Antiquariat Hans Hammerstein, Türkenstrase 37

Das klassische Antiquariat in Schwabing hat ziemlich harte Zeiten hinter sich. Der Fluch sind die Unmengen von Bücher, die Verlage raushauen und die kein Jahr später dann für kleinstes Gld verkloppt werden, so wie gerade bei 2001 die vorzügliche, jüdische Entstehungsgeschichte Hollywoods "Ein eigenes Reich" - 6 Euro statt 25, noch so ein hochgelobter amerikanischer Bestseller, der hierzulande das Schicksal von T. C. Boyle und anderen teilt. Aber wenn es ladenneue Bücher für weniger als die Hälfte des Preises gibt, wie sollen dann Antiquariate überstehen, die ganze Bibliotheken einer langsam wegsterbenden Generation von Nachkriegsprofessoren ankaufen? Und wer will in Zeiten fetter, schlecht geschriebener Taschen-Weltbild-Bände noch alte Bücher mit Schwarzweiss-Bildern und fussnotentriefenden Seiten?

Nun, solange es mich gibt, gibt es dafür eine Antwort: Ich! Eine Bibliothek lebt vom Nebeneinander von sorgsam gepflegten Antiken, heissgeliebten und vergilbten Brechtausgaben und neuester Fachliteratur sowie den eigenen Werken, und der stete Zustrom an neuesten Druckerzeugnissen muss dirch Nachschub ausgefallener Altbücher kompensiert werden. Bücher, von denen man nicht mal ahnte, dass es sie gibt, bevor man sie in Händen hielt. Dazu braucht es die verbliebenen und neu gegründeten Antiquariate in Schwabing. Und das Antiquariat Hans Hammerstein in der Türkenstrasse 37 ist einer der ersten Läden, die ich quasi als Verlängerung meiner eigenen Bibliothek definierte, und den beim Umweg zum Bäcker aufzusuchen mir stets eine Freude und Verpflichtung war.



Allein schon die Bananekisten vor der Tür. Ich liebe diese Bananenkisten. Mit denen hat es seine eigene Bewandtnis. Um die Ecke ist das grosse Fachbuch-Antiquariat Kitzinger, und die kaufen ganze Bibliotheken. Natürlich ist da auch Belletristik und anderes dabei, und manchmal schiebt ein Mitarbeiter vom Kitzinger mit einer Sackkarre ein paar dieser Bananenkisten hinüber zu Hammerstein. Sehr häufig gefüllt mit alten Ausgaben des Simplizissimus, der Jugend und anderer Reste des einst solz verlotterten Künstlerbezirks Schwabing, auf die man sich hinter der grön gestrichenen Fassade spezialisiert hat. Drinnen stehen dann die Bücher hoch bis zur Decke dicht an dicht und liegen in der Mitte auf einem Tisch. Hier vorne aber, bei den Bananenkisten, lauert die Verderbnis für die standhaften Herzen, die sich jeden Tag vornehmen, nicht wieder zu fallen und dann doch wieder laut schlagen, wenn Frisches zu finden ist. Die Abhängigen, die hier verkehren, kennen das aktuelle Angebot schon von Weitem, und harren der Nachfüllung; besondere Gierschlünder wissen schon, wan die Stühle mit den Kisten rausgestellt werden und liegen auf der Lauer.

Ich gestehe! Ich war einer von jenen! Und das alte Gefühl war immer noch da, gestern, als ich dort zwei alte Gallimard-Ausgaben von Andre Gide aus den 50r Jahren fand, darunter auch die heissgeliebten Verliesse des Vatikans, in hellbraunem Karton und dem alten Preis 525 Franc auf dem Rücken, und dazu noch Kants Kritik der reinen Vernunft. Ich mag Kant bekanntlich nicht besonders und setzte deshalb seinem Vernunftbegriff die unvernünftige Handlung entgegen, mir jetzt das vierte Exemplar, in weinrotem Leder mit Goldschnitt in der von Thomas Mann besorgten Jahrhundertausgabe von Th. Knaur - das war ein Verlag in den 20er Jahren! alle Achtung! - zu beschaffen. Drinnen ist alles wie immer, es gibt auch Nachwuchs, der weiter machen wird, und so sei es hier nachwachsenden Studenten empfohlen, Hammerstein in die Liste der Hoflieferanten aufzunehmen.

Lest mehr Bücher! Und löscht die elenden Datenfallen der persönlichen Profile bei StudiVZ!

Mittwoch, 8. November 2006, 22:38, von donalphons | |comment

 
Ich muss gestehen...
es geht mir genauso. Besonders als stets durch dieses Viertel schlendernder Student kommt man nicht an den vielen kleinen Schatzkammern vorbei. Danke für diesen schönen Eintrag. Schade aber dass du ihn mit den letzten 2 Zeilen so verunstalten musstest. Nicht dass ich das VZ in irgendeiner Weise unterstützen wollte, aber der Seitenhieb zerstört für mich die ansonsten sehr angenehme Stimmung des Eintrags.

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Angesichts der Lage muss das sein. Und auch der Niederbayer von nebenan schreibt so über Antiquariate.

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Die Lage ist nicht so "vermasst" und desolat: In dem ominösen Buch über den "Long Tail" taucht das Beispiel amazon auf: Die machen mit den 170.000 am meisten verkauften Büchern gerade mal etwas mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes. Die meisten Leute kaufen "special interest" bis es kracht. Ich zum Beispiel habe mir als letztes Alexander Herzens dreibändige Autobiographie gegönnt und einen Band Angus Wilson. Ein Massenmarkt sieht anders aus. Die "Bestseller" dagegen sind nicht so best ...

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Antiquariate! Meine blasse Haut rührt daher, daß ich zuviel Zeit in diesen schummrigen Gewölben (mein altes Lieblingsantiquariat lag unten in einem Keller) verbracht habe.

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Die sehr vornehme Blässe des Intellekts.

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Zufall
Gestern Abend habe ich zufällig die junge Frau Hammerstein getroffen und sie gefragt, ob sie einen Don Alphonso oder Meyer kenne, denn der sei offenbar Stammgast im Laden ihres Vaters in der Augustenstraße gewesen und schaue auch bei ihr in der Türkenstraße ab und zu vorbei, jedenfalls erweckt er im Internet diesen Eindruck. Die Petra musste sehr lachen, sagte Meiers kenne sie genug – ihr neuer Freund heißt nämlich so und mit uns am Tisch saß zufällig auch eine Frau Maier –, den Alphonso habe sie gerade auf der Bühne gehört (ach so, ja, wir saßen nämlich gestern abend kurz in der Münchner Opernkantine, es war gerade Pause und was gespielt wurde, können Sie sich denken). Jedenfalls: Die Petra Hammersein lässt ausrichten, dass Sie sich beim nächsten Besuch zu erkennen geben sollten, denn dann würden sie oder ihre Mutter sich bei Ihnen für den freundlichen Beitrag bedanken.

Und wenn ich schon mal hier bin: Mein browser sagt mir seit gestern, dass er die Blogbar-Seite nicht findet und aufbekommt. Liegt das an ihm, oder wird da womöglich umgebaut?

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