Donnerstag, 23. Dezember 2004
Verpuffung im Laboratorium
Man konnte das Lab nicht übersehen, obwohl es nur im Souterrain, zwischen massiven Kellerwänden in der Kastanienallee lag. Draussen an den Wänden waren Pädophilen-Pinups: Grosse Photos vom sehr dünnen, melancholisch dreinblickenden Leuten, die die Produkte des Labs zur Schau trugen. T-Shirts, die von den hier massenhaft in den Gossen auffindbaren Jungdesignern gestaltet wurden. Anders, frech, Mitte. Das, was die Tübinger Zahnarzttochter daheim ihrer früheren besten Freundin zu Weihnachten schenkt. Das, was sich die jungen Touris aus Gelsenkirchen als Andenken kaufen. Das, was der One-Night-Stand am nächsten Morgen im Frühstücksbett tragen würde, wenn man sich denn einen One-Night-Stand trotz überzogenem Konto leisten könnte.
Drinnen waren Leute, die nach dem optischen Eindruck auf die Entdeckung durch eine Vorabendserie, einen Verleger oder eine Casting Agentur hofften. Solange verkauften sie eben T-Shirts, und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass es in der Post-New-Economy funktionieren könnte: Billig, schnell, trendy, an der richtigen Stelle des Slums gelegen. Offensichtlich waren doch zu wenig junge Leute da unten im Keller. Jedenfalls kam das dann ganz plötzlich:

Vielleicht war das Telefon schon weg, bevor man noch die früheren gestalter informieren konnte. Vielleicht war das telefon noch da, aber das Personal schon weg. Vielleicht ist den Leuten bei der Mama in Hamburg erst beim Ausräumen aufgefallen, dass da noch was offen sein könnte. Aber so ist das nun mal, wenn so eine junge, schicke Idee mal schnell verpufft, immer das gleiche, wie in der NE, dachte ich, summte History Repeating von den Propellerheads, und schoss das Bild.
Ist das Ihr Laden, fagte mich einschlacksiger, junger Türke, der meinen Anzug und die Krawatte wohl für die Uniform der Makler hielt. Sind Sie der Vermieter?
Nein, sagte ich, und musste lächeln, auch, weil ich an das hier dachte.
Ah - ok, meinte er, und erzählte dann seinen Freunden, was für einen tollen Handyladen man hier machen könnte.
Drinnen waren Leute, die nach dem optischen Eindruck auf die Entdeckung durch eine Vorabendserie, einen Verleger oder eine Casting Agentur hofften. Solange verkauften sie eben T-Shirts, und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass es in der Post-New-Economy funktionieren könnte: Billig, schnell, trendy, an der richtigen Stelle des Slums gelegen. Offensichtlich waren doch zu wenig junge Leute da unten im Keller. Jedenfalls kam das dann ganz plötzlich:

Vielleicht war das Telefon schon weg, bevor man noch die früheren gestalter informieren konnte. Vielleicht war das telefon noch da, aber das Personal schon weg. Vielleicht ist den Leuten bei der Mama in Hamburg erst beim Ausräumen aufgefallen, dass da noch was offen sein könnte. Aber so ist das nun mal, wenn so eine junge, schicke Idee mal schnell verpufft, immer das gleiche, wie in der NE, dachte ich, summte History Repeating von den Propellerheads, und schoss das Bild.
Ist das Ihr Laden, fagte mich einschlacksiger, junger Türke, der meinen Anzug und die Krawatte wohl für die Uniform der Makler hielt. Sind Sie der Vermieter?
Nein, sagte ich, und musste lächeln, auch, weil ich an das hier dachte.
Ah - ok, meinte er, und erzählte dann seinen Freunden, was für einen tollen Handyladen man hier machen könnte.
donalphons, 15:39h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 19. Dezember 2004
Klunkern
Nachdem wir das Geschäft abgeschlossen hatten, müssen sie gedacht haben, ich wäre reich - schliesslich waren mir 20 Euro hin oder her nicht so wichtig. Es war nicht wirklich mein Geld, ich hatte einfach keine Lust mehr auf Verhandlungen und Feilschen. Jedenfalls machten sie mir noch ein paar Angebote - am Ende dann gefälschte Luxusuhren zu erstaunlich günstigen Preisen - in Bayern zahlt man leicht das drei- oder viefache, wenn man so etwas möchte. Viele junge Männer, die nebenan rabeiten, würden diese Uhren tragen, sagten sie, der Vertrieb sei für sie so eine Art Nebenerwerb geworden.
In der Nachbarschaft, fast unnötig zu sagen, sind weniger prunksüchtige Migranten, als vielmehr einige der bekannteren Reste der New Economy.
In der Nachbarschaft, fast unnötig zu sagen, sind weniger prunksüchtige Migranten, als vielmehr einige der bekannteren Reste der New Economy.
donalphons, 00:10h
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Donnerstag, 16. Dezember 2004
Clean Picture Contest
Alles sauber aufgeräumt. Viele Lichter sind an, viele sitzen an ihren Standardtischen und arbeiten Standardaufgaben ab. Schnell, effektiv, zielstrebig, zumindest, was die Punkte und das Diplom angeht.

Es gibt Tage, da mag ich das dumme, nichtssagende Geplapper, das Abgleichen ihrer Phantasie mit den Phantasien, die ich an anderen Orten mitbekomme. Man kann ihnen aber auch erzählen, wie schlimm das da draussen ist; es stört sie nicht, denn sie begreifen es als Chance. Sie sehen nicht die 100, die auf die Fresse fliegen, sondern den einen, der sein Stolpern als Erfolg feiert.
Es gibt Nächte, in denen ich rüberschaue und The Doors laufen lasse, wie heute Nacht, wenn sogar bei denen manche anfangen, den Irrsinn zu hinterfragen, der da drinnen geschieht. Ich höre Riders on the storm. Aber bevor ich es Ernst nehme, denke ich doch eher an Hoppe Hoppe Reiter und die darin enthaltenen universellen Lebensweisheiten, und summe es ihnen durch das Dunkel zu.
Morgen wieder Dreck aus Berlin.

Es gibt Tage, da mag ich das dumme, nichtssagende Geplapper, das Abgleichen ihrer Phantasie mit den Phantasien, die ich an anderen Orten mitbekomme. Man kann ihnen aber auch erzählen, wie schlimm das da draussen ist; es stört sie nicht, denn sie begreifen es als Chance. Sie sehen nicht die 100, die auf die Fresse fliegen, sondern den einen, der sein Stolpern als Erfolg feiert.
Es gibt Nächte, in denen ich rüberschaue und The Doors laufen lasse, wie heute Nacht, wenn sogar bei denen manche anfangen, den Irrsinn zu hinterfragen, der da drinnen geschieht. Ich höre Riders on the storm. Aber bevor ich es Ernst nehme, denke ich doch eher an Hoppe Hoppe Reiter und die darin enthaltenen universellen Lebensweisheiten, und summe es ihnen durch das Dunkel zu.
Morgen wieder Dreck aus Berlin.
donalphons, 03:21h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 15. Dezember 2004
Mint
Ende der 80er Jahre gab man sich in der Provinz jede erdenkliche Mühe, die Stadt das zu machen, was man in Unkenntnis der Kunstgeschichte und in Ermangelung jeglichen Geschmacks als "modern" bezeichnete. Modern war zum Beispiel das Entkernen historischer Gebäudekomplexe und der Durchbruch von überdachten Passagen. Tatsächlich ist das eine der Ideen, die Personen wie Le Courbisier durchaus befürwortet hätten - nur vielleicht nicht in gewachsenen Strukturen, die er selbst durchaus zu schätzen wusste. Aber was versteht davon schon ein junger Architekt in der Provinz, dessen Stilerziehung durch Ikea und Hin&Mit geprägt war? Soviel, dass eine fette Passage mit einem dynamischen Schwung versehen wird, und um das noch zu betonen, wird der Boden zweifarbig gestaltet:

Rechts in Mint, links in Lachsrosa, dazwischen eine gewellte Metallschiene. Das macht jedes Ensemble des 17. Jahrhunderts modern, keine Frage. Zur Rettung der fraglos wichtigen Gemütlichkeit erhielt das Lokal rechts rustikale Rundbogenfenterchen und eine historisch durchaus korrekte gelbe Türumrahmung. Die neubarocke Laterne wird, wie der Rest, von oben neon- und halogenbestrahlt.
Immerhin überlebte in dieser Ecke ein Laden, der über Jahre hinweg die männliche Jeunesse Doree der Provinz mit Kleidung versorgte, bis er schliesslich, angekotzt von der miesen Lage, vor drei Jahren in eine andere Ecke zog. Die Kneipe links davon wird, trotz Innenhof, nur alle paar Jahre mal kurzzeitig an irgendwelche Cafes vermietet, die dann schnell wieder pleite gehen. Nur selten hallen Schritte von Passanten durch die Gänge. Das hat man sich anders vorgestellt, Ende der 80er Jahre, denn schon damals baute man nicht für Menschen, wie sie sind, sondern für Menschenentwürfe, die man gern so konsumgeil, geschichtslos und immer den neuesten Einfällen hinterher jagend gehabt hätte.
Es gibt in Jerusalem das Goldene Tor, von dem Hesekiel sagt, dass eines Tages der Messias bei seiner Wiederkehr durch dieses Tor schreiten wird. Das hier ist das Goldene Tor der New Economy. An dem Tag, an dem hier alle Geschäfte voll sind, und hunderte von Shoppern die neuesten Waren aus den Stapeln reissen, und Freudentänze über das neueste Gigabit-Handy mit 5G und Millionen von Location Based Services aufführen, auf dem ihnen wunderschön erscheinenden Fussboden in Mint und Lachsrosa, und über die überdachte Passage und ihre Schönheit jubeln - an diesem Tag wird eine neue New Economy auch in die zahlungskräftige Provinz kommen und siegen.
Bis dahin allerdings, vermute ich, könnte es noch etwas dauern. Mindestens, bis der Messias kommt.

Rechts in Mint, links in Lachsrosa, dazwischen eine gewellte Metallschiene. Das macht jedes Ensemble des 17. Jahrhunderts modern, keine Frage. Zur Rettung der fraglos wichtigen Gemütlichkeit erhielt das Lokal rechts rustikale Rundbogenfenterchen und eine historisch durchaus korrekte gelbe Türumrahmung. Die neubarocke Laterne wird, wie der Rest, von oben neon- und halogenbestrahlt.
Immerhin überlebte in dieser Ecke ein Laden, der über Jahre hinweg die männliche Jeunesse Doree der Provinz mit Kleidung versorgte, bis er schliesslich, angekotzt von der miesen Lage, vor drei Jahren in eine andere Ecke zog. Die Kneipe links davon wird, trotz Innenhof, nur alle paar Jahre mal kurzzeitig an irgendwelche Cafes vermietet, die dann schnell wieder pleite gehen. Nur selten hallen Schritte von Passanten durch die Gänge. Das hat man sich anders vorgestellt, Ende der 80er Jahre, denn schon damals baute man nicht für Menschen, wie sie sind, sondern für Menschenentwürfe, die man gern so konsumgeil, geschichtslos und immer den neuesten Einfällen hinterher jagend gehabt hätte.
Es gibt in Jerusalem das Goldene Tor, von dem Hesekiel sagt, dass eines Tages der Messias bei seiner Wiederkehr durch dieses Tor schreiten wird. Das hier ist das Goldene Tor der New Economy. An dem Tag, an dem hier alle Geschäfte voll sind, und hunderte von Shoppern die neuesten Waren aus den Stapeln reissen, und Freudentänze über das neueste Gigabit-Handy mit 5G und Millionen von Location Based Services aufführen, auf dem ihnen wunderschön erscheinenden Fussboden in Mint und Lachsrosa, und über die überdachte Passage und ihre Schönheit jubeln - an diesem Tag wird eine neue New Economy auch in die zahlungskräftige Provinz kommen und siegen.
Bis dahin allerdings, vermute ich, könnte es noch etwas dauern. Mindestens, bis der Messias kommt.
donalphons, 17:40h
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Dienstag, 14. Dezember 2004
Realität killt Phantasie
Wenn ich behaupten würde, eine BWL-Elitesse würde ein Blog führen und darin schreiben:
"Wir haben Ethik und da die meisten sich ziemlich langweilen wird eben gesurft, was das Zeug hält. Was will man sonst schon machen ;) Hoch lebe das WLan im Hörsaal ;)"
würde jeder sagen, ach, der Don, der übertreibt mal wieder mit seinen Schwarz-Weiss-Klischees. Oder so.
"Wir haben Ethik und da die meisten sich ziemlich langweilen wird eben gesurft, was das Zeug hält. Was will man sonst schon machen ;) Hoch lebe das WLan im Hörsaal ;)"
würde jeder sagen, ach, der Don, der übertreibt mal wieder mit seinen Schwarz-Weiss-Klischees. Oder so.
donalphons, 22:41h
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Montag, 13. Dezember 2004
Hyper Vereinsbank
Nicht New Economy. Immobilien waren das ganz grosse Ding, schon für die Hypo, dann auch für den gemergeden Koloss aus München, der jetzt wegen mancher fauler Facilities als käuflich gilt.
Den VC ad_astra haben sie mit etwas Spielgeld erst recht spät aufgemacht, ein VC de la derniere minute im Juli 2000, ausserdem gehört er ihnen nicht allein. Ich habe einen Regenschirm von ad_astra. An Tagen wie heute, wenn keine Wolke am Himmel ist und die Strassen voller Einkäufer, die sich am Automaten mit Geld vollspritzen lassen, wenn ich mit meiner kleinen Schwester alte Uhren und Mercedes SLK gucken gehe und man schon wieder draussen sitzen könnte, dann frage ich mich, warum um alles in der Welt ausgerechnet Regenschirme in München verschenkt werden.

Wenn ich aber an den traurigen Event zurückdenke, zu dem ich ihn bekommen habe, im selben tristen Saal des hauses der bayerischen Wirtschaft, in dem auch die Kirch-Pleite verlesen wurde, dann weiss ich es wieder. Der Schirm war besser, hat länger gehalten als die meisten Startups, viele Anwesende und einige VCs. Aber wenn es denen "nass neigeht", wie man das in Bayern so schön umschreibt, hilft auch kein Schirm mehr.
Den VC ad_astra haben sie mit etwas Spielgeld erst recht spät aufgemacht, ein VC de la derniere minute im Juli 2000, ausserdem gehört er ihnen nicht allein. Ich habe einen Regenschirm von ad_astra. An Tagen wie heute, wenn keine Wolke am Himmel ist und die Strassen voller Einkäufer, die sich am Automaten mit Geld vollspritzen lassen, wenn ich mit meiner kleinen Schwester alte Uhren und Mercedes SLK gucken gehe und man schon wieder draussen sitzen könnte, dann frage ich mich, warum um alles in der Welt ausgerechnet Regenschirme in München verschenkt werden.

Wenn ich aber an den traurigen Event zurückdenke, zu dem ich ihn bekommen habe, im selben tristen Saal des hauses der bayerischen Wirtschaft, in dem auch die Kirch-Pleite verlesen wurde, dann weiss ich es wieder. Der Schirm war besser, hat länger gehalten als die meisten Startups, viele Anwesende und einige VCs. Aber wenn es denen "nass neigeht", wie man das in Bayern so schön umschreibt, hilft auch kein Schirm mehr.
donalphons, 22:04h
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Rammstein
sind die Milli Vanilli der sterbenden New Economy. Grad eben, auf dem Weg zum Bäcker, fuhr ein idealtypisches TT Cabrio vorbei, mit "zu verkaufen"-Schild am Seitenfenster, und entsprechendem Gitarrengeschrammel.
donalphons, 14:18h
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Sonntag, 12. Dezember 2004
Warum sie es tun?
Weil sie sich gut dabei fühlen. Hey, sie sind nicht so faule Säcke vor der Glotze, sie sind produktiv und sitzen auch Sonntags um 7 noch an der Arbeit, weil ja für morgen noch viel vorzubereiten ist. Sie sind nicht einsam, denn das ganze Team ist da und klotzt ran, Stunde für Stunde, nebenbei Fast Food vom mobilen Smart-Japaner von der Sushi Factory. Das Stockwerk glüht in den Dunst der frühen Nacht, es ist die Stunde der Sieger.

Sie tun es für sich, und für den Fortbestand des goldenen Zeitalters, für ein Leben, wie es früher mal im Manager Magazin beschrieben wurde. Und nicht dafür, dass 20% von ihnen, wie im Manager Magazin gerade eben auch steht, demnächst überflüssig sind. Arbeit hilft gegen die Krankheit Denken, besonders Sonntag Abend, wenn das Gift der Erkenntnis im Hirn sticht. Und billiger als Koks ist es auch.

Sie tun es für sich, und für den Fortbestand des goldenen Zeitalters, für ein Leben, wie es früher mal im Manager Magazin beschrieben wurde. Und nicht dafür, dass 20% von ihnen, wie im Manager Magazin gerade eben auch steht, demnächst überflüssig sind. Arbeit hilft gegen die Krankheit Denken, besonders Sonntag Abend, wenn das Gift der Erkenntnis im Hirn sticht. Und billiger als Koks ist es auch.
donalphons, 21:13h
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8 Frauen, 3 Männer
Ende Oktober 2001, Elmau, Founders Forum. Die Schnorrer kamen nicht, weil es nicht mehr umsonst war. Ich kam aus Sentimentalität. Es war ziemlich genau 2 Monate nach meinem abrupten Ausstieg aus dem Kern der Szene, und ich fühlte noch den Rauch und die Glut der Vernichtung, der ich damals knapp, ganz knapp entgangen war. Wir fuhren unter dem sagenhaft blauen Himmel des Oberlandes in die Alpen, und ich empfand wie ein Jagdflieger, der aus dem Inferno hinaus in eben jenes unendliche Blau rast, und nichts mehr sieht als dieses Blau und den Glanz der Sonne, während da hinten, unter ihm...
Am Empfang kümmerten sich neben den drei obligatorischen Männern die üblichen acht Frauen um uns. Das waren keine Hostessen, keine mal eben angeleierten Studentinnen, sondern Mitglieder der damals schon nicht mehr ganz so grossen Familie. Es gibt ein Photo von ihnen, alle zusammen in Schwarz und Blau. Alle sehr freundlich, und die kommenden drei Tage gab ich mir alle Mühe, nichts von dem zu erzählen, was ich hinter mir hatte, oder dem, was sie in den nächsten Monaten erwarten würde. Wir sprachen also nur über ihre Träume, Erwartungen, über die Talsohle, über all die Lügen dieses verdammten Jahres 2001. So Zeug wie "Er betonte, dass momentan eine sehr gute Zeit sei, um ein Unternehmen zu gründen." Er betonte aber nicht, dass er seinen eigenen Laden liebend gern los geworden wäre, was aber die VCs dann beim Essen rumtratschten.
Es waren, wie gesagt, acht Frauen, zwischen 22 und 28 Jahren alt. Heute spuckt Google nur noch über zwei von ihnen Informationen aus, und die sind nicht wirklich gut. Dabei sind wir hier noch in der boomenden, einzigartigen Munich Area. Bei den anderen kann man hoffen, dass sie die Kurve gekriegt haben, aber natürlich kann man sich nie sicher sein, ob man sich vielleicht nicht doch irgendwann wieder sieht, und dann die Stories hört, von denen man an diesem Oktobertag am Empfang gehofft hat, dass sie ihnen erspart bleiben würden. Die Männer sind noch im Geschäft.
Am Empfang kümmerten sich neben den drei obligatorischen Männern die üblichen acht Frauen um uns. Das waren keine Hostessen, keine mal eben angeleierten Studentinnen, sondern Mitglieder der damals schon nicht mehr ganz so grossen Familie. Es gibt ein Photo von ihnen, alle zusammen in Schwarz und Blau. Alle sehr freundlich, und die kommenden drei Tage gab ich mir alle Mühe, nichts von dem zu erzählen, was ich hinter mir hatte, oder dem, was sie in den nächsten Monaten erwarten würde. Wir sprachen also nur über ihre Träume, Erwartungen, über die Talsohle, über all die Lügen dieses verdammten Jahres 2001. So Zeug wie "Er betonte, dass momentan eine sehr gute Zeit sei, um ein Unternehmen zu gründen." Er betonte aber nicht, dass er seinen eigenen Laden liebend gern los geworden wäre, was aber die VCs dann beim Essen rumtratschten.
Es waren, wie gesagt, acht Frauen, zwischen 22 und 28 Jahren alt. Heute spuckt Google nur noch über zwei von ihnen Informationen aus, und die sind nicht wirklich gut. Dabei sind wir hier noch in der boomenden, einzigartigen Munich Area. Bei den anderen kann man hoffen, dass sie die Kurve gekriegt haben, aber natürlich kann man sich nie sicher sein, ob man sich vielleicht nicht doch irgendwann wieder sieht, und dann die Stories hört, von denen man an diesem Oktobertag am Empfang gehofft hat, dass sie ihnen erspart bleiben würden. Die Männer sind noch im Geschäft.
donalphons, 02:25h
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Sonntag, 5. Dezember 2004
Aktionärstag
Eintritt frei, steht auf denPlakaten am Ludwig Erhard Haus, ganz gross, damit auch ja keiner auf die Idee kommt, da drinnen könnte jemand auf sein Geld scharf sein. Die Hostessen am Eingang kassieren nicht, sie wollen nur helfen. Ich bin eher schlecht angezogen, braun in braun in braun, und fühle mich noch nicht mal deplaziert. Relativ gesehen ist mein Button-down-Kragen schon fast dezente Extravaganz, im Vergleich zu den angestaubten Herren, die Krawattennadeln in Gelbgold mit Yachtmotiv und Brillianten tragen; dezent wie das Lametta eines Rappers aus Neukölln.
Ich warte auf einen Freund, der hier auch nur incognito ist. Gleich neben mir ist der Stand von Epigenomics, einem ziemlich vergeigten IPO dieses Jahres, dessen Chef, nachdem seine Multimillionenträume nicht wahr geworden sind, schon mal mit der Abwanderung in die USA drohte. Niemand hat sie gehalten, und jetzt sind sie in Person eines einsammen Herrn vor einem Laptop und einer sinnentleerten Stellwand doch wieder da.

Was nicht da ist, ist Kundschaft. Ein paar hundert Leute sind es vielleicht am Ende des Tages; Standpersonal besucht sich gegenseitig. Überall liegen unabgeholte Stapel der einschlägigen Druckerzeugnisse ohne Markt herum. Aus der Kantine riecht es absurd; irgendwelches Fleisch schwimmt in den Tiefen der Sossenkessel, und der Salat liegt hier sicher auch schon seit dem vorletzten Wirtschaftswunder, so labbrig, wie er aussieht.
Dezente Gespräche. Viel freier Raum, ungebremste Bewegung, ab und an mal ein Aufzug nach oben, wo in halbleeren Räumen Powerpoints vorgeführt werden. Vorsichtiger Pessimismus. IPOs wird es auch 2005 kaum geben. In der Mitte steht ein teures Auto, das sich hier kaum jemand wird leisten können, wenn man mal die Schuhe der Leute hier anschaut. Aktien waren in Berlin nicht das ganz grosse Ding, Fonds liefen hier besser, besonders mit Immobilien. Schräg gegenüber ist die Berliner Bank, die das jetzt ausbaden muss.
Ich verkneife mir die Frage an einen Medienvertreter einer gewissen Zeitschrift, ob sie dieses Jahr Weihnachtsgeld bekonmmen, nachdem sie nochnmal 15% Auflage verloren haben, wie ich bei meinen Recherchen herausgefunden habe. Mein Bekannter kommt. Wir gehen woanders hin essen, und reden über andere Dinge.
Ich warte auf einen Freund, der hier auch nur incognito ist. Gleich neben mir ist der Stand von Epigenomics, einem ziemlich vergeigten IPO dieses Jahres, dessen Chef, nachdem seine Multimillionenträume nicht wahr geworden sind, schon mal mit der Abwanderung in die USA drohte. Niemand hat sie gehalten, und jetzt sind sie in Person eines einsammen Herrn vor einem Laptop und einer sinnentleerten Stellwand doch wieder da.

Was nicht da ist, ist Kundschaft. Ein paar hundert Leute sind es vielleicht am Ende des Tages; Standpersonal besucht sich gegenseitig. Überall liegen unabgeholte Stapel der einschlägigen Druckerzeugnisse ohne Markt herum. Aus der Kantine riecht es absurd; irgendwelches Fleisch schwimmt in den Tiefen der Sossenkessel, und der Salat liegt hier sicher auch schon seit dem vorletzten Wirtschaftswunder, so labbrig, wie er aussieht.
Dezente Gespräche. Viel freier Raum, ungebremste Bewegung, ab und an mal ein Aufzug nach oben, wo in halbleeren Räumen Powerpoints vorgeführt werden. Vorsichtiger Pessimismus. IPOs wird es auch 2005 kaum geben. In der Mitte steht ein teures Auto, das sich hier kaum jemand wird leisten können, wenn man mal die Schuhe der Leute hier anschaut. Aktien waren in Berlin nicht das ganz grosse Ding, Fonds liefen hier besser, besonders mit Immobilien. Schräg gegenüber ist die Berliner Bank, die das jetzt ausbaden muss.
Ich verkneife mir die Frage an einen Medienvertreter einer gewissen Zeitschrift, ob sie dieses Jahr Weihnachtsgeld bekonmmen, nachdem sie nochnmal 15% Auflage verloren haben, wie ich bei meinen Recherchen herausgefunden habe. Mein Bekannter kommt. Wir gehen woanders hin essen, und reden über andere Dinge.
donalphons, 18:09h
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