Real Life 22.12.08 - Anlage KAP

Schrecklich, sagt Iris. Ich brauche nächstes Jahr eine Beschäftigung, um meine kommenden Verluste irgendwogegen anrechnen zu können. Gerade hat sie dem Finanzamt mit reichlich Verspätung ihre Anlage KAP für 2007 übergeben. Anlage KAP 2008 wird weder für sie noch für das Finanzamt ein Spass, und mit etwas Pech macht auch die Abgeltungssteuer 2009 eine gebremste Premiere feiern - ausser für die Steuerbarater.

Das Jahr begann mit einem Herrn am Tegernsee, der zum Herumschieben seiner Positionen in einer Notlage ziemlich genau das braucht, was auf deinen Konten war, und dafür eine Wohnung bot. Es endet damit, dass der Immobilienmarkt am See leeregeräumt ist von denen, die rechtzeitig aus anderen Anlageformen rauskamen, und mit einer atemberaubenden Vergewöhnlichung von Notverkäufen, hektischem Herumschieben und Auflösen von Positionen mit Verlusten. Kommt inzwischen in den besten Familien vor. Während du nicht in der Stadt warst, habe man unter den Eltern verglichen: 50% Verluste seien normal, und wer sich als aktiver Investor mit etwas Leverage dank eines bombensicheren Tipps auf die falsche Seite geschlagen hat, schafft auch schon mal 80% innerhalb eines Jahres. Nicht Gesamtvermögen, aber bei dem, was man hier als "Spielgeld" bezeichnet und erst seinen Reiz verliert, wenn es weg ist. Schockierende Einbussen, über die man früher nur im Foyer tuschelte, sind banal und alltäglich geworden.

Zum Glück gibt es noch Immobilien, Festgeld, Schatzbriefe, all das Grossmütterzeug, und die Hoffnung, dass im Januar keine bösen Überrachungen aus dem Kleinwalsertal kommen, wenn die pervertierte Capital Management Tochter einer pseudogenossenschaftlichen Einrichtung mal durchgerechnet hat, was eigentlich aus den Emerging Markets wurde. Sagst du, und Iris fällt mit einem "Hör auf" ein. Es ist schwierig geworden, über Geld zu reden, ohne wunde Punkte zu treffen. "Über Geld spricht man nicht" hat eine neue Bedeutung gewonnen, a la "Man soll nicht über etwas reden, was es nicht mehr gibt". Derweilen sticht Iris mit einem Mandarinenstiel die Bienenwachskerze halbtot.

Draussen ist es grau und regnerisch, als ihr euch auf den Weg macht, das Kleid dann doch nicht zu kaufen, das nach Leben und Exzessen verlangt hätte, die es dieses Jahr in der nötigen Form nicht geben wird.

Montag, 22. Dezember 2008, 20:55, von donalphons | |comment

 
Schrecklich, sagt Iris. Ich brauche nächstes Jahr eine Beschäftigung, um meine kommenden Verluste irgendwogegen anrechnen zu können.

In der Vergangenheit habe ich mich manchmal gefragt, wovon Iris eigentlich lebt, denn es klang nicht unbedingt so, als sei sie finanziell unabhängig von ihrer Familie, die im Gegenzug bisweilen gewisse Themen aufs Tapet zu bringen scheint.

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Es gab vor der Reform des Erbschaftssteuerrechts und gibt auch jetzt noch vorzügliche Gründe für Familien mit Einzelkind, dieses Kind frühzeitig einen Teil des Vermögens zukommen zu lassen, und es ist auch nicht schwer, über die Freibeträge der Anlage KAP zu kommen.

Der Klassiker war dabei der Umtausch von Geld in eine teure Wohnung, deren spätere Bewertung nach dem Verkehrswert und anschliessende Verschenkung, und das alle 10 Jahre einmal. Auf diesem Weg kann man mit etwas Glück über 40 Jahren Werte auf dem Niveau eines mittleren Millionenvermögens übertragen, ohne dass die Steuer allzu sehr profitieren würde.

Abgesehen davon pflegen solche Familien immer gewisse Themen aufs Tapet zu bringen, gänzlich unabhängig von finanziellen Vorteilen.

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Diese Eigentumswohnung hattest Du schon einmal erwähnt. Ich meinte damit eher, dass sie ja auch etwas essen und anziehn muss, ein bisschen mehr jedenfalls als jenen Diamantring, den Du mal aus dem Siphon gefischt hast. Was hat sie denn zwischen Abitur und Heirat gemacht, kann sie vielleicht in den Job zurück?

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Tochter -> Abitur -> Studium -> Rumjobben -> Heirat -> Hausfrau -> Scheidung -> Ehekrieg -> Tochter. Soweit ich weiss, ist da genug da, und Iris ist Einzelkind. Möglicherweise auch Backup, wenn ihre Eltern nicht mehr so können, und die Verwaltung von Geld und Besitz macht ja auch etwas Arbeit.

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Mit ihrer spitzen Zunge eignete sie sich bestimmt auch als Kolumnistin in einem Society-Klatschblatt. Aber dafür ist die Stadt zu klein, außerdem macht man mit Journalismus derzeit meist auch eher nur Verluste.

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Sie hat mal hie und da versucht, als Verkäuferin bei Bekannten zu arbeiten, aber das war nicht ihr Ding. Und auch so ist das Leben hier nicht ohne Anforderungen an Zeit und Engagement, z.B. in einer kulturellen Organisation.

Einen Journalismus, der den Namen verdiente, würde hier keiner wollen.

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Bei solch kulturellen Organisationen ist leider oft kein Geld zu verdienen, aber kann sie aus diesen Erfahrungen nicht anderswo einen Job machen? Zumal sie über die Organisation doch bestimmt eine Menge Leute kennt, von denen der ein oder andere bezahlte Arbeit zu vergeben hat oder zumindest jemanden kennt, der wiederum ...

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Weshalb
nicht eine Loesung a la Qatar? Hier richtet der Hausherr seiner Frau ein beliebiges Geschaeft (Boutique, Sonnenbrillen, Modeaccessoires) ein, das die Dame fuehrt. Betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte stehen aussen vor, die Arbeit machen billige Filipinos, die Dame hat Ablenkung und "managed" nur aus dem Hintergrund.

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Die Qatarische Lösung gibt es hier schon etwas länger - unter den Frauen der Zugezogenen. Die machen sowas. Blöderweise ist die Familie auch schon seit vielen Generationen in der Stadt. Und in dem Fall ist es egal, was sie tut. Es wird eh reichen, und selbst, wenn sie aufdrehen würde, bliebe immer noch genug für die Neffen und Nichten übrig. Ich finde das Konzept "Erbtante" übrigens gar nicht so schlecht, solange dabei was für soziale Belange abfällt.

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And now the wealthy have a new status symbol: getting ripped off by Bernie Madoff. Because Madoff is said to have only accepted an exclusive group of wealthy investors, saying you got ripped off by Madoff is a subtle way of saying that you've got big money. From those who spend their summers in Nantucket to those spending evenings at the Yale Club, Bernie Madoff has become the new name to drop. "We'll only be out in Nantucket for two weeks rather than the whole month," a Nantucket regular recently told a friend. "We lost money in the Madoff thing." [Quelle]

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Nett ist natürlich auch die neue Form der Society Reportage. Die Verklärung der Vergangenheit beginnt jetzt.

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der anti-don. statt "die krise auf einer arschbacke abzusitzen" die immobilie im hochgebirge zwecks rezessionsabwehr verflüssigen und den erlös bei madoff investieren.

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Mein Verkäufer hat das Geld damals auch stante pede weitergeschleust in einen Fonds, um nicht den Rest dort drin zu verlieren - und hat es natürlich trotzdem verloren. Zockerrisiko. "Mein" sauer erarbeitetes Geld verschwand somit in den Untiefen des Berliner Gewerbeimmobiliensumpfes.

Madoff hätte seine Bücher einfach staatlich lizensiert fälschen sollen, dann hätte man ihn vielleicht sogar gebailoutet.

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Anstatt "Man soll nicht über etwas reden, was es nicht mehr gibt", haben wir in solchen Situationen sprachlich auch den Klassiker "Im Hause des Gehenkten spricht man nicht vom Strick".

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Besonders, wenn der Gehenkte zu allem Übel noch am Leben ist. (war das jetzt zynisch?)

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