: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 27. November 2008

Real Life 26.11.08 - die Mütter allen Terrors

Wer kommt dran, fragt die gemütliche Frau am Käsestand.

Ich denke, ich bin der nächste, willst du schon anheben, um die Terrormutti vor dir in Schranken zu weisen; schliesslich kam sie gerade erst an, rammte dir ihren Kinderwagen in die Kniekehle und wuselte dann um dich und Iris herum, um einen Blick auf das Angebot zu erhaschen.

Was sind denn das für Gewürze auf dem Käse, fragt sie sofort, ohne Rücksicht und Benehmen, und dann folgt eine längere Bestellungsorgie, immer wieder unterbrochen von kurzen Bekümmerungen des ungezogenen Balges; alles Tätigkeiten, die das Frieren der nachfolgenden auf dem Wochenmarkt nicht gerade verkürzen. Es ist ja nicht so, dass sie viel kaufen würde - sie will viel wissen, um dann doch etwas anderes zu wollen, oder vielleicht doch jenes, was ist denn das und was bedeutet es, wenn der Bergkäse 6 Monate alt ist?

Irgendwann zahlt sie, es könnte endlich vorbei sein, als die Verkäuferin zum Kind sagt: Magst Du den Käse hier probieren?

Entweder ist das Kind blöd, oder die Mutter, oder beide, denn letztere wendet sich an den Wurf und fragt: Magst du Käse? Magst du Käse? Hm? Magst du Käse? Zum Vergleich: Sagst du zu Minka: Miez, magst du Knuspertaschen? - versteht sie sofort, worum es geht. Die Mutter nun lässt es sich nicht nehmen, auch dieses Probierstück zu hinterfragen, um ein anderes zu verlangen, und, während das Balg mit offenem Maul jeden Anstand vergessen lässt und die Hälfte des Käses aus dem Fressloch auf den Boden fäll, noch gegenüber der Frau am Käsestand mit diesem ihres Erachtens so schönem Kind anzugeben. Dabei willst du doch nur einen Ricotta und ein Stück vom Sextener Bergkäse. Und dann mit Iris in ein Cafe, statt hier rumzustehen und auf einem Ohr mitzubekommen, dass die dumme Tussi die gleiche Masche auch nebenan am Brotstand abzieht, wo das Balg erneut gestopft wird. Jedes Balg wird hier überall gestopft. Würdest du jeden Balgstopfer boykottieren, müsstest du im Supermarkt einkaufen, oder Hühnerdieb werden.

Dabei, ist Iris etwas indiskret, als ihr endlich im Warmen angekommen seid und der heissen Zitrone neue Lebensgeister zu verdanken sind, dabei wurde letzthin über dich gesprochen, und die Frau L. meinte, du wärst ganz sicher ein grossartiger Vater für deine Kinder, bei dir müsste man keine Angst haben, dass die schlecht erzogen wären, keinen Anstand hätten, oder du die ganze Familie nach Köln oder andere Orte mitnimmst, wo es keine guten Schulen gibt und man deshalb die Kinder den Jesuiten überlassen müsste.



Natürlich, beste Iris, hebst du in dem überstelzten Ton an, der bei dir nie ein gutes Zeichen ist, würde ich niemandem Gegenden zumuten wollen, in denen sich auf dem Spielplatz Kondome finden und zwischen Schule und Jugendgang nur graduelle Unterschiede sind. Ich finde es gut, in einem Land zu leben, in dem man seine Kinder auf ein normales Gymnasium schicken und dabei überlegen kann, welches das Beste unter vielen Guten ist - und das, ohne einen Pfennig zu zahlen. Vermutlich würde ich dann sogar an den Tegernsee ziehen, denn Tegernsee hat das schönste Gymnasium Deutschlands, und in der Zeit davor ist es sicher nicht schlecht, den schönsten Spielplatz Deutschlands (Aussicht siehe oben) im Ort zu haben, oder Berge zum Rumtollen, oder frei laufende Hühner für die Ernährung und ungespritzte Äpfel die Strasse runter, und viele Annehmlichkeiten mehr. Im Prinzip sind Kinder auch kaum schlimmer als Katzen, sie brauchen nur länger, um stubenrein zu werden, sie sind öfters krank, man kann sie nicht alleine in der Nacht rauslassen, sie kosten nur knapp das tausendfache einer Katze und da sind die Probleme der Pubertät noch nicht mal eingerechnet - also, prinzipiell glaube ich sogar, dass man Kinder irgendwie managen könnte.



Aber, das ist das Problem in unserer Schicht, es gibt da jemanden, der sich jedem Managen widersetzt. Die bessere Kindermutter. Die bessere Kindermutter will einen 3er oder noch besser 5er Kombi, um das Balg zu diesem Spielplatz zu fahren, um sich vorher aufzudonnern mit einer der neuen Taschen - bessere Mütter brauchen immer neue Taschen, weil sie mehr mitnehmen müssen für alle Eventualitäten - um dann auf diesem harmlosen Spielplatz mit einem halben Dutzend ähnlich gestrickter Mütter über die neue Kollektion von Prada oder das richtige Studienfach der kleinen Genies zu reden, und über den neuen Kindermodenladen in Rottach, der zwar etwas teurer ist, aber man will ja nicht, dass das Spielzeug schlechter aussieht als bei den anderen. Sie tragen dabei Pornosonnenbrillen und tun so, als seien sie trotz allem die selbstständigsten aller Geschöpfe, und durch das Balg noch attraktiver. Nachdem dort keiner wohnt, der seinen Kindern die Demütigung einer Trennung antun würde - du kennst das ungeschriebene Gesetz ja - kommen sie nie in Verlegenheit, ihren Marktwert tatsächlich auf dem freien Markt bestätigen lassen zu müssen.



Und so gehen sie dann durch von der Gemeindeverwaltung vorzüglich geräumte Parks, versuchen dabei, wie Models auszusehen und denken, dass sie damit etwas Gutes für dieses Land tun, und man sie dafür zu achten hätte. Beispielsweise, wenn sie sich vordrängeln und den Kinderwagen als Rammbock benutzen. Oder Kinderlose diskriminieren, die da gar nicht mitreden könnten. Oder jammern, dass es in Gmund noch keinen zweisprachigen Kindergarten gibt, und sie deshalb jeden Tag nach München müssen, das sollte die Gemeinschaft hier endlich mal anbieten, damit wir nicht zurückbleiben mit unserem Nachwuchs, dieser Zukunft des Landes. So gehört in meiner Konditorei, sehr laut gesagt, damit es auch der Besitzer hört, ein bekannter CSU-Vertreter im Gemeinderat. So sind sie. Und ich würde es hassen, ich würde es nicht ertragen, wenn sowas meine Frau wäre. Wenn du das nächste Mal also Frau L. siehst, kannst du ihr von mir aus das alles gerne in allen Details erzählen.

Das, bemerkt Iris, hat meine Mutter daraufhin schon besorgt.

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Sonntag, 23. November 2008

Real Life 23.11.08 - eine Überraschung für Iris

Oh, sagt Iris. Schick. Und nie wieder frieren im Winter. Das hättest du schon viel früher machen sollen. War es teuer?

So um die 1800 Euro, sagst du. Es ist eine Plage, es zu montieren, man muss die Fenster neu einstellen und die Dichtungen rumschieben, es ist sehr schwer und verändert den Schwerpunkt nach oben und hinten, und ich mag die Fahrgeräusche des normalen Verdecks.

Aber so ist es viel schöner und praktischer im Winter. Wo kommt das her?



Pffffhh, ich glaube, das haben meine Eltern in Passau geholt, mit einem Firmentransporter.

Dein Vater bekommt immer noch einen Transporter? Nobel.

Nein, das war schon, als sie das Auto gekauft haben, vor 13 Jahren, mein Vater hat damals schon jedes Jahr geflucht, wenn er das Ding draufmachen musste, und ich habe es jetzt auch nur zwangsweise aus dem Keller geholt, weil meine Mutter den Platz für die Oleander brauchte.

Soll das heissen, dass du schon die letzten zwei Winter ein Hardtop hattest und mich trotzdem in diesem eiskalten Wagen mit nichts ausser einem dünnen Stoffdach durch Eis und Schnee gefahren hast? Dass ich zwei Jahre umsonst gefroren habe?

Äh - nein. Wenn das Hardtop drauf ist und die Fenster nicht justiert wurden, läuft Wasser in die Dichtungen rein, dann frieren auch immer die Türen ein, und danach steht man vor dem Wagen und kann nicht weg. Als ich mit meiner Schwester im Winter in München Auto getauscht habe, damit sie einen trockenen Wagen hat, wollte ich mal ein Mädchen nach einem tollen Abend heimbringen, und letztendlich musste ich das Taxi bezahlen. Zuerst zu ihr, und dann zu mir, und am nächsten Tag zum Auto. Ich glaube, es gibt wenig, was unsexier ist als Männer mit zugefrorenen Roadstern, in denen eiskaltes Wasser schwappt.

Das liegt nicht am Auto.

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Freitag, 14. November 2008

Real Life 14.11.08 - Der Schlüssel zur gehobenen Gesellschaft

Gleich hinter der Kurve hoch zur Sassa Bar, wo im Sommer die Frau des Fussballers mit dem Schönheitschirurgen trinkt und auf den See blickt, beginnt der Winter. Das Wasser des Sees ist noch warm genug, um das Ufer frei von Schnee und Matsch zu halten. Aber mit jeder Serpentine ergreift das Eis Besitz von den Gärten, Hecken und abgesicherten Privatstrassen, die Rabatten verschwinden im hellen Grau der Wolken, und wer nicht weiss, wo er hin will, verliert schnell die Orientierung zwischen Mauern, Nebeldunst und einer Strasse, die ins Nirgendwo zu führen scheint. Jetzt stehen viele Häuser leer und kalt, erst zu Weihnachten ist hier wieder Saison, und so steigt heute kaum Rauch von den Kaminen auf, die Dächer haben einen Hut aus Schnee, und keine Menschenseele - oder Seelchen - ist zu sehen. Wie ausgestorben. 6000 Euro aufwärts kostet der Quadratmeter in diesem frühwinterlichen Nichts.

Du ignorierst das Schild, das dir das Befahren dieser Privatstrasse verbietet. Du ignorierst es, weil es illegal ist; im Sommer wurde das Schild behördlich entfernt, weil das hier eine öffentliche Strasse ist, aber ein Bewohner hat es wieder angebracht. Hier ist sowieso kaum einer, der nicht hier wohnt, es gibt nur Hecken, Mauern und keinen Ort, von wo aus man den See sehen könnte. Natürlich verspricht diese Seitenstrasse ein grandioses Panorama, aber die Anwohner tun alles, um es zu verbauen. Du stellst den Wagen ab, klingelst an einer Pforte, und eilst im Schneetreiben den steilen Weg hinauf.

Frau S. empfängt dich im Salon mit der Panoramascheibe, von der aus man einen prächtigen Blick über Rottach und Bad Wiessee hätte, wäre da draussen nicht gerade eine dichte, tiefe Wolke, ein helles, weisses Rauschen ohne Anfang und Ende. Sie dankt dir für den Schlüssel und entschuldigt sich wortreich, dass sie so schlecht organisiert hat; normalerweise hätte sie für die Gäste des kommenden Abends Hotelzimmer gebucht, aber die sagten im letzten Moment zu, und da unten treffen sich Kardiologen, ein paar Spitzenmusiker, wohl auch die Pharmabranche, kleinere Hotels hätten jetzt gerade zu, und in Bad Wiessee kenne sie die Hotels nicht so gut. Die Gäste würden ohnehin nur die erste Nacht bleiben und müssten dann zurück, und du hättest doch diese geschiedene Bekannte, vielleicht hättest du Lust, am Samstag zu kommen und dem zweiten Abend beizuwohnen, deine Bekannte würde sich blendend amüsieren, es wären auch einige Männer da, die sehr klug und krisensicher wären.

Iris würde sich vermutlich grossartig amüsieren, keine Frage, sie würde fast auf den Tischen tanzen und schrecklich mit dem Familienvermögen angeben, wenn sie auf der Hinfahrt nicht den desolaten Sportwagen endgültig in den Baum setzte, um damit ein weiteres trauriges Kapitel der modeneser Automobilkunst zu einem guten Ende zu bringen. Für Iris sind solche Feste mit mittelgrossem Rahmen ein Fest, das ist ihre Bühne, dafür wurde sie buchstäblich gezeugt, erzogen und abgerichtet. Iris kann das alles, von der Kunst bis zum Einschenken einer Sektpyramide, und weil das Elend bekanntlich Gesellschaft liebt, würden in der Woche darauf einige Herren anrufen und um Treffen nachfragen, deren Nachbereitung und seelische Reinigung - der ist ein Depp und der andere ein Cretin und der Dritte soll besser in ein Bordell gehen - dir überlassen bliebe. Inclusive der Verwerfungen im Haushalt S., die das zur Folge hätte. Iris soziale Intelligenz hat manchmal Aussetzer, und die wiederum kämen bei Frau S. und schlussendlich bei dir an. Manche lieben Iris dafür. Andere dagegen. Nun. Ausserdem ist Iris gerade in Urlaub. Lügst du.



Über verschneite Strassen und Wiesen geht es zurück, die Betten frisch zu überziehen, die Wohnung blitzblank zu hinterlassen und auch ansonsten keinen Anlass zu Gerede zu geben. Natürlich, musst du konzidieren, wäre es auch ein prachtvoller Spass, die hohen Ansprüche von Iris auf die niedrigen Ansprüche der Ehesuchenden loszulassen, zumal Iris ganz sicher das Kleid tragen würde, das sie beim Geschäft der S. in München gekauft hat - rot wie eine Christbaumkugel und geschlitzt wie die Kinderlein von Bethlehem - aber ausserdem müsstest du auch ihren Eltern erklären, warum und ach und überhaupt. Dein Leben ist natürlich durch diesen Verzicht in den kommenden Tagen langweilig.

Die Sorte Langeweile, die das stressfreie Überleben als gesellschaftlich respekierte Person so mit sich bringt.

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Freitag, 24. Oktober 2008

Real Life 23.10.08 - Prinz, P***a und Prozente

Habe ich dir nie vom Cousin meiner Mutter? Nein? Also, der Cousin von meiner Mutter hatte auch Asthma, und dem waren sie auf einer Feier. Dann bekam er mittendrin einen Anfall. So richtig schlimm, vermutlich klang er wie du. Jedenfall ging der Cousin von meiner Mutter dann nur auf den Balkon, um frische Luft zu holen, und als er nicht zurückkam, gingen sie nach 10 Minuten nachschauen, und da lag er dann tot rum. Erstickt an einem Hustenanfall. Also jammer nicht wegen den Nebenwirkungen, Helmut weiss genau, was er dir gibt.

Liebe Susi, bei uns wird gestorben, indem das beim einem Ohr rein und beim anderen wieder hinausgeht.



Ich will weder hier rumliegen, noch dieses zeug nehmen und schon gar nicht von Todesfällen hören. Nicht in dieser Lage. Wenn Du mir einen Gefallen tun willst: Schau mal bitte bei Marketwatch nach dem Dow Jones.

Steigt. Übrigens ist Franziska in der Stadt.

*Hust* Ach?

Völlig durch den Wind, schlimmer als du.

Franziska war nie anders.

Du wirst es überprüfen können, denn sie bleibt hier. Man soll es nicht für möglich halten, aber sie hat ihren Job gekündigt, Paris verlassen und bleibt jetzt erst mal hier.

Was ist los? Hat P***a eine Absatzkrise? Kommen nicht mehr genug Russen nach Paris?

Also, es war so: In ihrer Filiale hatten sie Staatsbesuch aus den Emiraten. Ein Mann, ein Sekretär, drei Diener, zwei komplett verscheierte Frauen und 10 Leibwächter, die schon vorher den Laden gestürmt und die anderen Kunden rausgedrängt haben. Dann kam der Prinz, und seine Frauen nahmen, was ihnen gefallen hat. Das Übliche, während der Prinz irgendjemand über sein Handy zusammenstauchte. Nach einer Stunde hatten sie dann alles beisammen, bekamen die Rechnung - und der Prinz war nicht einverstanden. Er wollte Prozente. 50 Prozent. Franziska darf das nicht bewilligen, also weigerte sie sich, und die Siskussion wurde sehr schnell sehr böse - auch, weil der in seiner Männlochkeit gekränkte Prinz seine Leibwächter die Debatte führen liess. Am Ende zogen sie ohne Tasche, aber unter Drohungen ab, Franziska war am rande des Nervenzusammenbruchs, der Laden war verwüstet, und ein paar Tage später kam urplötzlich die Mitteilung, dass P***a die Filiale schliesst und Franziska einen Job im Hintergrund bekommt - wenn sie will und Gehaltseinbussen akzeptiert. Was man ihr geraten hat, denn sonst könnte sie Probleme haben, in diesem Bereich jemals wieder eine Stelle zu finden. Und jetzt ist sie wieder da.

Sag ihr einen schönen Gruss, das ist der Ölpreis, der die Saudis gerade so unausstehlich macht, und in einem Jahr bekommen sie dann P***a auf den Ramschflohmärkten des 13. Bezirks, die sie sich dann gerade noch leisten können, wenn sie mit dem Charterflug kommen. In einem Jahr *HUST*

In einem Jahr bist du tot, wenn du nicht endlich liegen bleibst.

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Donnerstag, 2. Oktober 2008

Real Life 1.10.08 - Ausnahmezustand

Gleich hinter der Ausfahrt steht eine Polizeikontrolle, dahinter noch zwei dunkle BMW, die der Steuerfahndung gehören könnten. Sie bestätigen, was du in den letzten Tagen gerüchteweise gehört hast: Dass sie jetzt kontrollieren, dass der Weg über den Achenpass Richtung der Volksbanken in Innsbruck oder weiter in die Schweiz nicht mehr sicher ist, dass man nicht mehr als 10.000 Euro dabei haben sollte. Für Anwohner ist es nicht so schlimm, da führt man eben zehn mal mit der Frau zum Einkaufen in den M-Preis nach Scholastika, aber Müncher, hörst du, machen schnell mal den Fehler und glauben, dass die alte Silberroute hinunter nach Schwaz sicherer sei als die Autobahn oder der Zirler Berg. Der aktuelle Tipp, der in der Region verbreitet wird, ist eine Notration in einem Schliessfach hinter der Grenze in Schweizer Franken. Die Alpenländer sind für Vermögende das geworden, was Irland gerade für die Briten wird: Ein scheinbar sicherer Hafen, während die Flucht daheim die Banken knirschen lässt. Ein Rat, den Iris zu geben in der aktuellen Lage vielleicht nicht so klug ist. Iris will nichts mehr davon wissen. Mit dem, was ihre Eltern in den letzten Wochen verloren haben, hätten sie sich zwei Wohnungen am Tegernsee kaufen können. Du solltest nicht fragen, und du darfst auch nicht empfehlen, denn der Vermögensberater, der dafür verantwortlich ist, kennt mittlerweile den Anwalt von Iris Herrn Papa. Du kennst inzwischen mehr Lehman-Geschädigte, als du je für möglich gehalten hättest.

In der amerikanischen Vogue war ein Beitrag, der den Leserinnen empfahl, den Kleiderschrank zu durchsuchen nach Stücken, die man immer noch tragen kann, und gerade Stücke aus den späten 90ern kommen jetzt wieder in Mode. Mit Gürteln. Zum enger schnallen. Dummerweise habe ich nach der Scheidung praktisch alles in die Altkleidersammlung gesteckt, bedauert Iris und nippt am Milchkaffee. Der Kostenvoranschlag für die Reparatur am Wagen liegt bei 6000 Euro, mehr als er noch wert ist. Findest du, dass Frauen unattraktiv werden, wenn sie nichts mehr haben?



Nebenan sitzen eine Hintergetackerte und eine Aufgespritzte ind Unnaturblond, die offenkundig keine Sorgen haben, und unterhalten sich über die unerträglichen Eigenschaften ihrer Gatten, die diese Herrschaften glücklicherweise mit ins Grab genommen haben.

Relativ ganz sicher nicht, antwortest du mit einem Seitenblick, und Iris versteht, was du meinst. Und absolut in deinem Fall: Auch nicht. Die Familie deiner Mutter hat doch immer nur Frauen hervorgebracht, die in jedem Alter höchst vorzeigbar waren. Es gibt aber einen gewissen Typus Frau - oder Mann, ganz egal - der nur funktioniert, wenn Geld da ist. Das sind die, die Geld am Laufen hält, die alles auf Geld beziehen und deren Charakter geldgebunden ist. Ich würde mir an deiner Stelle keine Sorgen machen, Interesse an Kultur, Belesenheit und die Fähigkeit zum angemessenen Smalltalk werden auch in Zukunft Mittelständler und zweitklassige CSUler auf den gedanken kommen lassen, dass du endlich wieder heiraten solltest. Allein der Name, die Geschichte hat schon einen Wert. Das ist heute auch nicht anders als vor 250 Jahren in Frankreich.

Und bevor Iris Zeit hat, die potenzielle Unverschämtheit dieser Aussage zu erkennen, schiebst du nach, dass Attraktivität, du meinst, bitte, sie möchte sich doch nur mal einen Moment von ihrer Perspektive lösen und sich anschauen, wie sie im Abendlicht am See auf den Stuhl hingegossen ist, natürliche Grazie und Anmut sei nicht zu kaufen, und überhaupt, bis zur Versorgungsehe sei es noch ein sehr weiter Weg.



Ihr geht am Strand Richtung Mangfall, und Iris macht sich Gedanken über diese Generation, die immer noch so aussieht, so aussehen könnte, als würde sie in geordneten Verhältnissen leben wollen, als müsste sie nur wieder Rüschenkleider tragen und Zylinder, und schon würde die Prinzregentenzeit auferstehen, diese besseren Töchter, deren Finger nach Musik von Brahms und Mahler verlangten, vielleicht auch einen Kururlaub an einem Zauberberg und ein Tod in Schönheit unter 40, aber am Ende bleibt es beim Botox und Wellnesswochenende, einem Konzertbesuch und einer biederen Äusserlichkeit, die vollkommen unfähig ist, sich mit langfristigen Strukturen wie Familie und Ehe zu arrangieren. Die dunklen BMW haben ihren Standort verändert und lauern jetzt hinter der Brücke auf unvorsichtige Geldkuriere, die Sonne geht in gleissender Pracht unter, und es wird sehr schnell kalt am See. Bitterkalt.

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Sonntag, 21. September 2008

Real Life 20.9.08 - Frau Mama hat recht.

Sagst du dir, wenn du den Tegernsee in eine andere Richtung als Norden verlässt. Deine Frau Mama sagt, es sei so schön, da müsse man doch nicht wegfahren. Der Tegernsee ist in jeder Hinsicht schön, wunderschön, ein kleines Fleckerl vom Paradies, wie der Helfer meinte, der damals den Transport der grösseren Möbel bewerkstelligte und, statt heim in seine Muckibude zu fahren, noch den Tag über blieb.



Der Tegernsee ist also schön, und trotzdem fährst du weg, nach Süden. Am Achensee tankst du, und einer der oberpfälzer Rocker, die dort ihre schweren Maschinen gefüllt haben, kommt herüber. Er habe auch eine Barchetta daheim, sagt er, und ihr tauscht euch etwas über die Macken des Geräts aus. Und, geht´s jetzt in die Berge, fragst du. Nein, sagt er, sie haben sich eine Marmeladenfabrik angeschaut, und jetzt geht es zurück. Aha, sagst du. Und Du? Ich fahre von Völders hintenrum nach Matrei und auf den Brenner, über Mühlkirch zu Mittag.



Sche, sagt der Oberpflälzer. Des is a schene Schtreck. Do obm is da Bochwiat, do woama frira efdas. Ja, sagst du, da kehre ich danach ein. Dann muss ich in Sterzing noch einer Bekannten ein paar Wildschweinwurste kaufen. De san guat, sagt der Rocker und reibt sich seinen Bart. Und danach fahre ich den Jaufenpass, heut, wo das Wetter noch so gut ist.



Der Rocker schaut dich nachdenklich an und meint: Dös is a Sach. Und denkt sich bartreibend: Heute. Bei diesem Wetter. Mit der Barchetta. Den Jaufenpass. Allein. Ohne Frau und Kinder, die daheim in der Oberpfalz warten. Und dann hinter ins Passeier, übernachten, und morgen dann das Timmelsjoch, bemerkst du in das nachdenkliche Schweigen hinein.



Der Rocker sitzt schon wieder auf seinem Bock, als die Barchetta mit quietschenden Reifen in einem Schlenker zurück auf die Staatsstrasse schiesst. Das machst du normalerweise nie, aber er hat so traurig geschaut, der brauchte eine Aufmunterung, einen Gruss aus dem wilden Leben. Du streckst den Daumen hoch, er auch. Er fährt heim, und du in die Berge. Frau Mama hat immer recht, und Kinder sind auch was schönes. Meistens.

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Montag, 15. September 2008

Real Life 14.09.08 - Eligible

Sie werden dich aufstöbern, finden, ihre Töchter zu dir schicken, und wenn du schwach bist, werden sie dich zwingen, auch die Verantwortung zu übernehmen, wenn du so weiter machst. Die kleine Beamtin da zum Beispiel, die du vorhin becirct hast, der ihre Mutter würde dich sicher ganz toll finden.

Ich habe sie nicht becirct, ich habe nur wahrheitsgemäss beantwortet, wo ich wohne, wie alt das Haus ist, etwas von der Restaurierung erzählt und die Tarte abgeliefert, weil Frau K. nicht da war. Es war nicht meine Idee, Frau K. hat diese Tarte bestellt, und ich kann sie ja schlecht auf die Treppe stellen, bei all den Besuchermassen. Ich musste sie ansprechen.und du hast, zugegeben, etwas von 53 räumen gesagt, und dass dir bei diesem objekt irgendwie der marmor im gang fehlt, aber das hat iris nicht gehört, iris hört nie zu, wenn du mit anderen frauen redest

Ach was, ich kenn dich, du hast sicher wieder mit den 53 Räumen angegeben, dem marmor, dem Parkett, dem Stuck, und die weiss auch, was das für ein Haus ist. Das weiss hier jeder, und besonders die Angestellten der Denkmalbehörden.

Na und? Vielleicht brauche ich ja bald wieder eine schnelle Genehmigung. Oder eine Zuschuss für die Fenster. Ausserdem ist da auch noch das Hinterhaus, das gemacht werden muss. Anträge, Anträge, Anträge. Da kann es nicht schlecht sein, am Tag des offenen Denkmals mit der Sachbearbeiterin über Erfahrungen mit Restaurierung und die Vorzüge einer Tarte und ihre angemessene Darreichung einer im historischen Kontext zu sprechen, und ihr eine Führung anzubieten, nachdem sie so nett war und so viel erzählt hat.



Grossbild hier, Riesenbild hier.

Und wenn du sie abgefüttert, mit dem Wein und deinen Sprüchen besoffen gemacht hast, kannst du mit ihrer extrem voreingenommenen Mutter über den Serviervorschlag für die Hochzeitstorte reden, meine Mutter kennt die nämlich, und die hat es noch immer nicht verwunden, dass Töchterchen nicht studiert hat und im Amt keine Lust hat, sich von einem Stadtrat seehofern zu lassen, und nun zur alten Jungfer wird. Typen wie du, mein Bester, leben hier gefährlich.

Noch etwas Tee, weichst du aus, und Iris sagt ja, denn es ist kalt draussen in den Strassen und unrestaurierten Häusern, mit denen Millionäre ihre Steuerlasten drücken, zu deren Genuss sie aber schon zu alt sind, sehr zur Freude der späteren Erben, die im Zweifelsfall ja auch noch da sind, wenn es um das Arrangieren von Zweckehen geht.

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Mittwoch, 27. August 2008

Real Life 26.8.08 - Sie können das Biest nicht töten

Und, fragt ihre Mutter, als Iris aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen noch immer nicht fertig ist, weshalb in diesem Moment das Ankommen in diesem Anwesen für dich ebenso leicht wie das Verlassen eher schwierig ist, haben Sie die Katze wieder?

Du erzählst lang und breit, dass deine Mutter die Nachbarschaft ganz umsonst rebellisch gemacht hat, denn um 8 Uhr stand die Dalmatinerkatze hungrig und übernächtigt vor der Tür, ohne Kratzer und Schuldbewusstsein über die Verwicklungen, die sie mit ihrer 24 Stunden dauernden Abwesenheit angerichtet hatte.

Dann ist es ja gut, wirst du beschieden, und sie meint, dass man sich jetzt weniger Sorgen um die Tiere machen muss. Es ist nämlich so - möchtest du vielleicht noch einen roten Traubensaft? - also: Frau Z. im Eckhaus vorne hat gute Kontakte zur Polizei, und nachdem sie ein paar Mal interveniert hat, dass in dieser von Katzen, Kindern und Bestagern frequentierten Tempo-30-Zone durch das bessere Wohngebiet häufug gerast wird, kommt die Polizei jetzt auch ab und zu vorbei. Mit einem Radargerät. Und, was glaubst du, dass der Rekord war?

90? 100?

117. Einhundertsiebzehn. Ein junger Mann, aus dem nächsten Viertel.



Das ist nicht gut für ihn. Das hat er sich auf der einsamen Strasse auch anders vorgestellt, bis er das rote Licht sah. Da fährt so einer also heim, den Wind in den Haaren, gibt nochmal Gas, und dann sofort aussteigen... du erinnerst dich an früher und an den B. und dessen erstes Auto, der in irgendeiner Nacht neben dir war auf der Ringstrasse, bis 60 zog er mit und dann bremste er nicht, immer schneller, bis die Rücklichter verschwanden, und daheim wartete dann auch eine Streife mit Blitzer an der Strasse mit den vielen Kreuzen, und er fuhr wieder Fahrrad statt dem Benz von seinem Vater, oder du hast ihn abgeholt, wenn ihr nach München gefahren seid, in irgendwelche Häuser von Leuten, die gerade in Urlaub waren und deren Kinder auch ohne Internet wussten, mit wem sie sich ins Vergessen tanzen wollten. Kein Mitleid, sagst du.

Iris? ruft sie hinauf. Der Herr Porcamdonna langweilt sich bald hier unten, kommst du? Übrigens, fährt sie leise und vertraulich vor, wissen Sie was? Eigentlich sind die hinter jemand anderes her. Sie sieht sich um, als ob jemand in dem weitläufigen Grundstück versteckt sein könnte. Der V. Der mit seinen italienischen Rennwägen. Von dem weiss jeder, dass er damit rast, aber man hat ihn nie mehr erwischt seit jenem Tag vor 12 Jahren, als er damals den Unfall überlebt hat. Und nun vermutet man, dass er vielleicht eine Quelle hat, die ihm sagt, wann und wo etwas steht. Dabei ist der V., das weiss hier jeder, der Schlimmste. Aber man kann ihm nichts nachweisen.

Schuhe ticken über Tropenholz und Stein, Iris schreitet die Treppe herunter, als hätte sie alle Zeit der Welt, was gar nicht so schlecht ist für Katzen und Mütter, die indirekt etwas über diese Stadt los werden wollen, was man nicht deutlich aussprechen kann, dass es auch unter den Ungleichen immer noch welche gibt, die wohl noch ungleicher sind, und man kann das Biest nicht töten, weil es in allen Ungleichen, gewissermassen die Ungleichheit ist, die Ungleichheit, die Anliegerstrassen und freies Rasen gleichermassen zulässt, und man kann nur auf die Vorsicht der Katzen hoffen, und eine stabile Strassenrandbegrünung.

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Dienstag, 19. August 2008

Real Life irgentwaster.8.08 - Vorne, hinten, oben.

Vorne der See, die begrenzenden Berge und Hügel, darüber das grenzenlose Firmament und die Sonne; Wolken kommen erst ein paar Stunden später zum definitiven Sonnenuntergang; auch sie dünn und andeutungsweise wie eine Kurzgeschichte der Leipziger Literathurenschule, nicht störend und belanglos. Enten und Blässhuhner haben dich umzingelt, watscheln über das saftige Gras entlang der Ränder der Decken, picken im Boden und ignorieren dich weitgehend, als wären sie das Fäuleton des Delmenhortner Wochenblattes. Es ist warm, sehr warm, heiss eigentlich, und die Badehose stellt das perfekte Kleidungsstück dar. Es ist der Sommer, von dem man als Kind nie glaubt, dass er zu Ende gehen wird, mit all seinen Vergnügungen und Freuden, der Sommer im Wasser, im Spiel, im sicheren Leben.



Oder auch nicht. Sicher ist es durchaus bei so einem Papa wie der, der den Weg entlanggeht, in der üblichen Sommertracht der Besserverdienenden: Weisse Hose, gestreiftes Hemd, hellbeiger Pullover um die Schultern, weisse, vom Sand des Weges leicht staubige Schuhe, die sicher bald geputzt werden. Einer, der sicher nur das Beste will für sein Kind, dass sie mit vier bereits schreiben konnte, mit sechs englisch chattete und mit 22 fit für den globalen Markt ist, perfekt gestylt für den jeweiligen Auftritt. Jetzt ist sie vielleicht acht Jahre, schlank und blond hängt sie an seiner Hand, die orangen Flipflops sprechen für ihre Kindheit, aber das blauweissrote Dirndl, in das sie hier genötigt wurde, erzählt eine ganz andere Geschichte: Von einer Jugend als Teil einer Lebensplanung. Du kennst das, als du 10 Jahre alt warst, bedrängt Frau W. deine Mutter, dich fit zu machen für das Medizinstudium, und hätte dein Vater nicht andere Pläne mit dir gehabt, die zu leben dir auch nicht eingefallen wäre, dann wäre es alles ganz anders gekommen, und du würdest nicht hier liegen, die Sonne vor und den Edukationsabgrund hinter dir, und dich fragen, ob es eigentlich immer so sein muss.

Und ob es nicht trotzdem besser, sehr viel besser ist, als andernorts in anderen Schichten aufzuwachsen, denen man nur selten entkommt und die einen im Verharren prädestinieren, was gut, gerecht oder auch nur akzeptabel sein soll, in Systemen erzogen zu werden, die Wege verbauen und längst keine Anstrengung mehr unternehmen, das zu ändern, und damit freie Bahn lassen für die anderen, die schon oben sind und dafür Sorge tragen, dass sich an dieser Struktur auch nichts ändert. Beide Teile sind vermutlich notwendig, die Zukunft des Landes und der Fortbestand des Goldenen Zeitalters braucht besserverdienende Eliten und Deppen, die sich ungestört sozialabbauen lassen, und du würdest keinem wünschen, zum unteren Teil dieser ungleichen Rechnung mit unvermittelbarem Sozialrest zu gehören. Besser also, bei so einem Wetter ein Dirndl tragen zu müssen und nicht barfuss laufen zu dürfen, wenn Papa denkt, die Steine könnten Hornhaut auf die Füsse machen und einen zwingt, wieder die orangen Flipflops anzuziehen, die der einzige Stilbruch der besseren Idylle in der besten Lage sind, neben den Gedanken derer, die Entwicklungen sehen, aber auch keine Lösung haben. Es wird so sein, mit dem Auseinanderdriften werden die Abstossungseffekte grösser, die einen wollen nie fallen und die anderen werden wissen, dass sie es nie schaffen, und der Staat hat gelernt, das alles zu umklammern.



Über dir ist immer noch das ungerührte Blau des Himmels, der zu gross ist, als dass er sich mit diesen kleinen Fragen in diesem kleinen Land auseinandersetzen müsste, ein wenig blauer allerdings als anderswo, ein teures, exklusives Blau und dennoch ist es nicht voll am See, nicht jeder kommt hier einfach her, es ist eine Welt für sich und sowas wie die bessere Ecke der Zukuft, deren Teil deine Nachfahren zwecks Ausbleiben nicht sein werden, es geht dich nichts an, also nimmst du das Buch aus dem Korb und liest Pavese, während das Mädchen im Dirndl vielleicht schon wieder für das nächste Schuljahr büffelt, in einem hübschen Haus in dieser schönen Region am See. Irgendwann werden sich hier wieder Gletscher erstrecken und die Eisflut alles Gewesene wegräumen, in 30, 40.000 Jahren, es ist alles nicht so schlimm, der Moment zählt und vielleicht wird alles auch ganz anders.

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Donnerstag, 7. August 2008

Real Life 6.8.2008 - Die Karpfen

Vielleicht, meint Iris, kommen sie nur an die Oberfläche, weil ihnen das Wasser zu warm ist und sie die Vorstellung mögen, so nass und glitschig an der Luft kalt wie ein Fisch zu werden.



Langsam schwimmen die Karpfen weiter, nach Luft schnappend und keine Flosse zu viel bewegend. Es ist heiss hier unten, drückend heiss, und auf ihrem rückenfreien Oberteil hat sich unterhalb rechten Brust ein kleiner, feuchter Fleck gebildet, so heiss, dass du beinahe gesagt hättest, dass es zu heiss für sie ist, so wie sie transpiriert, und es eigentlich besser wäre, diese Tageszeit woanders zu verbringen. Es wäre unschicklich und vielleicht sogar unentschuldbar gewesen, aber so ist das mit der Hitze, sie macht alles platt, dumm und gedankenlos.

Später erzählt sie von Italien, ausführlich vom Ungeziefer im Bad und von denen, die auch dort waren, vom übervollen Strand und chinesisch dominierten Venedig. Von einer Bekanntschaft, die sich als zudringliches Schwein herausgestellt hat, von der letzten Woche, die mit der Umgehung dieser Person vertan wurde. Und nun versuche er, unfähig die Zeichen zu deuten, hierher zu kommen. Ohne eingeladen zu sein. Ihr vielleicht auch auf der Strasse aufzulauern. Sie nimmt keine Anrufe mit unterdrückten Nummern mehr entgegen.



Er verstehe einfach nicht den Zweck solcher Bekanntschaften, die sich bitteschön mit Urlaubsende aufzulösen hätten und nicht weiter gehen; schon gar nicht, wenn sich zeigt, dass es nicht passt, dass Ansprüche nicht erfüllt werden und es einfach nicht vorgesehen ist, dass die Frau bezahlt und anschliessend auch noch fahren muss, die Gierpfote eines Besoffenen auf dem Schenkel und drittklassige Anmachsprüche im Fahrtwind. Und dann noch die neureichen Russen, eine weitere Belästigung zu all dem, was nicht mehr so ist wie vor 20 Jahren, und das ist praktisch alles.

Ausser die Szenen, die sie macht, beginnst du, die nächste Dummheit anzudenken, denn vor 20 Jahren klang es gar nicht unähnlich, als sie ins Zimmer kam und trocken bemerkte, dass er jetzt heule und sie das nicht erträgt, du solltest sie jetzt nach Verona fahren oder sonstwohin, wo sie sich amüsieren kann. Aber Iris redet weiter und erzählt von den fremdartigen Sexgeräuschen und Schnappsleichen am Strand, und was sonst noch immer zum Niedergang des Sommerurlaubs an der Adria nach alter Sitte beiträgt.

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