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Samstag, 4. Juli 2009

Real Life 3.7.09 - Preisverfall

Und du willst wirklich nicht mitkommen? insistiert Iris.

Ich kann nicht. Ich habe mich an den See verpflichtet. Und sollte ich nicht am See sein, bin ich am Königssee. Oder am Attersee. Vielleicht auch in Ischgl. je nachdem, wo meine Mutter feiern will.

Pah, deine Mutter - deine Mutter sagt doch immer, dass es an ihrem Geburtstag immer regnet. Ihr werdet in einem geschmacklosen Cafe sitzen, die Wolken werden nidrig vorbeitreiben bei 4 Grad, und überall sonst ist es sonnig. Wir werden allen Spass der Welt haben.

Während sie so spricht, denkst du an letztes Jahr. Da hat es Iris absolut nicht gefallen, sie schwor sich, nie nie wieder. aber dieses Jahr bekommt sie wieder Karten unter der Hand, diesmal wird es schön, das Programm ist besser und sie wird sich danach auch nicht betrinken und drei Tage krank sein, in einer Mischung aus Kater und Ist mir doch egal wie das Wetter ist ich zeige was ich habe. Du bist fair genug, die Verwicklungen nicht anzusprechen, und dann macht ihr euch auf den Weg, eine Kamera zu kaufen, die nicht kompliziert ist, gute Bilder macht und nicht allzu billig aussieht. Zu diesem Zweck geht ihr in ein Kaufhaus - gewisse Ketten sind tabu, wer kauft schon bei Familien, die Chromkapitelle an den Säulen vor ihren rosa Palladioekzemen haben - und werdet überrascht. Willkommen in der Deflation, sagst du.



Die will ich, sagt Iris. Schick, günstig.

Gerade du, wagst du zu bemerken, könntest Dir auch eine Kamera leisten, die nicht die Billigste, sondern die Beste ist.

Gerade ich, mault Iris, habe in den letzten Wochen wieder ein paar tausend Euro verloren, wenn es reicht, wegen deiner Börsenschwarzmalerei in der FAZ und den Kursstürzen. Und noch ein paar tausend für den Motor. Und ausserdem kam gerade die Abrechnung meiner Kreditkarte mit Jesolo. Aber du hast recht, ich sollte sie nicht kaufen. Du wirst sie mir statt dessen schenken. Oder soll ich nicht doch die andere nehmen?

Du bist garstig, meine Liebe.

Und wegen Dir werde ich allein unter lauter schrecklichen Leuten sein, mit dem falschen Mann etwas anfangen, mich am nächsten Morgen betrinken und krank sein.

Du kannst mir dann Bilder von deinem jammervollen Zustand an den See schicken.

Sie hat die Kamera dann doch genommen. Und selbst bezahlt.

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Montag, 15. Juni 2009

Real Life 14.6.09 - Was wurde eigentlich aus K.?

Und?

Schrecklich. Habe ich schon mal gesagt, dass der Lido in dieser Jahreszeit schrecklich ist?

Nun, vor ungefähr 20 Jahren bis du an Pfingsten zu uns an den Gardasee gefahren, um zu jammern, wie schlimm der Lido ist. Ausserdem hat dein Vater damals keinen Ferrari gemietet, um es dem blöden Protzapotheker aus der Schweiz gleich zu tun. Ich glaube, damals hat dich die Sparsamkeit deines Vaters mehr geärgert als das Klima.

Und dafür war bei euch die blöde K. aus G., und der R.. Wie kamen die überhaupt zu uns, und hast du das damals zwei Wochen nur ausgehalten?

Ich hatte mein Rennrad dabei, und ein paar weniger Vorurteile als heute. Bildung war mir noch nicht so wichtig. Ich ging in die Konzerte, in die man ging, aber Sonntag Mittag wäre ich damals sicher nicht auch noch zu Haydn und Pergolesi gegangen.



Was wurde eigentlich aus K.?

Reicht es, wenn ich sage, Hauptsache sie ist weg?

Aus irgendeinem Grund hat mich Mutter danach gefragt. Bei den meisten weiss ich es, aber K. ist völlig aus meinem Radar verschwunden.

Ich habe sie vor drei Jahren zufällig in München getroffen. Lehrerin an einem Gymnasium. Erstaunlich; eben jene, bei denen man sich immer fragt, was sie werden, weil sie so gar keinen Charakter haben und absolut keine Ausstrahlung und nur ein paar miese Adern - die werden Lehrerinnen. Die v. P. dagegen, die damals ihre beste Freundin war, hat doch noch die Kurve und einen arrangierten Mann bekommen.

Keine Cowboystiefel mehr?

Du musst lächeln. Die Cowboystiefel für v. P.. Als ihr 18 wurdet und jeder aus irgendwelchen Quellen mehr Geld hattet, habt ihr in den nächsten Jahren zusammengelegt und anderen ziemlich tolle Dinge gekauft. Das war eine Spirale der Verschwendung, eine Art Schneeballsystem. Die jüngere der K-Schwestern etwa bekam einen Fiat, entgegen den ausdrücklichen Wünschen ihrer Eltern. Keinen neuen Fiat natürlich, sondern einen älteren Uno, leicht gebeult und gerostet und nun wirklich das Allerletzte, was Herr K. in der Auffahrt sehen wollte. Er kaufte ihr dann doch ein richtiges Auto, und der Fiat wurde verschrottet. Es mag wie Verschwendung aussehen, aber damit hatten alle anderen die Argumentationsbasis, ihren Eltern ebenfalls den Kauf eines Autos nahe zu bringen. Bei den v. P.s war das überflüssig, Autos waren genug da und die Tochter hatte ein Alkoholproblem, weshalb sie keinen Führerschein machen durfte. Aber sie sollte massgeschneiderte Cowboystiefel bekommen. Als du klar sagtest, dass du es nicht als gegeben ansiehst, dieser Wohlstandsverwahllosung beizutragen, gab es Ärger und Streit. G. machte den kleinen Fehler, sich über deine Knickrigkeit zu laut zu beschweren, was mittelfristig dazu führte, dass ihre Eltern auf das lustige Treiben aufmerksam wurden. Dabei kamen noch andere, ebenfalls reichlich irre Ideen auf, und so endete der Tauschring, bevor du Geburtstag hattest und dich für etwas hättest bedanken müssen, was du selbst hättest erwerben können. Deine Beziehung zur G. war damit natürlich am Ende. Kein Schaden, ausser dem Problem, dass der Pfingsturlaub für alle längst geplant war. Ohne Rennrad wäre es noch unerfreulicher geworden. Glücklicherweise stand irgendwann Iris und die zweifarbig blaue S-Klasse vor der Tür. Iris hatte in einem der seltenen Anfällen von Pubertät ihre Eltern am Lido hatte sitzen lassen. In einer Zeit vor dem Mobiltelefon war vieles noch einfacher.

Keine Cowboystiefel mehr. Leitet jetzt einen Franchisemarkt einer gewissen Kette, den ihr die Familie überlassen hat.

Einmarsch der Musiker. Applaus. Verbeugung. Musik. Vergessen.

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Mittwoch, 6. Mai 2009

Real Life 5.5.09 - Die faule Susi

Es dauert etwas, bis du verstehst, dass Iris gerade keine Lust hat zu hören, wie billig alte Autos in England sind. Iris hat auch keine Lust erinnert zu werden, wie teuer alte Autos in Deutschland werden können. Ihr eigenes Gefährt, das gerade das beste Abwrackprämienalter erreicht hat, verschlang gerade enorme Reparaturkosten, halb so hoch wie der Restwert. Und dafür ist die Zeit gerade auch nicht wirklich gut.

Besser ist die Zeit dagegen für die Partyplanung. Krise oder nicht, es wird brechend voll dieses Jahr. Hauseinweihungen, Hochzeiten, eine ganze Serie von 70. und 75. Geburtstagen ehemaliger "Führerkinder", Konzerte und Gartenfeste. Neben den spektakulären Ausfällen - eine Fraufrau hat sich von ihrem Anwesen getrennt und ist weggezogen, man spricht über Gründe - drängen sich manche, frei werdende Plätze zu sichern. Zu all dem hat auch der hiesige Weltkonzern gerade den 100. Geburtstag und lässt es krachen. Iris braucht etwas zum Anziehen. Du brauchst - und habe - dagegen ein Fluchtgefährt. Und so - hier Festsaal des Stadttheaters und Handtaschensorgen, dort Flüelapass und Motorbefürchtungen, redet ihr eine Weile aneinander vorbei, bis die Post kommt.



Es ist ja nicht so, dass du in letzter Zeit nicht genug poliert hast, bemerkt Iris spitz in Bezug auf deine von der Farbe an schwer zugänglichen Stellen immer noch leicht grünen Hände, aber du antwortest, dass du eben ein Mann der Arbeit seist, und reibst nebenbei etwas herum. Das, erklärst du, sei kein überflüssiges weiteres Silberservice und - trotz des günstigen Preises - auch keine Geldanlage, sondern schlicht und einfach Notwendigkeit. Schliesslich hättest du schon einen ledernen Picnickoffer, der auch als Tisch herhalten könnte, und den gilt es zu füllen mit allem, was man so braucht, wenn man, sagen wir mal, die besten Cafes zwischen München und Nizza aufsuchen will und feststellt, dass man die Torte nicht im Getrubel der Gaffer essen will, sondern irgendwo oberhalb der Küste. Da muss dann natürlich auch ein anständiges Service her, das den Standard bewahrt. So und nur so.

Eigentlich, meint Iris, ist die ganze Welt nichts anderes als eine sich drehende Kuchenplatte, wenn es nach dir ginge. Du solltest dein Auto so nennen, "Lazy Susan", wie diese drehbaren Platten, die man anstösst und einfach wartet, bis das passende Stück vorbeikommt. Das passt zu deiner Lebensauffassung.

Und so tauft Iris im Vorbeigehen den Sunbeam mit dem Namen einer stummen Dienerin, mit einer spitzen Bemerkung beendet sie Tage der vergeblichen Namensfindung, und sie hat recht, denn wenn das Leben schön ist, sitzt man einfach da und wartet auf Gelegenheiten, die man nicht vorbeigehen lässt. Man sitzt einfach da und ist zuversichtlich, dass alles gut wird. Man sitzt einfach da und weiss, die Welt wird es geschehen lassen. Dann kommt ihr überein, dass 2009 das Jahr des kompletten Heiratsboykotts wird, denn Heiraten ist wie eine Lazy Susan, die sich nicht mehr dreht: Man nimmt sich ein Stück, und dabei bleibt es dann, was immer auch noch an feinen Dingen auf der Platte kommen möchte.

Unten vor dem Haus schreibt eine Politesse das rote, wieder fahrbare Monster von Iris auf.

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Dienstag, 5. Mai 2009

Real Life 5.5.09 - Stresstest. Gerade.

Haifisch so: "Du weisst schon, dass Du für uns arbeitest?"
Du so: "Jaja, was steht an?"
Haifisch so: "Schau in Deine Mail."
Du so: "Oh."

Iris so: "Du weissr schon, dass wir uns nachher treffen?"
Du so: "Jaja, komme gleich."

Frau Mama so: "Kommst du auch an den Tegernsee? Das Wetter soll wunderbar werden."
Du so: ....

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Mittwoch, 25. März 2009

Real Life 24.3.08 - Vom Kreuze kriechen

Oh, sagt Iris leicht enttäuscht. Apfelkuchen. Gesunder Apfelkuchen. Mit Zimt. Ich mag es, wenn sich Männer Gedanken um meine Figur machen. Bin ich sehr fett oder nur fett?

Du erklärst all die kleinen, gegeneinanderlaufenden Katastrophen des Tages, und wie froh du bist, es überhaupt rechtzeitig mit einem hausgemachten Kuchen nach Hause geschafft zu haben, und nicht sie sei fett, nein, du selbst müsstest jetzt endlich dieses Lotterleben mit Sahne und Baiser beenden und zumindest ein klein wenig reduzieren. Apfelkuchen ist ein guter Anfang.



Im übrigen, berichtet die mit derlei Dingen stets vertraute Iris, habe der J. es auch beim letzten Konzert - wo seiest du eigentlich da gewesen? Ach so, Frankfurt - nicht überwunden, den Mann mitzunehmen, der nun schon seit einem Jahr bei ihm wohnt. Statt dessen habe er sich auch diesmal mit einer Alibischulfreundin von damals beholfen, und nun tuschle man nicht mehr über seine Neigung, sondern eher über diese komische Zurückhaltung über eine Sache, die doch jeder wisse. Zumal doch der Prälat schon seit zwei Jahren tot sei, und damit auch kein Geistlicher mehr in der Familie lebe, dem man damit einen Skandal anhängen könnte. Kann es sein, mutmassen alle, die es wissen - und gibt es jemand, der es nicht weiss? - dass er vielleicht doch wieder den anderen Weg einschlägt?

Vielleicht, sinnierst du.liegt es auch an der traditionellen Nähe der Familie zur Staatspartei. Oder sie machen noch Geschäfte mit der Kirche? Da wäre es natürlich schlecht, wenn der einzige Stammhalter dergetalt die Tradition...

Die Kirche, schnaubt Iris, hör mir auf mit der Kirche, alles und dann ein Wort, das auch Margarete von Navarra verwendet haben könnte, wenn es gegen die Mönche ging: Da gibt es nämlich diesen Prozess, den ein höchst unfähiger Sohn eines Congregationsheinis verloren hat. Gerettet wurde die Kirche aus dem von ihrer eigenen Gier verschuldeten Elend dann durch Iris Cousin, der zwar Atheist, aber wenigstens ein guter Anwalt ist. Und wen nehmen die Leute, für die sie ein Wort aus der antipapistischen propaganda des 18. Jahrhunderts verwendet, für den nächsten Fall? Wieder dieses schleimige Bübchen. Und wieder geht es schief. Und wieder wenden sie sich an den Cousin. Doch soll der den Schleimbatzen nun in die nächste Instanz mitschleifen, damit der das lerne. Und nun überlege man in ihrem Haushalt, ob solche Cretins, solche gscherden, weiterhin mit Kirchensteuer unterstützt werden sollten.

Keinesfalls, sagst du. Jeder Grund ist gerade recht, die Kirche zur Refinanzierung durch Kunstverkäufe zu bringen. Und du brauchst nun wirklich einen zweiten Putto, der eine wird sonst nur ein verzogenes Einzelkind. Wie Iris.

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Donnerstag, 12. Februar 2009

Real Life 12.02.09 - Iris am Bett

Was machst Du eigentlich mit dem Staubsauger am Bett, fragt Iris. Ts. Also wirklich.

Es ist früh, sehr früh. Du bist nicht richtig wach, und ausserdem auch nicht wirklich fit, um auf den Hausfriedensbruck intellektuell angemessen zu reagieren. Natürlich kann nicht jeder einfach so in dein Schlafzimmer kommen, es sei denn, er kennt die Tricks. Dann geht es. Iris kennt die Tricks. Du überlegst, ob es Sinn macht, sie anzuzeigen, aber nachdem ihr abgemacht habt, heute ganz früh zur Bank zu gehen und eine lästige Angelegenheit anzugehen, die man gerne aufschiebt, bis das Finanzamt den Pfändungsbeschluss schickt, hat sie wohl ein gewisses Recht, hier an deinem Bett zu sein. Und blöde Bemerkungen über den Staubsauger zu machen, der hier steht, seitdem der Frühjahrsputz durch eine Fahrt zum See unterbrochen wurde. Nachdem diese Antwort aber nur die nächste bissige Bemerkung über die Unfähigkeit zum Management des eigenen Lebens zu Folge hätte, bewirfst du Iris mit einem Kissen, und dann, als sie nach dem ersten Schrecken zurüchschlagen will, mit einem zweiten Kissen. Sie sieht sehr sexy aus, wenn ihre Haare so über dem Gesicht verwischt sind, und der Mund fassungslos erstaunt geöffnet ist. Jetzt bist du wach, und es geht dir besser. Dann gehst du in die Küche und kombinierst ihr Stangenbrot mit deinen Vorräten.



Wie geht es deinem Vater?, fragst du aus Höflichkeit.

Schlecht. Momentan ist wieder alles unter Wasser. Trotzdem denkt er schon wieder antizyklisch und will wieder irgendwas kaufen. Ausserdem will er alles, was geht, auf mich überschreiben. Und aus der Kirche austreten, weil zu teuer.

Dein Vater ist ein kluger Mann. Sag ihm, Atheismus tut auch gar nicht weh.

Dann geht ihr in die Bank, die wie immer das hässlichste Haus am Platz besitzt, vorbei am künstlichen Wasserfall und macht endlich dieses Befreiungsdingsbums, um die sich die dafür Kümmernden aus was für Gründen auch immer nicht kümmern können. Es gäbe im Haus noch einen Keller aus dem 14. Jahrhundert, den man prima zum Geldlager umbauen könnte, frei von Zinsen, aber auch frei von all den Zumutungen des Finanzbetriebs, wo oben jeder saut und unten jeder Termin eingehalten werden muss, ohne Rücksicht auf das, was man auch ohne Staubsauger im Schlafzimmer machen könnte.

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Sonntag, 8. Februar 2009

Real Life 07.02.09 - der Inhalt der Villa

Es ist nicht dein Wagen, und du hast die CDs vergessen. Das Radioprogramm der Bayern ist schon atemberaubend schlecht, aber dort gibt es wenigstens B4 Klassik. Hinter der Grenze wird es unerträglich, die Dialekte, die Musikauswahl, du hast nichts, oder nicht viel gegen Popmusik, Popmusiker sind auch nur Menschen, aber trotzdem wünscht du den Moderatoren einen sauberen

sagen wir mal eine saubere Bronchitis in den Hals. Glücklicherweise tragen die Radiowellen über den See, und in bester Tradition bringt das französche Programm der Schweizer ellenlange Sprechstücke, die du natürlich nicht verstehst, aber sie klingen drollig, selbst wenn sie gerade über die hässliche Volksabstimmung reden sollten, mit der man über dem See zwar nur über zwei Nationen abstimmt, aber eigentlich alle anderen meint. Wie schon damals, die Schweiz hat eine lange Tradition im Dichtmachen für alles, was nicht Geld ist.



Man sollte vielleicht nur im Frühjahr an diesen See fahren. Es ist dort immer wärmer, was bedeutet, dass sie gerade mit einem späten November aufwarten können. Drüben in der Schweiz haben sie bis zu 1,20 Meter Neuschnee, hier dagegen Nieselregen, Finsternis und kliometerlange Staus nach Lindau. Es ist nicht so schlimm wie auf dem Weg nach München, wo die Autobahn voller niederländischer Verstösse gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz war, aber auch reichlich trübsinnig. Wie auch der Nachlass, den es zu besichtigen gilt, und wenn du mal alt bist, wirst du schon daür sorgen, dass keiner die Uhr findet, auf der eine gefesselte, breitärschige Jugendstilnackte das Hinterteil dem Betrachter entgegen reckt. Oder reichlich moderne, nicht gerade hochwertige Abbildungen indischer Sexualpraktiken. Das einzige, was einem hier bleibt, wenn man in seiner Villa dem grossen Nichts entgegen impotenziert.

Dazu noch ein paar Objekte eines Berliner Künstlers, der sich mit Korallen, Nautilusschnecken und Halbedelsteinen in der modernen Version der Schatzkammerobjekte für den Geldadel versucht. Es ist die Art Prunk, die einen ob der Ausgefallenheit zuerst instinktiv zugreifen, dann aber überlgen und am Ende ablehnen lässt. Der Auktionator kann nichts dafür, wenn die Leute solche Haushalte hinterlassen, er gibt es nur weiter, und wer weiss, vielleicht schaut eine verbliebene reiche Russin während des Fettabsaugens hier vorbei und findet Gefallen daran.

Wie immer gibt es auch etwas hinterhältig Schönes; zwei feuervergoldete Reliquienrahmen aus der Zeit um 1760, die zu Spiegeln umgebaut wurden; ideal für alte Menschen, die bald auch zum Knochenlieferanten der Heilzumshändler werden könnten, gäbe es noch sowas wie einen Markt für segensbringende Heilige, wie einen St. Fugatius, den Heiligen der armen Sünder, die in ihren Booten, die "Stille Freude" oder "Sonnenschein" heissen, das Geld in die Schweiz schippern.

Es ist trist am Bodensee, und auf dem Heimweg ist die Strecke voller torkelnder Kombis, die Schwabenladungen in ein wohlgeordnetes Nichts bringen, falls sie es durch den Regen nach Hause schaffen.

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Donnerstag, 8. Januar 2009

Real Life 07.01.09 - der grosse Bailout der Vororte

"Diesen werden wir die Trauer hinzufügen, von der wir sagen dürfen, dass sie ausschliesslich aus der Meinung und der daraus entstandenen Enttäuschung entstanden ist"
Baruch Spinoza, Kurze Abhandlung von Gott, dem Menschen und dessen Glück


Sieh es doch einfach so, sagt Iris. Es wird so oder so kommen, die unten haben 200 Euro mehr für eine neue Glotze, und Papa kann 400 Euro mehr investieren. Ausserdem war es nicht gerade höflich von Dir, das Sozialgerede gerade jetzt auf das Tapet zu bringen, da er ohnehin schon den Eindruck hat, dass der Abstand zwischen denen und uns nicht mehr allzu gross ist. So wie die unten das Geld zum Ausgeben brauchen, braucht er es, um wieder Tritt zu fassen.



In gewisser Weise hat sie recht. Papa ist wie alle, die verloren haben: Besessen davon, die Rückschläge wieder gut zu machen. Kein neuer Motor für den seit Monaten in der Garage gammelden Sportwagen. Keine drei Wochen Skifahren, und keine neue Ausrüstung bei Bogner. Zum Glück kamen die wirklich brutalen Schläge erst im Dezember mit der Post, sonst hätte er auch dem Konzertverein gekündigt, und du müsstest ohne Iris durch das Foyer streifen. Papa ist getrieben von den Verlusten und gepeinigt von der Angst, er könnte hinter andere zurückfallen. Papa ist lächerlich viel reicher als alles, was du jemals besitzen wirst, auch nach dem ganzen Unglück bist du immer noch ein Nichts, aber der Unterschied ist: Du hast zweimal ein schmales Plus gemacht, und er ein einziges, dickes Minus. Es war keine Anerkennung, dass er sich mit Dir über seine Pläne nach Steuersenkungen unterhalten hat. Eher der Wunsch, sich Bestätigung zu holen. Was bei dir nicht so arg toll ist, der du eigentlich für massive Steuererhöhungen bist. Denn es gibt immer noch zu viel Vermögen in Deutschland, das gehortet und Verbrechern zur vorgeblichen Vermehrung gegeben wird.

Aber Papa hat das alles schon durchgerechnet, wenn sich die CSU durchsetzt. Höherer Sockelfreibeitrag: Bringt ihm 400 Euro. Ende der Progression: 20.000, 25.000, wenn es der Seehofer macht. Einparungen 40.000. Da kommt was zusammen. Und jetzt kommst du ins Spiel. Wohnimmobilien. Denkmalschutz. Berlin. Welches Viertel, wo krepieren gerade die Denkmal-AfA-Fonds. Er würde, wenn die Zinsen ordentlich gefallen sind und die Inflation droht, 2010 massiv leveragen, noch ein paar Positionen auflösen und dann gleich auf zwei Stockwerke gehen. Kudamm. Savignyplatz. Mehringdamm. Was sagst du dazu. Das müsste doch, 300 m², dann alle zwei Jahre eine Wohnung restaurieren und immer schön abschreiben; in acht Jahren ist sicher wieder Boom. Dass du auf Steinbrück setzt, passt nicht in diese Träume von der schnellen Erholung durch einen Sonderweg in das Berliner Baugestrüpp. Überhaupt, was soll das: Die nehmen euch doch alles. Das ist längst überfällig, und es haben alle was davon.

Und die oben werden noch mehr horten können. Als hätte die Krise ihren Kern nicht darin, dass irgendwo zu viel gehörtet wurde, zu viele Zinsen sollte und zu leichtfertig vergeben wurde. Versuchst du zu erklären, aber das kommt nicht an. Denn der Staat hat den kleinen Leuten schon die Ersparnisse gerettet, jetzt soll er den Reichen helfen, die Verhältnisse wieder ind Lot zu bekommen. Steuern runter, das sieht er als sein Recht an.

Du bist ja nie hier, sagt Iris. Du hättest im Dezember hier sein sollen, als er die Steuer für 2007 mit dem Berater durchgegangen ist. Da war schon klar, dass er würde nachzahlen müssen. Und dann jeden Tag die Kurse, die Briefe der Banken, und dann noch so ein Ding am grauen Kapitalmarkt, das neues Kapital brauchte. Alle wollten sein Geld, überall waren Löcher im Portfolio, jeden Tag wieder ein, zweitausend Euro einfach so weg. Schmuck, Kleider, Urlaub, alles wäre besser gewesen. Kannst du das nicht verstehen? Er hat immer nur gespart. Er hat nur viel ausgegeben, wenn es erwartet wurde, für sich bräuchte er das alles nicht. Es macht ihm nichts, jetzt noch mehr zu sparen, denn er will wieder dorthin, wo er 2007 war.

Und deshalb wählt er die CSU und jeden anderen Rattenfänger, der Steuersenkungen verspricht. Und die Leute im Piusviertel sind mit den paar Kröten vom Freibetrag zufrieden und wählen sie auch. Soll doch der Staat die Schulden machen, die sie nicht zu machen brauchen. Jedem seinen Bailout, unten 2 Zoll mehr Diagonale, oben zwei Immobilien mehr - wer soll das in Berlin eigentlich für ihn machen? Die Immobilien finden, die Organisation, das kostet doch auch einen Haufen? Hat dein Vater überhaupt Erfahrung im Altbausanieren? Bei deiner Wohnung blieb das alles an mir hängen.

...

Nein.

Er meinte, mir zuliebe, schliesslich bekomme ich die ja mal, und du kennst dich doch da oben aus, also, ich finde es ja auch nicht so toll, aber

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Montag, 22. Dezember 2008

Real Life 22.12.08 - Anlage KAP

Schrecklich, sagt Iris. Ich brauche nächstes Jahr eine Beschäftigung, um meine kommenden Verluste irgendwogegen anrechnen zu können. Gerade hat sie dem Finanzamt mit reichlich Verspätung ihre Anlage KAP für 2007 übergeben. Anlage KAP 2008 wird weder für sie noch für das Finanzamt ein Spass, und mit etwas Pech macht auch die Abgeltungssteuer 2009 eine gebremste Premiere feiern - ausser für die Steuerbarater.

Das Jahr begann mit einem Herrn am Tegernsee, der zum Herumschieben seiner Positionen in einer Notlage ziemlich genau das braucht, was auf deinen Konten war, und dafür eine Wohnung bot. Es endet damit, dass der Immobilienmarkt am See leeregeräumt ist von denen, die rechtzeitig aus anderen Anlageformen rauskamen, und mit einer atemberaubenden Vergewöhnlichung von Notverkäufen, hektischem Herumschieben und Auflösen von Positionen mit Verlusten. Kommt inzwischen in den besten Familien vor. Während du nicht in der Stadt warst, habe man unter den Eltern verglichen: 50% Verluste seien normal, und wer sich als aktiver Investor mit etwas Leverage dank eines bombensicheren Tipps auf die falsche Seite geschlagen hat, schafft auch schon mal 80% innerhalb eines Jahres. Nicht Gesamtvermögen, aber bei dem, was man hier als "Spielgeld" bezeichnet und erst seinen Reiz verliert, wenn es weg ist. Schockierende Einbussen, über die man früher nur im Foyer tuschelte, sind banal und alltäglich geworden.

Zum Glück gibt es noch Immobilien, Festgeld, Schatzbriefe, all das Grossmütterzeug, und die Hoffnung, dass im Januar keine bösen Überrachungen aus dem Kleinwalsertal kommen, wenn die pervertierte Capital Management Tochter einer pseudogenossenschaftlichen Einrichtung mal durchgerechnet hat, was eigentlich aus den Emerging Markets wurde. Sagst du, und Iris fällt mit einem "Hör auf" ein. Es ist schwierig geworden, über Geld zu reden, ohne wunde Punkte zu treffen. "Über Geld spricht man nicht" hat eine neue Bedeutung gewonnen, a la "Man soll nicht über etwas reden, was es nicht mehr gibt". Derweilen sticht Iris mit einem Mandarinenstiel die Bienenwachskerze halbtot.

Draussen ist es grau und regnerisch, als ihr euch auf den Weg macht, das Kleid dann doch nicht zu kaufen, das nach Leben und Exzessen verlangt hätte, die es dieses Jahr in der nötigen Form nicht geben wird.

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Dienstag, 9. Dezember 2008

Real Life 9.12.08 - Die Benzinmörder

Häss-lich, sagt Iris. Scheusslich. Ich weiss jetzt schon, dass es den ganzen Tag grau bleibt. Alles voller Nebel. Grau in Grau. Und kalt, kalt, kalt, es könnte nicht hässlicher sein. Und bei dir?

Scheusslich! Extrem windig, zum ersten Mal wäre genug Wind zum Surfen - und das im Dezember. Eine absolute Unverschämtheit, das Wetter.



Und dann ist auch noch der Boden gefroren, alles voller Schnee, grässlich, ich musste gestern nach Innsbruck und mir einen Schlitten kaufen, damit ich hier unter dem eisblauen Himmel überhaupt noch vorankomme.



Und dann hat meine Bäckerin nebenbei noch geratscht und statt der Brezenzöpfe Brezen eingepackt. Ich hasse es, wenn ich keinen Butter (Hinweis: Ja, ich weiss, es hiesse andernorts "keine Butter", aber in Bayern ist der Butter männlich) mehr daheim habe, und Brezen mit Käse essen muss. Kurz: Es ist hier absolut unerträglich.



Wirklich, fragt Iris.

Naja, geht so.

Ist aber auch eine miese Gegend. Hast du von dem Mordversuch in Tegernsee gehört? Da hat eine Frau ein Haus geerbt, und wollte es verkaufen, aber eine Mieterin wollte nicht ausziehen. Nach einigem Streit hat die Vermieterin die Frau überfallen, zusammengeschlagen, und mit Benzin übergossen, um sie zu verbrennen. Als ihr dann aufgefallen ist, dass sie damit auch das Haus anzünden würde, hat sie die Mieterin in ihr Auto bringen wollen, um irgendwo draussen einen Selbstmord vorzutäuschen. Dabei ist sie dann erwischt worden. Das sind Zustände.

Nun, liebste Iris, bei uns sind die Wasserleichen stets gepflegt und werden anhand vieler Schmuckstücke identifiziert. Vielleicht magst du dir selbst ein Bild von der Lage machen? Ich habe gestern auch noch einen Doppelschlitten gekauft, und von der Neureuth aus hat man einen grandiosen Blick über die Slums von Rottach und die Problemviertel von Wiessee, von den Buden, wo die Ärmsten selbstgebackenePlätzchen backen, bis zur staatlichen Spielhölle.

Mein Auto ist kaputt. Und ich hasse dich.

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