Klassenkampf mit Oben

Hier ist der neueste Beitrag der Stützen der Gesellschaft. Es sind ein paar Dinge, die ich unbedingt nochmal erzählen wollte, daher geht der Text auch so durcheinander, hat keinen richtigen Kern. Er ist in meiner Intention nur schwer verständlich und, wenn man zu wenig über mich weiss, auch nicht zu entschlüsseln. Ich weiss schon, warum ich gerne die Fähigkeiten des Kastaniensammelns kultiviere.

Es gibt diesen schönen Spruch als Lampedusas Leopard, der besagt, es müsse sich alles ändern, damit alles gleich bleiben kann. In einer Abwandlung würde ich nach den letzten Tagen sagen, dass sehr viel geschehen muss, damit nichts geschieht. Und es kann sehr viel geschehen, weil mir auf einer anderen, sehr wichtigen Ebene nichts geschehen kann.

Der Beitrag, den ich wirklich hätte schreiben müssen, hätte sich mit Privilegien auseinandergesetzt, und der Frage, wie man sie einsetzt. Das seltsame ist, dass unsereins immer panisch darauf bedacht ist, die Privilegien abzustreiten und zu leugnen, bis der Moment da ist, da man sie wirklich braucht. Da gleitet man nicht hinein, es ist wirklich ein Entweder-Oder. Entweder man kommt ohne sie aus, oder man nutzt sie, dann aber ohne jede Rücksicht. Und das ist es, was uns, von Aussen betrachtet, so unkontrollierbar macht. Wir sind keine Soziopathen, wir sind einfach nur gefangen in Konventionen, von denen uns zu berfreien eigentlich keinem geraten werden kann. Zumal wir es auch nie gelernt haben. dann das richtige Mass zu finden. Es ist bei uns wie mit Karl Moor, die Beritschaft, das Gefüge der Welt ins Wanken zu briungen, ist nach dem Ende der onventionen immer da. Wir wissen, dass es nicht richtig ist, aber hinter diesem Punkt ist uns das vollkommen egal. Wir ordnen uns bereitwillig Zwängen unter, bis das nicht mehr geht, und danach gibt es kein Halten mehr.



Kurzum, wir sind nicht wirklich das, was man als kompromisstauglich bezeichnet. Das kommt noch aus einer Epoche weng ausgeprägter staatlicher Strukturen, als die Klasse und die Familie weite Teile des Verhaltens vorschrieben. So eine geschlossene Gesellschaft kann vermutlich wirklich nur existieren, wenn sie klare Regeln hat, und dahinter kommen dann eben keine Regeln mehr. Es gibt immer noch einen aberwitzigen Ehrbegriff, über den ich mich selbst dauernd lustig mache, bis ich merke, wohin ich selbst davon getrieben werde. Ich stelle das über alles. Mir sind mein Beruf, meine Beziehungen, jahrelang gepflegte Kontakte egal, wenn es um die Ehre geht. Ich habe überhaupt kein Interesse, etwas zu tun, wenn meine Loyalität als irrelevant betrachtet wird. Und das kann man sich nur leisten, wenn man aus meiner Welt kommt. In allen anderen Welten sieht das total irre und bescheuert aus, aber, wir sind ja im entgrenzten Stadium, da kann man das auch sagen, das ist ja auch der Grund, warum wir immer noch eine Klassengesellschaft haben: Echte Partner mit unseren Ehrbegriffen finden wir nun mal am besten bei uns selbst. Wölfe zu Wölfen, Pudel zu Pudeln.



Und das ist auch der Grund, warum man genau so ist: Die eigene Klasse versteht es, wenn man es so macht, und dabei am anderen System scheitert. Das gehört dazu, man kann nicht jeden Kampf gewinnen, und es gibt genug andere Mögiichkeiten. Man kann nach unseren Regeln ehrenhaft verlieren, und dann anderweitig weitermachen. Andere Systeme sind gegenüber Versagern weitaus anfälliger, da sind dann genug Mittelenthemmte da, die jede Chance nutzen, um sich selbst nach vorne zu bringen. Eine Klasse hat überhaupt kein Interesse daran, die eigenen Mitglieder beim ehrenhaften Scheitern den Ratten vorzuwerfen, und es muss schon viel passieren, bis man sich auch von weniger sauber agierenden Mitgliedern wirklich trennt. Man will das eigene System aus Rücksichten und Vorteilen nicht gefährden. Das alles spielt in Kreisen, in denen kein Raum für Rücksichten da ist, keine Rolle. Überhaupt keine, wie ich festgestellt habe.



Das grossbürgerliche Zeitalter, das lerne ich jeden Tag auf's Neue, die Welt, für die ich in der bayerischen Provinz erzogen wurde, gibt es nicht mehr. Was es noch gibt, ist die Klasse, und je älter ich werde, desto besser verstehe ich, warum es sie gibt, und warum sie so ist. Warum, denkt man sich immer wieder, verbeissen die sich in die Sachen so rein. Warum all diese unerbittlichen Kämpfe um vollkommen unbedeutende Anlässe, warum immer prinzipiell und ohne Bereitschaft in Zwischenlösugen zu denken. Warum sehen sie nicht, dass man anders vielleicht weiter kommen würde.

Weil sie so sind, und weil sie das können. Und weil sie gelernt haben, dass der Rest alles andere erheblich besser kann. Nur die totale Hingabe ohne Rücksicht auf eigene Verluste, das können sie nicht.

Wir haben Reserven und Alternativen. Die nicht.

Montag, 12. November 2012, 23:50, von donalphons | |comment

 
so ist es.

man wird von seiner erziehung getragen. man kommt in realität doch kaum von ihr los, wenn man es wollte, und irgendwann erkennt man, dass sie gar zum vorteil gereicht.

und ja, die anderen können es nicht. wenn man dies an sich heranliesse, so könnte sich von dieser anderen seite ein enormes aggressionspotential ergeben.

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Für mich ist dieser Text nicht weniger hermetisch als jener in den "Stützen der Gesellschaft". Aber immerhin, man merkt die Absicht und ist _nicht_ verstimmt. Es gehört ja nicht alles in die Öffentlichkeit und dem Betreffenden wird schon klar sein, worum es geht. Ist es aber nicht eher so, daß es um Würde und nicht so sehr um die Ehre geht? Ehre, Respekt und dergleichen kommt von außen, Würde und "innere Verfassung" kann einem niemand nehmen, wenn man es nicht selbst zuläßt.

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lieber Savall, ich lese den alfonsinischen text so, dass eben die ehre, das äussere tangiert wird - oder dass versucht wird, diese zu touchieren. die würde kann einem bei gewisser festigkeit (die gleichwohl auch ins wanken gebracht werden kann durch extreme umstände) im prinzip nicht genommen werden, da gebe ich ihnen recht; ehre erscheint doch äusserlicher, aber wer sagt denn, dass man dann keine berechtigung hätte, sich aufzuregen, wenn sie angetastet wird, so wie man sich auch echauffieren dürfte über den umstand, dass einem etwas auf die schuhe urinierte.

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"Würde" ist die positiv besetzte Ehre, das stimmt schon. In diesem Text klingt aber auch "Sturheit" an, der negative Teil der "Ehre", die man bis zur bewusst ausgelebten "Ignoranz" verzerren kann.

"Ehre" kann auch nur ein oberflächlicher Kampfbegriff sein, den man vorschiebt, um sich bestimmten Dingen aus den verschiedensten Gründen nicht stellen zu müssen. "Ehre" ist zumindest für mich persönlich ein Begriff, der so lange von ehrlosen Gesellen vergewaltigt wurde, dass er auf dem besten Wege ist, wie zB. "Vaterlandsliebe" alles positive zu verlieren, was dieser Begriff jemals enthalten hat.

Gut, man kann das auch ein Akzeptieren der Wirklichkeit nennen, da "Ehre" auch früher nur von wenigen Menschen tatschlich gelebt werden konnte und "Ehre" oft genug nur ein Schutzschild gegen das Wüten der Zeit war, die unbotmäßig am Fenster gerüttelt hat und eingelassen werden wollte.

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Würde hat so etwas menschliches. Ehre nicht, und daher trifft es ganz gut. Würde entsteht aus Zuneigung, Ehre aus Verachtung.

Ich finde das selbst nicht gut. Aber es ist eben so, und ich kann nicht anders.

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Es gibt Dinge, die gehen nicht. Punkt. Damit kann man aber nur umgehen und seine eigenen Lebensumstände entsprechend verändern. Glücklich ist, wer die Freiheit hat, das schnell und nachhaltig zu machen, Frustriert der, der aus welchen Gründen von Abhängigkeit oder Verantwortung auch immer, warten muss, strategisch vorgehen muss.

Das Problem ist aber, man kann das so schwer erklären. Ich habe mal vor vielen Jahren versucht, eine bestimmte Aktion von mir einem unbeteiligten Freund zu erklären - der hat es schlicht nicht verstanden. Und nicht deshalb, weil mir die Wrote fehlten, es waren eher derer zu viel. Sondenr weil es wirklich schwerfällt, etwas, was man nur ungefähr mit normierten Vorgaben für die unbewusste Gefühls- und Verhaltenssteuerung übersetzen kann, einem zu erklären.
Eine Form von unerschütterlichem Glaube an sich selbst und an das, was richtig ist. Und das, was man glaubt, wird eben (auch) durch die Klasse, durch die Sozialisation bestimmt.

Da können andere noch so herumtheoretisieren: die Menschen werden höchstens gleich geboren (und meist noch nicht mal das). Ab dem Datum der Geburt aber beginnt der Einfluss der Klasse, durch Eltern, Verwandte, Freunde.

Das einfache plakatieve Beispiel ist die aus ärmsten Verhältnissen emporgekommene Familie "Neureich". Die können ihr Geld schon 40, 50 Jahre haben, man wird es frühestens den Enkeln nicht mehr anmerken.

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"Und das kann man sich nur leisten, wenn man aus meiner Welt kommt."

Hm, das möchte ich aber jetzt genauer wissen. Welche Welt meinen Sie?

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Das ist mMn eigentlich klar: die Welt, in der finanzielles Risiko nicht dazu führt, dass man am Abgrund einen Schritt zu viel macht. Wo man auch einmal darauf verzichten kann eine Chance wahrzunehmen. Und wo man von der Familie und dem seit "Ewigkeiten" bestehenden Netz schon aufgefangen wird. Wo man sich also im schlimmst möglichen Fall nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen muss, um nicht zu viel zu verlieren.

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am anderen ende geht das interessantweise auch. man gibt nen ficker und macht erstmal schön in hartz.

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Nein.

Ich sehe ja gerade in den Medien, wie berufsbedingt Lebensentwürfe auseinanderbrechen. Mein Vorteil ist: Ich habe so etwas gar nicht. Alles, was ich habe, ist mein Kopf, eine Fähigkeit, die sonst fast niemand hat, und keinen Grund, dem Geld nachzulaufen. Meine Wohnungen gehören mir, ich kann mir mein Leben leisten, an der wand ist kein Platz mehr für Gemälde. Und was ich tue, kann ich von jedem Ort der Welt aus machen.

Man vergleiche das mit einem Printredakteur mit zwei Kindern und Miete.

Deshalb ist Ehre ja auch nichts positives. Ich finde das selbst blöd, bis ich es brauche.

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Danke!

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Die Texte hier werden in letzter Zeit zunehmend düster und kryptisch. Der Blog als Proxyfight. Weniger erbaulich.

Wenn man sich in dieser Welt einmal verweigert, ist man raus und der Kampf um die "Ehre" wird sehr verlustreich. Soviel habe ich verstanden. Aber auch schon aus eigener Erfahrung gewusst...

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Es gibt in meinem Leben eben ein paar Bereiche, über die schreibe ich generell nicht. Und dann gibt es noch ein paar Bereiche, die davon beeinflusst werden. Ich denke, ein Blog darf auch mal finster werden, wenn es mir hilft, mich zu finden.

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Ohne Zweifel, aber man macht sich halt Sorgen...

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Karl Moor und Michael Kohlhaas
Kleists Figur zeigt auch sehr gut, was passiert, wenn ein Mitglied der landed gentry mit Ehre, Stolz und Gechtigkeitsgefühl mutwillig und ignorant gereizt wird.
Kleist zeigt auch, was passiert, wenn der "Don" mit totaler Hingabe ohne Rücksicht auf eigene Verluste das Richtige durchzusetzen sucht.
Hier noch ein Blick auf das Männerschicksal, das heute durch die Medien geht. Ein Mann legt sich mit BANK und Ehefrau gleichzeitig an. Und verliert alles. ALLES.
Das Gute im Schlechten? Beates Felix felicis geht zur Neige.
(für Nicht-Potterianer Das Glück in Flaschen abgefüllt)

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Toller Beitrag. Nur wieviel ist von dem loyalen, aufrichtign Bürger DonAlphonso jetzt Kunstfigur und wie viel echt?

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naja dit musste schon selba rausfinden meen juter. einfach ma spontan vorbei fahrn. der chef liebt spontanen besuch



*duck*

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Hilfe, so dachte ich vor ein paar Tagen, jetzt zieht er nach Meran, geniesst die Aussicht und verliert seine ganze Bosheit.

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btw.: Kesten gibt auch im Taunus; dafür braucht's Meran nicht...

http://www.edelkastaniendorf-mammolshain.de/

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@betablogg

Dafür muss man nicht bis Mammolshain fahren. Die gibt es auch reichlich in Wiesbaden, an einer Stelle mit wohl noch besserem Mikroklima.

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An der Donau: Nichts. Aber: Klimaerwärmung!

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@gelegentlich

...tja, was habbe's mir Hesse doch guud...

...aber nach Wiesbade wege Keschde, des wär mir von Kö dann doch zu weid...

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Kronberg reicht, und da ist man auch meist allein, weil die Villenbesitzer meist ebendrin bleiben oder eh nicht da sind.

Ohnehin: mit Wiesbadenern macht man ja recht häufig so tacky posh Erfahrungen, das braucht nicht jeder. Die würden zum Teil auch noch in München auffallen.

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na ja, sind halt viele 'rücksiedler'. die haben andere prioritäten als den diskreten charme der bourgeoisie.

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Lieber Don,

herzlichen Dank für Ihren neusten Betrag bei den Stützen. Ich lese schon eine geraume Zeit bei Ihnen mit, aber dieser Beitrag hat mein Herz zutiefst berührt und ich bedanke mich dafür.
Auch ich habe mir die infantile Freude an den einfachen Dingen bewahrt - die Fähigkeit, darüber so treffend und anrührend zu schreiben, blieb mir dagegen leider verwehrt ... also vielen Dank für diese Gute-Nacht-Lektüre.

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Liebe ohneseiltänzerin,

das freut mich sehr, selbst wenn der Beitrag wirklich nur schnell runtergeschmiert war, aber das sind komischerweise oft die besten und obendrein dann auch die, die nicht kontrovers debattiert werden. Und infantil, eine gute Freundin meinte mal, dass Männer ab 12 nur noch mehr Jahre, aber nicht mehr Erfahrung sammeln.

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Ehre
Lieber Don,

der Text ist wirklich schön, so sehr, dass ich ihn gerne noch etwas ausführlicher gehabt hätte, denn er sticht etwas an, woran ich schon länger arbeite - die Ehre. Also, meine direkte Frage: was ist für Sie Ehre? Was muss jemand machen, damit Sie sich entehrt fühlen, oder an der Ehre gepackt?

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Ich denke, das mache ich, wenn ich nicht mehr in Weissglut bin und etwas Abstand habe. Aber ich mache es, versprochen. Ich denke, Ehre entzündet sich besonders an einer Mischung aus Nichtachtung, Wurschtigkeit, Distanzlosigkeit, Vertrauensbruch und Nichtachtung von Konventionen. Man kann über jedes einzelne Phänomen reden, aber wenn da mehr zusammenkommt, verstärkt sich das.

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Hätte es eher mit "Beleidigung, öffentlicher" assoziiert.

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Qu'est-ce que ce le "point d'honneur"?
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Quoi qu'il en soit: Dans le bordel, il n'en a point.

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Oder anders gesagt: Was im Puff passiert (was auch immer) gehört nicht vors Ehrengericht und kann auch keine Duellforderung begründen.

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Wobei das jetzt nich so böse klingen soll.
"Bordel" heisst auf französisch einfach soviel wie "Unordnung, Schlamperei, Sauladen" und könnte vielleicht auch mit "Wurstigkeit, Distanzlosigkeit, Pflichtvergessenheit", etc. übersetzt werden.
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"C'est le bordel dans ta chambre", sagen die französischen Eltern ihren Kindern, was auf deutsch etwa so viel heisst wie: "es wäre nicht völlig verkehrt, wenn Du demnächst mal wieder daran denken könntest, wie schon längst versprochen, irgendwann mal wieder dein Zimmer aufzuräumen."

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Zimmer à la bordelaise

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Männer entwickeln sich bis zum sechsten Lebensjahr, dann wachsen sie nur noch. :o)

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Natürlich weiß ich nicht so recht, ob es hier paßt...
Aber für diese offenen Worte muss man die FAZ und Ole v B einfach gern haben:
"Die CDU hat Angst"
http://m.faz.net/aktuell/politik/inland/im-gespraech-ole-von-beust-die-cdu-hat-angst-11956809.html

Sehr lesenswert. Und irgendwie auch mit dem Thema vershwägert.

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