Sonntag, 11. Mai 2008
Real Life 11.5.2008 - Neukonservativ
Suchen Sie etwas bestimmtes?
Nein, sagst du und erzählst die übliche Geschichte: Dass du ohnehin zu viel hast, dass es jetzt mit dem neuen Wohnsitz gerade etwas entspannter wurde, und dann gehst du das Angebot durch und verweist auf die Stücke, die genau so oder ähnlich in deinem Schrank stehen. Nicht so sauber geputzt wie hier, natürlich, denn das hier, auf dem Antikmarkt in Bad Wiessee, ist nach englischen Vorstellungen "mint condition". Solche Teekannen besitzt man nicht, wenn man nicht über Personal verfügt, oder diesselben an den ortstypischen Reichen, oder die jüngere Abart, den mitteljungen Neoconservativen bringen will. Überhaupt, sehr viele junge Leute, hier. Entsprechend ist auch das Angebot an alten Taschen für sie, in Schlange oder Krokodil aus den 60er und 70er Jahren. Optisch politisch unkorrekt, andererseits immer noch gut für das Gewissen, denn das Tier ist schon tot, und besser so, als jetzt ein neues Tier umbringen. Man kennt das. Schwarze Bedürfnisse, grüne Umsetzung. Wie auch beim Getränk. Kaffee scheint völlg aus der Mode zu sein, angesichts des Angebots in den Reihen.

Aber Namen geben sie ihren Kannen nicht, fragt die Händlerin.
Äh, nein, aber es gibt natürlich eine funktionale Trennung in Morgen-, Abend- und Nachtkannen, die zudem auch in verschiedenen Qualitäten da sind, von der angeschabten Krankheitskanne bis zum Vollsiberexemplar für besondere Gelegenheiten, erklärst du.
Nun, sagt die Verkäuferin, offensichtlich jemanden gefunden zu haben, der den passenden britschen Spleen nicht mehr erst erwerben muss, sie kenne auch Kunden, die ihren Kannen Namen geben, immer dem Alphabet nach, und danach auch durchwechseln.
Die Luft hier ist gut, die Menschen sind gesund, aber nicht zwingend am Geiste, mag mir scheinen. Hier nicht, und an anderen Orten auch nicht. Es gibt so einen Retrotrend, der sich ganz bestimmte Epochen und Gegenstände raussucht, die in klar definierten Epochen entstanden sind. Es gibt hier konservatives Biedermeier, und dessen Überhöhung in der 2., nun wirklich spiessigen Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, es gibt Strassschmuck der reaktionären 50er Jahre aus den Vereinigten Staaten, hochwertigst-schreckliche röhrende Hirsche aus Porzellan, wie zum 50. Betriebsjubiläum eines Unternehmen der Deutschland AG in den 60ern verschenkt, es finden sich schwere Gemälde und obendrein Dinge bar jeder Funktion, die zu allen Zeiten als Nippes der Hausfrau liebste Arbeitsbeschaffungsmassnahme waren. Es ist, kurz, ein wenig viel hier, es ist alles gut, exzellent, auf höchstem Niveau, ein kulturgeschichtlicher Bügeleisenhieb zur Plättung derer, die sich einzudecken haben, und deshalb gehst du wieder.
Draussen sitzen sie unter Sonnenschirmen und kurz geschnittenen Kastanien, die restaurierten Ausflugsboote ziehen über das türkisfarbene Wasser, und vom Niedergang der Familie ist angesichts der Muttertagereien auch nichts zu bemerken. Vielleicht waren die späten 60er bis 80er auch nur eine Zeitschleife für wenige, während der Rest sich mit ein paar angenehmen Neuerungen arrangiert hat, und unter der Oberfläche immer noch Heintje kaufen würde, nur eben als Klingeton.

Und als du dann Richtung Gmund fährst, bist du dir gar nicht mehr so sicher, ob der Wackeldackel da vorne im Oldtimerbus Stilecht, ironisch oder ernst gemeint ist. Todernst für alles andersartige, was du zu sein präferierst. Kommen in Berlin, niedriger im Standard natürlich, bald wieder Käseigel in Mode, und dazu ein Magenbitter?
Nein, sagst du und erzählst die übliche Geschichte: Dass du ohnehin zu viel hast, dass es jetzt mit dem neuen Wohnsitz gerade etwas entspannter wurde, und dann gehst du das Angebot durch und verweist auf die Stücke, die genau so oder ähnlich in deinem Schrank stehen. Nicht so sauber geputzt wie hier, natürlich, denn das hier, auf dem Antikmarkt in Bad Wiessee, ist nach englischen Vorstellungen "mint condition". Solche Teekannen besitzt man nicht, wenn man nicht über Personal verfügt, oder diesselben an den ortstypischen Reichen, oder die jüngere Abart, den mitteljungen Neoconservativen bringen will. Überhaupt, sehr viele junge Leute, hier. Entsprechend ist auch das Angebot an alten Taschen für sie, in Schlange oder Krokodil aus den 60er und 70er Jahren. Optisch politisch unkorrekt, andererseits immer noch gut für das Gewissen, denn das Tier ist schon tot, und besser so, als jetzt ein neues Tier umbringen. Man kennt das. Schwarze Bedürfnisse, grüne Umsetzung. Wie auch beim Getränk. Kaffee scheint völlg aus der Mode zu sein, angesichts des Angebots in den Reihen.

Aber Namen geben sie ihren Kannen nicht, fragt die Händlerin.
Äh, nein, aber es gibt natürlich eine funktionale Trennung in Morgen-, Abend- und Nachtkannen, die zudem auch in verschiedenen Qualitäten da sind, von der angeschabten Krankheitskanne bis zum Vollsiberexemplar für besondere Gelegenheiten, erklärst du.
Nun, sagt die Verkäuferin, offensichtlich jemanden gefunden zu haben, der den passenden britschen Spleen nicht mehr erst erwerben muss, sie kenne auch Kunden, die ihren Kannen Namen geben, immer dem Alphabet nach, und danach auch durchwechseln.
Die Luft hier ist gut, die Menschen sind gesund, aber nicht zwingend am Geiste, mag mir scheinen. Hier nicht, und an anderen Orten auch nicht. Es gibt so einen Retrotrend, der sich ganz bestimmte Epochen und Gegenstände raussucht, die in klar definierten Epochen entstanden sind. Es gibt hier konservatives Biedermeier, und dessen Überhöhung in der 2., nun wirklich spiessigen Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, es gibt Strassschmuck der reaktionären 50er Jahre aus den Vereinigten Staaten, hochwertigst-schreckliche röhrende Hirsche aus Porzellan, wie zum 50. Betriebsjubiläum eines Unternehmen der Deutschland AG in den 60ern verschenkt, es finden sich schwere Gemälde und obendrein Dinge bar jeder Funktion, die zu allen Zeiten als Nippes der Hausfrau liebste Arbeitsbeschaffungsmassnahme waren. Es ist, kurz, ein wenig viel hier, es ist alles gut, exzellent, auf höchstem Niveau, ein kulturgeschichtlicher Bügeleisenhieb zur Plättung derer, die sich einzudecken haben, und deshalb gehst du wieder.
Draussen sitzen sie unter Sonnenschirmen und kurz geschnittenen Kastanien, die restaurierten Ausflugsboote ziehen über das türkisfarbene Wasser, und vom Niedergang der Familie ist angesichts der Muttertagereien auch nichts zu bemerken. Vielleicht waren die späten 60er bis 80er auch nur eine Zeitschleife für wenige, während der Rest sich mit ein paar angenehmen Neuerungen arrangiert hat, und unter der Oberfläche immer noch Heintje kaufen würde, nur eben als Klingeton.

Und als du dann Richtung Gmund fährst, bist du dir gar nicht mehr so sicher, ob der Wackeldackel da vorne im Oldtimerbus Stilecht, ironisch oder ernst gemeint ist. Todernst für alles andersartige, was du zu sein präferierst. Kommen in Berlin, niedriger im Standard natürlich, bald wieder Käseigel in Mode, und dazu ein Magenbitter?
donalphons, 22:25h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Samstag, 10. Mai 2008
Real Life 8.5.2008: Brettabordä
Und? meint Iris und räkelt sich zufrieden auf dem beifahrersitz. Zufrieden? Hinter ihr knarzen zu viele Papiertüten an ihrer schweren Füllung, und vorne müht sich der Motor eines Autos ab, das nicht wirklich dazu passt.
Ich mein, spricht sie weiter, als unhöflicherweise keine Antwort kommt, ich finde es wirklich gut. Wenn es am See kühler wird, am Abend, zum Beispiel. Als wir letztens dort waren, war es drei Grad kälter als in der Provinz. Tagsüber legst du sie über die Schulter, am Abend ziehst du sie an, und es ist schick, ohne aufgedonnert zu sein. Man wird denken, dass du ein Segelboot hast, und dann wirst du ein passendes Boot kaufen, ich komme vorbei, und dann fährst du mich auf den See, und alles ist prima. Ich finde, du brauchst unbedingt ein Segelboot. Sagt sie, und kichert, weiss sie doch, dass du Segelboote nicht zwingend aufregend und spannend findest, und Surfboards bevorzugst, auf denen nicht mal einer allein stehen kann.
Das, liebe Iris, war ein Zweckkauf. Ich brauche was zum Anziehen, und Hemden allein sind auf Passstrassen etwas zu wenig. Ich brauche was mit hohen Krägen für die endlosen Kilometer zwischen Verona und Modena in der Nacht, und am Gardasee kann es am Abend empfindlich kalt, ganz einfach kalt, arschkalt sein. Die ganze Bardot-Hausschneider-Geschichte, die Nizza-Connection, die mehr-als-Lacoste-Denke, das alles ist mir offen gesagt egal. Krawatten hätte ich nicht gebraucht, aber nachdem du darauf bestehst, auch Krawatten. Aber kein Segelboot, kein Monte Carlo, und das hier ist auch nicht Paris, oder ein Flagship Store, das ist nur die übliche Provinz und ein Witz der Globalisierung.

Und weil diesmal Iris nicht antwortet und du leichte Sorgen hast, dass es zu unhöflich ausgedrückt war, redest du weiter: Du kennst doch Frau W.? Herr W. hat ihr in den 70er Jahren das Zeug von seinen Reisen mitgebracht. Ihr Sohn P. bekam diese Nippesflugzeuge mit den Namen der Fluglinien drauf, und Frau W., die von sich dachte, dass sie aussieht wie Bardot, bekam diese Kleider. Die dann umgearbeitet werden mussten, um zu passen. Das war jedesmal ein enormer logistischer Aufwand, Herr W. musste manchmal die Flüge umbuchen, um in Paris Zwischenaufenthalte zu haben. Legenden kommen noch aus einer Zeit, in der nicht jeder immer alles haben konnte. Legenden entstehen nicht, wenn alles immer sofort verfügbar ist. Legenden sterben, wenn sie zu reduplizieren sind. Das war mal was, vor Jahrzehnten. Inzwischen ist er tot und seine Firma aufgekauft worden, und irgendeine Entscheidung eines Münchner Konzerns sorgt dafür, dass hier Leute sind, die Zugänge zu dem vermitteln, was heute hier hergestellt wird. Paris? Die Legende. Das hier?
Draussen gleitet die Bebauung der 50er Jahre vorbei, nicht gerade das beste Viertel der Provinz.
Das hier ist Globalisierung. Es ist verfügbar. Ich kann in zehn Minuten hinfahren und kaufen. Weil es gut ist, weil es einfacher ist, als nach München zu fahren, weil es sich durchaus lohnt. Es scheint vielleicht Luxus zu sein bei denen, die noch nicht wissen, wie die Globalisierung den Luxus umbringt, aber der Name, den sie reinsticken, könnte beliebig sein. Da steht kein Genuis mehr dahinter, nur noch die brüchige Legende und die Einbildung, selbst wenn es zum sonstigen Wesen passen würde, das auch nur aus brüchigen Legenden besteht. Es ist rational, so etwas zu fertigen, wie es rational ist, so etwas hier zu kaufen, den Rest erfinden wir uns dazu, weil wir es natürlich nicht so haben möchten. Wir würden es natürlich bevorzugen, wenn dergleichen mitgebracht wird, in Flugzeugen, derer sich nur die wenigsten bedienen und die frei sind von Pauschaltouristen, aus Städten, die man nicht für 19 Euro ansteuern kann und von Stoffkünstlern, die wirklich noch mitwirken an der Herstellung. Die Illusion, dass es immer noch so sein könnte, schafft die irrwitzigen Preise auf den Bapperln, und der Umstand, dass es nicht mehr so ist, lässt Susi mit Leuten essen, die es ermöglichen, dass du Möglichkeiten kennst, die illusorischen Preise zerstäuben zu lassen, als wären sie die Legende. Ich, meine Liebe, ich würde doch nie nach solchen Marken gehen. Ich...
Du, mein Bester, mischt sich Iris nun doch ein, bist doch derjenige, der sich mal für 400 Mark mal ein Byblos-Hemd gekauft hat, mit Spitzen am Kragen, und einen lindgrünen Gaultieranzug, und da war doch auch mal so ein schwarzer Yamamoto-Frack, oder?
Nein, sagst du empört.
Ich weiss es aber noch ganz genau, betont Iris.
der frack war nicht schwarz, sondern schwarz mit weissen Kreidestreifen, gibst du klein bei und beginnst, über das wetter zu reden, das ausnehmend schön ist
Ich mein, spricht sie weiter, als unhöflicherweise keine Antwort kommt, ich finde es wirklich gut. Wenn es am See kühler wird, am Abend, zum Beispiel. Als wir letztens dort waren, war es drei Grad kälter als in der Provinz. Tagsüber legst du sie über die Schulter, am Abend ziehst du sie an, und es ist schick, ohne aufgedonnert zu sein. Man wird denken, dass du ein Segelboot hast, und dann wirst du ein passendes Boot kaufen, ich komme vorbei, und dann fährst du mich auf den See, und alles ist prima. Ich finde, du brauchst unbedingt ein Segelboot. Sagt sie, und kichert, weiss sie doch, dass du Segelboote nicht zwingend aufregend und spannend findest, und Surfboards bevorzugst, auf denen nicht mal einer allein stehen kann.
Das, liebe Iris, war ein Zweckkauf. Ich brauche was zum Anziehen, und Hemden allein sind auf Passstrassen etwas zu wenig. Ich brauche was mit hohen Krägen für die endlosen Kilometer zwischen Verona und Modena in der Nacht, und am Gardasee kann es am Abend empfindlich kalt, ganz einfach kalt, arschkalt sein. Die ganze Bardot-Hausschneider-Geschichte, die Nizza-Connection, die mehr-als-Lacoste-Denke, das alles ist mir offen gesagt egal. Krawatten hätte ich nicht gebraucht, aber nachdem du darauf bestehst, auch Krawatten. Aber kein Segelboot, kein Monte Carlo, und das hier ist auch nicht Paris, oder ein Flagship Store, das ist nur die übliche Provinz und ein Witz der Globalisierung.

Und weil diesmal Iris nicht antwortet und du leichte Sorgen hast, dass es zu unhöflich ausgedrückt war, redest du weiter: Du kennst doch Frau W.? Herr W. hat ihr in den 70er Jahren das Zeug von seinen Reisen mitgebracht. Ihr Sohn P. bekam diese Nippesflugzeuge mit den Namen der Fluglinien drauf, und Frau W., die von sich dachte, dass sie aussieht wie Bardot, bekam diese Kleider. Die dann umgearbeitet werden mussten, um zu passen. Das war jedesmal ein enormer logistischer Aufwand, Herr W. musste manchmal die Flüge umbuchen, um in Paris Zwischenaufenthalte zu haben. Legenden kommen noch aus einer Zeit, in der nicht jeder immer alles haben konnte. Legenden entstehen nicht, wenn alles immer sofort verfügbar ist. Legenden sterben, wenn sie zu reduplizieren sind. Das war mal was, vor Jahrzehnten. Inzwischen ist er tot und seine Firma aufgekauft worden, und irgendeine Entscheidung eines Münchner Konzerns sorgt dafür, dass hier Leute sind, die Zugänge zu dem vermitteln, was heute hier hergestellt wird. Paris? Die Legende. Das hier?
Draussen gleitet die Bebauung der 50er Jahre vorbei, nicht gerade das beste Viertel der Provinz.
Das hier ist Globalisierung. Es ist verfügbar. Ich kann in zehn Minuten hinfahren und kaufen. Weil es gut ist, weil es einfacher ist, als nach München zu fahren, weil es sich durchaus lohnt. Es scheint vielleicht Luxus zu sein bei denen, die noch nicht wissen, wie die Globalisierung den Luxus umbringt, aber der Name, den sie reinsticken, könnte beliebig sein. Da steht kein Genuis mehr dahinter, nur noch die brüchige Legende und die Einbildung, selbst wenn es zum sonstigen Wesen passen würde, das auch nur aus brüchigen Legenden besteht. Es ist rational, so etwas zu fertigen, wie es rational ist, so etwas hier zu kaufen, den Rest erfinden wir uns dazu, weil wir es natürlich nicht so haben möchten. Wir würden es natürlich bevorzugen, wenn dergleichen mitgebracht wird, in Flugzeugen, derer sich nur die wenigsten bedienen und die frei sind von Pauschaltouristen, aus Städten, die man nicht für 19 Euro ansteuern kann und von Stoffkünstlern, die wirklich noch mitwirken an der Herstellung. Die Illusion, dass es immer noch so sein könnte, schafft die irrwitzigen Preise auf den Bapperln, und der Umstand, dass es nicht mehr so ist, lässt Susi mit Leuten essen, die es ermöglichen, dass du Möglichkeiten kennst, die illusorischen Preise zerstäuben zu lassen, als wären sie die Legende. Ich, meine Liebe, ich würde doch nie nach solchen Marken gehen. Ich...
Du, mein Bester, mischt sich Iris nun doch ein, bist doch derjenige, der sich mal für 400 Mark mal ein Byblos-Hemd gekauft hat, mit Spitzen am Kragen, und einen lindgrünen Gaultieranzug, und da war doch auch mal so ein schwarzer Yamamoto-Frack, oder?
Nein, sagst du empört.
Ich weiss es aber noch ganz genau, betont Iris.
der frack war nicht schwarz, sondern schwarz mit weissen Kreidestreifen, gibst du klein bei und beginnst, über das wetter zu reden, das ausnehmend schön ist
donalphons, 01:36h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 2. Mai 2008
Real Life 1.1.2008 - Besser als jede Vorabendserie
Du gehst gern zu dem Konditor im Ort, wenn Hochbetrieb ist. Bei Hochbetrieb, sagen wir mal, so gegen halb vier an den Sonn- und Feiertagen, kann man immer fünf Minuten spannende sozioethnologische Beobachtungen machen. Armutsforscher gehen in Obdachlosenasyle, Reichtumsforscher, die es in einer vergleichbaren Form nicht gibt, sollten das hier besuchen: Eine etwas teurere Konditorei mit schweren, wirklich schweren Torten an der Strasse zwischen einem Casino und drei Millonärsvierteln, an einem Feiertag um halb vier.

Neben den üblichen Rentnerinnen in Gucci und Chanel, die sofort den Wunsch nach selektiver, gegenläufiger Rentenanpassung in unterschiedlichen sozialen Schichten aufkommen lassen, drücken an solchen Tagen die Nachfolger rein. Besonders herzig in diesem Kontext zwei Clans, zwischen denen eingepfercht du auf deine Torte wartest.
Da ist also die städtische Kleinfamilie, Eltern etwa in meinem Alter mit einem Sohn im niedrigen Grundschulalter. Papa in Schwarz mit dunkelgrauem Lodenjanker, Mama in Schwarz mit diesen beschnallten Stiefeln, die sowas wie Durchsetzungskraft ausdrücken sollen und immer arg bemüht wirken, beide den Eindruck erweckend, man habe gleich in der Villa einen grossen Empfang zu geben, und bräuchte neun Stück Kuchen. Es ist voll, es ist eng, von hinten schiebt die zweite Familie heran, und so wäre es angeraten, die Extremitäten dem Umfeld entsprechend zu kontrollieren. Nicht aber bei Mama. Obwohl auf der Sachertorte fett "Sacher" draufsteht, wippt sie dynamisch in die Knie, lässt die Hand dynamisch in Richtung Torte sausen, ungeachtet des Umstandes, dass du genau dorthin gedrückt wirst, und weil die Torte weiter unten ist, kommt es zu einer Kollision von Hand und einer deiner Körperregionen, das dir, würde dir es bei einer Frau passieren, so peinlich wäre, dass du dich sofort im See ertränkest. Zumindest würdest du daran denken, und dich danach, dunkelrot vor Scham wie eine Himbeertorte, entschuldigen. Sie jedoch nutzt dein instinktives Zurückweichen, um mit dem manikürten, geisterweissen Fingernagel auf das Glas vor der Torte zu tippen. Du findest konservative Leute erträglich, wenn sie sich konservativ benehmen, aber diese Vermischung, Kassieren wie ein Ausbeuter und privates Benehmen wie im antiautoritären Kindergarten, macht dich fertig. Denkst du.
Und drehst den Kopf zur Seite, denn du hast genug gesehen, und wirst jetzt bedient. Du musst nicht deuten, du kennst hier die Torten,du kenne sie alle, leicht und effektiv erbittest du das Gewünschte, einen Kontrast zu setzen gegen Herr und Frau Neokonservativ, da erblickst du den Block, der dich gegen sie drängte: Noch eine Familie, diesmal eindeutig altkonservativ, so, wie man das fette Balg in eine ladenneue Bauerndeppenuniform gezwängt hat: Ladenneue Lederhose mit Hirschhornlametta, Dorfseppelhut, Haferlschuh, Wadlsocken und ein kariertes Hemd. Von Ralph Lauren.
Dergestalt angetan, unternimmt das Balg seine erste Klettertour an den Metallstangen von der Tortenvitrine. Es werden wohl die einzigen bezwungenen Berge sein, eine Ernährung, die das Breitenwachstum im Auge hatte, dürfte selbst die Besteigung des Gasteigs oder des Osterberges bei Gmund unmöglich machen. Seine mutmasslichen Eltern sind möglicherweise gerade aus dem Musikantenstadl ausgebrochen, Kirschbombe und Tegernseetorte werden farblich gebleicht durch die Farbenexplosion von Dirndl und seiner zwischen dem Janker hervorberstenden Weste. Und sie unterhalten sich auf bestem Mitteldeutsch mit hessischem Einschlag über ihre Auswahl. Der Farbschock lässt nach, du erkennst eine üppige Moschinotasche in Glanzleder an der Seite des Dirndls, und der Mann spielt mit seinem Porscheschlüsselanhänger. Draussen steht das passende SUV. Hanauer Kennzeichen, wie du beim Verlassen des Cafes sehe. Konservativ bis in die Knochen ist auch Scheisse.
Sie wiederum werden sich gedacht haben: Äh. Noch so ein Berufssohn, mit seinem mittelbayerischen Tonfall und dem Smalltalk mit der Bedienung, die jetzt zum gefühlt zwanzigsten Mal in der Öffentlichkeit lautstark betont, wie günstig doch diese Wohnung war und wie schön es da ist, wo du wohnst, nicht wissend natürlich, wie dich derzeit die Grunderwerbssteuer schmerzt.
A saubere Bagasch, die da drin war, sagt man dazu in Bayern. Man erfährt hierzulande sehr viel über die tatsächliche Armut, und sehr viel über eine hinkonstruierte Oberschicht und ihren telegen gestalteten Reichtum. Es gibt eine Realität hinter Bunte, Gala, Managermagazin und RTL2-Dokus, sie verschliesst sich, weil sie doch nicht so schön ist, aber ab und zu muss sie raus, und sich was zum Essen beschaffen. Um halb vier, an der Strasse zwischen drei Millionärsvierteln und einem Casino, da kann man sie beobachten, in freier Wildbahn, an der Futterstelle. Danach weiss man mehr über dieses Land, das unseres ist, wenn wir oben stehen.

Neben den üblichen Rentnerinnen in Gucci und Chanel, die sofort den Wunsch nach selektiver, gegenläufiger Rentenanpassung in unterschiedlichen sozialen Schichten aufkommen lassen, drücken an solchen Tagen die Nachfolger rein. Besonders herzig in diesem Kontext zwei Clans, zwischen denen eingepfercht du auf deine Torte wartest.
Da ist also die städtische Kleinfamilie, Eltern etwa in meinem Alter mit einem Sohn im niedrigen Grundschulalter. Papa in Schwarz mit dunkelgrauem Lodenjanker, Mama in Schwarz mit diesen beschnallten Stiefeln, die sowas wie Durchsetzungskraft ausdrücken sollen und immer arg bemüht wirken, beide den Eindruck erweckend, man habe gleich in der Villa einen grossen Empfang zu geben, und bräuchte neun Stück Kuchen. Es ist voll, es ist eng, von hinten schiebt die zweite Familie heran, und so wäre es angeraten, die Extremitäten dem Umfeld entsprechend zu kontrollieren. Nicht aber bei Mama. Obwohl auf der Sachertorte fett "Sacher" draufsteht, wippt sie dynamisch in die Knie, lässt die Hand dynamisch in Richtung Torte sausen, ungeachtet des Umstandes, dass du genau dorthin gedrückt wirst, und weil die Torte weiter unten ist, kommt es zu einer Kollision von Hand und einer deiner Körperregionen, das dir, würde dir es bei einer Frau passieren, so peinlich wäre, dass du dich sofort im See ertränkest. Zumindest würdest du daran denken, und dich danach, dunkelrot vor Scham wie eine Himbeertorte, entschuldigen. Sie jedoch nutzt dein instinktives Zurückweichen, um mit dem manikürten, geisterweissen Fingernagel auf das Glas vor der Torte zu tippen. Du findest konservative Leute erträglich, wenn sie sich konservativ benehmen, aber diese Vermischung, Kassieren wie ein Ausbeuter und privates Benehmen wie im antiautoritären Kindergarten, macht dich fertig. Denkst du.
Und drehst den Kopf zur Seite, denn du hast genug gesehen, und wirst jetzt bedient. Du musst nicht deuten, du kennst hier die Torten,du kenne sie alle, leicht und effektiv erbittest du das Gewünschte, einen Kontrast zu setzen gegen Herr und Frau Neokonservativ, da erblickst du den Block, der dich gegen sie drängte: Noch eine Familie, diesmal eindeutig altkonservativ, so, wie man das fette Balg in eine ladenneue Bauerndeppenuniform gezwängt hat: Ladenneue Lederhose mit Hirschhornlametta, Dorfseppelhut, Haferlschuh, Wadlsocken und ein kariertes Hemd. Von Ralph Lauren.
Dergestalt angetan, unternimmt das Balg seine erste Klettertour an den Metallstangen von der Tortenvitrine. Es werden wohl die einzigen bezwungenen Berge sein, eine Ernährung, die das Breitenwachstum im Auge hatte, dürfte selbst die Besteigung des Gasteigs oder des Osterberges bei Gmund unmöglich machen. Seine mutmasslichen Eltern sind möglicherweise gerade aus dem Musikantenstadl ausgebrochen, Kirschbombe und Tegernseetorte werden farblich gebleicht durch die Farbenexplosion von Dirndl und seiner zwischen dem Janker hervorberstenden Weste. Und sie unterhalten sich auf bestem Mitteldeutsch mit hessischem Einschlag über ihre Auswahl. Der Farbschock lässt nach, du erkennst eine üppige Moschinotasche in Glanzleder an der Seite des Dirndls, und der Mann spielt mit seinem Porscheschlüsselanhänger. Draussen steht das passende SUV. Hanauer Kennzeichen, wie du beim Verlassen des Cafes sehe. Konservativ bis in die Knochen ist auch Scheisse.
Sie wiederum werden sich gedacht haben: Äh. Noch so ein Berufssohn, mit seinem mittelbayerischen Tonfall und dem Smalltalk mit der Bedienung, die jetzt zum gefühlt zwanzigsten Mal in der Öffentlichkeit lautstark betont, wie günstig doch diese Wohnung war und wie schön es da ist, wo du wohnst, nicht wissend natürlich, wie dich derzeit die Grunderwerbssteuer schmerzt.
A saubere Bagasch, die da drin war, sagt man dazu in Bayern. Man erfährt hierzulande sehr viel über die tatsächliche Armut, und sehr viel über eine hinkonstruierte Oberschicht und ihren telegen gestalteten Reichtum. Es gibt eine Realität hinter Bunte, Gala, Managermagazin und RTL2-Dokus, sie verschliesst sich, weil sie doch nicht so schön ist, aber ab und zu muss sie raus, und sich was zum Essen beschaffen. Um halb vier, an der Strasse zwischen drei Millionärsvierteln und einem Casino, da kann man sie beobachten, in freier Wildbahn, an der Futterstelle. Danach weiss man mehr über dieses Land, das unseres ist, wenn wir oben stehen.
donalphons, 13:36h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 14. April 2008
Real Life 13.4.2008 - Plexiglas
Gleich hinter der Abzweigung zum Achensee stehen ein paar Biker am Strassenrand, ein Auto mit Warnblinkanlage, ein Warnschild und, malerisch zwischen Asphalt und Gras verteilt, ein paar lose Kleinteile eines motorisierten Zweirades, dessen letzte Saison gerade begonnen und zugleich geendet hat, wie die verbeulte Masse belegt, neben der - offensichtlich unverletzt - der Fahrer auf die Polizei wartet. Es ist gar nicht so leicht in dieser Ecke zu entscheiden, ob es noch in Deutschland oder schon in Tirol passiert ist, was - als Unglück im Unglück - natürlich erheblich unerfreulicher wäre.

So etwas passiert. Besonders dann, wenn ungeduldige Fahrer erst mal lange im Stau stecken. Das passiert hier oft, auf dem Weg hoch zum Sylvenstein etwa schlich auf der Gegenfahrbahn durch den Ort Tegernsee eine schier endlose Schlange von Automobilen, deren Besitzern die Ungeduld ins Gesicht geschrieben war. Weil es so langsam, monoton und langweilig voranging. Und natürlich keiner weiss, warum es nicht weiter geht, warum Lambo, Z8 und die halbe Jahresproduktion von Porsche hier verdammt sind, ein paar hundert PS sinnlos durch die schmale Hauptstrasse zu schieben. Nach ein par hundert Metern hat man auch keine Lust mehr, den Motor aufheulen zu lassen. Was bleibt, ist die ungewohnte Ohnmacht von Entscheidern, nicht über ihr Fortkommen entscheiden zu können. Man sieht es ihnen an.
Es ist vielleicht ganz gut, dass sie nicht wissen, warum sie so kriechen. Es könnte ja sein, dass einer in seinem offenen Wagen deshalb lautstark den inneren Bohlen rauslässt und blöde Bemerkungen macht, die mich als Betrachter zwingen könnten, ihm jeglichen Respekt als Mitmensch zu verweigern. Und da gäbe es ganz sicher den ein oder anderen, denn die Ursache ist nicht nur menschlich - sie ist gegenüber den Leuten in ihren polierten, teuren Geschossen eine unangenehmer Hinweis.
Ein Mann. Ein Mann in bayerischer Tracht nämlich, mit Hut und Feder und Janker, und einer Decke an der Stelle, wo vielleicht Lederhose und Haferlschuhe sein könnten. Er kann nicht laufen, denn er führt nicht mal Krücken mit sich. Aber er hat diesen kleinen, gelben Elektrowagen, um sich herum weissgrün gestreifte Kissen, und nach hinten und vorne grob zugeschnittene Plexiglasscheiben. So, in Augen mancher vielleicht unangemessen, zockelt er mit 10 Kilometern pro Stunde über die Hauptstrasse von Tegernsee Richtung Gmund, und alle müssen sich seinem Tempo anpassen. Er weiss es. Und weil er es weiss, hält er in den Kurven auch ab und zu an, um Fussgänger passieren zu lassen, die der ein oder andere Verfolger in seinem Zorn über das Tempo am liebsten umnieten würde, einfach so.

Das Wetter ist inzwischen angenehm, du schaust nicht ohne ein Lächeln dem Mann mit seinem absurden Hütchen zwischen Plexiglas nach, der langen Reihe ungeduldiger Menschen hinter ihm, seiner Prozession der Entschleunigung, und weisst, wie sie nachher vorbeiziehen werden, und ihren Hass verschlucken, sie werden lieber darauf verzichten, als zu genau zu überlegen, was da unter der Decke ist, die der gleicht, die ihnen vielleicht auch bald droht, hinter dieser Kurve, einer anderen, einer Gelenkerkrankung und obendrein der nicht gerade lustigen Preisentwicklung im Gesundheitswesen.

So etwas passiert. Besonders dann, wenn ungeduldige Fahrer erst mal lange im Stau stecken. Das passiert hier oft, auf dem Weg hoch zum Sylvenstein etwa schlich auf der Gegenfahrbahn durch den Ort Tegernsee eine schier endlose Schlange von Automobilen, deren Besitzern die Ungeduld ins Gesicht geschrieben war. Weil es so langsam, monoton und langweilig voranging. Und natürlich keiner weiss, warum es nicht weiter geht, warum Lambo, Z8 und die halbe Jahresproduktion von Porsche hier verdammt sind, ein paar hundert PS sinnlos durch die schmale Hauptstrasse zu schieben. Nach ein par hundert Metern hat man auch keine Lust mehr, den Motor aufheulen zu lassen. Was bleibt, ist die ungewohnte Ohnmacht von Entscheidern, nicht über ihr Fortkommen entscheiden zu können. Man sieht es ihnen an.
Es ist vielleicht ganz gut, dass sie nicht wissen, warum sie so kriechen. Es könnte ja sein, dass einer in seinem offenen Wagen deshalb lautstark den inneren Bohlen rauslässt und blöde Bemerkungen macht, die mich als Betrachter zwingen könnten, ihm jeglichen Respekt als Mitmensch zu verweigern. Und da gäbe es ganz sicher den ein oder anderen, denn die Ursache ist nicht nur menschlich - sie ist gegenüber den Leuten in ihren polierten, teuren Geschossen eine unangenehmer Hinweis.
Ein Mann. Ein Mann in bayerischer Tracht nämlich, mit Hut und Feder und Janker, und einer Decke an der Stelle, wo vielleicht Lederhose und Haferlschuhe sein könnten. Er kann nicht laufen, denn er führt nicht mal Krücken mit sich. Aber er hat diesen kleinen, gelben Elektrowagen, um sich herum weissgrün gestreifte Kissen, und nach hinten und vorne grob zugeschnittene Plexiglasscheiben. So, in Augen mancher vielleicht unangemessen, zockelt er mit 10 Kilometern pro Stunde über die Hauptstrasse von Tegernsee Richtung Gmund, und alle müssen sich seinem Tempo anpassen. Er weiss es. Und weil er es weiss, hält er in den Kurven auch ab und zu an, um Fussgänger passieren zu lassen, die der ein oder andere Verfolger in seinem Zorn über das Tempo am liebsten umnieten würde, einfach so.

Das Wetter ist inzwischen angenehm, du schaust nicht ohne ein Lächeln dem Mann mit seinem absurden Hütchen zwischen Plexiglas nach, der langen Reihe ungeduldiger Menschen hinter ihm, seiner Prozession der Entschleunigung, und weisst, wie sie nachher vorbeiziehen werden, und ihren Hass verschlucken, sie werden lieber darauf verzichten, als zu genau zu überlegen, was da unter der Decke ist, die der gleicht, die ihnen vielleicht auch bald droht, hinter dieser Kurve, einer anderen, einer Gelenkerkrankung und obendrein der nicht gerade lustigen Preisentwicklung im Gesundheitswesen.
donalphons, 01:28h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 11. April 2008
Real Life 10.4.2008 - Eine kompakte, schwarze Masse
Nachmittags, ungefähr zu der Zeit, da jenseits der Berliner Prekariatisten so ziemlich jeder Mensch, der Arbeit hat, dieser auch nachgeht, treffen sich die anderen in einer Konditorei in Gmund, und geben einen Vorgeschmack auf weitere Möglichkeiten, die soziale Schere zu öffnen.
Am Eingang sind ein paar sehr wohlerzogene Hunde angebunden und warten auf die leckerlibestückten Besitzer. An der Theke steht eine Frau, für die jede Elle-Diät umsonst Kiwis und Mangos mordet, und spielt beim Auswählen mit ihrer giftgrünen Pornobrille. Für ihren indischen Shawl hat vermutlich den Förderpreis für bengalische Kinderarbeit bekommen, und die in ihrer Sportlichkeit nicht ganz passenden Walkingschuhe verdanken ihre Entstehung vermutlich auch chinesischen Leuteschindern. Ein Wunder, dass sie die Damen hinter der Theke so liebenswürdig von einer Torte zur nächsten scheucht. Präventiv hat sie schon eine ebenfalls giftgrüne Brieftasche aus Lackleder in der Hand, und einen Schlüsselbund, an dem etwas unpassend ein kleines, gelbes Quietscheentchen hängt.
Während du noch überlegst, was du willst - leider ist mal wieder vieles, allzu vieles alkoholbedingt geeignet, Erbtanten reif für ein Treffen mit den hiesigen, fussballergatinnengeprüften Entziehungspfuscher zu machen - geht die Tür auf, und ein ziemlich altes Paar kommt herein. Sie hat das leidige Problem recht gut im Griff, Schaftstiefel wie aus "Gerti, die blonde SS-Bestie", und irgendwie hat es ein sicher nicht billiger Figaro geschafft, das Blond mit Strähnchen halbwegs echt aussehen zu lassen. Solang man das Gesicht nicht zu genau anschaut. Dann könnte man auch fast den Eindruck haben, dass sie erheblich jünger als ihr Mann ist.
Bei dem stimmt, statisch betrachtet, auch so einiges. Der Anzug, die Manschettenknöpfe, die Schuhe, ein Mann von Welt. Einer Welt, die vermutlich sehr klein geworden ist, so wie er seiner Frau hinterhertippelt. Eine gefühlte Ewigkeit nach ihr kommt er an der Theke an, von der Anstrenung fast so grau wie sein Anzug, bis auf die vielen Altersflecke, die er nicht wie seine Frau unter Kontrolle hat bringen lassen, weist mit zitternder Hand auf etwas und nuschelt "Frngfudr". "Ist das ein Frankfurter Kranz?", bescheidet seine Frau die Bedienung, und du wunderst dich fast, dass hier keine Peitsche im Spiel ist, oder jemand die Hacken zusammenschlägt. Sie nimmt, zahlt und knallt mit den Schuhen über die Fliessen, und der Mann kreucht ihr hinterher. Sie ist schon am Auto, einem 7er BMW, als du ihm die schwere Tür aufhältst. "Dnge", nuschelt er nach etwas Nachdenken, diese Sekunde, bis das Gehirn wieder die Koordination aus Bewegung, Erkenntnis und Reaktion zusammen hat , und schleppt sich weiter, die Blicke auf den Boden gerichtet und mit erkennbarer Anstrengung, diese kleine Welt, die ihm verblieben ist, zu überstehen, das ist die Hauptsache, von der traumhaft schöne Gegend hat er nichts mehr.

Du kaufst ein, und als du auf den Platz vor der Konditorei trittst, kommt eine kompakte, schwarze Masse die Strasse hoch, laut fauchend, ein 456er Ferrari. Nicht irgendein 456, sondern der, der früher auf deinem Parkplatz stand und der, zusammen mit zwei anderen, auch zu verkaufen gewesen wäre, aber du warst so vernünftig und hast dich für die Wohnung entschieden, und dem Verkäufer, der am Steuer sitzt, war es auch lieber so. Er sieht dich nicht, er fährt weiter, und vielleicht hat er gar nicht so unrecht, sich einen schönen Tag zu machen, und noch einen, das andere kommt vielleicht schneller, als man glauben mag, und dann profitiert nur noch derjenige, der die Frau für den kommenden Zweitmann renoviert, wenn man selbst längst in einem Premium Ressort alles vergessen hat.
Am Eingang sind ein paar sehr wohlerzogene Hunde angebunden und warten auf die leckerlibestückten Besitzer. An der Theke steht eine Frau, für die jede Elle-Diät umsonst Kiwis und Mangos mordet, und spielt beim Auswählen mit ihrer giftgrünen Pornobrille. Für ihren indischen Shawl hat vermutlich den Förderpreis für bengalische Kinderarbeit bekommen, und die in ihrer Sportlichkeit nicht ganz passenden Walkingschuhe verdanken ihre Entstehung vermutlich auch chinesischen Leuteschindern. Ein Wunder, dass sie die Damen hinter der Theke so liebenswürdig von einer Torte zur nächsten scheucht. Präventiv hat sie schon eine ebenfalls giftgrüne Brieftasche aus Lackleder in der Hand, und einen Schlüsselbund, an dem etwas unpassend ein kleines, gelbes Quietscheentchen hängt.
Während du noch überlegst, was du willst - leider ist mal wieder vieles, allzu vieles alkoholbedingt geeignet, Erbtanten reif für ein Treffen mit den hiesigen, fussballergatinnengeprüften Entziehungspfuscher zu machen - geht die Tür auf, und ein ziemlich altes Paar kommt herein. Sie hat das leidige Problem recht gut im Griff, Schaftstiefel wie aus "Gerti, die blonde SS-Bestie", und irgendwie hat es ein sicher nicht billiger Figaro geschafft, das Blond mit Strähnchen halbwegs echt aussehen zu lassen. Solang man das Gesicht nicht zu genau anschaut. Dann könnte man auch fast den Eindruck haben, dass sie erheblich jünger als ihr Mann ist.
Bei dem stimmt, statisch betrachtet, auch so einiges. Der Anzug, die Manschettenknöpfe, die Schuhe, ein Mann von Welt. Einer Welt, die vermutlich sehr klein geworden ist, so wie er seiner Frau hinterhertippelt. Eine gefühlte Ewigkeit nach ihr kommt er an der Theke an, von der Anstrenung fast so grau wie sein Anzug, bis auf die vielen Altersflecke, die er nicht wie seine Frau unter Kontrolle hat bringen lassen, weist mit zitternder Hand auf etwas und nuschelt "Frngfudr". "Ist das ein Frankfurter Kranz?", bescheidet seine Frau die Bedienung, und du wunderst dich fast, dass hier keine Peitsche im Spiel ist, oder jemand die Hacken zusammenschlägt. Sie nimmt, zahlt und knallt mit den Schuhen über die Fliessen, und der Mann kreucht ihr hinterher. Sie ist schon am Auto, einem 7er BMW, als du ihm die schwere Tür aufhältst. "Dnge", nuschelt er nach etwas Nachdenken, diese Sekunde, bis das Gehirn wieder die Koordination aus Bewegung, Erkenntnis und Reaktion zusammen hat , und schleppt sich weiter, die Blicke auf den Boden gerichtet und mit erkennbarer Anstrengung, diese kleine Welt, die ihm verblieben ist, zu überstehen, das ist die Hauptsache, von der traumhaft schöne Gegend hat er nichts mehr.

Du kaufst ein, und als du auf den Platz vor der Konditorei trittst, kommt eine kompakte, schwarze Masse die Strasse hoch, laut fauchend, ein 456er Ferrari. Nicht irgendein 456, sondern der, der früher auf deinem Parkplatz stand und der, zusammen mit zwei anderen, auch zu verkaufen gewesen wäre, aber du warst so vernünftig und hast dich für die Wohnung entschieden, und dem Verkäufer, der am Steuer sitzt, war es auch lieber so. Er sieht dich nicht, er fährt weiter, und vielleicht hat er gar nicht so unrecht, sich einen schönen Tag zu machen, und noch einen, das andere kommt vielleicht schneller, als man glauben mag, und dann profitiert nur noch derjenige, der die Frau für den kommenden Zweitmann renoviert, wenn man selbst längst in einem Premium Ressort alles vergessen hat.
donalphons, 00:55h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 26. März 2008
Real Life 24.03.08 - Nicht genug
Natürlich ist da unten irgendwo Rottach, aber es könnte genausogut Davos sein, oder eine aufgelassene Sendeanlage des zweiten Weltkriegs auf Spitzbergen, oder eine arktische Versuchstation im Schneesturm. So wichtig ist das nicht, man kann ohnehin kaum vor die Tür, wenn man nicht muss. Die Grenzen des Grundstücks sind schemenhafte Grauschleier, wenn der Sturm nachlässt, und nicht mehr sichtbar, sobald der Wind wieder neue Massen vorbeitreibt. Hier oben ist es ein wenig so wie auf dem Begräbnis eines Arschlochs, das mitzumachen mir einmal eine obskure Freude bereitete: Etwas Unüberwindliches, sei es eine Glasscheibe oder ein Holzbrett trennt einen von dem Unschönen da draussen, es reicht aus, es ist sicher, aber der Gedanke, dass das Trennende fehlen könnte, ist nicht fern von unerträglich.
In dieser Jahreszeit versteht man, warum die Bauernhäuser so kleine Fenster haben, sagt Frau S. Wissen Sie, wenn es drin eh schon dunkel ist, fällt so ein Sturm gar nicht mehr auf, aber mit den Panoramascheiben kann man sich nicht verstecken. Man ist dem ausgesetzt, manchmal geht das hier oben drei, vier Tage so, wie ein Gruselfilm. Eigentlich müsste etwas passieren, man wartet darauf, es kommt nie, und gerade deshalb.
Dann wendet sie sich wieder anderen Themen zu, die erfreulicher sind, dass das Hannerl in Amerika eine gute Zeit hat und dass dei neues Zuhause wirklich sagenhaft günstig war, und sie, falls es dir doch langweilig werden würde, auch schon einen Mieter wüsste, und Käufer, ach Käufer sowieso. Und von der anderen Seite her brüllt der Sturm der Apokalypse gegen das Fenster, ein undezenter Hinweis auf die Nichtigkeit all dessen, was in diesem kleinen Raum am Hang des grossen Berges stattfindet.
Es ist eine Blase, eine negation des faktischen, dieser Raum und diese Konversation, und fast so etwas wie die Allegorie der Vergeblichkeit aller Zivilisation. Der heisse Tee in deinen Händen würde draussen in kurzer Zeit zu braunem Eis werden, die Einrichtungsfragen sind für die hunderttausende, die in Amerika auf die Zwangsversteigerung warten müssen, vollkommen irrelevant, die Koofmichs von Yahoo und Cisco wenden sich plötzlich antichinesisch im Ansturm der Bilder, anything goes, aber nur solange es passt, Zwang fickt Beliebigkeit und gebiert die Popkultur von den Slums in Shanghai bis zurEchtgoldpraline unten im Tal, Preis je nach Kurs und Krisenszenario und FED-Aktion, und entscheidet so darüber, welche dahergelaufenen Möchtegerngründer in zwei Wochen im hässlichsten Hotel des Tales wieviel Stück zum Protzen vor seinen Mitarbeitern kaufen kann.
Es gibt zu viele Stürme und zu wenig Panoramascheiben in dieser Welt, gerade jetzt, und der Umstand, dass es für dich fast immer das schützende Glas gab, ändert nichts an dem, was da draussen passiert. Aber selbst wenn es anders wäre, gäbe es noch immer zu viele, die glauben, dass es besser ist, wenn man es durch ein kleines Fenster kaum mitbekommt. Alles hängt zusammen, man kann sich nur schlecht abkoppeln, von der Unvernunft der Irren und der Perversen, die das alles mit dem Geld anderer leute, Staaten und Gesellschaften bezahlen. Seit Voltaire ist es vor allem komplexer geworden, man hat mehr und vor allem andere Dreckschweine, als nur Adel, Rentenverprasser, Steuereintreiber, Janseniten und Gesellschaft Jesu, die Methoden haben sich verbessert, und wer weiss, ob die Geschichtsschreibung über diese Tage nicht Urteile fällen wird, die keinem von euch zum Ruhm gereichen werden.
Zu sagen, dass du nichts tun konntest, wegen des Sturmes da draussen, wird sicher nicht genug sein.
In dieser Jahreszeit versteht man, warum die Bauernhäuser so kleine Fenster haben, sagt Frau S. Wissen Sie, wenn es drin eh schon dunkel ist, fällt so ein Sturm gar nicht mehr auf, aber mit den Panoramascheiben kann man sich nicht verstecken. Man ist dem ausgesetzt, manchmal geht das hier oben drei, vier Tage so, wie ein Gruselfilm. Eigentlich müsste etwas passieren, man wartet darauf, es kommt nie, und gerade deshalb.
Dann wendet sie sich wieder anderen Themen zu, die erfreulicher sind, dass das Hannerl in Amerika eine gute Zeit hat und dass dei neues Zuhause wirklich sagenhaft günstig war, und sie, falls es dir doch langweilig werden würde, auch schon einen Mieter wüsste, und Käufer, ach Käufer sowieso. Und von der anderen Seite her brüllt der Sturm der Apokalypse gegen das Fenster, ein undezenter Hinweis auf die Nichtigkeit all dessen, was in diesem kleinen Raum am Hang des grossen Berges stattfindet.
Es ist eine Blase, eine negation des faktischen, dieser Raum und diese Konversation, und fast so etwas wie die Allegorie der Vergeblichkeit aller Zivilisation. Der heisse Tee in deinen Händen würde draussen in kurzer Zeit zu braunem Eis werden, die Einrichtungsfragen sind für die hunderttausende, die in Amerika auf die Zwangsversteigerung warten müssen, vollkommen irrelevant, die Koofmichs von Yahoo und Cisco wenden sich plötzlich antichinesisch im Ansturm der Bilder, anything goes, aber nur solange es passt, Zwang fickt Beliebigkeit und gebiert die Popkultur von den Slums in Shanghai bis zurEchtgoldpraline unten im Tal, Preis je nach Kurs und Krisenszenario und FED-Aktion, und entscheidet so darüber, welche dahergelaufenen Möchtegerngründer in zwei Wochen im hässlichsten Hotel des Tales wieviel Stück zum Protzen vor seinen Mitarbeitern kaufen kann.
Es gibt zu viele Stürme und zu wenig Panoramascheiben in dieser Welt, gerade jetzt, und der Umstand, dass es für dich fast immer das schützende Glas gab, ändert nichts an dem, was da draussen passiert. Aber selbst wenn es anders wäre, gäbe es noch immer zu viele, die glauben, dass es besser ist, wenn man es durch ein kleines Fenster kaum mitbekommt. Alles hängt zusammen, man kann sich nur schlecht abkoppeln, von der Unvernunft der Irren und der Perversen, die das alles mit dem Geld anderer leute, Staaten und Gesellschaften bezahlen. Seit Voltaire ist es vor allem komplexer geworden, man hat mehr und vor allem andere Dreckschweine, als nur Adel, Rentenverprasser, Steuereintreiber, Janseniten und Gesellschaft Jesu, die Methoden haben sich verbessert, und wer weiss, ob die Geschichtsschreibung über diese Tage nicht Urteile fällen wird, die keinem von euch zum Ruhm gereichen werden.
Zu sagen, dass du nichts tun konntest, wegen des Sturmes da draussen, wird sicher nicht genug sein.
donalphons, 00:51h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 17. März 2008
Real Life 16.03.08 - Umziehen mit Iris
Unberührt, wie die Königin der Vernichtung, sitzt Iris inmitten der Zerstörungszone, die vor zwei Tagen noch deine Wohnung war, und überlegt, ob die Fruchtbombe zu ihrer aktuellen Diät passt. Du kriechst vor ihr auf den Knien und fragst dich, wo bitte die 12. Tasse des Hutschenreutherservices geblieben ist. Der fehlende12. Teelöffel hat ein süsses Geheimnis, die Tasse jedoch ist lediglich verschlampt, durch das viele auf und ab von Gästen zur Terasse, in die Gästewohnung und wieder hinunter in einem der 5 möglichen Aufbewahrungsorte für Geschirr versteckt. Es ist zum Durchdrehen.
Don? Ich nehme vielleicht doch lieber ein Stück Apfelkuchen.
Da ist sie. Auf dem Tisch. Vor Iris. Du lächelst sie mit all der Müdigkeit an, die das Umziehen mit sich bringt. Dafür, dass du das Blut von Häusersammlern in dir hast, ziehst du extrem ungern um. Eine schlechte Kombination.

Ich hasse umziehen, sagst du.
ich auch, gibt Iris freimütig zu, und nimmt dann doch ein Stück Fruchtbombe, weil die neu kreiert wurde und gesünder aussieht, als sie eigentlich ist.
Wie hast du es eigentlich gemacht, als du bei deinem Exmann ausgezogen bist?
Überhaupt nicht. Ich habe den Wagen mitgenommen, und die Kleider. Den Rest habe ich machen lassen. Nach dem Prozess... weisst du, das muss ich dir jetzt mal sagen: Wenn du nachher den Staub abgewischt hast, in der Dusche warst und wieder was ordentliches anziehst, mit der Wohnung am See und all den Dingen hier dort im Schrank, und ich kann einfach kommen ohne Verpflichtung, Beziehung, Streit, Ärger, Drama, ich glaube, das wird besser als alles, was ich von der Ehe hatte. Ich finde es gut, dass du umziehst. Und nicht heiratest.
Ich auch. Sagst du, und überlegst, ob ihr Mann damals nicht bei all dem Streit und der Aufmerksamkeit auch ein klein wenig Glück durch den Verlust dieser Seelenlosigkeit in seinem Schlafzimmer hatte, als der grosse Aufruhr des spektakulären Scheidungsprozesses die Fundamente des gesellschaftlichen Lebens der kleinen Stadt zerstörte.
Don? Ich nehme vielleicht doch lieber ein Stück Apfelkuchen.
Da ist sie. Auf dem Tisch. Vor Iris. Du lächelst sie mit all der Müdigkeit an, die das Umziehen mit sich bringt. Dafür, dass du das Blut von Häusersammlern in dir hast, ziehst du extrem ungern um. Eine schlechte Kombination.

Ich hasse umziehen, sagst du.
ich auch, gibt Iris freimütig zu, und nimmt dann doch ein Stück Fruchtbombe, weil die neu kreiert wurde und gesünder aussieht, als sie eigentlich ist.
Wie hast du es eigentlich gemacht, als du bei deinem Exmann ausgezogen bist?
Überhaupt nicht. Ich habe den Wagen mitgenommen, und die Kleider. Den Rest habe ich machen lassen. Nach dem Prozess... weisst du, das muss ich dir jetzt mal sagen: Wenn du nachher den Staub abgewischt hast, in der Dusche warst und wieder was ordentliches anziehst, mit der Wohnung am See und all den Dingen hier dort im Schrank, und ich kann einfach kommen ohne Verpflichtung, Beziehung, Streit, Ärger, Drama, ich glaube, das wird besser als alles, was ich von der Ehe hatte. Ich finde es gut, dass du umziehst. Und nicht heiratest.
Ich auch. Sagst du, und überlegst, ob ihr Mann damals nicht bei all dem Streit und der Aufmerksamkeit auch ein klein wenig Glück durch den Verlust dieser Seelenlosigkeit in seinem Schlafzimmer hatte, als der grosse Aufruhr des spektakulären Scheidungsprozesses die Fundamente des gesellschaftlichen Lebens der kleinen Stadt zerstörte.
donalphons, 13:14h
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Donnerstag, 6. März 2008
Real Life 6.3.08 - Barbaren vor den Toren Münchens
oder wie man aus Müll Geld rausquetscht.
Also, das geht so. Gegenüber der BfA in Berlin sind ein paar Gärten, und darin wiederum ein paar Häuser aus den frühen 90er Jahren. Hier die Beamten, dort der Wohnraum. Und weil Beamte immer zahlen und die Wohnungspreise in Berlin steigen, ist das ein sicheres geschäft. Stand zumindest so in den Prospekten, mit denen der Aufbau Ost angeheizt und die Steueroptimierung beworben werden sollte. Als bombensichere Investition. Dann kam alles anders, der gesamte Fonds geriet in schieflage, die Mieten entwickelten sich nicht wie erwartet, und um eine unrettbare Büroimmobilie im Osten der Stadt zu retten, verkaufte man die Wohnungen beim Amt für viel Geld an einen anderen Fonds, der bald zielgerichtet pleite war und die Immobilien an den Zwangsverwalter weiter gab. In Münchner Haifischkreisen schickte man deine Wenigkeit 2004 vor, dir die Liegenschaft mal anzuschauen, und ihr hattet schon Pläne gemacht, wer sich welche 120m² für 70.000 Euro unter welchen Nagel reisst. Leider einigte sich der Verwalter mit ein paar Bankvertretern und den Gläubigern, das alles im Paket zu verkaufen, und so bliebst du und die Haifische aussen vor, bei diesem schmutzigen, kleinen Geschäft in der schmutzigen, grossen Stadt. Manche haben fast ihr gesamtes Geld verloren, und die Bank fluchte, sie würde sich auch ruinieren.

Heute nun bist du in der sauberen Vorstadt der nicht ganz so grossen, sauberen Munich Area. Gute Location, ruhig, nette Aussicht, angenehme Leute, und die Häppchen werden auch wieder grösser. Thema, grob gesagt: Wie bringe ich mein Geld sicher durch die Turbulenzen. Jahrelang galten Berlinimmobilien als Schrecken und der graue Kapitalmarkt als No Go Area, aber das ist lang her. Schön ist es hier. Sonnig. Man kann drinnen zuhören, oder auch ein wenig zum Schlosspark wandeln und überlegen.
Zum Beispiel darüber, dass die Bank, die damals alles kaufte, heute die gleichen Wohnungen über eine Tochter wieder anbietet. Als bombensichere Investition, bei einer Verdreifachung des Preises. Und dazu wirst du unter Verkennung des Zwecks deiner Anwesenheit angetuschelt, dass es noch günstig sei, ohne die Subprimekrise und der, hüstel, Liquiditätsprobleme, na Sie wissen schon, würde man sehr viel mehr verlangen, aber jetzt, ein Schnäppchen, und eine todsichere Geldanlage... die Bilder sind übrigens noch immer die gleichen, wie damals im Anlegerprospekt.
Wie in Monte Carlo, nur besser. Am Ende gewinnt immer die Bank, mit den immer gleichen Tricks und den immer gleichen Idioten.
Also, das geht so. Gegenüber der BfA in Berlin sind ein paar Gärten, und darin wiederum ein paar Häuser aus den frühen 90er Jahren. Hier die Beamten, dort der Wohnraum. Und weil Beamte immer zahlen und die Wohnungspreise in Berlin steigen, ist das ein sicheres geschäft. Stand zumindest so in den Prospekten, mit denen der Aufbau Ost angeheizt und die Steueroptimierung beworben werden sollte. Als bombensichere Investition. Dann kam alles anders, der gesamte Fonds geriet in schieflage, die Mieten entwickelten sich nicht wie erwartet, und um eine unrettbare Büroimmobilie im Osten der Stadt zu retten, verkaufte man die Wohnungen beim Amt für viel Geld an einen anderen Fonds, der bald zielgerichtet pleite war und die Immobilien an den Zwangsverwalter weiter gab. In Münchner Haifischkreisen schickte man deine Wenigkeit 2004 vor, dir die Liegenschaft mal anzuschauen, und ihr hattet schon Pläne gemacht, wer sich welche 120m² für 70.000 Euro unter welchen Nagel reisst. Leider einigte sich der Verwalter mit ein paar Bankvertretern und den Gläubigern, das alles im Paket zu verkaufen, und so bliebst du und die Haifische aussen vor, bei diesem schmutzigen, kleinen Geschäft in der schmutzigen, grossen Stadt. Manche haben fast ihr gesamtes Geld verloren, und die Bank fluchte, sie würde sich auch ruinieren.

Heute nun bist du in der sauberen Vorstadt der nicht ganz so grossen, sauberen Munich Area. Gute Location, ruhig, nette Aussicht, angenehme Leute, und die Häppchen werden auch wieder grösser. Thema, grob gesagt: Wie bringe ich mein Geld sicher durch die Turbulenzen. Jahrelang galten Berlinimmobilien als Schrecken und der graue Kapitalmarkt als No Go Area, aber das ist lang her. Schön ist es hier. Sonnig. Man kann drinnen zuhören, oder auch ein wenig zum Schlosspark wandeln und überlegen.
Zum Beispiel darüber, dass die Bank, die damals alles kaufte, heute die gleichen Wohnungen über eine Tochter wieder anbietet. Als bombensichere Investition, bei einer Verdreifachung des Preises. Und dazu wirst du unter Verkennung des Zwecks deiner Anwesenheit angetuschelt, dass es noch günstig sei, ohne die Subprimekrise und der, hüstel, Liquiditätsprobleme, na Sie wissen schon, würde man sehr viel mehr verlangen, aber jetzt, ein Schnäppchen, und eine todsichere Geldanlage... die Bilder sind übrigens noch immer die gleichen, wie damals im Anlegerprospekt.
Wie in Monte Carlo, nur besser. Am Ende gewinnt immer die Bank, mit den immer gleichen Tricks und den immer gleichen Idioten.
donalphons, 14:52h
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Mittwoch, 20. Februar 2008
Real Life 20.2.08 - Am Strand
sitzt eine junge Asiatin und tut nichts. Sie yogasitzt da, scheint die Steine nicht zu spüren, das Gesicht Richtung Westen, und meditiert. Oder auch nicht. Keine Ahnung, was aus den weissen Ohrstöpseln in ihr Hirn dringt. Ein seltsamer gegensatz zu all den hibbeligen Asiatinnen aus der Werbung, die furchtbar kreischen und mit den Gadgets wedeln, für die an den westlichen Mann zu bringen man sie angestellt und abgelichtet hat. Ich finde kleine Abspielgeräte eher sinnlos, aber als ich zum zweiten Mal an ihr vorbeikomme, kann ich einen gewissen Reiz dieser Nichtwerbung für moderne Techniknutzung nicht bestreiten.

Ich habe auch keine Eile. Das heisst, Eile hätte ich schon, aber ich lasse mich nicht hetzen, also gehe ich langsam. Ein paar Meter weiter überholt mich links ein älterer Herr mit Spazierstock. Er zieht erst wieder vor mir rein, als wäre es eine Autobahn, bleibt ein paar Schritte auf Kurs, fällt wieder nach links ab, beginnt zu schwanken, steuert abrupt auf eine Bank zu, aber bevor er sie erreicht, kippt er um und fällt mit dem Gesicht voran auf die Sitzfläche, und weil er versucht hat, sich mit den Händen abzufangen, rutscht seine Brille hoch und zerbricht an seiner Stirn. Ich helfe ihm auf, andere sind auch bald zur Stelle, er blutet, aber alle Taschentücher reichen nicht, um den roten Schwall aus seiner Stirn einzudämmen. Es hat eine Ader erwischt, sagt ein Arzt, der sich hier ebenfalls gleich einfindet, und ruft den Sanitäter.

Ich gehe weiter, erschlagen von der Luft, der Wärme, dem Gesehenen und der unerwarteten Nähe des Todes, und erst im Konferenzsaal, als sie mich anschauen, merke ich, dass meine Hände und mein Mantel voller Blut sind.

Ich habe auch keine Eile. Das heisst, Eile hätte ich schon, aber ich lasse mich nicht hetzen, also gehe ich langsam. Ein paar Meter weiter überholt mich links ein älterer Herr mit Spazierstock. Er zieht erst wieder vor mir rein, als wäre es eine Autobahn, bleibt ein paar Schritte auf Kurs, fällt wieder nach links ab, beginnt zu schwanken, steuert abrupt auf eine Bank zu, aber bevor er sie erreicht, kippt er um und fällt mit dem Gesicht voran auf die Sitzfläche, und weil er versucht hat, sich mit den Händen abzufangen, rutscht seine Brille hoch und zerbricht an seiner Stirn. Ich helfe ihm auf, andere sind auch bald zur Stelle, er blutet, aber alle Taschentücher reichen nicht, um den roten Schwall aus seiner Stirn einzudämmen. Es hat eine Ader erwischt, sagt ein Arzt, der sich hier ebenfalls gleich einfindet, und ruft den Sanitäter.

Ich gehe weiter, erschlagen von der Luft, der Wärme, dem Gesehenen und der unerwarteten Nähe des Todes, und erst im Konferenzsaal, als sie mich anschauen, merke ich, dass meine Hände und mein Mantel voller Blut sind.
donalphons, 16:39h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 18. Januar 2008
Real Life 17.01.2006 - Grottig Revival
Du lächelst ihn freundlich über den Tisch an, an dem nun wirklich niemand mehr die Anwürfe überhören kann, nimmst das Messer in die Hand, das auf dem Teller korrekt im Sinne von "Danke, ich habe gespeist" liegt, und drehst es 180 Grad um die Längsachse, damit die Schneide in seine Richtung zeigt. Erwartungsgemäss versteht er es nicht, wenngleich die anderen begreifen, dass es genug ist; eine weitere Einlassung, und Daniela bittet die Bedienung um die Rechnung. Die anderen zahlen auch, damit es nicht unschön wird, und brechen auf.
Das war nicht nett, sagt Iris, als du ihr den Tee servierst, in deiner Wohnung, die sonst vielleicht besser aufgeräumt wäre, aber wer kann schon ahnen, dass das Frühstück dergestalt abgleitet in gewollte Missverständnisse, Unterstellungen, Hass, und die dümmste aller Regungen: Eifersucht. Er kann nichts dafür, erst der Krach, dann deine Samariterdienste, und obendrein dein Verhalten ihm gegenüber.

Pardon, sagst du. Weder habe ich seine Ex beschlafen, wie er annimmt, noch hätte ich Lust dazu. Nicht, weil ich spiessig bin, sondern weil ich weiss, dass ein Trostfick keinem etwas bringt, ausser noch mehr Ärger. Bei so etwas geht es nur um die Bestätigung, das hat weder etwas mit Spass noch Lust zu tun, und ausserdem bin ich einfach, banal, zu alt für solche Spielchen. Ich habe - bis zum nächsten Mal - dazugelernt. Und es ist klar, dass man es Typen, die in ihren Gedanken immer noch ein menschliches Bügeleisen daheim haben, niemals recht machen kann. Schon gar nicht, wenn sie nicht einmal die elementaren Regeln der Gesellschaft kennen.
Trotzdem hast du dich eingemischt. Und so getan, als würdest du überhaupt nicht verstehen, was er meint. Das hat ihn so aufgeregt. Deshalb hat er sich so reingesteigert.
Was hätte ich denn noch tun sollen? Ihm das Messer reinrammen, statt es nur umzudrehen? Damit war doch alles klar. Er hat sie nicht nett behandelt, sie hat mich besucht, ist hängengeblieben, und war dann den Rest der Nacht allein, ganz allein oben in der Gästewohnung, für eine Nacht, bevor sie ein paar Tage später heim zu Mama ist. Vor sechs Wochen! In sechs Wochen haben andere schon wieder zwei weitere Beziehungen vor die Wand gesetzt. Das ist längst verjährt, und dann drückt er vier Konzertpausen lang rum, frisst es in sich rein, und statt dann zu fragen, was los war, probiert er es mit ironischen Andeutungen, die er beherrscht wie ein Bulldozer.
War das so? Er erzählt das ganze sehr, sehr anders. Soll ich Dir mal vorlesen, was er mir gemailt hat?
Nein. NEIN! Komm Iris, mein Arbeitszimmer ist wirklich nicht betret..., nein, schon gut, also, was hat er geschrieben, du hast das doch nicht vergessen.
Nun, er denkt, dass sie immer noch zusammen sind und du aber der Grund bist, warum sie sich zurückgezogen hat, weil du sie verstört hast mit deinem Getue..
Noch ein Stück Torte?
Zum Beispiel. Und dass alles in bester Ordnung wäre. Sie wird bald wieder kommen. Dachte er, vor vier Wochen. Und dann werden sie heiraten, sie wird Ja sagen und dann bekommen sie Kinder. Weil es die ideale, perfekte, ganz grosse Liebe ist. Er baut ein Haus für alle zusammen und es gibt ü-ber-haupt keinen Grund, sich diese angenehme Vision von so einer Drrr, nun, sagen wir mal asozialen Person wie Dir ausreden zu lassen.
Sowas schreibt der?
An alle. Auch an meinen Ex. Er hat nämlich den Sommerfestverteiler genommen. Betreff: Klarstellung über mich und Julia. Du und sie, ihr seid die einzigen, die nicht mit dabei standen. Ich dachte auch, er hätte sich beruhigt, aber, wie man sieht, die Liebe, die Illusion und der Hass vergehen nicht.
Sag lieber Habgier und Selbsttäuschung. Und jetzt?
Muss ich los. Leb wohl, und pass gut auf, wenn Du Nachts allein unterwegs bist. Bestenfalls ist er wieder betrunken und heult dich voll. Das kennt man ja.
In Berlin, liebste Iris, sitzen abertausend Deppen im fortgeschrittenen Alter, die sich weigern, erwachsen zu werden. In Berlin ist ein prima Spielplatz für solche Kindereien. Wenn du ihn siehst, sag ihm einen schönen Gruss, ich helfe nicht nur Julia, sondern auch ihm beim Umzug - sollte er nach Berlin gehen.
Das war nicht nett, sagt Iris, als du ihr den Tee servierst, in deiner Wohnung, die sonst vielleicht besser aufgeräumt wäre, aber wer kann schon ahnen, dass das Frühstück dergestalt abgleitet in gewollte Missverständnisse, Unterstellungen, Hass, und die dümmste aller Regungen: Eifersucht. Er kann nichts dafür, erst der Krach, dann deine Samariterdienste, und obendrein dein Verhalten ihm gegenüber.

Pardon, sagst du. Weder habe ich seine Ex beschlafen, wie er annimmt, noch hätte ich Lust dazu. Nicht, weil ich spiessig bin, sondern weil ich weiss, dass ein Trostfick keinem etwas bringt, ausser noch mehr Ärger. Bei so etwas geht es nur um die Bestätigung, das hat weder etwas mit Spass noch Lust zu tun, und ausserdem bin ich einfach, banal, zu alt für solche Spielchen. Ich habe - bis zum nächsten Mal - dazugelernt. Und es ist klar, dass man es Typen, die in ihren Gedanken immer noch ein menschliches Bügeleisen daheim haben, niemals recht machen kann. Schon gar nicht, wenn sie nicht einmal die elementaren Regeln der Gesellschaft kennen.
Trotzdem hast du dich eingemischt. Und so getan, als würdest du überhaupt nicht verstehen, was er meint. Das hat ihn so aufgeregt. Deshalb hat er sich so reingesteigert.
Was hätte ich denn noch tun sollen? Ihm das Messer reinrammen, statt es nur umzudrehen? Damit war doch alles klar. Er hat sie nicht nett behandelt, sie hat mich besucht, ist hängengeblieben, und war dann den Rest der Nacht allein, ganz allein oben in der Gästewohnung, für eine Nacht, bevor sie ein paar Tage später heim zu Mama ist. Vor sechs Wochen! In sechs Wochen haben andere schon wieder zwei weitere Beziehungen vor die Wand gesetzt. Das ist längst verjährt, und dann drückt er vier Konzertpausen lang rum, frisst es in sich rein, und statt dann zu fragen, was los war, probiert er es mit ironischen Andeutungen, die er beherrscht wie ein Bulldozer.
War das so? Er erzählt das ganze sehr, sehr anders. Soll ich Dir mal vorlesen, was er mir gemailt hat?
Nein. NEIN! Komm Iris, mein Arbeitszimmer ist wirklich nicht betret..., nein, schon gut, also, was hat er geschrieben, du hast das doch nicht vergessen.
Nun, er denkt, dass sie immer noch zusammen sind und du aber der Grund bist, warum sie sich zurückgezogen hat, weil du sie verstört hast mit deinem Getue..
Noch ein Stück Torte?
Zum Beispiel. Und dass alles in bester Ordnung wäre. Sie wird bald wieder kommen. Dachte er, vor vier Wochen. Und dann werden sie heiraten, sie wird Ja sagen und dann bekommen sie Kinder. Weil es die ideale, perfekte, ganz grosse Liebe ist. Er baut ein Haus für alle zusammen und es gibt ü-ber-haupt keinen Grund, sich diese angenehme Vision von so einer Drrr, nun, sagen wir mal asozialen Person wie Dir ausreden zu lassen.
Sowas schreibt der?
An alle. Auch an meinen Ex. Er hat nämlich den Sommerfestverteiler genommen. Betreff: Klarstellung über mich und Julia. Du und sie, ihr seid die einzigen, die nicht mit dabei standen. Ich dachte auch, er hätte sich beruhigt, aber, wie man sieht, die Liebe, die Illusion und der Hass vergehen nicht.
Sag lieber Habgier und Selbsttäuschung. Und jetzt?
Muss ich los. Leb wohl, und pass gut auf, wenn Du Nachts allein unterwegs bist. Bestenfalls ist er wieder betrunken und heult dich voll. Das kennt man ja.
In Berlin, liebste Iris, sitzen abertausend Deppen im fortgeschrittenen Alter, die sich weigern, erwachsen zu werden. In Berlin ist ein prima Spielplatz für solche Kindereien. Wenn du ihn siehst, sag ihm einen schönen Gruss, ich helfe nicht nur Julia, sondern auch ihm beim Umzug - sollte er nach Berlin gehen.
donalphons, 23:35h
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