Alle Herrlichkeit des fernen Ostens
Ein kleines Beispiel für Globalisierung.
In Südchina, rund um die ehemaligen Kolonien Macao und Hong Kong, macht sich ein neuer Lebensstil breit. Strassen werden gebaut, um der Flut von Automobilen Herr zu werden, Gewerbezentren der Textil- und Elektronikindustrie wuchern wie Geschwüre in die Landschaft. Das Wachstum, angetrieben durch Gelder aus dem Ausland und dem Willen des Regimes, das Schlechteste aus Kapital und Sozialismus zusammen zu bringen, zerstört alle nach einem Jahrhundert der Kriege erhaltenen alten Strukturen, und das um so leichter, als das Alte in diesem Kulturkreis keinen besonderen Wert hat. Arbeiter brauchen Häuser, am besten uniforme Betonburgen, billig und schnell zu errichten, und die Landflucht tut ein Übriges, um eine seltsame Zone zwischen Fortschritt und Niedergang entstehen zu lassen. Vernichtet wird, was im Weg steht, aber es gibt auch Verantwortliche, die wissen, dass das, was da vernichtet wird, mehr ist als Brennholz.
Und so werden in Südchina die alten Holzhäuser mit ihren geschnitzten Paneelen mitunter nicht einfach niedergewalzt, sondern abgebrochen und auseinandergenommen. Die Methode hat durchaus Tradition, diese Häuser selbst wurden aus Bruchstücken älterer Häuser zusammengestückelt, man hat die Schnitzereien nicht weggeworfen, sondern in neue Rahmenkonstruktionen eingebettet und als Spolien recht konsequent wiederverwendet. Heute aber werden die Holzplatten in Kisten verpackt, und gehen neben gefälschten Turnschuhen und billigen Messersets auf die Reise nach Europa, wo sie dann von einem Herrn vertrieben werden, der viel zu selten einen Antikmarkt besucht, auf dem ich auch bin.
Und da steht dann einer neben mir, ein Sohn dieser deutschen Erde, und schaut zu, wie ich die Bretter umdrehe und gewissenhaft prüfe, ob sie von Hand gebohrt und gesägt sind, oder maschinell hergestellt wurden. Beides findet sich in den Kisten, man muss also schon etwas aufpassen, um die Stücked des 19. von denen des 20. Jahrhunderts zu trennen. Was ich da schaue, will der andere von mir wissen, ich erkläre ihm die Unterschiede, und er meint, wenn ich etwas mit Geishas finden würde, solle ich es ihm geben.
Ich würge etwas an der Antwort, nicke dann freundlich, schenke ihm sogar das Lächeln eines koreanischen Immobilienhaifischs, der einen gerade entgrätet, und behalte die Stücke mit den tanzenden Frauen für mich, denn ich brauche viel und thematisch passendes für den asiatischen Raum, und wie die Friese neben der Buchenimitatschrankwand des Anderen aussehen würden, das stelle ich mit lieber nicht vor. Ich wühle mich durch die Kisten, finde noch eine Platte, die aus dem 18. Jahrhundert stammen könnte, und der Chinese meint, ich hätte da ein Auge dafür. Womit er nicht ganz unrecht hat. Denn in gewisser Weise bin ich dieser Region verfallen wie die Auklärer des 18. Jahrhunderts, ich erfreue mich an dem, was man an den Tänzerinnen und Sagenfiguren an falschen Vorstellungen entwickeln kann, was nie so war und letztlich doch nur Zeugnisse eines erschütternden Niedergangs sind.
Die Stücke sind alt, in manchen Ritzen ist der Dreck kaum zu entfernen, Spinnenleichen und Ungezieferkadaver geben Zeugnis vom Alter und der Verwahllosung, die die Figuren lange Zeit vor dem Abriss umgab. Es dauert Wochen, bis alle gereinigt sind und einen Platz haben, und vermutlich wird bis dann längst mein Geld unterwegs sein nach China, zu irgendeinem Neureichen, der nicht nur am Grundstück und am Bau einer Lagerhalle, sondern auch am Abriss glänzend verdient. Vielleicht nimmt er den Gewinn und macht seiner Frau damit eine Freude, ein kleiner Trip nach Thailand, wo sie sich für weniger als 200 Dollar eine neue, westliche Nase kauft, die dann so gar nichts mehr mit dem Ideal zu tun hat, was mich täglich beim Betreten meiner Wohnung auf der anderen Seite der Erde erfreut. Wir alle denken, dass wir ein gutes Geschäft gemacht haben, jeder hat, was er will - ausser dem Land, das die Relikte einer Kultur verliert, die es schon lange nicht mehr gibt.
Vielleicht aber, wenn hier nur weiter billigste Hemden gekauft werden und die Handies im Zweimonatsrythmus wechseln, werden sich die Geldströme doch so verlagern, dass dort in Asien genug Liquidität ist, um die Stücke dereinst zurückzukaufen. Dann werden sie in beleuchteten Vitrinen stehen, vor denen die Tochter des Hauses verlangt, endlich wig lange Beine zu bekommen, wie irgendeine blonde, deutsche Hüpfdohle des Popgeschehens, deren erfundenes Leben irgendwo im Speckgürtel rund um Macao die Menschen von dieser seltsam, faszinierend fremden Welt träumen lässt.
In Südchina, rund um die ehemaligen Kolonien Macao und Hong Kong, macht sich ein neuer Lebensstil breit. Strassen werden gebaut, um der Flut von Automobilen Herr zu werden, Gewerbezentren der Textil- und Elektronikindustrie wuchern wie Geschwüre in die Landschaft. Das Wachstum, angetrieben durch Gelder aus dem Ausland und dem Willen des Regimes, das Schlechteste aus Kapital und Sozialismus zusammen zu bringen, zerstört alle nach einem Jahrhundert der Kriege erhaltenen alten Strukturen, und das um so leichter, als das Alte in diesem Kulturkreis keinen besonderen Wert hat. Arbeiter brauchen Häuser, am besten uniforme Betonburgen, billig und schnell zu errichten, und die Landflucht tut ein Übriges, um eine seltsame Zone zwischen Fortschritt und Niedergang entstehen zu lassen. Vernichtet wird, was im Weg steht, aber es gibt auch Verantwortliche, die wissen, dass das, was da vernichtet wird, mehr ist als Brennholz.
Und so werden in Südchina die alten Holzhäuser mit ihren geschnitzten Paneelen mitunter nicht einfach niedergewalzt, sondern abgebrochen und auseinandergenommen. Die Methode hat durchaus Tradition, diese Häuser selbst wurden aus Bruchstücken älterer Häuser zusammengestückelt, man hat die Schnitzereien nicht weggeworfen, sondern in neue Rahmenkonstruktionen eingebettet und als Spolien recht konsequent wiederverwendet. Heute aber werden die Holzplatten in Kisten verpackt, und gehen neben gefälschten Turnschuhen und billigen Messersets auf die Reise nach Europa, wo sie dann von einem Herrn vertrieben werden, der viel zu selten einen Antikmarkt besucht, auf dem ich auch bin.
Und da steht dann einer neben mir, ein Sohn dieser deutschen Erde, und schaut zu, wie ich die Bretter umdrehe und gewissenhaft prüfe, ob sie von Hand gebohrt und gesägt sind, oder maschinell hergestellt wurden. Beides findet sich in den Kisten, man muss also schon etwas aufpassen, um die Stücked des 19. von denen des 20. Jahrhunderts zu trennen. Was ich da schaue, will der andere von mir wissen, ich erkläre ihm die Unterschiede, und er meint, wenn ich etwas mit Geishas finden würde, solle ich es ihm geben.
Ich würge etwas an der Antwort, nicke dann freundlich, schenke ihm sogar das Lächeln eines koreanischen Immobilienhaifischs, der einen gerade entgrätet, und behalte die Stücke mit den tanzenden Frauen für mich, denn ich brauche viel und thematisch passendes für den asiatischen Raum, und wie die Friese neben der Buchenimitatschrankwand des Anderen aussehen würden, das stelle ich mit lieber nicht vor. Ich wühle mich durch die Kisten, finde noch eine Platte, die aus dem 18. Jahrhundert stammen könnte, und der Chinese meint, ich hätte da ein Auge dafür. Womit er nicht ganz unrecht hat. Denn in gewisser Weise bin ich dieser Region verfallen wie die Auklärer des 18. Jahrhunderts, ich erfreue mich an dem, was man an den Tänzerinnen und Sagenfiguren an falschen Vorstellungen entwickeln kann, was nie so war und letztlich doch nur Zeugnisse eines erschütternden Niedergangs sind.
Die Stücke sind alt, in manchen Ritzen ist der Dreck kaum zu entfernen, Spinnenleichen und Ungezieferkadaver geben Zeugnis vom Alter und der Verwahllosung, die die Figuren lange Zeit vor dem Abriss umgab. Es dauert Wochen, bis alle gereinigt sind und einen Platz haben, und vermutlich wird bis dann längst mein Geld unterwegs sein nach China, zu irgendeinem Neureichen, der nicht nur am Grundstück und am Bau einer Lagerhalle, sondern auch am Abriss glänzend verdient. Vielleicht nimmt er den Gewinn und macht seiner Frau damit eine Freude, ein kleiner Trip nach Thailand, wo sie sich für weniger als 200 Dollar eine neue, westliche Nase kauft, die dann so gar nichts mehr mit dem Ideal zu tun hat, was mich täglich beim Betreten meiner Wohnung auf der anderen Seite der Erde erfreut. Wir alle denken, dass wir ein gutes Geschäft gemacht haben, jeder hat, was er will - ausser dem Land, das die Relikte einer Kultur verliert, die es schon lange nicht mehr gibt.
Vielleicht aber, wenn hier nur weiter billigste Hemden gekauft werden und die Handies im Zweimonatsrythmus wechseln, werden sich die Geldströme doch so verlagern, dass dort in Asien genug Liquidität ist, um die Stücke dereinst zurückzukaufen. Dann werden sie in beleuchteten Vitrinen stehen, vor denen die Tochter des Hauses verlangt, endlich wig lange Beine zu bekommen, wie irgendeine blonde, deutsche Hüpfdohle des Popgeschehens, deren erfundenes Leben irgendwo im Speckgürtel rund um Macao die Menschen von dieser seltsam, faszinierend fremden Welt träumen lässt.
donalphons, 00:58h
Sonntag, 26. November 2006, 00:58, von donalphons |
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el_loco,
Montag, 27. November 2006, 09:22
Gibt es Vergrösserungen dazu? Leider sind die Details schlecht erkennbar, aber interessant.
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lounger,
Montag, 27. November 2006, 11:21
Kann mich che nur anschliessen - wundervoll, extraklasse!
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logog,
Montag, 27. November 2006, 11:38
Danke, so fängt die Woche gut an. Für wieviel gehen die Teile denn übern Tisch und wo zieht der Händler denn sonst seine Kreise?
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donalphons,
Montag, 27. November 2006, 13:14
Danke, danke...
logog, die Teile sind lachhaft billig, maximal 10 Euro, und der Händler taucht alle zwei Jahre auf, macht Zusagen, bald wieder zu kommen - und ist dann 2 Jahre verschwunden. Ich hoffe aber, dass er im Dezember nochmal in Pfaffenhofen ist, gestern jedenfalls hat er mich versetzt.
Die Folge ist dann, dass andere Händler bei ihm 20 Stücke kaufen, und die erleben in den kommenden Monaten einen rasanten Preisaufschwung, bis an die 100 Euro Grenze.
logog, die Teile sind lachhaft billig, maximal 10 Euro, und der Händler taucht alle zwei Jahre auf, macht Zusagen, bald wieder zu kommen - und ist dann 2 Jahre verschwunden. Ich hoffe aber, dass er im Dezember nochmal in Pfaffenhofen ist, gestern jedenfalls hat er mich versetzt.
Die Folge ist dann, dass andere Händler bei ihm 20 Stücke kaufen, und die erleben in den kommenden Monaten einen rasanten Preisaufschwung, bis an die 100 Euro Grenze.
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avantgarde,
Montag, 27. November 2006, 15:51
Eigentlich kein neues Phänomen
Schon im 14. Jahrhundert wollte keiner mehr die ollen romanischen Kirchen. Was da wohl alles auf den Müll geflogen ist. Und so geht's weiter.
Als in Paris die große Hotelrenovierungswelle lief, so in den 70er Jahren, hat man tonnenweise wunderschöne Jugendstil- und Art-Deco-Lampen entsorgt. Konnte man für ein paar Franc kriegen.
Die Chinesen haben momentan das Europafieber. Da gibts schon ganze Luxussiedlungen im Tudor- oder Oberammergau-Stil.
Irgendwann wird man die zertrümmerte eigene Kultur wieder teuer bezahlen.
Als in Paris die große Hotelrenovierungswelle lief, so in den 70er Jahren, hat man tonnenweise wunderschöne Jugendstil- und Art-Deco-Lampen entsorgt. Konnte man für ein paar Franc kriegen.
Die Chinesen haben momentan das Europafieber. Da gibts schon ganze Luxussiedlungen im Tudor- oder Oberammergau-Stil.
Irgendwann wird man die zertrümmerte eigene Kultur wieder teuer bezahlen.
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logog,
Montag, 27. November 2006, 16:44
Darf ich mich an deinem nächsten Raubzug beteiligen, so Stücke deiner 2. Wahl? Wenn du noch die entsprechenden Kubikdezimeter Platz in der Barchetta hast. Ich würde 100 Euro plus Spesen inverstieren. Wahlweise auch eine Erstausgabe von Mendelsohns Amerika-Bildband, wenn dir sowas noch fehlt in deiner Bibliothek.
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donalphons,
Montag, 27. November 2006, 16:45
Nun, der Grad der Zerstzörung macht den Unterschied. Es gibt genug Beispiele, wie man im Mittelalter versucht hat, Altes miteinzubinden. So richtig radikal wurde das erst im 20. Jahrhundert. Und China gehört sicher zu den gedankenlosesten Zerstörern, aber auch Korea, Indonesien, Thailand, Kambodscha.
Ich würde echte Plünderungsrelikte nicht kaufen, aber diese Platten stammen eben nicht aus einer illegalen Aktion, hier ist einfach die Frage: Verticken oder, was normal ist, verbrennen.
Die Japaner kennen das Pronlem inzwischen. Und die bekanntesten Sammler für Dinge wie Satsuma, Netsuke und Okimono sind heute eben in den USA, Frankreich und England - weil man da im Gegensatz zu den Japanern verstand, dass es kein Müll ist.
Ich würde echte Plünderungsrelikte nicht kaufen, aber diese Platten stammen eben nicht aus einer illegalen Aktion, hier ist einfach die Frage: Verticken oder, was normal ist, verbrennen.
Die Japaner kennen das Pronlem inzwischen. Und die bekanntesten Sammler für Dinge wie Satsuma, Netsuke und Okimono sind heute eben in den USA, Frankreich und England - weil man da im Gegensatz zu den Japanern verstand, dass es kein Müll ist.
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donalphons,
Montag, 27. November 2006, 21:57
@ logog, ich habe schon eine längere Einkaufsliste. Das Problem ist einfach, dass ich nie weiss, wann er da ist - und kaufen tut man ohnehin immer zu wenig.
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privatfernsehen,
Dienstag, 28. November 2006, 11:34
Macau?
Also bitte ...Macau hat zwar wirklich ein paar hübsche Sachen (Fort, Stadtmauern, Portugiesische Einflüsse) ABER sonst ist das ein kruder Las Vegas Verschnitt...
Und das die Kultur aufgrund von Armut leidet kann man auch nicht behaupten. Spieltische im Sands mit einem Minimum von 10.000 US sind keine Seltenheit ...
Wo dort Kultur-Liebhaber sitzen sollen ist mir jedenfalls ein Rätsel. Auf der Hollywood Road in HK hingegen würde sich so mancher Anthiken-Freund die Augen ausheulen (eben noch in der Gruft nun schon).
Wäre doch auch mal ein Reise wert für den Mann aus Ingolstadt ...
Und das die Kultur aufgrund von Armut leidet kann man auch nicht behaupten. Spieltische im Sands mit einem Minimum von 10.000 US sind keine Seltenheit ...
Wo dort Kultur-Liebhaber sitzen sollen ist mir jedenfalls ein Rätsel. Auf der Hollywood Road in HK hingegen würde sich so mancher Anthiken-Freund die Augen ausheulen (eben noch in der Gruft nun schon).
Wäre doch auch mal ein Reise wert für den Mann aus Ingolstadt ...
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donalphons,
Dienstag, 28. November 2006, 11:45
Das Transportproblem wäre da noch zu lösen.
Ausserdem kannte ich mal einen Herren, der Spinnereimaschinen nach China verkauft hat und auf dem Rückweg Zeug mitbrachte, das damals - kurz nach der Kulturrevolution - auf Müllhalden lag. Elfenbeinschnitzereien und so weiter. Es war ein tolles Haus, das er damit eingerichtet hat, aber mir wäre es einfach zu viel. Ich bleibe Europäer und mag den fernen Osten als Fragment, nicht als Lebensweg.
Ausserdem kannte ich mal einen Herren, der Spinnereimaschinen nach China verkauft hat und auf dem Rückweg Zeug mitbrachte, das damals - kurz nach der Kulturrevolution - auf Müllhalden lag. Elfenbeinschnitzereien und so weiter. Es war ein tolles Haus, das er damit eingerichtet hat, aber mir wäre es einfach zu viel. Ich bleibe Europäer und mag den fernen Osten als Fragment, nicht als Lebensweg.
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