Sonntag, 11. September 2005
Real Life 11.09.05 - offene Denkmäler
(Seitdem ich Berlin in Ruhe lasse und nur noch über Bayern herziehe, findet sich kein Preusse mehr, der dagegen interveniert. Selektive Wahrnehmung ist wohl das mindeste, was ich Lesern aus dem Norden der Republik da unterstellen muss. Deshalb wenigstens einmal ein netter Text über meine Heimat)
Es ist nicht ganz uneigennützig. Offen sind vor allem Häuser, die gerade saniert und als Wohnungen verkauft werden. Davon gibt es in der Stadt einige; vom späten Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, vom niedrigen Bauernhaus bis zum Bürgerhaus. Aber anschauen kostet nichts, so schnell kommt man dann nicht mehr hinein, also kommen die besseren Leuten mitsamt Kindern und quälen sich alte, verschachtelte Treppen hoch, hinein in die kleinen Kammern der alten, bald wieder in neuem Glanz erstrahlenden Gebäude.
Mitunter fragt jemand nach Preisen und Kosten. Wenn man so ein altes Gebäude macht, sind die Kosten hoch, aber die Preise machen es rentabel. Schliesslich ist die Altstadt die kommende Wohnlage, sagt eine Frau in einem halbfertigen Bad, und du gibst ihr Recht. Sie hat die Wohnung schon jetzt für ihre Tochter gekauft, die mit Laptop und Digicam den Auftrieb in ihrem neuen Zuhause dokumentiert. Sie ist stolz auf die 50 Quadratmeter Altstadt. Du beglückwünscht sie, lobst die Wohnung, und sie sagt, dass nun leider schon alles weg ist, die Dachwohnung wurde heute morgen verkauft. Du lässt vorsichtig einfliessen, dass Du schon über 40 Zimmer in der Altstadt hast, sprich, einen der wenigen Stadtpaläste in Familienbesitz, und sie sagt, dass du ja dann Millionär bist, was so nicht stimmt. Schliesslich kann man von einem Stadtpalast nicht abbeissen, und verkaufen käme nie in Frage.

Während unten die Massen über die Balkone pilgern, verschweigst du Mutter und Tochter all die Schattenseiten: Die maroden Leitungen, den Arbeitsaufwand, das alles am Laufen zu halten, den Ärger mit der Elektrik, und was es bedeutet, wenn man eine Wohnung gestrichen hat und am nächsten Tag die gesamte Farbe abgeblättert ist, weil die Grundierung auf Leimbasis war. Und du sagst ihnen auch nichts über die kommenden Frustrationen, wenn sie über diese schmalen Treppen nur die Hälfte der Möbel nach oben bekommen. Du erzählst ihnen, wie das ist, wenn man endlich alles beisammen hat. Und dann fällt Frau Mama auch ein, wer du bist - der junge Porcamadonna mit dem Buch - und du gehst in dem Wissen weiter, dass sie sicher nichts dagegen hätte, wenn ihre Tochter mal auf die Idee käme, dich zu heiraten. Weil so ein Hausbesitzer, der ist schon was.
Draussen drängeln sich schon wieder die nächsten Clans, alle sauber angezogen und ziemlich komplett, und es ist mehr als nur Neugier, as sie hierher treibt. Sie wollen sehen, was man aus diesen alten Häusern machen kann, die lange Jahre vor sich hin rotteten und jetzt wieder in grün für Handwerkerhäuser, rosa für die bessere Gesellschaft und gelb-weiss für Adel und Kirche wiedererstehen. Sie sehen den Glanz der alten Epochen, sie erleben den Stolz der Besitzer, und die Begeisterung, aus alten Kaluppen wieder Schmuckstücke für dieses altbayerische Schatzkästchen zu machen. Die Bauherren, die du triffst, haben noch so viel Leid und Mühe vor sich, du sprichst ihnen Mut zu, und einer, der im Trachtenanzug an der Tür seines Hauses die Besucher empfängt, hat wirklich bei allen politischen und weltanschaulichen Differenzen deinen Respekt verdient:

Denn eigentlich ist so ein spätgotischer Dachstuhl rettungslos verloren. Hier rächt sich die Klassengesellschaft der Mittelalters: Wann immer Baumaterialien in die Stadt kamen, mussten sie zuerst den Vertretern des Herrscherhauses, dann den Kircheninstitutionen, den Adligen, danach den Bürgern und erst zum Schluss den Bauern und Handwerkern angeboten werden. Das heisst, dass das beste Material nur in die Paläste und Kirchen kam; dein Dachstuhl des Jahres 1600 etwa ist heute noch ohne jeden Schaden. Der Dachstuhl hier im Bauernhaus ist dagegen eigentlich ein Fall für den Bauschutt. Nicht mal der Denkmalschutz hätte den Abriss verhindern können.
Aber der neue Besitzer und Architekt hat das nicht eingesehen. Nur die wirklich unrettbaren Teile wurden nachgesägt und ersetzt, der Rest blieb erhalten. Der Mann kämpft um jedes Detail der Geschichte, die Farbschichten werden gesichert und alte Türen wieder eingebaut. Es ist einer dieser Fälle, bei dem sich viele nicht vorstellen können, warum sich jemand das alles antut, den Staub, die Dokumantation, die Debatten mit den Ämtern um jedes Detail. Aber es ist für ihn und auch für dich, der du fast sein Nachbar bist, ein Stück Heimat, das es zu erhalten gilt. Es ist nicht die falsche Jodlertradition dieses Landes, es ist nicht die historische Bedeutung des Palastes, es ist einfach nur der zähe Wille eines Menschen in der Provinz, die ganz normale Geschichte normaler Menschen nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Wenn Tradition und Konservativismus immer so wäre - würdest du die dazugehörige Partei wählen.
Ist es aber nicht. Und die Partei lässt jeden dahergelaufenen Bauinvestor die Häuser entkernen, was im Prinzip nichts anderes als ein Abriss hinter einer Restfassade ist. Bleibt nur das Zusammenhalten derer, die um jeden Balken kämpfen. Aber davon gibt es zum Glück noch viele in dieser Stadt. Und dadurch Preise, mit denen das Ganze kein Verlustgeschäft wird. Bayern halt. tradition und Geschäftssinn sind nichts Schlechtes.
Es ist nicht ganz uneigennützig. Offen sind vor allem Häuser, die gerade saniert und als Wohnungen verkauft werden. Davon gibt es in der Stadt einige; vom späten Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, vom niedrigen Bauernhaus bis zum Bürgerhaus. Aber anschauen kostet nichts, so schnell kommt man dann nicht mehr hinein, also kommen die besseren Leuten mitsamt Kindern und quälen sich alte, verschachtelte Treppen hoch, hinein in die kleinen Kammern der alten, bald wieder in neuem Glanz erstrahlenden Gebäude.
Mitunter fragt jemand nach Preisen und Kosten. Wenn man so ein altes Gebäude macht, sind die Kosten hoch, aber die Preise machen es rentabel. Schliesslich ist die Altstadt die kommende Wohnlage, sagt eine Frau in einem halbfertigen Bad, und du gibst ihr Recht. Sie hat die Wohnung schon jetzt für ihre Tochter gekauft, die mit Laptop und Digicam den Auftrieb in ihrem neuen Zuhause dokumentiert. Sie ist stolz auf die 50 Quadratmeter Altstadt. Du beglückwünscht sie, lobst die Wohnung, und sie sagt, dass nun leider schon alles weg ist, die Dachwohnung wurde heute morgen verkauft. Du lässt vorsichtig einfliessen, dass Du schon über 40 Zimmer in der Altstadt hast, sprich, einen der wenigen Stadtpaläste in Familienbesitz, und sie sagt, dass du ja dann Millionär bist, was so nicht stimmt. Schliesslich kann man von einem Stadtpalast nicht abbeissen, und verkaufen käme nie in Frage.

Während unten die Massen über die Balkone pilgern, verschweigst du Mutter und Tochter all die Schattenseiten: Die maroden Leitungen, den Arbeitsaufwand, das alles am Laufen zu halten, den Ärger mit der Elektrik, und was es bedeutet, wenn man eine Wohnung gestrichen hat und am nächsten Tag die gesamte Farbe abgeblättert ist, weil die Grundierung auf Leimbasis war. Und du sagst ihnen auch nichts über die kommenden Frustrationen, wenn sie über diese schmalen Treppen nur die Hälfte der Möbel nach oben bekommen. Du erzählst ihnen, wie das ist, wenn man endlich alles beisammen hat. Und dann fällt Frau Mama auch ein, wer du bist - der junge Porcamadonna mit dem Buch - und du gehst in dem Wissen weiter, dass sie sicher nichts dagegen hätte, wenn ihre Tochter mal auf die Idee käme, dich zu heiraten. Weil so ein Hausbesitzer, der ist schon was.
Draussen drängeln sich schon wieder die nächsten Clans, alle sauber angezogen und ziemlich komplett, und es ist mehr als nur Neugier, as sie hierher treibt. Sie wollen sehen, was man aus diesen alten Häusern machen kann, die lange Jahre vor sich hin rotteten und jetzt wieder in grün für Handwerkerhäuser, rosa für die bessere Gesellschaft und gelb-weiss für Adel und Kirche wiedererstehen. Sie sehen den Glanz der alten Epochen, sie erleben den Stolz der Besitzer, und die Begeisterung, aus alten Kaluppen wieder Schmuckstücke für dieses altbayerische Schatzkästchen zu machen. Die Bauherren, die du triffst, haben noch so viel Leid und Mühe vor sich, du sprichst ihnen Mut zu, und einer, der im Trachtenanzug an der Tür seines Hauses die Besucher empfängt, hat wirklich bei allen politischen und weltanschaulichen Differenzen deinen Respekt verdient:

Denn eigentlich ist so ein spätgotischer Dachstuhl rettungslos verloren. Hier rächt sich die Klassengesellschaft der Mittelalters: Wann immer Baumaterialien in die Stadt kamen, mussten sie zuerst den Vertretern des Herrscherhauses, dann den Kircheninstitutionen, den Adligen, danach den Bürgern und erst zum Schluss den Bauern und Handwerkern angeboten werden. Das heisst, dass das beste Material nur in die Paläste und Kirchen kam; dein Dachstuhl des Jahres 1600 etwa ist heute noch ohne jeden Schaden. Der Dachstuhl hier im Bauernhaus ist dagegen eigentlich ein Fall für den Bauschutt. Nicht mal der Denkmalschutz hätte den Abriss verhindern können.
Aber der neue Besitzer und Architekt hat das nicht eingesehen. Nur die wirklich unrettbaren Teile wurden nachgesägt und ersetzt, der Rest blieb erhalten. Der Mann kämpft um jedes Detail der Geschichte, die Farbschichten werden gesichert und alte Türen wieder eingebaut. Es ist einer dieser Fälle, bei dem sich viele nicht vorstellen können, warum sich jemand das alles antut, den Staub, die Dokumantation, die Debatten mit den Ämtern um jedes Detail. Aber es ist für ihn und auch für dich, der du fast sein Nachbar bist, ein Stück Heimat, das es zu erhalten gilt. Es ist nicht die falsche Jodlertradition dieses Landes, es ist nicht die historische Bedeutung des Palastes, es ist einfach nur der zähe Wille eines Menschen in der Provinz, die ganz normale Geschichte normaler Menschen nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Wenn Tradition und Konservativismus immer so wäre - würdest du die dazugehörige Partei wählen.
Ist es aber nicht. Und die Partei lässt jeden dahergelaufenen Bauinvestor die Häuser entkernen, was im Prinzip nichts anderes als ein Abriss hinter einer Restfassade ist. Bleibt nur das Zusammenhalten derer, die um jeden Balken kämpfen. Aber davon gibt es zum Glück noch viele in dieser Stadt. Und dadurch Preise, mit denen das Ganze kein Verlustgeschäft wird. Bayern halt. tradition und Geschäftssinn sind nichts Schlechtes.
donalphons, 23:20h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 28. August 2005
Real Life 27.08.05 - Und alles ist wieder da.
Das Schreiben hast du erwartet. Den Inhalt auch. Aber nicht unbedingt das, was sonst noch dabei ist. An sich nichts besonderes. Kann sein, dass du sowas auch noch die letzten beiden Jahre bekommen hast, aber damals warst du nicht da, die Briefe gingen Wochen später in den Müll. Aber diesmal bist du da, du bist Teil des Spektakels, und sie fragen dich, ob du zur traditionellen Nacht der Medien kommen willst.

Früher war das mal der Empfang des Ministerpräsidenten für die Medien in München. Ein rauschendes Fest, als noch das Wort von der Jobmaschine Internet in der Munich Area die Runde machte. 1999, 2000. 2000 hat es alle Kraft gekostet, da hin zu gehen und ein Teil zu sein, 2001 warst du schon wieder auf der Flucht vor der jüngsten Vergangenheit im Ausland, und danach hast du dir nur noch erzählen lassen, dass das Buffet auch nicht mehr das ist, was es mal war. Wahrscheinlich haben sie dich dann irgendwann einfach aus dem Verteiler rausgeschmissen. Warum auch nicht. Es gibt genügend andere, denen man mit einer Karte eine Freude machen kann.
In den fünf Jahren ist viel passiert. Dass eine ganze Wirtschaftssimulation weg ist, dass der Medienstandort ausblutet, ist irrelevant. Aber vor fünf Jahren waren dort einige Leute, die es nicht gepackt haben. Ausser ihren Eltern und ein paar Freunden weiss niemand mehr, dass es sie überhaupt mal gegeben hat, auch wenn in den Nachrufen, wenn sie denn einen bekommen haben, etwas anderes stand. Ihre Chefs verheimlichen heute, dass es diese Firmen jemals gegeben hat, wäre nicht gut für den Track Record. Für sie waren es die unvermeidlichen Verluste, die das Ganze mit sich bringt, zu schwach, zu dumm, zu übermüdet oder einfach die falsche Mischung, und das hätte überall passieren können.
Du solltest hingehen. Einfach für die Toten, damit deine Anwesenheit ein paar Schweinen den Abend vermiest, und es ist eine gute Zeit dafür, Ende Oktober, wenn der idealtypische Sommer der einzigartigen Munich Area im kalten Neben verschwindet, der sich auf dem Weg raus zum Messegelände über der Tiefebene ausbreitet.

Früher war das mal der Empfang des Ministerpräsidenten für die Medien in München. Ein rauschendes Fest, als noch das Wort von der Jobmaschine Internet in der Munich Area die Runde machte. 1999, 2000. 2000 hat es alle Kraft gekostet, da hin zu gehen und ein Teil zu sein, 2001 warst du schon wieder auf der Flucht vor der jüngsten Vergangenheit im Ausland, und danach hast du dir nur noch erzählen lassen, dass das Buffet auch nicht mehr das ist, was es mal war. Wahrscheinlich haben sie dich dann irgendwann einfach aus dem Verteiler rausgeschmissen. Warum auch nicht. Es gibt genügend andere, denen man mit einer Karte eine Freude machen kann.
In den fünf Jahren ist viel passiert. Dass eine ganze Wirtschaftssimulation weg ist, dass der Medienstandort ausblutet, ist irrelevant. Aber vor fünf Jahren waren dort einige Leute, die es nicht gepackt haben. Ausser ihren Eltern und ein paar Freunden weiss niemand mehr, dass es sie überhaupt mal gegeben hat, auch wenn in den Nachrufen, wenn sie denn einen bekommen haben, etwas anderes stand. Ihre Chefs verheimlichen heute, dass es diese Firmen jemals gegeben hat, wäre nicht gut für den Track Record. Für sie waren es die unvermeidlichen Verluste, die das Ganze mit sich bringt, zu schwach, zu dumm, zu übermüdet oder einfach die falsche Mischung, und das hätte überall passieren können.
Du solltest hingehen. Einfach für die Toten, damit deine Anwesenheit ein paar Schweinen den Abend vermiest, und es ist eine gute Zeit dafür, Ende Oktober, wenn der idealtypische Sommer der einzigartigen Munich Area im kalten Neben verschwindet, der sich auf dem Weg raus zum Messegelände über der Tiefebene ausbreitet.
donalphons, 00:24h
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Mittwoch, 27. Juli 2005
Real Life 26.07.2005 - in 80 Jahren,
oder vielleicht auch 100 oder 150 Jahren, wird jemand Rauhfaser an den Wänden wollen, ein schlichtes Zimmer für seinen billigen Schrott vom weltweiten Möbelmonopolisten Ikea, das Starterpaket 3, das mit den Plastikschaummöbeln, noch kein luxuriöser Pressspan, aber immerhin auch keine Pappe, soviel Qualität muss sein. Er konnte es sich leisten, weil er den sonstigen Krempel in dem Raum im Internet versteigert hat, und jetzt müssen endlich gerade Wände und eine Decke, so eben wie eine Siliciumscheibe her.
Er wird ein Stemmeisen nehmen, es in die Kante der alten, hässlichen Stuckleisten setzen, und dann kräftig drücken. Das Material wird sich erst biegen, knacksen, auf ein paar Zentimetern brechen und ihm ins Gesicht splittern. Wenn er sich dann fluchend die Gipsfragmente aus den Augen gepullt hat, erwartet ihn eine Überraschung: Dort, wo er angesetzt hat, ist nur wenig gebrochen. Im Gips eingelassen sind dicke Glasfaserstränge, die den Stuck halten, auch wenn er an einer Stelle bricht. Wütend wird er nochmal ansetzen - und diesmal bricht nur ein winziges Stück ab, und dahinter sieht er eine 70 mm lange Schraube, mit der der Stuck in die Wand gesetzt wurde. Der Schraubenkopf war eingegipst, und von aussen fast nicht sichtbar.
Jetzt wird er sich im Raum umschauen und entdeckern, dass da noch viele solche Stellen sind, hinter denen sich Schrauben andeuten. Alle 20 Zentimeter bohrt sich so ein Ding in die Decke, innen und aussen, er wird sich entsetzt denken: Das sind ja über 100! - und es stimmt, es sind 156, du hast sie alle gezählt und reingeschraubt. Er wird sich überlegen, wie lange er da wohl hinschrauben muss - im Vertrauen, 20 Stunden Minimum, über Kopf und bei der Hitze nicht wirklich spassig - er wird an die Blasen an den Händen denken - oh ja, Akkuschrauber gehen da nicht, Blasen gibt es selbst mit gutem Werkzeug - und sich dann sagen, dass es ökonomischer ist, den alten Krempel dran zu lassen.

Womit er recht hat. Ägypter und Mesopotamier verfluchten im Tode all diejenigen, die ihr Andenken schädigten - gebracht hat es wenig. Du hast die Flüche gelesen und weißt, dass sie nicht wirken. Aber 156 70 mm lange Schrauben in der Decke und Glasfaserseile im Stuck, die man nur mit wirklich guten Zangen schneiden kann, das wirkt. Du bist dann schon lange tot und es könnte Dir eigentlich egal sein, aber so tot, dass Dir die lausigen Ikea-Hunnen und ihre Zerstörungsorgien gleichgültig sind, so tot wirst du nie sein.
Fluchen tust du trotzdem, hier und jetzt schon mal: Möge den Stuckrausbrechern der Staub das Augenlicht auslöschen und die Heraklit-Rückstände an der Schraube zu Blutvergiftung führen - Heraktlit in den Adern ist alles andere als gesundheitsfördernd.
Er wird ein Stemmeisen nehmen, es in die Kante der alten, hässlichen Stuckleisten setzen, und dann kräftig drücken. Das Material wird sich erst biegen, knacksen, auf ein paar Zentimetern brechen und ihm ins Gesicht splittern. Wenn er sich dann fluchend die Gipsfragmente aus den Augen gepullt hat, erwartet ihn eine Überraschung: Dort, wo er angesetzt hat, ist nur wenig gebrochen. Im Gips eingelassen sind dicke Glasfaserstränge, die den Stuck halten, auch wenn er an einer Stelle bricht. Wütend wird er nochmal ansetzen - und diesmal bricht nur ein winziges Stück ab, und dahinter sieht er eine 70 mm lange Schraube, mit der der Stuck in die Wand gesetzt wurde. Der Schraubenkopf war eingegipst, und von aussen fast nicht sichtbar.
Jetzt wird er sich im Raum umschauen und entdeckern, dass da noch viele solche Stellen sind, hinter denen sich Schrauben andeuten. Alle 20 Zentimeter bohrt sich so ein Ding in die Decke, innen und aussen, er wird sich entsetzt denken: Das sind ja über 100! - und es stimmt, es sind 156, du hast sie alle gezählt und reingeschraubt. Er wird sich überlegen, wie lange er da wohl hinschrauben muss - im Vertrauen, 20 Stunden Minimum, über Kopf und bei der Hitze nicht wirklich spassig - er wird an die Blasen an den Händen denken - oh ja, Akkuschrauber gehen da nicht, Blasen gibt es selbst mit gutem Werkzeug - und sich dann sagen, dass es ökonomischer ist, den alten Krempel dran zu lassen.

Womit er recht hat. Ägypter und Mesopotamier verfluchten im Tode all diejenigen, die ihr Andenken schädigten - gebracht hat es wenig. Du hast die Flüche gelesen und weißt, dass sie nicht wirken. Aber 156 70 mm lange Schrauben in der Decke und Glasfaserseile im Stuck, die man nur mit wirklich guten Zangen schneiden kann, das wirkt. Du bist dann schon lange tot und es könnte Dir eigentlich egal sein, aber so tot, dass Dir die lausigen Ikea-Hunnen und ihre Zerstörungsorgien gleichgültig sind, so tot wirst du nie sein.
Fluchen tust du trotzdem, hier und jetzt schon mal: Möge den Stuckrausbrechern der Staub das Augenlicht auslöschen und die Heraklit-Rückstände an der Schraube zu Blutvergiftung führen - Heraktlit in den Adern ist alles andere als gesundheitsfördernd.
donalphons, 16:32h
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Samstag, 23. Juli 2005
Real Life 22.07.05 - Wenn ich nicht hier bin
bin ich auf dem Sonnendeck - und da an der Schleifmaschine. Du bist unendlich weit weg vom Netz und von allem, was auch nur ansatzweise mit Internet zu tun hat. Die New Economy, die Next Economy, Social Tagging, Wikis, Personalisation, Cluetrain, Blogs, Trends, Zukunft,das alles ist so unfassbar fern, wenn die Schleifmaschine über das Holz gleitet. So gegen 1820 wurde die Tanne gepflanzt, gegen 1925 hat man sie gefällt und gesägt, 1929 dann in ein Lagerhaus verbaut, als 4 Zentimeter dickes Brett für schwere Lasten, 2005 hat man sie dann rausgerissen und auf den Bauschutt geworfen, und da hast du sie gefunden. Ein paar kleine Risse hat das Brett, es ist nicht mehr ganz gerade, aber wenn das nach 76 Jahren alles ist, dann hält es wohl noch ein paar Jahrhunderte, auch als Küchenregal über dem Herd.
Ist das alles, ist das alles, summst du vor dich hin, während das Kreischen der Maschine die Elitessen unten beim Lernen stört. Wenn man das alles zusammenrechnet - ein Tag Arbeit für dich, zusammen sicher 3 Stunden Lernausfall bei Deutschlands kommender Wirtschaftselite, der Strom, die Lasur, dann war es volkswirtschaftlicher Blödsinn, ein Schaden für die Wirtschaft, es wäre doch so einfach gewesen, in den Baumarkt zu fahren und ein Massenprodukt für 9,95 Euro zu kaufen - so würden sie denken, wenn sie denn wüssten, was genau du mit dem Brett da oben machst.

Aber da es die einzige Art von Brett ist, die du in deiner Wohnung willst und magere Elitessen in deiner Küche ohnehin nichts Fettreduziertes finden werden, werden sie nie verstehen, warum sie so gestört wurden, an diesem traumhaft schönen Nachmittag am Rande der einzigartigen Munich Area, mit all ihren tollen Zukunftsversprechern.
Ist das alles, ist das alles, summst du vor dich hin, während das Kreischen der Maschine die Elitessen unten beim Lernen stört. Wenn man das alles zusammenrechnet - ein Tag Arbeit für dich, zusammen sicher 3 Stunden Lernausfall bei Deutschlands kommender Wirtschaftselite, der Strom, die Lasur, dann war es volkswirtschaftlicher Blödsinn, ein Schaden für die Wirtschaft, es wäre doch so einfach gewesen, in den Baumarkt zu fahren und ein Massenprodukt für 9,95 Euro zu kaufen - so würden sie denken, wenn sie denn wüssten, was genau du mit dem Brett da oben machst.

Aber da es die einzige Art von Brett ist, die du in deiner Wohnung willst und magere Elitessen in deiner Küche ohnehin nichts Fettreduziertes finden werden, werden sie nie verstehen, warum sie so gestört wurden, an diesem traumhaft schönen Nachmittag am Rande der einzigartigen Munich Area, mit all ihren tollen Zukunftsversprechern.
donalphons, 01:58h
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Dienstag, 19. Juli 2005
Real Life 18.07.2005 - Feigling
Vorne erklärt die Nachlassrichterin etwas Komplexes, weiter hinten, zwei Stühle weiter, erheischt er deine Aufmerksamkeit und tippt auf seine Finger, wo, für sein fortgeschrittenes Alter doch etwas heftig, in etwa so viele Ringe stecken wie an einem kolumbianischen Drogenbaron. Du verstehst gar nichts und zuckst mit den Schultern.
Er wiederholt die Geste, tippt gezielt auf einen Ring, und du wunderst dich, ob er dir vielleicht einen schenken will. Was du als gut erzogener Sprössling natürlich ablehnen würdest; mögen sie auch alt und bedeutungsgeladen sein, dein Ding sind diese Klunker nicht. Also schüttelst du begriffstutzig den Kopf... "Und wer war jetzt nochmal die Tochter von der zweiten Frau des Grossvaters mütterlicherseits, und hatte die Kinder?" - schwierig, alles.
Tipptipp auf deiner Schulter, er beugt sich rüber, deutet nochmal auf seinen Ring und dann auf deine Hand, wo nichts dergleichen ist, und fragt direkt: "Noch immer kein Ring?" - Und dann verstehst du, er meint, dass es Zeit ist zu heiraten; zumindest nach seiner Ideologie.
Nein, sagst du und schüttelst energisch den Kopf, echt nicht. Er pustet einmal auf, schaut auf seine Ringe und dreht an ihnen rum, nicht wirklich begeistert, denn es passt nicht zur vorgezeichneten Vita des Oberlandes. Wahrscheinlich würde er dir dann auch einen Ring schenken. Er schaut etwas traurig hoch, lächelt böse und sagt: "Feigling."
Du grinst, obwohl dir nicht danach ist. Lang und Breit. Er verzieht die Mundwinkel. Und mit dieser sauren Note geht für ihn und alle der grosse Oberländer Erbschaftskrieg zu Ende, vorne wird die Aufteilung verkündet. Blut fliesst zusammen, sagt man hier, alles bleibt im Clan, und es bleibt ihm wenigstens die Hoffnung, dass, wenn es einmal bei mir so weit ist, die Reste meines Vermögens dann an seine Nachfahren fallen wird. Wenn noch was übrig sein sollte. Oder seine Nachfahren nicht auch zu feige sind, sich ein Leben lang an ein und die selbe Person zu ketten und Nachkommen zu zeugen, die dann auch seine Ringe tragen werden.

Und dann geht es über die Hügel, vorbei an glücklichen Kühen und den einen oder anderen kreuzkatholischen, unglücklichen Wannabe-Erbschleicher zurück in die heimische Provinz. Es ist eine schöne Gegend hier, das tröstet.
Er wiederholt die Geste, tippt gezielt auf einen Ring, und du wunderst dich, ob er dir vielleicht einen schenken will. Was du als gut erzogener Sprössling natürlich ablehnen würdest; mögen sie auch alt und bedeutungsgeladen sein, dein Ding sind diese Klunker nicht. Also schüttelst du begriffstutzig den Kopf... "Und wer war jetzt nochmal die Tochter von der zweiten Frau des Grossvaters mütterlicherseits, und hatte die Kinder?" - schwierig, alles.
Tipptipp auf deiner Schulter, er beugt sich rüber, deutet nochmal auf seinen Ring und dann auf deine Hand, wo nichts dergleichen ist, und fragt direkt: "Noch immer kein Ring?" - Und dann verstehst du, er meint, dass es Zeit ist zu heiraten; zumindest nach seiner Ideologie.
Nein, sagst du und schüttelst energisch den Kopf, echt nicht. Er pustet einmal auf, schaut auf seine Ringe und dreht an ihnen rum, nicht wirklich begeistert, denn es passt nicht zur vorgezeichneten Vita des Oberlandes. Wahrscheinlich würde er dir dann auch einen Ring schenken. Er schaut etwas traurig hoch, lächelt böse und sagt: "Feigling."
Du grinst, obwohl dir nicht danach ist. Lang und Breit. Er verzieht die Mundwinkel. Und mit dieser sauren Note geht für ihn und alle der grosse Oberländer Erbschaftskrieg zu Ende, vorne wird die Aufteilung verkündet. Blut fliesst zusammen, sagt man hier, alles bleibt im Clan, und es bleibt ihm wenigstens die Hoffnung, dass, wenn es einmal bei mir so weit ist, die Reste meines Vermögens dann an seine Nachfahren fallen wird. Wenn noch was übrig sein sollte. Oder seine Nachfahren nicht auch zu feige sind, sich ein Leben lang an ein und die selbe Person zu ketten und Nachkommen zu zeugen, die dann auch seine Ringe tragen werden.

Und dann geht es über die Hügel, vorbei an glücklichen Kühen und den einen oder anderen kreuzkatholischen, unglücklichen Wannabe-Erbschleicher zurück in die heimische Provinz. Es ist eine schöne Gegend hier, das tröstet.
donalphons, 23:14h
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Freitag, 15. Juli 2005
Real Life 15.07.2005 - Vita brevis
Falls jemand ein Buch plant mit dem Titel - "Es geht auch ohne Tiger, Doppeldecker und Gurkhadolch - so leben schlechtere Söhne besserer Häuser im postkolonialen Zeitalter stilvoll & vorzeitig ab" - da hättest du heute beinahe einen interessanten Beitrag gehabt. Oder nicht du, sondern dein Leichenbeschauer: Adulter Mann in hellbrauner Hose und gestreiften Hemd mit Button-Down-Kragen, aufgefunden auf einem damastbezogenen Bett mit einem Bild - impressionistische Meeresansicht im Stil Claude Monets - in der linken und einem roten, spitzen Schraubenzieher in der rechten Hand. Gestorben an einer inneren Blutung nach dem offensichtlich vergeblichen Versuch, mit dem dafür untauglichen Schraubenzieher die das Gemälde im Rahmen fixierenden Nägel zu ziehen, wobei er einen Nagel in Richtung seines Bauchnabels gedrückt hat und unter Durchstossung von Lunge, Leber, Milz und Darm (?, in Bio warst du immer schlecht) abgerutscht ist. Fremdverschulden ist auszuschliessen, auf dem Plattenspieler drehte sich noch die Etüde Nr. 2 für Waldhorn und Streicher von Cherubini, Sie wissen schon, eines dieser Stücke, die von der Jagdmusik inspiriert waren, die man im Barock spielte, wenn man das Wild ausgeweidet hat - an sowas hat Modeste nicht gedacht, btw.
Ironie am Rande: Der Händler, bei dem du das Bild erstanden hast, lieferte dir eine harte Verhandlung, die mit seinen Worten gipfelte: "Geld, was ist schon Geld, hier geht es um Kunst, daran erfreut man sich ein Leben lang." "Ars longa, sed vita brevis", hättest du antworten sollen.
Du hast ein Loch im Bauch. Es tut weh. Du blutest. Hm, ein klein wenig, gut, ok, eigentlich fast gar nicht, aber zumindest fühlt es sich so an. Und du brauchst ein frisches Hemd ohne Loch. Und eine Zange, oder doch endlich mal einen Butler.
Ironie am Rande: Der Händler, bei dem du das Bild erstanden hast, lieferte dir eine harte Verhandlung, die mit seinen Worten gipfelte: "Geld, was ist schon Geld, hier geht es um Kunst, daran erfreut man sich ein Leben lang." "Ars longa, sed vita brevis", hättest du antworten sollen.
Du hast ein Loch im Bauch. Es tut weh. Du blutest. Hm, ein klein wenig, gut, ok, eigentlich fast gar nicht, aber zumindest fühlt es sich so an. Und du brauchst ein frisches Hemd ohne Loch. Und eine Zange, oder doch endlich mal einen Butler.
donalphons, 23:24h
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Sonntag, 10. Juli 2005
Real Life 09.07.2005 - Nebentisch
Die fette Sau, die dir den Zigarrenrauch zwei Stunden ins Gesicht bläst. Sein raushängendes Hemd. Sein Freund mit Photohandy, das er benutzt, wenn die fette Sau zum zehnten Mal seinen übermässigen Alkoholkonsum ins Klo trägt. Ihre gegenseitige Versicherung, dass alles gut so ist, und dass sie massig geld bei dem Consulting verdienen werden.
Davor die Rolexbubis, vielleicht gefälscht, die keinen Job haben und sich beim Franzosen in der Bergmannstrasse überlegen, wie sie die Yacht des Vaters verticken. Das Problem ist die Welle zum Propellor, die ein früherer Mieter ruiniert hat. Deshalb ist jetzt ein Aussenborder dran. Geht trotzdem 60 oder mehr. Wird sicher ein geiles Geschäft.
Die beiden Mütter auf dem Betonklotz. Noch ein Kind oder reicht es erst Mal. Die Nachfahren sind solang bei Oma zwischengelagert, aus deren Besitz auch die Wohnung kommt. Eine willd as Geld ihres Bausparers anlegen, aber statt Aktien denkt sie im Moment eher an einen Kombi. BMW. Nebenbei schreiben sie pausenlos SMS. Sie sind höchstens 25.
Mal regnet es fast, dann ist wieder diese schwüle Hitze. Es sind viele Bettler in der Stadt, viel Verwahllosung mit und ohne soziale Sicherung. Und gegenüber sitzt ein Haifisch und sagt, dass er trotzdem lieber in Berlin als in der Provinz leben würde. Vier Stunden später ruft er dich vom Flughafen aus an, denn sein Taxi ist einfach losgefahren, sein gepäck noch im Kofferraum, und er hat nur noch sein Handy und das Kleingeld und er weiss nicht, was er jetzt in dieser Traumstadt machen soll.
Davor die Rolexbubis, vielleicht gefälscht, die keinen Job haben und sich beim Franzosen in der Bergmannstrasse überlegen, wie sie die Yacht des Vaters verticken. Das Problem ist die Welle zum Propellor, die ein früherer Mieter ruiniert hat. Deshalb ist jetzt ein Aussenborder dran. Geht trotzdem 60 oder mehr. Wird sicher ein geiles Geschäft.
Die beiden Mütter auf dem Betonklotz. Noch ein Kind oder reicht es erst Mal. Die Nachfahren sind solang bei Oma zwischengelagert, aus deren Besitz auch die Wohnung kommt. Eine willd as Geld ihres Bausparers anlegen, aber statt Aktien denkt sie im Moment eher an einen Kombi. BMW. Nebenbei schreiben sie pausenlos SMS. Sie sind höchstens 25.
Mal regnet es fast, dann ist wieder diese schwüle Hitze. Es sind viele Bettler in der Stadt, viel Verwahllosung mit und ohne soziale Sicherung. Und gegenüber sitzt ein Haifisch und sagt, dass er trotzdem lieber in Berlin als in der Provinz leben würde. Vier Stunden später ruft er dich vom Flughafen aus an, denn sein Taxi ist einfach losgefahren, sein gepäck noch im Kofferraum, und er hat nur noch sein Handy und das Kleingeld und er weiss nicht, was er jetzt in dieser Traumstadt machen soll.
donalphons, 00:31h
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Donnerstag, 7. Juli 2005
Real Life 06.07.2005 - Antreten im Morgengrauen
In Berlin gab es mal einen Tag, an dem du tatsächlich um 8 Uhr los bist. Der Grund war eine Eröffnung, gut 200 Kilometer nordwestlich. Ausserdem gab es auch mal eine PK um 10, der Thinktank begann um formal um 9, aber zuerst mal mit einem Frühstück. So kennt man das. 8 Uhr steht allenfalls mal bei irgendwelchen Ausschüssen an, aber auch das ist eher selten. Um 8 Uhr eine Präsi, ein Meeting, das ist Jahre her.
Morgen wirst du um 8 Uhr eine Präsi machen, Zielgruppenblabla und vertikale Kommunikationsstrategie, Interaktivität und low entry levels, die ganze Latte Neusprech nochmal. Du wirst im Koma sein, und sie werden hellwach sein. In einem lichten Moment wird dir einfallen, dass das hier Provinz ist, da ist ein Meeting um 8 etwas völlig normales, da denkt sich niemand was dabei, und vielleicht wirst du dir wünschen, dass es wieder so wird wie in der New Economy, als 8 Uhr gar nicht ging, weil man als Lusche galt, wenn man vor 4 ins Bett ging.
Aber das war in der Munich Area, nicht hier. Hier gehen die Uhren anders, und die Leute halten sich daran. Fuck. 8 Uhr. Und wahrscheinlich weiss da kein einziger, was so ein Blog ist, und warum man überhaupt mit den Lesern in Kontakt treten sollte. Von welcher digitalen Revolution sülzen die Trendleute eigentlich, wenn du um 8 Uhr eine Website vorführen sollst, vor Leuten, deren Behörde noch nicht mal eine Intranet hat, in einem Raum, in dem es kein Netz gibt und die Seiten auf deiner Festplatte liegen.
Morgen wirst du um 8 Uhr eine Präsi machen, Zielgruppenblabla und vertikale Kommunikationsstrategie, Interaktivität und low entry levels, die ganze Latte Neusprech nochmal. Du wirst im Koma sein, und sie werden hellwach sein. In einem lichten Moment wird dir einfallen, dass das hier Provinz ist, da ist ein Meeting um 8 etwas völlig normales, da denkt sich niemand was dabei, und vielleicht wirst du dir wünschen, dass es wieder so wird wie in der New Economy, als 8 Uhr gar nicht ging, weil man als Lusche galt, wenn man vor 4 ins Bett ging.
Aber das war in der Munich Area, nicht hier. Hier gehen die Uhren anders, und die Leute halten sich daran. Fuck. 8 Uhr. Und wahrscheinlich weiss da kein einziger, was so ein Blog ist, und warum man überhaupt mit den Lesern in Kontakt treten sollte. Von welcher digitalen Revolution sülzen die Trendleute eigentlich, wenn du um 8 Uhr eine Website vorführen sollst, vor Leuten, deren Behörde noch nicht mal eine Intranet hat, in einem Raum, in dem es kein Netz gibt und die Seiten auf deiner Festplatte liegen.
donalphons, 03:34h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Dienstag, 5. Juli 2005
Real Life 04.07.2005 -Sturmfront
Da kommt ein Gewitter, sagst du, und weil sie es vom Fenster aus nicht richtig sehen kann, geht ihr auf die Dachterasse, wo das Licht des Tages schon in einem fahlen Grau erstickt. Aus dem Westen, ausgestreckt über den ganzen Horizont, ist eine Front im Anmarsch, rasend schnell und finster. Du stehst neben ihr, schweigend, obwohl du eigentlich nochmal was zu sagen hast, etwas wie, dass man nie zu alt ist, sein Leben nochmal zu ändern, und dass es das noch lange nicht gewsen sein muss, und eine Scheidung nicht das Schlimmste sein muss, jedenfalls besser als die komische Idee, das alles mit einer Schwangerschaft jetzt noch retten zu wollen. Das, was da kommt, ist auch so schon genug Abbild dessen, was in ihrem Inneren tobt.

Man weiss nie, was kommt und was geschehen wird. Ausser vielleicht, dass man sich fast immer zweimal trifft, egal wie lange es her ist. Das war verdammt lang her, und der Freund, der sie damals uneingestanden neben seiner eigenen Freundin wollte, ist heute Arzt in Würzburg. Gestern hast du bei den alten Bildern eines von ihr gefunden, auf der Stufe ihrer Schule, heute kam sie dir entgegen, als du die Tür aufgesperrt hast, und sie ging spontan mit hoch. Auf eine Kanne Tee, für eine Stunde, und dann doch für einen Nachmittag, bis jetzt, als der Himmel explodiert, und sie könnte auch so kaum mehr bleiben, weil sie ja noch Verpflichtungen hat, daheim. Aber noch steht sie hier und schaut nach Westen, schweigend und faszieniert vom sinsitren Spiel der schwarzgrauen Wolken.

Dann geht sie, du bringst sie noch bis zur Treppe, und ihren Schritten kannst du entnehmen, dass sie sich beeilt. Dann stellst du dich wieder auf die Terasse und schaust zu, wie sich die Wolken zusammenballen. Langsam kommt der Wind auf, in kurzen Stössen, hier und da biegen sich die Bäume, bis die Böenwalze heranfegt, abgerissene Blätter fegen über die Dächer, und die letzten Schwalben sirren nach Osten, wo der Himmel noch in einem unnatürlichen, gelblichen Blau erstrahlt. Oben, auf dem Kamin, tappselt noch eine etwas nervöse Taube herum, direkt neben dem Blitzableiter, unter dem, sicher unzureichend vom Kamindach geschützt, ihr Nest ist. Aber es hat hier noch nie eingeschlagen. Hier passiert nie etwas.

Der Wind trägt feinen Niesel zu dir, dann die ersten dicken Tropfen, und plötzlich geht alles ganz schnell, ein Windstoss und dazu fast waagrecht das Wasser, nichts wie rein in dem Wissen, dass es sie in wenigen Augenblicken ereilen wird, da oben wandert das Gewitter mit 80, 90 Kilometern pro Stunde, da wird sie es nicht zum Auto geschafft haben. Dann bricht auch schon die Hölle los, von so ein Unwetter hat man hier oben direkt unter dem spitzen Giebel eines Stadtpalastes einen sehr unmittelbaren Eindruck, selbst wenn man nicht Mary Shelleys Beschreibung des Gebäudes kennen würde, in dem Frankenstein sein Monster erschafft und deren Dachkammer in allen Details ganz vorzüglich zu dem Raum passen würde, in dem du bist. Über ein Dutzend Kilometer hinweg, aufgereiht an einer dunklen Wolkenkette, fauchen die Blitze nach unten, du zählst die Sekunden, und dann wird es plötzlich hell wie tausend Sonnen, und es klingt so, als hätte jemand dein Trommelfell zerrissen. 100 Meter vielleicht, höchstens... aber es ist nichts passiert.
Es passiert nie etwas. Das ist alles nur Kulisse, es gibt keine echten Dramen, das Unwetter verzieht sich und die noch nicht gefallenen Töchter der besseren Familien gehen, bevor sie zwei Stunden während des Spektakels da draussen vielleicht etwas tun, hier oben so fern von ihrer Vorstadtwelt, was sie ihrem Nochmann und ihren Freundinnen nicht erzählen dürften. Und du schaust hinaus und überlegst, wie sich so eine Sturmfront wohl fühlen mag, da droben, und warum sie nicht ein einziges Mal die Stadt und das schwarze Pack und die Spiesser und die Kinderquäler und die Dummmacher und all den Lokaldreck in den grossen Fluss fegt, Tabula rasa macht und diesem Ort, an dem die Dummheit geboren wurde, eine neue Chance gibt.

Man weiss nie, was kommt und was geschehen wird. Ausser vielleicht, dass man sich fast immer zweimal trifft, egal wie lange es her ist. Das war verdammt lang her, und der Freund, der sie damals uneingestanden neben seiner eigenen Freundin wollte, ist heute Arzt in Würzburg. Gestern hast du bei den alten Bildern eines von ihr gefunden, auf der Stufe ihrer Schule, heute kam sie dir entgegen, als du die Tür aufgesperrt hast, und sie ging spontan mit hoch. Auf eine Kanne Tee, für eine Stunde, und dann doch für einen Nachmittag, bis jetzt, als der Himmel explodiert, und sie könnte auch so kaum mehr bleiben, weil sie ja noch Verpflichtungen hat, daheim. Aber noch steht sie hier und schaut nach Westen, schweigend und faszieniert vom sinsitren Spiel der schwarzgrauen Wolken.

Dann geht sie, du bringst sie noch bis zur Treppe, und ihren Schritten kannst du entnehmen, dass sie sich beeilt. Dann stellst du dich wieder auf die Terasse und schaust zu, wie sich die Wolken zusammenballen. Langsam kommt der Wind auf, in kurzen Stössen, hier und da biegen sich die Bäume, bis die Böenwalze heranfegt, abgerissene Blätter fegen über die Dächer, und die letzten Schwalben sirren nach Osten, wo der Himmel noch in einem unnatürlichen, gelblichen Blau erstrahlt. Oben, auf dem Kamin, tappselt noch eine etwas nervöse Taube herum, direkt neben dem Blitzableiter, unter dem, sicher unzureichend vom Kamindach geschützt, ihr Nest ist. Aber es hat hier noch nie eingeschlagen. Hier passiert nie etwas.

Der Wind trägt feinen Niesel zu dir, dann die ersten dicken Tropfen, und plötzlich geht alles ganz schnell, ein Windstoss und dazu fast waagrecht das Wasser, nichts wie rein in dem Wissen, dass es sie in wenigen Augenblicken ereilen wird, da oben wandert das Gewitter mit 80, 90 Kilometern pro Stunde, da wird sie es nicht zum Auto geschafft haben. Dann bricht auch schon die Hölle los, von so ein Unwetter hat man hier oben direkt unter dem spitzen Giebel eines Stadtpalastes einen sehr unmittelbaren Eindruck, selbst wenn man nicht Mary Shelleys Beschreibung des Gebäudes kennen würde, in dem Frankenstein sein Monster erschafft und deren Dachkammer in allen Details ganz vorzüglich zu dem Raum passen würde, in dem du bist. Über ein Dutzend Kilometer hinweg, aufgereiht an einer dunklen Wolkenkette, fauchen die Blitze nach unten, du zählst die Sekunden, und dann wird es plötzlich hell wie tausend Sonnen, und es klingt so, als hätte jemand dein Trommelfell zerrissen. 100 Meter vielleicht, höchstens... aber es ist nichts passiert.
Es passiert nie etwas. Das ist alles nur Kulisse, es gibt keine echten Dramen, das Unwetter verzieht sich und die noch nicht gefallenen Töchter der besseren Familien gehen, bevor sie zwei Stunden während des Spektakels da draussen vielleicht etwas tun, hier oben so fern von ihrer Vorstadtwelt, was sie ihrem Nochmann und ihren Freundinnen nicht erzählen dürften. Und du schaust hinaus und überlegst, wie sich so eine Sturmfront wohl fühlen mag, da droben, und warum sie nicht ein einziges Mal die Stadt und das schwarze Pack und die Spiesser und die Kinderquäler und die Dummmacher und all den Lokaldreck in den grossen Fluss fegt, Tabula rasa macht und diesem Ort, an dem die Dummheit geboren wurde, eine neue Chance gibt.
donalphons, 17:59h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 24. Juni 2005
Real Life 23.06.05 - Abifeier
Sie haben es hinter sich und lassen es nochmal krachen. Das heisst, die Zeiten, als das Schultor über Nacht zugemauert oder das Lehrerzimmer mit Stroh verfüllt wurden, sind natürlich vorbei, heute bedeutet es krachen lassen Lärmbelästigung durch ein perfekt organisiertes Showprogramm. Die Abfolge ist dank Profi-PA überhaupt nicht zu überhören. Und dann rufen sie eine Lehrerin auf, die mit einem anderen Lehrer "Something stupid" intonieren soll, und es ist...
Es ist eine, von denen deine Mutter sagt, dass sie doch sooo nett ist. Eine von denen, deren Väter auf einem urteutsch-christlichen Namen bestand, und du hast damals schon gesagt, dass all die wohlerzogenen Gerlindes und Isoldes und Antonias und Marie-Christines später mal ebensolche abartigen Gymnasialschreckschrauben werden, wie die, die du nicht leiden konntest. Und sie dich auch nicht, wie auch ihre designierten Nachfolgerinnen. Sie machen den von ihren Vätern bevorzugten Namen alle Ehre. Die spezifische Nettigkeit ist die Saat des Bösen in ihnen, und es erfüllt dich nicht wirklich mit Trauer, dass sich die heutige Schülergeneration einen miserablen Ruf verdient hat - es ist sicher kein Spass, diese verkommene Brut inkompetenter Eltern zu Sekundärtugenden zu zwingen.
Da drüben also bringt eine von denen Dir das erzwungene Ständchen, ohne den Text zu können. Naja, es geht ja auch um Gefühle in dem Lied, dafür gab´s in den LKs dieser Stadt mit ihren gottverdammten Dünkeln und ihrer Kurochester-Oberschicht keine Punkte. Die Sängerin wider Willen war übrigens verdammt gut, und jetzt sitzt du hier oben, wie sie ihr Stimmchen zu Markte trägt, ohne die Seele reinzulegen, die sie mutmasslich nicht hat, und du, auf dessen Englisch und Deutsch hier keiner jemals was gegeben hat, bist Schriftsteller und Journalist, nachher ruft New York an. Fuck, möchtest Du rüberbrüllen, FUCK was ist nur aus Euch allen geworden, von hier an geht es nur noch abwärts und ein paar Gehaltsstufen nach oben, und alles, was Euch am Leben hält, ist die Hoffnung, irgendwann Oberstudiendirektor zu werden und das kleinstmögliche Verdienstkreuz zu bekommen, weil ihr auch Chef der kreuzkonservativen Lehrerortsgruppe gewesen seid. FUCK you know, ihr macht Euch da drüben einmal jährlich zum Kasperl, und den Rest des Jahres zur Stütze einer Gesellschaft, die so alt ist wie die Dummheit, und nach Euch wird wieder ein Strom der Etepetetes in die Schulen ziehen, um die Tradition der ewigen Dorftrottel fortzuschreiben.
Nach 3.30 Minuten ist die Karaoke-Maschine abgelaufen, und sie hat es überstanden. Du auch. Sie wird morgen, sehr früh wieder in die Schule gehen, und du, der du das frühe Aufstehen immer gehasst hast, wirst nach einer langen Nacht komatös den ruhigen Schlaf der Fiesen, Gemeinen und Ungerechten schlafen.
Es ist eine, von denen deine Mutter sagt, dass sie doch sooo nett ist. Eine von denen, deren Väter auf einem urteutsch-christlichen Namen bestand, und du hast damals schon gesagt, dass all die wohlerzogenen Gerlindes und Isoldes und Antonias und Marie-Christines später mal ebensolche abartigen Gymnasialschreckschrauben werden, wie die, die du nicht leiden konntest. Und sie dich auch nicht, wie auch ihre designierten Nachfolgerinnen. Sie machen den von ihren Vätern bevorzugten Namen alle Ehre. Die spezifische Nettigkeit ist die Saat des Bösen in ihnen, und es erfüllt dich nicht wirklich mit Trauer, dass sich die heutige Schülergeneration einen miserablen Ruf verdient hat - es ist sicher kein Spass, diese verkommene Brut inkompetenter Eltern zu Sekundärtugenden zu zwingen.
Da drüben also bringt eine von denen Dir das erzwungene Ständchen, ohne den Text zu können. Naja, es geht ja auch um Gefühle in dem Lied, dafür gab´s in den LKs dieser Stadt mit ihren gottverdammten Dünkeln und ihrer Kurochester-Oberschicht keine Punkte. Die Sängerin wider Willen war übrigens verdammt gut, und jetzt sitzt du hier oben, wie sie ihr Stimmchen zu Markte trägt, ohne die Seele reinzulegen, die sie mutmasslich nicht hat, und du, auf dessen Englisch und Deutsch hier keiner jemals was gegeben hat, bist Schriftsteller und Journalist, nachher ruft New York an. Fuck, möchtest Du rüberbrüllen, FUCK was ist nur aus Euch allen geworden, von hier an geht es nur noch abwärts und ein paar Gehaltsstufen nach oben, und alles, was Euch am Leben hält, ist die Hoffnung, irgendwann Oberstudiendirektor zu werden und das kleinstmögliche Verdienstkreuz zu bekommen, weil ihr auch Chef der kreuzkonservativen Lehrerortsgruppe gewesen seid. FUCK you know, ihr macht Euch da drüben einmal jährlich zum Kasperl, und den Rest des Jahres zur Stütze einer Gesellschaft, die so alt ist wie die Dummheit, und nach Euch wird wieder ein Strom der Etepetetes in die Schulen ziehen, um die Tradition der ewigen Dorftrottel fortzuschreiben.
Nach 3.30 Minuten ist die Karaoke-Maschine abgelaufen, und sie hat es überstanden. Du auch. Sie wird morgen, sehr früh wieder in die Schule gehen, und du, der du das frühe Aufstehen immer gehasst hast, wirst nach einer langen Nacht komatös den ruhigen Schlaf der Fiesen, Gemeinen und Ungerechten schlafen.
donalphons, 01:43h
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