: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 13. März 2004

"alternde Nischenkultur"

eine Herabwürdigung der New Economy in der Zeit über Minusvisionen - so lange ist es noch gar nicht her. Von 1997 bis 2000 war es ein unaufhaltsamer Aufstieg, mit einem furiosen Finale im Frühling des Jahres. Bis Ende 2000 hiess es, das Einknicken des Neuen Marktes sei Konsolidierung. 2001 sagten die VCs, endlich könne man wieder günstig in Startups einsteigen. An einem Frühsommertag 2001 sass ich mit ein paar Gründern und Professoren im Cafe der Glyptothek in München, und sprach über neue Geschäftsmodelle. Nebenbei liess einer fallen, es wären noch nie so viele Startups gegründet wurden wie im ersten Halbjahr 2001. Die grossartigsten Parties, die besten Buffets sind noch keine drei Jahre her. Bis zum 11. September 2001 war die Hypemachine noch in voller Fahrt, und nur die Betroffenen litten unter den Pleiten - der Rest stürmte weiter vorran ins Nichts. Kurse und Workshops zur Krisenbewältigung wurden erst vor etwa zwei Jahren ins Leben gerufen.

Anders gesagt: Wir leben im Jahr 2 nach der Katastrophe, oder maximal Ende des vierten Jahren, wenn man den Crash 2000 zugrunde legt. Für den Holtzbrinck-Konzern, in dem die Zeit erscheint, ist es noch immer nicht vorbei. Denn auf jeder Seite ist Mr. Check und erinnert an das eigene Versagen.

Mr. Check ist pure New Economy. Es ist eine Corporate-VC-Gründung, von einer Firma namens Holtzbrinck Networx - man betrachte das x am Ende. Mr. Check gehörte zum Content Syndicator Xipolis, dessen Chef eines schönen Herbsttages des Jahres 2001 in München verkündete, seine Firma sei profitabel. Was er nicht sagte, war, dass der Zwangsvertrieb von Mr. Check auf den Websites des Holtzbrinck-Konzerns das Geld einbrachte. Wer nicht musste, nahm das Programm natürlich nicht. Die Zeit muss wohl bis heute, und steckt noch knöcheltief in einer Vergangenheit, die hässlicher kaum sein kann: Xipolis wurde letztlich zerschlagen, und der erfolgsverwöhnte Chef sass eineinhalb Jahre später zufällig an einem Nebentisch in einem typischen New-Eco-Cafe und hatte ganz neue Zukunftspläne.

Und das alles soll jetzt Vergangenheit sein. Geschichte. Hätten sie gerne. Denn Geschichte ist vorbei, abgeschlossen, belästigt kaum mit den eigenen Fehlern im eigenen Konzern, und zum Glück sind die Business Developer im eigenen Haus zu feige, ihre Fehler in einem Buch zu versammeln. Und darüber zu reden, dass in der Holtzbrinck-Networx-Geschichte auch eine halbstaatliche Bank Geld verloren hat.

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Pailetten

Immer wieder mal werden Pailetten hochgeschwemmt. Immer dann, wenn eine Revolte kommt. Zumindest seit der vorvorletzten Boom. Da machten Pailetten mit den 68ern Furore. Seitdem haftet den Metallplättchen etwas Aufrührerisches an.

Insofern war es kein Wunder, dass die rebellischen Grossmeister des Pret-a-Porter der späten 80er wieder darauf zurückgriffen. Pailetten konnten sich bei Byblos (längst pleite), Gibo (bedeutungslos), Gaultier (Survivor) und Montana (dank Parfum überlebt) neben dem obligatorischen Schwarz behaupten - sonst nichts.



Danach, als Yohi Yamamüde wurde und die Garcons nicht mehr commen, begannen die 90er mit dem Cocooning und schluffiger Mode. Pailetten wurden wieder ein Outfit für den Christopher Street Day und den Jahresempfang der Geiselhartinger CSU. Dann begann die New Economy, und plötzlich waren die Pailetten wieder da. Nicht an den Kleidern, aber an den Wänden der In-Locations, an denen sich das Licht brach und die Pupillen in irren Reflexen funkeln liess.

Ein paar Ecken weiter von diesem Bild war noch ein anderes Beispiel für schimmernde, leise klimpernde Funkelwände. Es hiess Goldrausch. Es sieht seit ein paar Wochen sehr tot aus.



Heute waren die Rolläden kurz oben. Die Pailetten sind rausgerissen.

In der Post lag eine Einladung zu einem Ball von Liz Mohn.

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