Werte im Alter

Als ich 1998 mit dem Radiomachen begonnen habe, kam ich auch mit "richtigen" Studios in Kontakt. Also Kellern in München, schwarz und mit Schaumstoff verkleidet und natürlich ohne richtige Fluchtwege, in denen Männer viel rauchten und tranken und ab und zu auch Musik machten. Eines dieser Studios lag gleich beim BR und war der Gegenentwurf zur klinischen Welt der Regimesender: Kein helles Holz, unaufgeräumt, überall stapelten sich Gerätschaften, ständig stolperte man über Kabel, und es roch nach Lötzinn und verschmorten Kabeln. Es war damals noch so internetfern, dass man tatsächlich irgendwo Leute kennenlernte, die sagten, sie hätten da noch ein altes Sennheiser MD421, man sollte kommen und es sich anschauen. In diesem Studio war als Nebenmischpult - das Hauptmischpult war so gross wie die Kommandobrücke eines Flugzeugträgers - auch ein Allen & Heath GS3 mit 24 Kanälen. Das hätte ich damals auch kaufen können, man wollte es gegen ein damals modernes Digitalpult ersetzen, dessen Funktionen heute jedes 20-Euro-Billighandy mit seiner Rechenkraft bewältigen würde.



Mir war das damals zu teuer, die Herren des Studios wollten 4000 DM Freundschaftspreis und meinten, unter der Asche und den Whiskeyspritzern sei es wirklich gut erhalten und ein absolutes Schnäppchen, neu hätte das 10.000 DM gekostet. So war das damals, man nahm noch auf DAT oder Vielspurbandmaschinen auf und hoffte, die Bänder würden nicht gefressen werden. Späteres Editieren ging damsls eher schlecht, also brauchte man viele Kanäle, viele Kompressoren, Vorverstärker, Hallgeräte... man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Jedenfalls, momentan baue ich wieder Kapazitäten auf und stand vor der Frage, welches stationäre Mischpult ich will. Ein kleines von Yamaha, das heute auch nur noch 1/3 der 1000 Euro wert ist, die man 2010 ausgeben musste. Oder ein A&H GS3 mit 24 Kanälen wie damals, falls es irgendwie erschwingbar sein sollte, weil die 200 Euro Startpreis bei Ebay, das war sehr wenig. 100 weniger als das Yamaha. Und nach meinen Erfahrungen mit Interfaces und Treibern neige ich eher dazu, Hardware und Computerteile zu trennen: Lieber kein Mischpult, für das es in 5 Jahren keine Treiber mehr gibt, sondern einen externen Wandler, den man im Zweifelsfall halt entsorgt. Auch gute externe Soundkarten gibt es gebraucht schon ab 40 Euro. Dann kam der letzte Moment der Versteigerung, und ich bekam das Allen & Heath - für 201 Euro.



10.000 DM waren 1995 nicht ganz wenig Geld. Bis ich alles besammen habe, was ich brauche, lagere ich das Pult unter einem noch nicht endgültig aufgehängten Gemälde, das bei Sotheby Kensington mit Aufgeld 5000 Pfund gekostet hat, und heute nicht einmal mehr 1/10 gebracht hat - weil es für den normalen Käufer einfach viel zu gross ist.

Natürlich brauche ich keine 24 Kanäle, im äussersten Fall reichen 4 oder 5. Bei dem, was ich machen werde, spielt der Klang auch keine besondere Rolle - die Feinheiten, die man hier herausholen kann, hört man am Rechner ohnehin nicht mehr. Es ist halt ein riesiges Pult, mit dem man einiges tun kann, und als es gebaut wurde, war es noch eine richtige Investition. Heute hat es, obwohl es funktioniert, nur noch den Wert eines kleinen Chinamixers. Es ist ganz angenehm, etwas zu haben, das einen nicht an die Grenzen bringt. Aber dass alles, was gross, robust und dauerhaft ist, so wertlos werden kann, weil die Aufnahmetechnik so anders geworden ist, und die Lebensumstände so klein - das ist schon bemerkenswert. Das Gemälde kommt übrigens aus einer sehr weitläufigen Wohnung in Berlin, in der eine Dame wohnte, und die Räumlichkeiten werden jetzt geteilt und dann in zwei Stücken verkauft. Ich glaube nicht, dass alles besser wird, und wir alle reicher werden. Werte zerfallen nur schneller, und es gibt zu viel Geld und kein Gefühl, was es letztlich bedeutet, solange man es hat. Die Entwicklung schreitet voran und man rennt mit, ohne dass man nachdenken könnte. Ich hoffe, dass das, was ich da am Pult zu tun gedenke, etwas anders wird.

Donnerstag, 10. Januar 2019, 20:12, von donalphons | |comment

 
Wow
Das war ein Rebellentext. Sogar mit Rebellenphoto. Fühkt sich an wie 2006.
Ich weiss gar nicht mehr, wann es das zuletzt gab.
Wurde mit den Stützen nie richtig warm.
Vielen Dank dafür, hat Freude bereitet.

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Kommt schon wieder, keine Sorge, die Erfahrungen zeigen nur, dass ich mit Privatsachen besser den Mund halte.

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wir Leser nehmen den kleinen Finger, wir nehmen beide Hände

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Es wird mehr Finger geben.

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Gestern Nacht eine gute Stunde gehört.

Mei Eindruck wurde von Eech bestens wiedergegeben

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Dann wollen wir mal hoffen daß der Trumm die 25 Jahre gut überstanden hat und nicht bei jeder Berührung kracht und scheppert wie ein Gewitter.
Wenns nach Kontaktspray stinkt sofort weiterveräußern.

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Sieht nicht so aus, es war wohl nur im moderaten Gebrauch.

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Fotosachen genauso ..
Nicht nur an hochkarätiger Audio-Elektronik nagen die Veränderungen, bei Foto sieht es kaum besser aus. Vor 20 Jahrem mit dem 4/600er für über 8000 DM über die Strände gezogen, heute reicht ein 75-300 an MFT für weniger als 500 und die Qualität ist weit besser, von der Schlepperei ganz zu schweigen.

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Ja, das waren noch Zeiten...
...ich habe auch mal im Offenen Kanal herumgemurkst. Damals (Ende der 90er/2000) kam gerade der digitale Schnitt auf, ich weiß gar nicht mehr, wie das Programm hieß, es lief jedenfalls unter Windows 98 (nicht mal NT) und das mehr schlecht als recht, die Computer waren damals halt noch nicht so weit. Als ich einmal zwei Stunden Arbeit an einem gar nicht mal so langen Beitrag an die Blue Screen of Death verloren hatte, war ich kuriert, denn da standen auch noch zwei große Revox-Bandmaschinen. Das hat viel mehr Spaß gemacht und stürzte auch nicht ab. Die Bänder waren bereits zigmal überspielt, geschnitten und geklebt, denn ein neues war ja schlimm teuer. Die fertigen Sendungen wurden auf MiniDisc (noch so eine ausgestorbene Technik) überspielt. Irgendwie mag ich Sachen zum Anfassen jedenfalls immer noch lieber, fotografiere auch immer noch gerne auf Film. Für so eine fette Revox würde ich glatt Platz im Wohnzimmer schaffen, oder... ach nee, ich habe doch schon so viel Kram... Viel Spaß mit dem schönen Mischpult!

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Das ist ja gerade bei Mischpulten nicht der Fall, die neueren Billigmischer haben Digitalwandler zum Davonlaufen und das auf Kosten der Mikrofonvorverstärker. Bei Foto ist das etwas anderes, ich habe hier inzwischen ein neues Zoomobjektiv 12-60 an der G3, das tatsächlich auch bei Blende 4 Bokeh kann.

Mir soll es recht sein, ich kaufe auch weiter CDs und spiele sie ab.

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Das Bürgerradio, bei dem ich war, hatte einen digitaltauglichen Rechner und natürlich keine Schnittsoftware - das habe ich dann 1999 selbst beschafft. Band habe ich trotzdem noch gelernt. Aber mit Wavelab konnte man privat plötzlich viel besser als mit dem ÖR-DigAS arbeiten.

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Freue mich auf Audio vom Don - in welcher Form auch immer.
Ein Rebellmarkt zum einsamen, winterlichen Standspaziergang...

Dazu fällt mir automatisch etwas anderes ein (Verzeihung, falls ich es schon mal angepriesen habe, aber es liegt mir am Herzen):
Hans Falladas "Der Trinker", gelesen von Christian Melchert.
Nicht nur für die, die ein Problem mit Abstinenz haben, ist das eine wunderbare Begleitung auf ausgedehnten Spaziergängen an diesen grauen naßkalten Tagen.

Melchert ist nicht nur ein hervorragender, bspw. im ör-TV vielgebuchter Sprecher, sondern langjähriges Mitglied der Fallada-Gesellschaft.
Naja, und zu Fallada muß ich ja wohl nichts weiter sagen, insbesondere nicht dazu, daß er hier besonders wußte, wovon er schreibt.

Die 8 CDs gibts nur noch antiquarisch.

Wer also mal einen unverfälschten Blick in die Hölle werfen möchte...
(Hinterher kann man sich ja mit Londons "John Barleycorn") wieder beruhigen.)

cheers

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Das GS3 als Mischpult-Oldheimer ist schon sehr nett, wenngleich für Podcastzwecke etwas zu raumgreifend, wenn man mich fragt. Für 201 Euro kann man da dennoch nicht sehr viel falsch machen, und falls mal ein Kanal kaputt gegangen sein sollte, dürften noch genügend andere übrig sein. Irgendwann später, wenn man etwas Handlicheres für die eigenen Zwecke ausgeguckt hat, findet sich sicherlich noch ein Musiker, der es haben mag - und beim gegenwärtigen Gebrauchtpreis würde ich weiteren Wertverfall sogar ausschließen. Wäre das GS3-Mischpult-Trumm münzgroß, so würde ich es glatt noch als Wertanlage empfehlen.

Die analogen, semiparametrischen Filter lassen sich recht gut zur Verbesserung von Sprachverständlichkeit, Ausformung der Stimme und Entfernung von Rumpelgeräuschen einsetzen, ein LP müsste da auch vorhanden sein und all das zusammen klingt für meine Ohren angenehmer als die digitalen Entsprechungen.

Außerdem fässt sich solide, hochwertige Hardware auch angenehm an beim Arbeiten. Und ehrlich: Allein das ist viel wert und macht schlicht Spaß!

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Die Schönheitengalerie hinter Ihnen hängt ziemlich dicht. Mir würde ja schwindelig werden in so einer Umgebung, aber zu Ihnen passt es. Wenn ich es mit einer gewissen Neutralität und innerlichen Distanz betrachte, gefällt es mir sogar.

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die Petersburger Hängung ist wohl eher auf die Sammelwut des Dons und den daraus resultierenden Platzmangel und weniger auf ästhetische Überlegungen zurückzuführen. Ich weiß, als manischer Sammler steht man irgendwann vor der Überlegung in ein größeres Haus (vorzugsweise ein Schloß) umzuziehen oder Marie Kondo zu bitten vorbeizuschauen.

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Es wird gewiss ungewöhnlich,
und sehr besonders, böse und schön. Der Aufwand! Aber sind Sie ganz sicher, dass sich das lohnt? Bin nicht völlig unmusikalisch, aber leb leider nicht wie Sie so fürstlich - bin da immer wieder baff, ist ja Wahnsinn - und hör den Nachbarn zuliebe fast immer mit Kopfhörer, sogar guten und das ist einfach nichts, absolut nichts zum Originalton.
Womit ich sagen will: Video! Video! Video! Das wär schon fein und lustig. Egal wie und womit aufgenommen. Wenn Sie bedenken bei den möglichen Abspielplattformen haben, mir und vielen graust auch, wo man was nachsehen oder mitlesen muss, aber anders geht´s halt nicht und es ist nicht wichtig. Die Dinge sind da, dann kann es auch für etwas Gutes genutzt werden.

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Ich will halt nichts Schlechtes abliefern, und eine schlechte Lösung wäre kaum billigeer. Video kann ich nicht. So einfach.

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Keine Kritik an Ihrem Anspruch und ich wünsch Ihnen sehr, dass anderes gelingen möge. Vielleicht denken Sie ja über eine Art Audiokommunikation mit Ihren Lesern nach. Jeder Autor verbindet doch damit eine Hassliebe, der ersehnte Ausgleich zur Schreibeisolation bei 99% Enttäuschung über das inferiore Nichtverstanden werden. Sie haben dies immer besonders forciert. Und den SM-Sachen droht der Leerlauf, von beiden Seiten. Die Spitzenköpfe brennen aus, das private Publikum resigniert, hat zu viel Angst, auch vor der Blamage, zu wenig Zeit und steckt die eintausendste Aggression dann eben nicht mehr weg.

Ohne irgendeine Ahnung zu haben, Sie scheinen bei der WELT gut positioniert, ich lese die durchaus nicht nur Ihres Blogs willen, vorrangig, aber ich würde die auch so durchsehen. Gelesen, gehört (das gesehen, geb ich jetzt trotzdem nicht ganz auf, ich bitt Sie, das kann jeder) wird wegen der Inhalte, war so, bleibt so, hoff ich zumindest. Aber wie gesagt – ich hab sicher nicht die leiseste Vorstellung, wie das wirklich läuft. Good luck.

PS: oh, gerade noch rechtzeitig gelesen!

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nichts Schlechtes
Strudel im gelben Zimmer
https://www.youtube.com/watch?v=p7OWFnJNxW8
Zeichnen können Sie wahrscheinlich auch...

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Werte
Bin beeindruckt, interessanter Text.
Na, dann aber los!

Der Werteverfall von altmodischen Geräten ist teilweise darauf zurückzuführen, dass den Geräten etwas nun mal fehlt verglichen mit den modern Ausgestatteten: ein Interface, eine Speichermöglichkeit, eine Komfortfunktion (bin klug heute, nicht?). So hoffe ich, dass Sie nicht irgendwo doch an solche Grenzen stoßen werden. Falls der Titel eine Anspielung sein sollte: machen Sie sich bitte keine Sorgen darüber.

Was die "Entwicklung schreitet voran und man rennt mit, ohne dass man nachdenken könnte" betrifft:
Für Konsumenten mag das im allgemeinen zutreffen aber herstellerseitig wird definitiv immer mehr Nachdenken erforderlich. Allein wie eine neue Technologie im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit in der Produktion "eingeschossen" wird, kann ungeheuer faszinierend sein. Das ist wie ein Rennen gegen Zeit und Raum, ein ähnlich adrenalinausstoßender Wettkampf, wie ein Autorennen. (Ach, jetzt fällt mir ein, Sie waren ja irgendwo in einer Serienfertigung.)

Wie dem auch sei, viel Glück mit dem Podcast!

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"Die Entwicklung schreitet voran und man rennt mit, ohne dass man nachdenken könnte."
Da bahnt sich doch wohl hoffentlich keine Winterdepression an? ;-)

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