: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 30. Dezember 2005

Könnten Neoconnards lesen -

ich meine diesen Haufen, die ihren Traffic vor allem durch gegenseitige Verlinkung generieren - würde ich ihnen folgendes Buch empfehlen:

Carlo M. Cipolla, Die Odysse des spanischen Silbers

erschienen bei Wagenbach.Danach könnten sie sich ihre libertären Vorstellungen vom Aufschwung Europas ohne Kolonien gleich wieder sonstwohin stecken. Ungefähr dorthin, wo sie die Behauptung hernehmen, der ihren Verdrehungen zugrunde liegende kurze Aufsatz wäre "gerade veröffentlicht", denn es handelt sich bei

Acemoglu, Johnson, Robinson, 2002, The Rise of Europe: Atlantic Trade, Institutional Change and Economic Growth, NBER Working Paper No. w9378

wie man an der Jahreszahl bereits erkennt, um ein drei jahre altes Werk, das man übrigens seit drei Jahren auch hier als pdf herunterladen kann. Unglaublich, dass jemand, das das nicht weiss, an einer deutschen Uni was anderes bekommt als eine Kündigung.

Aber gehen wir nun ins Detail einer Arbeit, die der Frage nachgeht, wie der Raubbau an der Neuen Welt Europa beeinflusste. Ein Kernsatz der Arbeit, der dann auch bei den rechten Puppen ähnlich auftaucht, lässt einem Historiker den Mund offen stehen.

"In Britain and the Netherlands, new groups of merchants benefited from Atlantic trade and played a major role in inducing institutional change, unleashing a much larger economic potential from the rest of the society. In contrast, in Spain and Portugal, the monarchy and loyal groups with royal trading monopolies were the major beneficiaries of early profits from Atlantic trade and plunder because the monarchy was both strong and in tight control of the monopoly of trade."

Das kann man nur behaupten, wenn man vom globalen Handel der Zeit keine Ahnung hat - deshalb auch der Rat zu Cipollas vorzüglichem Buch. Vereinfacht dargestellt sieht der Export aus Übersee in der Zeit zwischen 1500 und 1800 so aus: Das wichtigste, absolut entscheidende "Exportgut" - nicht Handelsgut! - war das Silber, das die Spanier und in geringerem Masse die Portugiesen aus Amerika holten. Eine zentrale Rolle spielte dabei der Silberbergbau in Potosi im heutigen Bolivien und Zatatecas in Mexiko. Nur begannen damit auch schon die Pobleme, weshalb man über die Passage "the monarchy was both strong and in tight control of the monopoly of trade" nur lachen kann.

Spätestens 1600 ist es mit der Kontrolle vorbei, ab da gilt der Monopolhandel mit den Kolonien als vergleichsweise unlukrativ. Aber schon früher hatten andere als die Krone die Hand im Spiel: Zum einem benötigte man zur Silberproduktion Quecksilber. Und darauf hatten nicht die spanischen Könige, sondern die Fugger aus Augsburg ein Monopol - und das wiederum zeigt schön, mit welchen Methoden sich "Patrizier" und "bürgerliche Unternehmer" damals einen Vorteil verschafften - mit dem Kontrollapparat, den die Fürsten entgegen der Behauptungen im Text nicht hatten. Umgekehrt hatten die libertären Fugger auch das Monopol auf das amerikanische Guajakharz - das damailge Wundermittel gegen die Syphilisseuche und ein weiterer Quell des Reichtums von Augsburg.

Aber das Silber war entscheidend, der Wert des simplen Raubes war im 16. und 17. Jahrhundert vier bis zehn Mal so hoch wie der Wert des Handels. Neben dem theoretischen Monopol des spanischen Königs im Handel mit den atlantischen Kolonien gab es auch noch zwei andere Phänomene: Schmuggel und Piraterie. England verdankt seinen Aufstieg zu Seemacht zum grossen Teil lizensierten Unternehmerpersönlichkeiten wie dem Piraten Francis Drake. Spanier betrieben dagegen selbst den Silberschmuggel, der, wenn er denn aufflog, ca. 50% der Importe ausmachte. Cipolla spricht hier vonn einem spanischen "Volkssport", an dem sich so ziemlich alles und jeder beteiligte. Der dazu führte, dass lediglich 20-25% des "spanischen" Silbers bei der Krone und der gesamte Rest bei privaten Entrepreneuren landeten, die sich um irgendwelche Monopole und Kontrollen nicht scherten, Spanien scheint damals schon recht lockere Zöllner gehabt zu haben. Das Problem der Spanier wurde ein Zuviel an "Schwarzgeld"-Silber, das eine Inflation auslöste - sprich, die Verarmung weiter Teile Spaniens ist dem Umstand geschuldet, dass plötzlich 10 mal so viel Silbergeld da war.

Und nun zu den Holländern: Zu behaupten, dass sie aufgrund ihrer offenen Gesellschaft reicher als die Spanier wurden, blendet schlichtweg den eigentlichen Quell des Reichtums aus, der im Kern im Handelsdefizits Europas mit dem Orient begründet liegt. Und da entstand dann eine Monopolfirma namens Ostindische Kompanie, die auf Java und Sumatra praktisch eigene Kolonien unterhielt, zur Durchsetzung ihres Monopols Krieg etwa gegen die Portugiesen führten und sich schlimmer benahm als eine von Heuschrecken übernommene Ölgesellschaft bei der Ausbeutung eines korrupten afrikanischen Kleinstaates. Wenngleich als Aktiengesellschaft organisiert, war die Kompanie faktisch ein totalitäres Staatsgebilde. Was sie nicht aus den Bewohnern rausquetschen konnten, wurde mit dem spanischen Silber gekauft - Silber war das einzige "Wirtschaftsprodukt Europas", das im fernen Osten auf Interesse stiess.

Will sagen: Kann schon sein, dass die Niederlande und später England vergleichsweise wirtschaftsliberal waren - aber den Aufschwung als Handelsnationen verdanken sie brachialsten Wirtschaftsmethoden diesseits und jenseits der Atlantikroute, die auszublenden weniger der Grundfehler des fraglichen Beitrags als vielmehr der Puppen ist - wie gesagt, der eine von denen soll angeblich an einer Uni Assistent sein, es ist unfassbar, solche Leute dort zu sehen.

Inwieweit man, abgesehen davon, calvinistische Händler in den Niederlanden oder das von Religionskriegen erschütterte England, wo schon der Verdacht einer Beziehung zu den Jesuiten zur Verbrennung ausreichte, überhaupt als offene, liberale oder bürgerliche Gesellschaft bezeichnen darf, ist nochmal eine ganz andere Frage. In diesem Punkt geht mir der fragliche Beitrag viel zu schnell zur Glorious Revolution von 1688, und der erwähnte Geusenaufstand in Holland ist nicht in einer halben Zeile zu besprechen. Liest man Berichte aus der Zeit, scheint man es eher mit Gottesstaaten a la Iran zu tun zu haben. Wie auch immer, so ganz scheinen die Puppen den Text nicht gelesen zu haben, denn im Gegensatz zu ihrer Behauptung, die Gewinne - und damit das eigentlich entscheidende Kriterium - wären gering gewesen, steht im fraglichen Artikel:

"With the surge in Atlantic trade, the economic power of commercial and industrial interests grew considerably. Even though O’Brien’s (1982) estimates imply that the contribution of profits from international trade to capital accumulation was modest, the size of these profits were very large–about 5.5 to 7.5 percent of GDP. Perhaps more significantly, these profits were concentrated in the hands of a relatively small section of the bourgeoisie."

Solche Leute nennt man auch Geldadel, und wer sich mit England beschäftigt, erfährt, dass, wer immer zu Reichtum kam, danach trachtete, in den Closed Club der Adligen aufzusteigen - ich verweise da etwa auf die Bemühungen eines gewissen Londoner Immobilienspekulanten namens William Shakespeare, der so gar keine Lust auf eine offene Gesellschaft hatte, auch wenn seine Theaterstücke etwas anderes implizieren. Die gesamte Problematik dessen, was zur Profitmaximierung - gerade im Aussenhandel - geschieht, ist einfach nicht Gegenstand der Betrachtung. Zum Schluss stellen die Autoren ihren Artikel dann ohnehin so dar:

"At this point, we also must stress that the process of early modern European growth is undoubtedly multi-faceted. Any account of the history of a large and heterogeneous continent in terms of a few factors will be at best simplistic and at worst misleading. We are aware that many important aspects of the social and economic development of Western Europe are left out. It is nonetheless our hope that these hypotheses are plausible and will encourage high quality research on these topics."

Da kann man nur zustimmen. Der Artikel bringt skizzenhaft ein paar interessante Überlegungen "at large". Man müsste nun wirklich hinabsteigen auf die Geschichte einzelner Firmen und Händlergruppen, und dann nachrechnen, was entscheidend war für den Aufstieg. Man muss die Schattenwirtschaft von Krieg, Piraterie, Raub und Schmuggel mit einbeziehen. Man darf aber auch nicht ausblenden, wie die Arbeit in Potosi mit Quecksilber war, und die durch die Inflation verursachten Entwicklungen, die ihre Ursache nicht in einer kontrollierten Gesellschaft, sondern eher in der allgemeinen Unfähigkeit der Zeit im Umgang mit einer Geldschwemme haben. Man stelle sich nur vor, die EZB würde die Geldmenge von einem Tag auf den anderen vervierfachen: Dann hat man in etwa das Problem, an dem die Spanier scheiterten. Besonders das mit dem "at worst misleading" hätte man sich also zu Herzen nehmen sollen, bevor man so einen Text falsch interpretiert.

Und die Quelle im Internet nicht mal kennt, Ihr Pfeiffen.

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Mittwoch, 23. November 2005

Das Ende des Internets

Passagen sind, gerade in der kalten Jjahreszeit, etwas sehr Angenehmes, nicht kalt oder matschig, und trocken. Gerade wenn die Bombenhagel des 2. Weltkriegs oder die Architekturgewalt der 50er die historischen Stadtkerne niedergelegt hat, ist das Niederreissen und Wiederaufbauen mit eingelegtem Hohlkörper immer noch der letzte Schrei, von den Fünf Höfen in München bis zu vergewaltigten Städten Ostdeutschlands. Man kann über den gestalterischen Sinn diskutieren, aber, so sagen die modernen Stadtplaner, das muss sein, Passagen ziehen die Leute in die Stadt, und gerade die Jungen, die sonst in die gigantischen Shopping Malls, diese Grosspassagen vor der Stadt ausweichen würden, kann man damit binden.

In der Folge wird auch in kleinen Städten auf Marketingteufel komm raus durchgebrochen, soweit es Bausubstanz und Denkmalschutz zulassen. Und dort sammelt sich in der Regel das an, was irgendwie jung, dynamisch und nicht so kleinstädtisch ist. Wie zum Beispiel das erste WLAN-Internetcafe der Stadt.



Über ein Jahr stand draussen auf der belebten Fussgängerzone, gerade mal 20 Meter von hier, ein Schild, das den Passanten die frohe Kunde nahebrachte. Da drin. WLAN. Ganz toll, ganz modern. Reinkommen, was trinken, schnell die Mails checken, jetzt auch in einer Provinz, in der gute Raumausstatter noch mit solchen Websites in der Tageszeitung für sich werben. Durchaus nicht erfolglos, wie man hört. Da ist so ein WLAN-Cafe mit der blauen WLAN-Neonröhrenschrift was ganz anderes. Die Zukunft.

Ab und zu ging ich vorbei, und nur einmal war da jemand mit Notebook drin. Ansonsten herrschte Winter wie Sommer ziemliche Leere. Vor ein paar Wochen dann war das Cafe "wegen Renovierung" geschlossen. Jetzt ist es wieder offen, und jeder Hinweis auf das WLAN verschwunden. Und es ist gar nicht schlecht gefüllt, weitaus besser jedenfalls als früher. WLAN gibt es immer noch, manchmal klappt auch jemand sein Notebook auf, misstrauisch beäugt, aber letztlich toleriert vom normalen Publikum, das nicht so ganz versteht, was denn bitte die Notebooks in einem Cafe, das genau genommen nur eine Espressobar ist, bedeuten.

Immerhin brummt jetzt der Laden, nicht mehr ganz so modern und fortschrittlich und der Zeit der Stadt um Jahre voraus, aber das Geld kommt rein. So ist das mit dem Internet, Ende 2005.

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Samstag, 8. Oktober 2005

Wirklich spannende Feldforschung

He, KoWi-Frosch! Willste mal was anderes machen, als Blogger mit personalisierten Links von Bloghostern zuspammen, um unter anderem Informationen über ihr Einkommen zu erhalten? Und Dir dann blöde Fragen anhören, bis Du nichts mehr sagst und hoffst, dass es vorbei ist? Was es aber nicht ist, weil sich einer der A-Lister und seine Leser etwas verarscht vorkommen?

Dann schau Dir mal das hier an (aber Vorsicht, schluck erst mal runter, Sabbergefahr). 10.000 Uniq Visitors am Tag, Bloggen als Beruf, offensichtlich gut bezahlt, und das mit gerade mal 21 Jahren. Mit dem Themenmix Kosmetik, Party machen und lesbische Freundinnen haben. Ich sage Dir: Das ist ein Teil der Zukunft des Bloggens. Das wird so gross, da werden Johnny und Felix und Anke und ich noch mal drum betteln, dort verlinkt zu werden. Das ist das Bloggen, das die Medien revolutionieren wird. You knew it first from Rebels without Market.

Uh-oh, yes, she´s a Slut. Und sie schreibt Sachen, die man in deutschen KoWi-Seminares eher selten hört. Ficken, zum Beispiel, Karlsruhe-Veteranen kennen das Wort. Trotzdem, das Ding ist wirklich spannend. Da sollte man mal was zu machen. Wieso everyone´s reading it. Im Gegensatz zu manchen Studien und Vorträgen. Und auf Antworten wegen der Links warten wir immer noch.

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Aus einem KoWi-Schulaufsatz, Thema A-List

Dazu gehören vor allem in der oberen Hälfte der in der Top-100-Liste aufgeführten*. A-Lister zeichnen sich durch erhöhtes Engagement aus, sie schreiben viel, sie kommentieren viel. A-List Blogger bloggen theamtisch** weit gestreut, zielena ber*** in der Regel auf eine gewisse Form von Öffentlichkeit ab. SO**** mancher A-List-Blogger erreicht mehrere tausend Leser pro Tag.

HE****rvorhebung von Autor ausgeführtem*. Der kommt vom Radio, I suppose? Da entstehen in der Eile solche Texte, da hörta man*** zum Glück fast nie Rechtschreibfehler. Und nein, kein Schulausfatz**. Blog-Workshop | Trierischer Volksfreund. Und natürlich Wissenschaft. Eh klar. (In Karlsruhe hat man mir vorgeworfen, ich hätte KoWi-Studenten zu negativ beschrieben. Naja.)

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Dienstag, 27. September 2005

Die kleine A-List-Verschwörungstheorie

Die angeblich egalitäre Bloggesellschaft - eine Chimäre, eine Legende, alles gar nicht wahr. In Wirklichkeit, so eine amerikanische Studie, kapseln sich die A-List-Blogger ab, verlinken fast nur untereinander, und linken nicht zurück, wenn jemand anderes auf sie linkt. Dadurch entsteht eine Hierarchie, oben wenige, die für die grosse Masse die Themen, den Ton, die Richtung vorgeben, unten diejenigen, die arm, ohne Leser vor sich hinvegetieren. Das war, salopp wiedergegeben, eine der zentralen Thesen des Vortrags von Prof. Dr. Neuberger bei der Konferenz in Karlruhe.

Nach meiner Meinung ist das eine Verschwörungstheorie, die sich ihre Argumente ohne Wissen darum holt, was in der Blogosphäre wirklich geschieht. Sie geht von der Grundprämisse aus, dass Blogger generell um hohen Traffic wetteifen, dass es ihr Ziel ist, den Aufmerksamkeitsmarkt der Blogosphäre zu beherrschen.

Jeder, der sich mal ein bisschen umgeschaut hat, weiss, dass das schon aus strukturellen Gründen nicht möglich ist. Die allermeisten Blogs bedienen einen mehr oder weniger klar umrissenen Markt. Vielleicht ist es Stricken, Gothik, Selbstverstümmelung, Sex, Magersucht, eine Popgruppe, Photographie, eine Depression, ihr Arbeits- oder Privatleben, Kultur, Politik, was auch immer, anything goes und das auch in den krudesten Mischungen.

Daraus folgt, dass die A-Lister, wenn man den Begriff schon nehmen will, selbst nur einen kleinen Teil der thematischen Bandbreite des Interessen der Blogger wiedergeben können. Was zur Folge hat, dass A-Lister angesichts der grossen Menge von Blogs in Deutschland dennoch kaum zur Kenntnis genommen werden. Wenn wir im Moment von etwa 120.000 mehr oder weniger aktiven Blogs ausgehen, verlinkt weniger als 1% davon den momentanen Spitzenreiter, das Bildblog. Anders gesagt, über 99% verlinken das Topblog nicht. Weit weniger als 1% verlinken IT&W und Spreeblick. Bei Blogbar, das als Metablog eigentlich beste Aussichten hat, viele Blogger als "Nabelschaublog" zu interessieren, sind es unter 0,5%, Rebellen ohne Markt, immerhin noch in den Top20, kommt gerade man auf 0,3% Verlinkung aus der Blogosphäre. 99.7% verlinken mich nicht. Aufgrund der Unzulänglichkeit von Blogstats.de, worauf diese Zahlen beruhen, kann es durchaus sein, dass man die Zahlen sowohl der Blogs als auch der Links vergrössern, vielleicht sogar verdoppeln muss - am Verhältnis ändert sich dadurch nichts.

Die vergleichende Analyse der Links ohne Berücksichtigung der absoluten Zahlen ist ein höchst fragwürdiges Unterfangen. Es genügt nicht, nur auf die Toplisten zu schauen; man muss auch verstehen, was sie sagen. Es gibt Blogs, die mehr verlinkt werden als andere, aber sie dominieren nicht. Sie sind nur in kleinen Kreisen bekannt. Aber selbst, wenn wir mal davon ausgehen, dass jeder zweite Leser hier Blogger wäre, würde dieses Blog hier selbst an den besten Tagen von über 98% der Blogger ignoriert werden. Das allein relativiert die Idee, dass es so etwas wie die Marktbeherrschung durch A-Lister überhaupt gibt.

Bleibt die Frage, warum man darauf kommt, dass man sich für einen Link mit einem Gegenlink bedanken müsste. Ich habe keine Ahnung, ich kenne sowas nur vom äusserst unseriösen Fall der Kelly M., in dem ein "Jugendbündnis Weisse Rose" mit einer einzigartigen Spamaktion versucht hat, sich mit Links auf Gegenseitigkeit auf die Toplisten zu setzen. Ein ähnliches verhalten kenne ich sonst nur von einem Cluster stark rechtslastiger Blogs, die hier gern als Neoconnards bezeichnet werden und deren Mitglieder dazu tendieren, andere Blogs zwecks Awareness zu spammen.

Es gibt mehrere Gründe, die gegenseitige Verlinkung nicht vorzunehmen. Würde ich alle Verlinker in die Blogroll aufnehmen, würden da links vielleicht 500, 600 Blogs stehen. Ich wage es zu bezweifeln, dass das irgendjemandem was bringen würde. Generell negiere ich auch die Wirksamkeit dieser Links selbst bei A-Listern. Denn, um nur mal ein Beispiel zu bringen: Johnny vom Spreeblick verlinkt mich in seiner Blogroll. Gestern hatte er laut Blogcounter 6393 Visits auf seiner Website. Davon kamen nur 16 über diesen Link auf meine Seite. Das sind rund 0,25%, oder anders gesagt: Ein Link in der Blogroll bei einem Topblog wie Spreeblick bringt so gut wie nichts. Das entkräftet die Behauptung, die Verlinkung zwischen den A-Listern würde eine homogene, viel beachtete und besuchte Gruppe von A-Listern erst entstehen lassen.

Ich persönlich vermute ohnehin, dass Links weit weniger bedeutend sind, als angenommen wird. Das Publikum von Rebellen ohne Markt liegt bei 1/3 bis 1/2 von dem, was Spreeblick hat, clickt aber die links stehende Girlreihe öfter. Aber auch nicht besonders, mehr als 30, 40 Hits am Tag sind es kaum. Auch bei mir kommen die Leute vor allem wegen diesem Blog hier, und sicher nicht mehr als 10% nutzen die Blogroll.

Selbst, wenn ich in einem Beitrag verlinke, gibt es selten mehr als 300 Visitors, die dem Link folgen; das entspricht maximal 20% der täglichen Leser hier. So hat es der gestern verlinkte und heiss debattierte Beitrag von Media-Ocean nicht mal in die Top-100 bei Blogcounter geschafft, sprich, weniger als 370 Visits bekommen.

Und würde denn wirklich jemand clicken, wenn ich alle Verlinker hier jeden Morgen entgegen meiner Gewohnheit - denn eigentlich ist mir das von wenigen Ausnahmen abgesehen völlig wurscht - rausziehen und publizieren würde?

http://www.zielpublikum.de/blogs.htm
http://www.vuck.net/blog
http://www.svenscholz.de/?p=395
http://www.subfrequenz.net/linker/index.php?cat=33
http://www.rola.ndgu.de
http://www.odenwald-geschichten.de
http://www.myblog.de/somlu
http://www.nerdcore.de/wp/2005/09/26/ich-bin-deutschland-2
http://www.mischamandl.de/blog/2005/09/25/blogs-in-der-wissenschaft.hartz4
http://www.mela.de

Das ist jetzt nur mal die unterste Ecke meiner Referrer vom heutigen Morgen. Drüber kommt noch fünf bis zehn mal so viel. Wer es selbst anschauen will: Hier clicken und den Seitenquelltext aufrufen. Sowas müsste ich den obigen Theorien zufolge jeden Morgen machen, um kein elitäres, kleine Blogger ausbeissendes, pardon hier darf ich, Arschloch zu sein. Natürlich auch noch sauber verlinken, damit es mir das Layout nicht zerschiesst, und mit einer Empfehlung versehen. Sorry, das macht keiner, das geht schlichtweg nicht.

Und dann ist da noch was: Die Trackbacks. Das Linken auf Gegenseitigkeit kann man sich dadurch bei konkreten Debatten komplett sparen, das steht dann einfach im Kommentar. Wenn jemand hier einen Trackback setzen will, kann er das manuell in den Kommentaren tun. Wird oft genug gemacht. Das kann mitunter nervig sein, es gibt leider genug Trackbackspam und oft auch Blogger, die um des Trackbacks wegen trackbacken, ist aber längst normal. Jeder kann sich also bei einem A-lister einklinken. Wenn es dann langfristig mit dem Traffic und dem Wachstum nicht klappt, ist nicht das Problem des A-Listers. Erst, wenn man ihn dazu zwingen würde, sich um alle anderes zu kümmern, seine Leser aufzufordern, dort bitte doch auch das Blog voranzubringen, wäre die egalitäre Bloggerei vorbei. Dann würde ich dicht machen.

Ich komme zum Schluss: Die obige Analyse zur Hierarchie der Blogger ist falsch; ihre Argumente halten einer Überprüfung nicht stand. Sie kann nur entstehen, wenn jemand von Aussen kommend aufgrund seiner nicht auf die Blogosphäre übertragbaren Medienkenntnisse eine falsche Fragestellung entwickelt, einen verzerrten Eindruck vom Wesen der A-Lister hat und aus nicht verstandenen Toplisten unzulässige Rückschlüsse zur Stützung seiner Thesen zieht. Ohne auch nur ein mal mit denen zu reden, die im Zentrum seiner Untersuchung stehen, A-Lister wie die anderen Blogger. Was dann in einem fernen Land übernommen und in einem wissenschaftlichen Vortrag entsprechend kolportiert wird.

Und dann gibt es also Jungsakademiker, die meinen, es wäre unanständig, wenn man das Wort Ficken verwendet. Na ja. Wenn sie meinen.

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