Real Life 17.01.2006 - Grottig Revival

Du lächelst ihn freundlich über den Tisch an, an dem nun wirklich niemand mehr die Anwürfe überhören kann, nimmst das Messer in die Hand, das auf dem Teller korrekt im Sinne von "Danke, ich habe gespeist" liegt, und drehst es 180 Grad um die Längsachse, damit die Schneide in seine Richtung zeigt. Erwartungsgemäss versteht er es nicht, wenngleich die anderen begreifen, dass es genug ist; eine weitere Einlassung, und Daniela bittet die Bedienung um die Rechnung. Die anderen zahlen auch, damit es nicht unschön wird, und brechen auf.

Das war nicht nett, sagt Iris, als du ihr den Tee servierst, in deiner Wohnung, die sonst vielleicht besser aufgeräumt wäre, aber wer kann schon ahnen, dass das Frühstück dergestalt abgleitet in gewollte Missverständnisse, Unterstellungen, Hass, und die dümmste aller Regungen: Eifersucht. Er kann nichts dafür, erst der Krach, dann deine Samariterdienste, und obendrein dein Verhalten ihm gegenüber.



Pardon, sagst du. Weder habe ich seine Ex beschlafen, wie er annimmt, noch hätte ich Lust dazu. Nicht, weil ich spiessig bin, sondern weil ich weiss, dass ein Trostfick keinem etwas bringt, ausser noch mehr Ärger. Bei so etwas geht es nur um die Bestätigung, das hat weder etwas mit Spass noch Lust zu tun, und ausserdem bin ich einfach, banal, zu alt für solche Spielchen. Ich habe - bis zum nächsten Mal - dazugelernt. Und es ist klar, dass man es Typen, die in ihren Gedanken immer noch ein menschliches Bügeleisen daheim haben, niemals recht machen kann. Schon gar nicht, wenn sie nicht einmal die elementaren Regeln der Gesellschaft kennen.

Trotzdem hast du dich eingemischt. Und so getan, als würdest du überhaupt nicht verstehen, was er meint. Das hat ihn so aufgeregt. Deshalb hat er sich so reingesteigert.

Was hätte ich denn noch tun sollen? Ihm das Messer reinrammen, statt es nur umzudrehen? Damit war doch alles klar. Er hat sie nicht nett behandelt, sie hat mich besucht, ist hängengeblieben, und war dann den Rest der Nacht allein, ganz allein oben in der Gästewohnung, für eine Nacht, bevor sie ein paar Tage später heim zu Mama ist. Vor sechs Wochen! In sechs Wochen haben andere schon wieder zwei weitere Beziehungen vor die Wand gesetzt. Das ist längst verjährt, und dann drückt er vier Konzertpausen lang rum, frisst es in sich rein, und statt dann zu fragen, was los war, probiert er es mit ironischen Andeutungen, die er beherrscht wie ein Bulldozer.

War das so? Er erzählt das ganze sehr, sehr anders. Soll ich Dir mal vorlesen, was er mir gemailt hat?

Nein. NEIN! Komm Iris, mein Arbeitszimmer ist wirklich nicht betret..., nein, schon gut, also, was hat er geschrieben, du hast das doch nicht vergessen.

Nun, er denkt, dass sie immer noch zusammen sind und du aber der Grund bist, warum sie sich zurückgezogen hat, weil du sie verstört hast mit deinem Getue..

Noch ein Stück Torte?

Zum Beispiel. Und dass alles in bester Ordnung wäre. Sie wird bald wieder kommen. Dachte er, vor vier Wochen. Und dann werden sie heiraten, sie wird Ja sagen und dann bekommen sie Kinder. Weil es die ideale, perfekte, ganz grosse Liebe ist. Er baut ein Haus für alle zusammen und es gibt ü-ber-haupt keinen Grund, sich diese angenehme Vision von so einer Drrr, nun, sagen wir mal asozialen Person wie Dir ausreden zu lassen.

Sowas schreibt der?

An alle. Auch an meinen Ex. Er hat nämlich den Sommerfestverteiler genommen. Betreff: Klarstellung über mich und Julia. Du und sie, ihr seid die einzigen, die nicht mit dabei standen. Ich dachte auch, er hätte sich beruhigt, aber, wie man sieht, die Liebe, die Illusion und der Hass vergehen nicht.

Sag lieber Habgier und Selbsttäuschung. Und jetzt?

Muss ich los. Leb wohl, und pass gut auf, wenn Du Nachts allein unterwegs bist. Bestenfalls ist er wieder betrunken und heult dich voll. Das kennt man ja.

In Berlin, liebste Iris, sitzen abertausend Deppen im fortgeschrittenen Alter, die sich weigern, erwachsen zu werden. In Berlin ist ein prima Spielplatz für solche Kindereien. Wenn du ihn siehst, sag ihm einen schönen Gruss, ich helfe nicht nur Julia, sondern auch ihm beim Umzug - sollte er nach Berlin gehen.

Freitag, 18. Januar 2008, 23:35, von donalphons | |comment

 
Erinnert mich an „Der süße Wahn“, das grandioseste Buch von Patricia Highsmith. Danach weiß man, wohin das alles führen kann. Es lesen, heißt lernen.

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tja,
da lese ich so was und befinde mich urplötzlich in einer melange von klischees der art 'abgründe der menschlichen dingsbums', dabei sind es ja doch nur untiefen.

also immer eine handbreit wasser unter dem kiel, damit man auch weg kommt, wenn die nächste sentimentale welle schwappt.

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Mich erinnert es eher an Provinzproleten, sexuelle Frustration und daran, dass wir seit der Aufklärung nicht viel weiter gekommen sind, ganz im Gegenteil. Warum können die Leute Beziehungen nicht einfach mal ohne Absolutheitsanspruch sehen? Riecht man bis zum Lebensende anders, fehlt einem ein Körperteil, ist man ein anderer Mensch, nur weil man mal mit jemand anderem schläft? So ein Leben ist heutigentags scheisslang, es gibt keine Pest mehr, also kann man beim besten Willen nicht erwarten, dass man immer mit dem gleichen Menschen ins Bett geht. Menschen verändern sich, lesen nicht immer den gleichen Autoren, und warum sollte man immer Schwarzwälder Kirsch essen, wenn es auch Prinzregententorte gibt? Und anderen eine Szene machen, wenn sie beim Fertigen derselben beigetragen haben?

Es nervt. Gewaltig. Wenn man jemanden hat, ist es prima, wenn nicht, sollte man einfach die Schnauze halten und sich benehmen, damit man morgen wieder fröhlich auf die Suche gehen kann. Psychopathische Deppen haben schlechte Chancen, was man so hört.

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Vielleicht hat er auf seine Art gar nicht so unrecht. Vielleicht wäre sie ja zu ihm zurückgekehrt, wenn sie nirgendwo Rückhalt gefunden hätte. Aus Angst, aus Unsicherheit, das Falsche getan zu haben, um "schlechtes Gerede" zu vermeiden, was weiß ich. Aber es klingt so, als wäre es gut gewesen, dass sie diesen Rückhalt gefunden hat.

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Des Gred, wie man bei uns sagt, bekommt man erst ab der Eheschliessung und, besonders schlimm, bei Kindern. Da gibt es dann wirklich sozialen Druck, auch, weil die Gesellschaft versucht, Rosenkriege soweit wie möglich zu vermeiden.

In dem Fall ist es einfach nur ein Depp, der nicht begreift, nicht begriffen hat, dass Nein Nein heisst, und nicht vielleicht doch, oder unter gewissen Umständen schon, oder Ja, oder das meine ich gar nicht so, oder jetzt zeig mal was du kannst. Taktlos, gefühllos, stillos. Wenn so einer bei einer Frau immer und jederzeit über alle Warnhinweise rennt, absolut nichts mitbekommt und nach der Pleite sofort den Nächsten zum Schuldigen macht, ist das alles andere als angemessen.

und obendrein einer, der das blog hier nicht kennt, für den ist Internet noch immer t-online

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also, ohne den zusammenhang ausreichend verstanden zu haben, möchte ich doch sehr bitten: lasst den mal in bayern! in berlin wollen wir den nicht! nicht noch so einen!:)

abgesehen davon war es natürlich grundfalsch, mit der dame zu schlafen.

(aside: wenn du "noch ein stück torte?" fragst, wird's regelmäßig kritisch. muss man sich merken.)

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Ich habe mit niemanden geschlafen, in diesem Fall.

Und doch: Der passt da prima hin, mit seiner innerlichen Teenagerreife. Unter all den Schwaben fällt der sicher nicht weiter auf. Vermutlich wird er einfach einen Roman schreiben, von einem Provinzler, der von der grossen Liebe enttäuscht nach Berlin geht, im 103 sitzt und dann einen Roman schreibt.

"Noch ein Stück Torte" ist die bayerische Übersetzung für das britische "How´s the weather?".

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ich benütze dafür den ausdruck: "schönes wochenende!"

der roman würde sicher ein erfolg. aber ich glaube nicht, dass er einen schreibt. er wird heiraten und kinder bekommen und in dem haus dort leben, mit den üblichen konsequenzen.

manchmal bin ich richtig froh, schon über 40 zu sein:)

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Familie in Berlin? Gibt es das noch? Ich dachte, das wird alles schnell gepatchworked. Ein einziger grosser Kindergarten.

Und falls er hierbleibt: Der Zweitheiratsmarkt wächst, ist aber noch nicht so gross, dass man hier mal probeweise durchkarnickeln könnte. Es gibt schon Gründe, warum er sie zurück will. Schwieriges Alter, wenn man sich keinen Sportwagen kauft und Abiturientinnen auflauern möchte.

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Auf englisch nennt man solche Leute wohl eine "loose cannon", und nicht zufälligerweise sind es auch immer die, die den Partner ihren persönlichen Besitztümern zurechnen. Von denen habe bzw. hatte ich auch mehrere in meinem Bekanntenkreis.

Wenn so einer losgeht (meistens sind es Männer), wünscht man sich immer, daß der möglichst schnell eine piefige Pomeranze mit den gleichen Ansichten wie er selbst kennenlernt, die ihn tröstet und ihm bestätigt, welchem schlimmen Besen er gerade entronnen ist. Schmoren die nämlich zu lange im eigenen Saft, neigen sie dazu, dem geistigen Amoklauf einen echten folgen zu lassen. Der nur ein paar Möbel kostet, wenn man Glück hat.

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nö, ich dachte mehr so an familie in bayern. dort baut er doch auch ein haus? aber wahrscheinlich habe ich das mal wieder alles falsch verstanden.

einen zweiten, dritten, vierten heiratsmarkt gibt es hier wie dort. sogar in hamburg, wie ich unlängst gehört habe. ich mache zwar nicht mit im familiegründen, in eifersuchtsdramen und häuserbauen, bin aber trotzdem absolut nicht sicher, ob ausgerechnet ich in dieser hinsicht alles richtig mache. je nun. who are we to judge? in liebesdingen ist alles anarchisch, und alles kann passieren. absolut unplanbares areal, meiner meinung nach. gott sei dank.

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Der Markt ist wie bei den Subprimes - die Kurse werden nicht mehr steigen, man kann nur verlieren, es sei denn, man setzt auf kurzfristige Transaktionen.

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Noch ein Stück Torte?
Und ich hab "Ja" gesagt, ich Dummerle ...

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Zu einem zweiten Stück Torte.

Was vollkommen risikolos ist, die Probleme fangen erst an, wenn man zu einem zweien, dritten oder gare vierten Verhältnis ja sagt. Dann beginnen die Probleme - vor allem, wenn man dann noch mit allen Torten essen muss.

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Wir tauschen gegen ein paar Jugendliche. Vorausgesetzt er siedelt sich in Mitte oder Prenzlauer Berg an. Das ist Pflicht.

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Ich weiss nicht, ob Eure Jugendlichen als Privatsekretäre oder Kammerzofen bei uns taugen. Weder möchte ich ein Anschreiben mit "Ey Alda gibt Stress", noch bin ich ein Fan von unterklassigem Haushaltsporno.

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Nach gründlicher Erziehung haben sich die germanischen Sklaven auch in kultivierte römische Haushalte eingeführt.

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Blöderweise habe ich aber keinen Steinbruch oder eine Galeere.

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Aber eine kleine Schwester, die solange von ihrer Zickigkeit Gebrauch macht, bis sie rufen "wir möchten lieber die Peitsche".

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