... newer stories
Dienstag, 3. Oktober 2006
Aus gegebenem Anlass
Katharina Hacker Rezension.
donalphons, 01:24h
... link (2 Kommentare) ... comment
Sehr zu empfehlen - Puzzle für Innendekoration
Berlin sollte nur 3 Monate dauern - es dauerte anderthalb Jahre, bis das Projekt wieder auf stabil und sauber lief, und ich die Stadt endlich verlassen konnte. Bilder habe ich kaum mitgebracht, zu unstetig und vorübergehend war der Aufenthalt. In München waren die Wände weitgehend voll mit Moderne, und in der Provinz über der Stadt war an den Wänden mit ihren Schrägen nicht viel Platz. Aber irgendwann, das wusste ich, würde ich genug Wände haben. Bilder gehören zu den Gegenständen, die man bedenkenlos auf Vorrat kaufen kann, solange sie nicht gerahmt sind, bis zum Moment der Hängung reicht ihnen eine weitgehend staubdichte, leicht durchlüftete Kiste aus schädlingsresistenten Holz als Ort der Aufbewahrung. Stiche zumal machen alles klaglos mit, denn ihr Papier, so es vor 1850 geschöpft wurde, kann Jahrtausende überdauern, und selbst die fein schwellenden Linien meines 400 Jahre alten Goltzius haben der Zeit problemlos widerstanden.
Hinweggefegt aber hat die Zeit zumeist die Rahmen, und die nun gilt es nachzukaufen, auszuprobieren und einzufügen. Was im ersten Moment nach einer leichten Aufgabe klingt, erweist sich schnell als nie enden wollende Plage. Denn DIN-Normen kannten die Alten nicht, und neue Rahmen ohne Patina und Macken lassen den ehrwürdigsten Triumpf von Alexis Loir grauenvoll kitschig aussehen. Was bleibt, ist die beschwerliche Suche nach alten Rahmen, und die sind mitunter alles andere als billig. Denn im Wissen um das Problem haben sich Händler gefunden, die Abhilfe schaffen - und zwar in der Form, dass sie am frühen Morgen die Flohmärkte abgrasen und das Erworbene danach mit hohem Gewinn weiterverkaufen. Unsereins muss dagegen lange suchen, bis sich Entsprechendes findet, das einen nicht gleich ruiniert.
Idealerweise hat so ein alter Rahmen ein Glas, ein Passepartout, und eine Rückseite aus stabilem Karton. Perfekt wäre es, wenn der die richtige Grösse hätte, doch da beginnt das Übel: Nachdem man kaum mit Butzenden von Bildmassen die Märkte absuchen kann, kauft man, was man kriegen kann, und versucht dann, die passenden Stiche zu finden. Mitunter fällt der Denker nach Giovanni Barbieri geradezu in den Rahmen, das dunkle Braun der Druckfarbe ergänzt sich fein mit dem hellbraunen Deckblatt - andererseits gibt es da diese römische Statue um 1680, die sich seit nunmehr 8 Jahren jedem Rahmen verweigert. Oder das fränkische Rokokoportal. Oder der Kostümumzug in Amsterdam.
Was zur Folge hat, dass sich zu den unpassenden Stichen irgendwann auch nicht passende Rahmen gesellen. Gesehen, gehofft, gekauft, zu gross, zu klein, zu schmal, nicht harmonisch oder einfach die falsche Farbe, es gibt immer wieder Kombinationen, die einen kapitulieren lassen. Und die Folge? Das nächste Mal sieht man einen Stich und denkt - da hätte ich den passenden Rahmen dafür. Vielleicht gibt es irgendwann eine Grenzmenge an Rahmen und Stichen, bei der man statistisch nichts mehr falsch machen kann, wo so viele Vorräte da sind, dass es keinen Fehlkauf mehr geben kann. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg.
Egal. Ein paar Wände habe ich noch.
Hinweggefegt aber hat die Zeit zumeist die Rahmen, und die nun gilt es nachzukaufen, auszuprobieren und einzufügen. Was im ersten Moment nach einer leichten Aufgabe klingt, erweist sich schnell als nie enden wollende Plage. Denn DIN-Normen kannten die Alten nicht, und neue Rahmen ohne Patina und Macken lassen den ehrwürdigsten Triumpf von Alexis Loir grauenvoll kitschig aussehen. Was bleibt, ist die beschwerliche Suche nach alten Rahmen, und die sind mitunter alles andere als billig. Denn im Wissen um das Problem haben sich Händler gefunden, die Abhilfe schaffen - und zwar in der Form, dass sie am frühen Morgen die Flohmärkte abgrasen und das Erworbene danach mit hohem Gewinn weiterverkaufen. Unsereins muss dagegen lange suchen, bis sich Entsprechendes findet, das einen nicht gleich ruiniert.
Idealerweise hat so ein alter Rahmen ein Glas, ein Passepartout, und eine Rückseite aus stabilem Karton. Perfekt wäre es, wenn der die richtige Grösse hätte, doch da beginnt das Übel: Nachdem man kaum mit Butzenden von Bildmassen die Märkte absuchen kann, kauft man, was man kriegen kann, und versucht dann, die passenden Stiche zu finden. Mitunter fällt der Denker nach Giovanni Barbieri geradezu in den Rahmen, das dunkle Braun der Druckfarbe ergänzt sich fein mit dem hellbraunen Deckblatt - andererseits gibt es da diese römische Statue um 1680, die sich seit nunmehr 8 Jahren jedem Rahmen verweigert. Oder das fränkische Rokokoportal. Oder der Kostümumzug in Amsterdam.
Was zur Folge hat, dass sich zu den unpassenden Stichen irgendwann auch nicht passende Rahmen gesellen. Gesehen, gehofft, gekauft, zu gross, zu klein, zu schmal, nicht harmonisch oder einfach die falsche Farbe, es gibt immer wieder Kombinationen, die einen kapitulieren lassen. Und die Folge? Das nächste Mal sieht man einen Stich und denkt - da hätte ich den passenden Rahmen dafür. Vielleicht gibt es irgendwann eine Grenzmenge an Rahmen und Stichen, bei der man statistisch nichts mehr falsch machen kann, wo so viele Vorräte da sind, dass es keinen Fehlkauf mehr geben kann. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg.
Egal. Ein paar Wände habe ich noch.
donalphons, 00:18h
... link (5 Kommentare) ... comment
Real Life 1.10.06 - Finale, Allegro
Noch ein paar Sekunden steht der Hall der Trompeten im Raum, aber da bricht auch schon der Applaus los, verscheucht die feine Harmonie aus den prachtvoll verzierten Wänden und lobpreist die Damen und Herren, die fünf Monate lang, Sonntag für Sonntag, dem Spiesser der kleinen Stadt etwas klassische Kurzweil zwischen Gottesdienst und Schweinshaxn verschafft hat. Noch einmal ist der Saal bis zu den Stehplätzen gefüllt mit denen, für die es dazu gehört, oder anderen, die mitgeschleift werden, um danach die heile Familie zu präsentieren. Manche fehlen, wie etwa die Frau mit der Tochter und deren Tennislehrer und einem vor kurzem empfangenen Sohn, der sicher mal, wenn die väterlichen Gene durchschlagen, ein witziges Kerlchen wird - sein Papa jedoch ist, erzählt dir Iris im abflauenden Applaus, ab diesem Sonntag in einem Club in Norddeutschland zu Gange, wo er eine Knabenmannschaft trainiert. Dabei wippt sie fröhlich mit ihren schwarzen Lackballerinas, und die Schnürchen federn im Takt mit, ein Tänzchen der Bosheit zum Hohne derer, die aus religiösen Irrsinn heraus dieses Gebäude erschaffen haben. Hoch sind die Ideale, niedrig die Motive und der Schmutz, der uns bekotet, ist immer noch besser als der Staub der Langeweile. Lieber den Schweiss der Erregung abwischen, die Galle der Bosheit gegenüber ehemalig angeheirateten Moralisten, als im reinen Wasser der Unschuld eingelegt zu verschrumpeln.
Ihr verlasst den Raum, werft einen recht ansehnlichen Betrag in das Weidenkörbchen, das prall gefüllt ist mit den Zuwendungen der anderen, und tretet hinaus in das immer gleissende Sonnenlicht. Fast immer scheint die Sonne in diesem Moment, als wolle das Schicksal seine immerwährende Bevorzugung dieses Fleckens jeden Sonntag aufs Neue beweisen, zur Freude der Spiesser, die trockenen Fusses zu den schweren Wägen gelangen, um dann wieder in die Vorstädte zu entschwinden. Es ist alles wohlgeordnet, passend und korrekt. Probleme gibt es woanders, allein das Thema mit den Siemens-Handies verstört manchen, aber sowas gibt es hier nicht. Auch kein Handygebimmel während des Konzerts. Alles so still hier.
Übrigens sagt Iris, kennst du eigentlich die S.? und weist mich auf eine nicht mehr ganz junge Frau hin, die in einem Pulk von bekennenden Müttern und bisweilen flennenden Blagen umgeben ist. Vom Sehen, sagst du, aber du kannst Sie nicht zuordnen, die Stadt ist voll mit diesen abgemagerten, energischen Frauen um die 40 auf der Suche nach Ablenkung vom Hausfrauendasein. S., erzählt Iris, habe gerade einen Laden für bessere Kinder aufgemacht. Schuhe, Hosen, Röcke, Oberteile fernab des Looks, mit dem sich heute schon 10-jährige als Gangster oder Ghettobitch aufstylen. Kleidung, die ihnen sicher kein Fleischklops aus den Blocks entreisst. Stil eben.
Du erinnerst dich, du bringst das Gesicht mit einem Laden zusammen und mit einem Luxusgefährt, das allenthalben mikt Strafzetteln bewehrt im Parkverbot nicht weit von dir steht. S. nun ist eine Freundin des Clans, aus dem Iris kommt, und habe ihr angeboten, ihre nun doch schon etwas längere Phase der Untätigkeit nach der Scheidung mit einer kleinen Beteiligung an diesem Zukunftsgeschäft zu beenden. Das muss ein Erfolg werden, man kann es den reichen Eltern dieser Stadt nicht zumuten, ihren Nachwuchs nicht von Kindesbeinen an der ihnen vorbestimmten Position zuzuführen. Diese Leute wollen Beratung, sie wollen einen stimmigen Gesamtauftritt, viel und lang und mit Juchzern, wenn sie was sooo Süüüses gefunden haben, da muss alles sitzen, und die Sozialkontrolle des Luxuskindergartens im Grünen werde schon ihr Übriges tun, dass bislang auch abstinente Mütter in Scharen bei ihr einlaufen.
Du denkst an die Apothekerstochter G., die ihren mühsam erschlafenen Beitrag zur Arterhaltung in einem 1000 Euro teuren Sportkinderwagen durch die Parks rollt, an die Grossbauerntochter H., die gerade ein Baugrundstück verkauft, um dem Nachwuchs ein Polster mitzugeben, und all die unausgelasteten Gebärmutterträgerinnen ohne Job aber mit Gatten im gehobenen Management, die irgendwas mit ihrer Zeit anfangen müssen, und an Kinder, die wahrscheinlich die Klamotten hassen, aber wenn sie mal einen Nachmittag nicht lernen müssen, damit sie auch ja die richtige Note in der Endabrechnung haben, um Medizin studieren zu können, freiwillig in die Stadt gehen werden, du denkst an V., der nach dem Tod seiner strengen Mutter Playboy hätte werden können und nun den Porsche Boxter gegen einen Cayenne eingetauscht hat, zwecks Familientransport, und an die Geschäftsmodelle, die...
Dummerweise, sagtr Iris, hasse ich Kinder. Wir grüssen höflich die Geschäftsfrau, begeben uns in Richtung Konditorei, während hinter uns Blagen quengeln, die später sicher mal erstklassige Stützen der Gesellschaft sein werden. Tennislehrer sind out, aber Golflehrer werden ihren Platz einnehmen auf den Dreilochplätzen dieser kleinen, privilegierten Stadt am Rande der einzigartigen greater Munich Area.
Ihr verlasst den Raum, werft einen recht ansehnlichen Betrag in das Weidenkörbchen, das prall gefüllt ist mit den Zuwendungen der anderen, und tretet hinaus in das immer gleissende Sonnenlicht. Fast immer scheint die Sonne in diesem Moment, als wolle das Schicksal seine immerwährende Bevorzugung dieses Fleckens jeden Sonntag aufs Neue beweisen, zur Freude der Spiesser, die trockenen Fusses zu den schweren Wägen gelangen, um dann wieder in die Vorstädte zu entschwinden. Es ist alles wohlgeordnet, passend und korrekt. Probleme gibt es woanders, allein das Thema mit den Siemens-Handies verstört manchen, aber sowas gibt es hier nicht. Auch kein Handygebimmel während des Konzerts. Alles so still hier.
Übrigens sagt Iris, kennst du eigentlich die S.? und weist mich auf eine nicht mehr ganz junge Frau hin, die in einem Pulk von bekennenden Müttern und bisweilen flennenden Blagen umgeben ist. Vom Sehen, sagst du, aber du kannst Sie nicht zuordnen, die Stadt ist voll mit diesen abgemagerten, energischen Frauen um die 40 auf der Suche nach Ablenkung vom Hausfrauendasein. S., erzählt Iris, habe gerade einen Laden für bessere Kinder aufgemacht. Schuhe, Hosen, Röcke, Oberteile fernab des Looks, mit dem sich heute schon 10-jährige als Gangster oder Ghettobitch aufstylen. Kleidung, die ihnen sicher kein Fleischklops aus den Blocks entreisst. Stil eben.
Du erinnerst dich, du bringst das Gesicht mit einem Laden zusammen und mit einem Luxusgefährt, das allenthalben mikt Strafzetteln bewehrt im Parkverbot nicht weit von dir steht. S. nun ist eine Freundin des Clans, aus dem Iris kommt, und habe ihr angeboten, ihre nun doch schon etwas längere Phase der Untätigkeit nach der Scheidung mit einer kleinen Beteiligung an diesem Zukunftsgeschäft zu beenden. Das muss ein Erfolg werden, man kann es den reichen Eltern dieser Stadt nicht zumuten, ihren Nachwuchs nicht von Kindesbeinen an der ihnen vorbestimmten Position zuzuführen. Diese Leute wollen Beratung, sie wollen einen stimmigen Gesamtauftritt, viel und lang und mit Juchzern, wenn sie was sooo Süüüses gefunden haben, da muss alles sitzen, und die Sozialkontrolle des Luxuskindergartens im Grünen werde schon ihr Übriges tun, dass bislang auch abstinente Mütter in Scharen bei ihr einlaufen.
Du denkst an die Apothekerstochter G., die ihren mühsam erschlafenen Beitrag zur Arterhaltung in einem 1000 Euro teuren Sportkinderwagen durch die Parks rollt, an die Grossbauerntochter H., die gerade ein Baugrundstück verkauft, um dem Nachwuchs ein Polster mitzugeben, und all die unausgelasteten Gebärmutterträgerinnen ohne Job aber mit Gatten im gehobenen Management, die irgendwas mit ihrer Zeit anfangen müssen, und an Kinder, die wahrscheinlich die Klamotten hassen, aber wenn sie mal einen Nachmittag nicht lernen müssen, damit sie auch ja die richtige Note in der Endabrechnung haben, um Medizin studieren zu können, freiwillig in die Stadt gehen werden, du denkst an V., der nach dem Tod seiner strengen Mutter Playboy hätte werden können und nun den Porsche Boxter gegen einen Cayenne eingetauscht hat, zwecks Familientransport, und an die Geschäftsmodelle, die...
Dummerweise, sagtr Iris, hasse ich Kinder. Wir grüssen höflich die Geschäftsfrau, begeben uns in Richtung Konditorei, während hinter uns Blagen quengeln, die später sicher mal erstklassige Stützen der Gesellschaft sein werden. Tennislehrer sind out, aber Golflehrer werden ihren Platz einnehmen auf den Dreilochplätzen dieser kleinen, privilegierten Stadt am Rande der einzigartigen greater Munich Area.
donalphons, 15:10h
... link (58 Kommentare) ... comment
... older stories