: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 9. November 2012

Mehr Charme und Geschenke

Ich habe übrigens meine ganz eigene Theorie zum Medienwandel. Ich glaube, dass der Absturz der Zeitungen weniger etwas damit zu tun hat, dass die Informationen im Netz auch so zu haben sind. Der wirklich bedeutsame Faktor könnten auch die Onlineauftritte der Zeitungen selbst sein. Die Leser sagen sich dann nicht "Ah, ich habe das doch schon online gelesen, warum soll ich es kaufen", sondern "Also für das, was die da abliefern, zahle ich nicht". Ich glaube wirklich, dass Spiegel Online dem Spiegel massiv schadet. Und bei der Zeit stehen immer wieder sagenhaft bornierte Stücke im Netz, ganz gross aufgemacht, dass ich mir sage: Das braucht es einfach nicht. Und auch in der gedruckten FAZ gehen manche Beiträge einfach unter, die im Internet voll durchschlagen. Dabei geht es noch nicht mal um die Meinung, die darin transportiert wird, sondern einfach um Rechthaberei, Ignoranz und das völlige Fehlen von Charme. Und das kann in einem Land, die nun mal in den letzten 20 Jahren doch sehr charmant geworden ist, und, was zumindest das Zielpublikum solcher Produkte angeht, auch charmant unterhalten werden möchte, nicht gut gehen. Seit fast vier Jahren zeige ich, wie man reich, verwöhnt, ein wenig dumm und borniert sein kann, auch ein wenig rassistisch und obendrein mitunter sagenhaft ungebildet - aber es funktioniert. Weil es charmant ist, und die Leser das merken. Genauso merken sie es, wenn sie es mit uncharmanten, falschen und bigotten Leuten zu tun haben. Die welt wurde charmanter. Der Journalismus nicht. Damit kann man, wie die Welt, zum Sammelbecken der rechten Spinner werden. Aber das ist keine Garantie für das Überleben.







Uncharmant auch, aber unvermeidlich, dass ich auch mal wieder zurück muss. Ich war jetzt lange genug unterwegs, ich habe die Heimreise oft genug verzögert, aber so ein Haus hat die neigung, zickig zu werden, wenn man sich nicht darum kümmert. Ausserdem müssen Hausabrechnungen geschrieben werden, ich muss mit den Mieter plaudern, ob alles passt, und ganz ehrlich: Für wenig schöne Novembertage ist die eigene, grosse Wohnung mit vielen Möglichkeiten ideal. Nirgendwo ist regen trübsinniger als in Bergen, die man im Sonnenschein kennt.





Daheim ist alles wie immer, man ist so satt und zufrieden, wie man in Griechenland arm und kratzig ist. Im Hausgang ist alles voller Kartons, und eigentlich wäre das ein Anlass, mal mit den Mieterrn über Sauberkeit zu sprechen; leider sind es all die Dinge, die in den letzten Wochen von mir selbst bestellt wurden, und in meiner Abwesenheit ankamen. Die übliche Mischung aus Gemälden, Rennrädern, Stoffen, Glühbirnen (400 Stück, es ist ein grosses Haus, und wir produzieren zu viel Ökostrom, habe ich gehört). Kein Tablet, kein Rechner, keine Elektronik; man kommt sich im Internet ja irgendwie komisch vor, wenn man gar nicht weiss, wie gross diese Dinger sind, und wozu man sie brauchen könnte. Dafür kann ich Nägel in die Wand hauen, Glühbirnen wechseln und Räder herrichten.





Ich brauche das. Ich merke, ich gehe schon wieder ein wenig in Richtung drall, und es reicht, wenn es bei mir die Damen in Öl sind. Und so nehme ich, weil die Mieter ausgeflogen sind und ich nicht an die Daten komme, noch schnell ein paar Kilometer Landstrasse unter die Reifen echt deutscher Wertarbeit, wie man das früher nannte. Das war so ein typischer fall mit schlechten Bildern und untauglicher Beschreibung, und deshalb blieb es günstig: So günstig, dass es beim nächsten Besitzerwechsel sicher wieder sehr viel teurer sein wird. Und es ist auch eine kleine Belohnung. Wofür? Nun... das behalte ich für mich.







Und da stehe ich dann an der Grenze zwischen Tag und Nacht. Um 17 Uhr. Es ist nicht warm, es ist nicht schön, aber es ist das, was gerade möglich ist. Anderes wird sich vermutlich auch noch finden. Das Jahr wird noch etwas kürzer, aber es geht bei mir langsam, in kleinen, charmanten Schritten voran. Am Abend feile ich an einer halben Sexszene mit Blick über Meran. Man sollte immer so schreiben, als blickte man über das sonnige Südtirol, und nicht in die nächste Unwetterfront. Die Leser haben ein Recht darauf.

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Der Urlaub von der Bösartigkeit ist vorbei

10 Tage war ich fast nur nett und freundlich.

Das konnte natürlich nicht auf Dauer gut gehen, und so habe ich inzwischen in der FAZ darüber geschrieben, dass die infantile Nettigkeit konservativer Kreise keine Verdummung ist, sondern eine kluge Strategie des Überlebens. Schliesslich wollen wir ja nicht als vertrottelte Tea Party enden.

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