, war mitunter wenig schön und schmerzhaft - wer gesteht sich schon gern ein, dass der Körper älter wird und automatisch weniger zu leisten in der Lage ist. Dagegen anzugehen, wäre schon ein Anrennen gegen den Berg der Alterung, wenn man nicht zusätzlich gegen den Berg auf dem Rad oder den Beinen anrennt. Es geht voran. Es gibt Rückschläge. Man lernt einiges über den eigenen Körper, seine Grenzen und wie man sich darum herum mogelt. Sieger sehen anders aus. Tote aber auch.



Mein Berliner ich ahnte, dass es an einem Abgrund stand, und schloss die Augen. Heute schaue ich in die Zukunft und kämpfe nicht mehr gegen Fehlentwicklungen, sondern um Verbesserungen. Die Frage ist nicht mehr, ob ich einen Berg auf dem kleinsten Ritzel hoch komme, sondern warum ich da früher überhaupt ein Problem hatte. Gefühlte Siege sind heute sehr viel leichter als die gerade noch verhinderten Niederlagen der Vergangenheit. Es geht nicht nur um Kilos und um das Aussehen und die Gesundheit. Es geht auch um die Zuversicht, das Selbstbewusstsein und die Erfahrung. Für jemanden, der so für den Bund untauglich war, dass man ihn gleich zur amtlichen Feststellung der Behinderung hätte weiterschicken können, ist das, insgesamt gar nicht so schlecht. Viele marginalisierte Pisser wollen eher, dass andere ihre Privilgien checken: Ich bin vielleicht nicht voll "abled", aber was ich daraus mache, ist meine Sache, und ich allein bin dafür verantwortlich.

Irgendwann verlässt man dabei den Bereich, in dem alles eher schwierig ist, und erreicht dem Punkt, ab dem vieles leichter wird. Die Perspektive ändert sich. Man überlebt nicht die L Eroica, man fährt dort gut mit mit Tausenden, von denen ziemlich jeder zum fittesten Viertel gehört. Aber manchmal, wenn ich nach Hause komme, und sehe, wie in Berlin die Burgerläden an Bekannten und Feinden florieren, überkommt mich dennoch ein flaues Gefühl bei dem Gedanken, dass es auch ganz anders hätte ausgehen können. Es hat ja nicht nur mit dem Gewicht zu tun, sondern auch mit der Luft, die man atmet, mit den sonstigen Risiken, generell mit der Lebensqualität. Wir werden alle nicht jünger.



Es ist nicht immer schön bei uns, sondern manchmal auch neblig. Diesmal tropft das kondensierte Wasser vom Helm, nach 29 Kilometern bin ich wieder daheim, und das Grau wabert vor dem Fenster. Es ist egal. Ich weiss, was ich kann, und stünde ich morgen um 9 in Sterzing, wüsste ich, dass ich am Mittag oben auf dem Jaufenpass wäre. Aus dem Netz schaut mich das müde, zerfurchte Gesicht einer Gleichaltrigen an, die auch Sport macht, aber von Ängsten und Zweifeln zerfressen ist, und wohl nie den Punkt erreicht, da man nicht die Vergangenheit abarbeitet, sondern die eigene Zukunft bestimmt. Oh, bitte, es ist nicht so, dass es mir früher schlecht gegangen wäre - aber dieser eine Punkt mit der mangelnden Fitness war einfach nicht gut. Das hat sich jetzt geändert. Und wenn der Winter so bleibt, wird das kommendes Jahr nochmal deutlich besser.

Das Cinelli Genius ist leicht, selten, war mal sehr teuer, wurde von mir mit viel Fluchen und Mühe restauriert, und geht in die Berge.

Donnerstag, 17. Dezember 2015, 09:46, von donalphons | |comment

 
Tschuldigung, aber was heißt:... in Berlin verundet ... ?

Schlampat macht wampat!

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Ah ... jetzetle!

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Schönes Rad in schöner Farbe!

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In Berlin kann man Schwimmen und Rudern und natürlich ins Fitness-Center.

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Und die Bühnen und die Philharmonie.
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So ein Asamkirchenkonzert ist ja auch wunderbar aber --

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Nun hat mich diese schöne Freizeitbeschäftigung zwar nicht komplett vor körperlicher Unbill bewahrt, aber ich habe Grund zur Annahme, dass es mich in weniger fittem Zustand noch schlimmer erwischt hätte.

Insgesamt kann ich da nur beipflichten, im Grunde ist Gesundheit und Fitness eher ein Nebenprodukt, der Spaß an der Sache liegt darin, dass die eigene Anstrengung Grenzen verschieben kann, man merkt, hey, da geht doch was, auch wenn man nicht permanent getretene Kilowatt und verbrannte Kalorien misst.

Ach ja, das gleiche Lämpchen fahre ich in diesen Tagen auch spazieren.

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Selber bin ich wahrlich kein Sportler, es reicht, bei trockenem Wetter, gerade Mal für 2 x 9,5km durch die Stadt ins Büro und zurück. Wobei das Isarufer den höchsten Anstieg darstellt.

Aber: auch ein bisschen Bewegung gibt etwas, und vor allem: es macht den Kopf frei. Morgens macht es wach und abends macht es ruhig und hilft, sich zu lösen von den ganzen nur scheinbar wichtigen Dingen, denen man sich dann halt am nächsten Tag widmet.

Wenn es einige Tage regnet und daher öffentliche Verkehrsmittel oder das Auto angesagt sind, merke ich diesen Unterschied deutlich.

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es geht um Selbstbewusstsein, Erfolg und Zuversicht; es geht um die Luft, die man atmet

Vielen Dank für diesen Beitrag und die Unterstützung!
Ich sitze gerade auf dem Hügel über Lucca und freue mich schon auf Buonconvento.
Alles Gute.
DF

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Und wer immer nur Berliner Prekariat mit Oberbayerischem Besitzbürgertum vergleicht, erhält einen verzerrten Eindruck.
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Stellt man den Berliner Großbürger dem Dasein eines Pendlers aus Unterschleißheim gegenüber, dann sieht es gleich anders aus.

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Oder wie der Dichter sagt:
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Halb verdeckt von einem blutigen Nebel
Becher hat Schweiß vergossen beim Sonettbau
Für den Zusammenfluß von Wolga und Neckar
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Werden die Jurabauern das Sonettwerk
Gelesen haben, wenn die Globalisierung
Ihnen den Boden von der Schulter nimmt?

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im ggs zum nekrophilen müller hatte er ja wirklich mal jemanden erschossen

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Paron für duie Aufräumarbeiten, die Drecksaufünfsieben ist ausgemistet.

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Ich habe keine Ahnung, was genau den Don stört. Vermute aber stark, dass da was Persönliches vorgefallen ist, an den perfekten Texten kann´s eigentlich nicht liegen.

Und der Don kann sehr, sehr ungehalten reagieren, wenn man ihn unfair angreift. Das erklärt den Ton seiner Feministen-Beiträge - von deren Seite hat es wohl mehrfach Entlassungsforderungen an die FAZ gegeben. Nach so einer Aktion wäre jede Form auch sprachlicher Rücksichtnahme unverdienter Großmut.

Gruss,
Thorsten Haupts

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Schickes Cinelli. Ist es mit Restteilen aufgebaut? Irgendwie passen die Ergos nicht mit den Bremsen zusammen, der Dreifachantrieb auch nicht.
Bei mir wartet ein Eddy Merckx auf seine Wiederauferstehung. Die linke Lagerschale scheint reinbetoniert zu sein. Selbst moderate Gewalt hielf nicht.

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"Bis zur Stadtgrenze: Über eine Stunde. "
Kommt drauf an, wo in Berlin man wohnt & losfährt. Ich zum Beispiel brauch' mit meinen stinknormalen schweren Billig-Rad fünf Minuten, dann befinde ich mich zwischen Brandenburger Feldern und Wiesen, dort grasenden schottischen Kühen und ein paar Pferden, sowie einem kleinen verwilderten Wäldchen. Das ist natürlich nicht so schick wie Meran, die Toscana oder der Tegernsee. Eher so ärmlich wie der Harz (aus dem ich gerade zurückkomme: "Wenn kein Schnee liegt, wird es einsam und triest im Harz.")

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