Real Life 06.11.06 - Badespass mit Iris

Und morgen bin ich - sie hält inne, beugt sich ganz weit vor über den kleinen Bistrotisch, schaut dir tief in Augen und sagt: Schau jetzt bloss nicht raus. Aus den Augenwinkeln erahnst du, dass er es sein muss, der im Auto sitzt, das am Fenster des Cafes vorbeirollt, ganz langsam, abbremst, stehen bleibt exakt auf ihrer Höhe, und ein paar Schülern im Ghettostil vorbei lässt, die Art, die sich mit Bitch und Macker und Alder anreden und fast echt klingen, auch wenn sie daheim von einer zielstrebigen Mama dann an die Hausaufgaben gezwungen werden. Er ist es, er macht das nicht zufällig, hupen würde er natürlich nicht, aber er lässt sich wirklich alle Zeit.

Du beugst dich also auch vor, schenkst Iris ein feuchtes Lächeln, dessen Schlüpfrigkeit die auch noch die Windschutzscheibe vor ihm beschlagen muss, und machst Plüschaugen. Zum Aufwischen. Draussen setzt sich der Wagen wieder in Bewegung und rollt um die Ecke. Iris lässt sich aus dem Bannkreis deines Charmes zurückfallen, gibt ein kindisches Brrrr von sich, und du versuchst dir vorzustellen, wie das zwischen den beiden im Bett gewesen sein muss. Brrrr, fürwahr.

Dann ruft sie die Bedienung, ein richtiger Witwentröster, gibt ihm auffällig viel Trinkgeld und muss sich dann doch von Dir in den Mantel helfen lassen, denn dazu reicht es bei dem Seckl bei aller Zuwendung dann doch nicht. Du wirfst ein paar sinnlose Komplimente in den Abgrund ihrer schlechten Laune, hörst in sie hinein, wie man in einen Burgbrunnen hineinhört, um das Aufklatschen eines Steins zu erlauschen, aber nur eisige Stille klirrt tonlos in ihrem Inneren.

Du plauderst irgendetwas Belangloses, als ihr in die Fussgängerzone kommt, sie schweigt mehrheitlich, interessiert sich kaum für die vollgestopften Auslagen und schon gar nicht für den sie umgebenden Menschenbrei, sie kann das stunden- und tagelang, wenn es sein muss, und wenn du ehrlich bist, freut es dich ein etwas, dass er solche Zeiten am Ende über Monate hinweg erdulden musste. Der gewonnene Scheidungskrieg, der ihm das viel zu grosse Haus gelassen hat, inclusive auf immer leer bleibender Kinderzimmer, ist da nur ein schwacher Trost. Da, sagt Iris und deutet auf ein Geschäft mit Geschenkwaren billiger Natur. Da gehen wir jetzt rein und kaufen etwas furchtbar Geschmackloses für meine Ex-Schwägerin, kleben irgendeinen Sticker aus München dran, die merkt das gar nicht.

Drinnen ist es so, wie es nun mal in Läden ist, die Badeschaum in Konfettiform verkaufen, Lipgloss mit Glitter und Kerzenhalter mit goldenen Plastikengerln. Solche Geschäfte ziehen Frauen magisch an und verwandeln Männer in verlegenere Trottel, als es ein reizwäschegeschäft je vermögen würde. Dort können sie wenigstens Haut sehen, hier jedoch sehen sie die lediglich die Staubfänger eines Lebens im Konsumabfall, und zumindest ahnen sie, dass hier etwas fundamental falsch läuft in ihrem Leben.

So ein Kristallherzerl am Kropfbanderl, wie wäre es damit? fragt Iris und hebt ein billigen Samtband mit Klunker hoch. Prima, meinst du, ich habe daheim noch irgendwo eine Schachtel von Swarowski. Oder so eine lackierte Kiste aus China, die ist sicher wahnsinnig gesundheitsschädlich, vielleicht mit Blei oder Cyanid, oder? Wie das schon riecht, bäh. Als Brotkorb, der fehlt ihr noch, denkt Iris laut nach. Oder so ein Set billiger japanisch anmutender Messer mit Holzimitatgriff. Einzeln verpackt und mit der Legende versehen, dass du die koreanischen Geschäftspartner deiner Haifische gebeten hast, dir diese edlen Schneidwerkzeuge mitzubringen. Oder eine von diesen Konsolen da hinten. Und dazu eine Hummelfigur, damit die Schnalle das Ding mitten an ihre sepiafarbende Toskanawand dübeln muss, pflichtest du bei, und dann löst sich der Groschen von der Kante Deines Grosshirns, kullert die Abänge Deiner Seele hinunter und kommt auf dem habgierigen Stammhirn zu liegen. Konsolen? Stuckkonsolen? Darf ich mal, drängelst du reichlich unfein Iris beiseite.

Ein ganzer Berg Konsolen. Korinthisch, ionisch und dorisch, mit Akanthusblättern, Voluten und Kaneluren, ungewöhnlich gross und wie von Robert Adams Reissbrett. Konsolen also, wie sie sonst schnell 40 Euro und mehr kosten, hier für läppische 2, 3 Euro das Stück, und während du auf Anhieb weisst, wo du mindestens sechs Stück verbraten kannst, wird Iris etwas unruhig. So war das nicht geplant, wahrscheinlich beginnt sie sich gerade vor den Lipglossmädchen zu schämen, ob ihres Begleiters.

Don, das ist nicht dein Ernst, oder? will sie wissen, und du versuchst ihr nahe zu bringen, wie wunderbar das ist, diese Konsolen lösen gleich mehrere Probleme om Badm nämlich den Ort und die Höhe für Kerzenhalter; wenn sich denn mal eine Frau darin verirren sollte, dann gibt es die richtige Beleuchtung, ach das wird eine Freude. Iris steht fassungslos mir dir an der Kasse, so war das nicht gedacht, und über den Kaufrausch vergisst sie dann auch noch das Kropfband mit dem Kristallherz.

Du aber schleppst schwer gefüllte Tüten in krachigem Gelb nach Hause, und während Iris, immer noch von leichtem Abscheu ergriffen, Tee trinkt und in Rousseaus Lettres de la Montagne (Amsterdam 1764) blättert, knallst du die Konsolen an die Badwand neben den grossen Spiegel - Iris?



Hm, äusser sie sich nicht ohne Misstrauen. Also... Ja? Also, ich könnte mir sowas wirklich nicht kaufen, ohne mich zu schämen... allein schon der Gedanke, etwas aus diesem Laden zu holen... Mhm. Also, kannst du mir welche mitbringen, und das mit dem Hinmachen? Wie geht das? Ah, mit Nägeln, nein, das kann ich nicht, das musst sowieso du dann auch machen. Hält das denn wirklich mit Nägeln? Bist du dir sicher?

Und du erzählst ihr die lange Geschichte, als du einmal, ebenfalls mit Nägel, deiner kleinen Schwester eine Konsole mitsamt schwerer Bronzetänzerin an die Wand gemacht hat, und sie dann einen ganzen Abend davor sass und Angst hatte, es würde nicht halten. Natürlich hat es gehalten, die Angst war vollkommen umsonst - so umsonst wie übrigens auch deine vage, leise Hoffnung, Iris würde sich die Geschichte vielleicht in der gefüllten Wanne anhören wollen, von dir aus auch mit Schaumdecke. Wenn es denn sein müsste. Aber

Mittwoch, 8. November 2006, 00:55, von donalphons | |comment

 
Die Nacht war jung und ich brauchte die Ablenkung von der zähen Auszählung der amerikanischen Wahl ... komisch ... die sog. transatlantischen aka transrednecks Blogs sind so still geworden in der Frage ... keiner mag wohl mit Bush absaufen, soweit geht die Liebe doch nicht ... wie sagte Robert Capa mal so schön: Die Deutschen kämpfen nicht bis zum letzten Deutschen, sondern nur bis zum ersten Gegner...

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Nageln? Ich hätte bei dem Anblick wirklich an Winkeldübel gedacht. Wobei - gewisse Freunde finden alles, was nicht Marmor, sondern Travertin ist, wahnsinnig geschmacklos, von Materialien drunter gar nicht zu reden.

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Nun, ich habe aus der Dürftigkeit meiner Mittel und der Limitierung meiner Barschaft nie einen Hehl gemacht. Für mehr als 6 Zimmer, zwei Bäder, einer Dachterasse und einer Küche wird es wohl nie bei mir reichen.

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"Ich wollte nie ein Millionär sein. Ich wollte bloß leben wie einer." - Walter Hagen-Groll

:-)

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<klugscheiß>Für Robert Adams doch ein bißchen *zu* stark rustiziert, aber in der Tat sehr dekorativ.</klugscheiß>

Selbst bemalt oder waren die so?

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Don, Du wirst lachen, einer der größten Travertinverächter bezeichnet sich als "working class and proud" und verabscheut alles, was entfernt nach Oberschicht riecht. Und sieht zugleich Travertin- bzw. Nicht-Marmorware als peinlichen Prunkversuch nicht-klassenbewusster Prolls an, die gerne Upper Class wären. So die Kreise, die wie Du IKEA verachten, aber sich dafür die Regale und Schränke selber zimmern.

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Wenn man ihn nur entsprechend bezahlte, war er zu jeder Schandtat bereit, wie alle seine Kollegen. Inclusive Konkursverschleppung, übrigens. Die kommen genau so. Zufällig hat die Farbe genau zur Wand gepasst, also habe ich es gelassen. Es gibt noch andere Formen, die schlichter sind, aber hey, ich mein... Im Gang habe ich dann meine Khmerbronzen auf solchen Konsolen an die Wand gebracht. Achtung. Das ist ein Hinweis. Nu?

Dem, Che, würde ich lässigst antworten: Mei. Mia gfoids. Überhaupt ist so eine Bayerisch-unempfindliche Ader sehr von Vorteil.

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Dojo Alphonso
Hmm, Khmerbronzen, spitzköpfige Buddhas im Kerzenschein, der sich auf dem hellen Stein spiegelt. Sagenhaft, ich höre schon den donnigen Gongschlag und rieche langsam abbrennenden getrockneten Lotos mit einer Spur Sandelholz.

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Bitte, che....
....Möbel schreinert man, der Dachstuhl wird gezimmert. Ich habe aus der Scheune noch etwa 150 - bis 200 jährige Eichenbretter. Die verarbeite ich derzeit zu Regalen. Sieht dann - obwohl französischer Provinienz nach Westfalen aus. Irgendwie schlägt die Heimat durch...

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Nein, asiatisch wird es im Gang vor dem Bad, das Bad wiederum ist eine Ansammlung menschlicher bebildeter Dummheiten: Napoleon, Kirchenruinen, antike Ruinen, Prunk, Religiöses, Frau eine Entscheidung de Paris.

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Immer ...
wenn ich einen Tag hab, wo ich denk, die Welt mag mich nicht, dann schau ich hier rein und nie werd ich enttäuscht ...

Hier komm ich immer wieder so richtig herzhaft ans Lachen. Danke Don :-))))))


Diese Konsolen da - die gefallen mir sehr gut. Ich werde mal die Augen aufhalten in Zukunft, aber ob das Rheinland sowas hergibt ? Naja ... bei all den Schlössern und Burgen hier im Rheintal sollte es doch, oder ?

Sowas würde sich jedenfalls gut in meinem kleinen Häuschen machen - und gerade mit so einem Kerzlein darauf ... doch ja - das hat was ... +ggg+

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Schick mir Deine Email und ich schicke Dir eine bebilderte Auswahl - ich horte die Dinger gerade kistenweise auf Vorrat...

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Hab
die email geschickt - wußte aber nicht so recht an welche adresse und hab dann die von gmail genommen ...

Ich hoffe, dass ist angekommen :-)

Vielen Dank übrigens!

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Ist angekommen - nur momentan ist alles total überladen...

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