Real Life 07.01.09 - der grosse Bailout der Vororte

"Diesen werden wir die Trauer hinzufügen, von der wir sagen dürfen, dass sie ausschliesslich aus der Meinung und der daraus entstandenen Enttäuschung entstanden ist"
Baruch Spinoza, Kurze Abhandlung von Gott, dem Menschen und dessen Glück


Sieh es doch einfach so, sagt Iris. Es wird so oder so kommen, die unten haben 200 Euro mehr für eine neue Glotze, und Papa kann 400 Euro mehr investieren. Ausserdem war es nicht gerade höflich von Dir, das Sozialgerede gerade jetzt auf das Tapet zu bringen, da er ohnehin schon den Eindruck hat, dass der Abstand zwischen denen und uns nicht mehr allzu gross ist. So wie die unten das Geld zum Ausgeben brauchen, braucht er es, um wieder Tritt zu fassen.



In gewisser Weise hat sie recht. Papa ist wie alle, die verloren haben: Besessen davon, die Rückschläge wieder gut zu machen. Kein neuer Motor für den seit Monaten in der Garage gammelden Sportwagen. Keine drei Wochen Skifahren, und keine neue Ausrüstung bei Bogner. Zum Glück kamen die wirklich brutalen Schläge erst im Dezember mit der Post, sonst hätte er auch dem Konzertverein gekündigt, und du müsstest ohne Iris durch das Foyer streifen. Papa ist getrieben von den Verlusten und gepeinigt von der Angst, er könnte hinter andere zurückfallen. Papa ist lächerlich viel reicher als alles, was du jemals besitzen wirst, auch nach dem ganzen Unglück bist du immer noch ein Nichts, aber der Unterschied ist: Du hast zweimal ein schmales Plus gemacht, und er ein einziges, dickes Minus. Es war keine Anerkennung, dass er sich mit Dir über seine Pläne nach Steuersenkungen unterhalten hat. Eher der Wunsch, sich Bestätigung zu holen. Was bei dir nicht so arg toll ist, der du eigentlich für massive Steuererhöhungen bist. Denn es gibt immer noch zu viel Vermögen in Deutschland, das gehortet und Verbrechern zur vorgeblichen Vermehrung gegeben wird.

Aber Papa hat das alles schon durchgerechnet, wenn sich die CSU durchsetzt. Höherer Sockelfreibeitrag: Bringt ihm 400 Euro. Ende der Progression: 20.000, 25.000, wenn es der Seehofer macht. Einparungen 40.000. Da kommt was zusammen. Und jetzt kommst du ins Spiel. Wohnimmobilien. Denkmalschutz. Berlin. Welches Viertel, wo krepieren gerade die Denkmal-AfA-Fonds. Er würde, wenn die Zinsen ordentlich gefallen sind und die Inflation droht, 2010 massiv leveragen, noch ein paar Positionen auflösen und dann gleich auf zwei Stockwerke gehen. Kudamm. Savignyplatz. Mehringdamm. Was sagst du dazu. Das müsste doch, 300 m², dann alle zwei Jahre eine Wohnung restaurieren und immer schön abschreiben; in acht Jahren ist sicher wieder Boom. Dass du auf Steinbrück setzt, passt nicht in diese Träume von der schnellen Erholung durch einen Sonderweg in das Berliner Baugestrüpp. Überhaupt, was soll das: Die nehmen euch doch alles. Das ist längst überfällig, und es haben alle was davon.

Und die oben werden noch mehr horten können. Als hätte die Krise ihren Kern nicht darin, dass irgendwo zu viel gehörtet wurde, zu viele Zinsen sollte und zu leichtfertig vergeben wurde. Versuchst du zu erklären, aber das kommt nicht an. Denn der Staat hat den kleinen Leuten schon die Ersparnisse gerettet, jetzt soll er den Reichen helfen, die Verhältnisse wieder ind Lot zu bekommen. Steuern runter, das sieht er als sein Recht an.

Du bist ja nie hier, sagt Iris. Du hättest im Dezember hier sein sollen, als er die Steuer für 2007 mit dem Berater durchgegangen ist. Da war schon klar, dass er würde nachzahlen müssen. Und dann jeden Tag die Kurse, die Briefe der Banken, und dann noch so ein Ding am grauen Kapitalmarkt, das neues Kapital brauchte. Alle wollten sein Geld, überall waren Löcher im Portfolio, jeden Tag wieder ein, zweitausend Euro einfach so weg. Schmuck, Kleider, Urlaub, alles wäre besser gewesen. Kannst du das nicht verstehen? Er hat immer nur gespart. Er hat nur viel ausgegeben, wenn es erwartet wurde, für sich bräuchte er das alles nicht. Es macht ihm nichts, jetzt noch mehr zu sparen, denn er will wieder dorthin, wo er 2007 war.

Und deshalb wählt er die CSU und jeden anderen Rattenfänger, der Steuersenkungen verspricht. Und die Leute im Piusviertel sind mit den paar Kröten vom Freibetrag zufrieden und wählen sie auch. Soll doch der Staat die Schulden machen, die sie nicht zu machen brauchen. Jedem seinen Bailout, unten 2 Zoll mehr Diagonale, oben zwei Immobilien mehr - wer soll das in Berlin eigentlich für ihn machen? Die Immobilien finden, die Organisation, das kostet doch auch einen Haufen? Hat dein Vater überhaupt Erfahrung im Altbausanieren? Bei deiner Wohnung blieb das alles an mir hängen.

...

Nein.

Er meinte, mir zuliebe, schliesslich bekomme ich die ja mal, und du kennst dich doch da oben aus, also, ich finde es ja auch nicht so toll, aber

Donnerstag, 8. Januar 2009, 00:41, von donalphons | |comment

 
yepp. so sind sie: parasitär. sorry, schmeiss den kommentar raus, wenn er zu persönlich ist: aber so eine höhere tochter hat halt ihren preis - nicht nur für papi.

... link  

 
Nein, das mag vielleicht von aussen so scheinen, aber genau diese Art ist vollkommen üblich: Man geht nach Möglichkeit erst mal in das eigene Umfeld, das einem verpflichtet ist, hört sich um, und sorgt dafür, dass das Kapital möglichst in den eigenen Kreisen zirkuliert. Dass es in den "besseren" Kreisen gerade kaum ein anderes Thema als die verluste gibt, hat seinen Grund: Die Verluste, auch wenn teilweise nur auf Papier, sind unfassbar. man darf nicht übersehen, dass das Drama an den Börsen von nur 20% der Deutschen bezahlt wurde. Gerade die Top 10%, die gar nicht anders können als das Geld in den Finanzmarkt zu stecken, sind voll betroffen. Das macht die Gier nach Steuersenkungen irgendwie nachvollziehbar.

Dazu kommt, dass mit die schlimmsten Verluste vor dem Crash aus genau solchen Ost- und AfA-Immobilien stammen. Ich würde mich bei sowas auch nie auf einen Makler oder Fondschef verlassen, sondern immer nur auf jemand, der schon mal Altbauten gemacht hat. Und wenn man jemanden in der Bekanntschaft hat, kann man ja mal reden.

Was ich konkret nicht mag, und was der eigentliche Kern ist, ist die Trickserei bei den "Steuerentlastungen". Was die CSU da plant, ist ein Krümel für die dummen armen 50% der Bevölkerung, die wenig haben und vom Steuerfreibetrag ein paar Brösel bekommen. Während oben, wo die Leute das geld ganz sicher nur horten, neue Millionenvermögen umverteilt werden, auf Kosten des Staates. Die CSU kauft mit 200 Euro die Idioten. Das ist es, was mich so ankotzt.

... link  

 
Danke für diesen Artikel.
Ich selbst bin zwar von Haus aus nicht vermögend, verdiene aber sehr gut. Trotzdem bin ich seit Jahren damit beschäftig zu erklären, dass Freibeträge, Steuersenkungen, Abschreibungsmöglichkeiten,etc echte Vorteile immer nur für Gutverdienende / Reiche haben.
Wenn Du das weißt, ich es verstanden habe, warum kapiert es der Rest der Bevölkerung nicht? Wollen sie es nicht verstehen, weil sie auf den kleinen Bonus schielen?
Wie soll man in solch einer Welt nicht zynisch werden?

... link  

 
Diese anderen 50 Prozent...
...was mag wohl werden, wenn nicht nur Ihnen beiden, sondern den 50 Prozent bewußt wird, daß immer nur Gutverdiennde/Reiche den Vorteil durch solche Maßnahmen haben? Fragen Sie sich das manchmal?

... link  


... comment
 
Ich bin ja echt froh dass mein bißchen Überschuss auch immer schnell verplant ist. Gibt's denn niemanden der mal eine gewisse Sättigungsgrenze erreicht. Also: Das ist jetzt genug Geld, jetzt ist Schluss. Also nicht Schluss mit der Eisenbahn, sondern mit den noch mehr Riskiozinserträge, noch mehr Umsatz, noch mehr Bilanz etc. Oder sind das dann solche Leut die schnell mal ein Vermögen durchbringen auf die alte Art mit Wein, Weib und Gesang?

... link  

 
Das wäre zu diskutieren.

Die einen sagen, dass so etwas die Menschen dazu bringen würde, sich dann halt lieber auf die Hängematte zu begeben.

Die anderen sagen, dass auch Lager und Gefängnisse mit ihrem gedeckelten Reichtum keinen davon abgehalten hat, es zu versuchen, nur die Preise sind dann eben anders.

Was die Sache so garstig macht, ist die Gewöhnung an den Zuwachs oben. Ich kenne jemanden, der sich nicht unter 7% p.a. zufrieden gibt, und damit natürlich anfällig für Betrüger ist. 7% ist aber das, was diese Person zum Erhalt ihres extravaganten Lebensstils mit 5 Monaten auf Reisen braucht, plus Vermögenszuwachs gegen die Inflation. Da steckt alles in Papieren, bei denen ich nicht ruhig schlafen könnte.

Es bleibt abzuwarten, wie schlimm die Krise noch wird, und welche längerfristigen Folgen noch kommen werden. Es scheint ausgeschlossen, dass es so schnell wieder Renditeziele von mehr als 15% geben wird, und ich persönlich denke, dass es in den besseren Vierteln nach einem weiteren Leidensjahr zu einer langen Stagnation kommen wird - einfach, weil die Krise an die Kapitalsubstanz dieser Leute geht. Da ist dann auch nicht mehr so viel da, was wachsen könnte.

Ganz schlimm, aber das höre ich nur aus zweiter Hand, muss es bei den Family Offices zugehen: Da sind ein paar tausend Grossneffen irgendwelcher Industrieclans unterwegs, die jedes Jahr mit ein paar hunderttausend Euro rechnen konnten. Wenn der Verwalter mit den Einnahmen nur ein klein wenig danebeninvestiert hat, sitzen die für 2008 schlagartig auf dem Trockenen. Ein gefundenes Fressen für die Anwälte, denn solche Leute können praktisch nicht auf die Einnahmen verzichten.

... link  

 
Ein tiefer Einschnitt in so manche Party-Bussi-Gesellschaft.

... link  

 
Um es mal botanisch zu sagen: Beim Dotcomcrash hat ein vorzeitiger Wintersturm die Äste geknickt. Bei diesem Permawinter werden die Wurzeln erfrieren. Und ich habe den Eindruck, dass im Moment jeder versucht, ausserhalb der Sturzradien dieser Bäume zu gelangen.

Ich tue mir da leicht, weil ich den grauen Kapitalmarkt und seine Leverages schon länger kenne. Aber viele lernen gerade erst, dass es bei den Bewertungen auch mal nach unten gehen kann, die Schulden, mit denen man seine Geschäfte vorangebracht hat, aber bleiben. Und wer jährliche Einnahmen durch ein Family Office hatte, bekam so gut wie jeden Kredit. Im konkreten Fall geht es um jemanden, der Ende 2007 mit Krediten ein Haus in Spanien gekauft hat.

... link  

 
Oh, die Lieferwaegen sind aber schnell heute.

... link  

 
ja,
das mit den lieferwagen habe ich auch gerade gedacht.

... link  

 
Da fehlte noch eine Kiste. :-/

... link  

 
kommt die kiste noch?

... link  


... comment
 
den schuh würde ich mir nicht anziehen:) vermietung ist in berlin ein äußerst schwieriges thema, und es bleibt auch schwierig, zumindest für die nächsten etwa zehn bis fünfzehn jahre. und wenn man das dann erst noch denkmalschutzgerecht sanieren muss... au weia. da bringt der papa am besten noch ca. 20-30 jahre lebenszeit mit, bevor sich das rentiert - oder du als "verantwortlicher" die nerven dafür.

... link  


... comment