: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 1. Februar 2009

Die Lust der Sünde und Vergebung

Manchmal suchen sie mich. Mitunter auch zur Unzeit. Die sonntäglichen Dinge, verborgen in Körben und Schachteln auf den Flohmärkten. Mitunter könnte man sie auch als Wink des Schicksals verstehen. So wie heute. Als neuerdings im Indikretionsgeschäft Tätiger fand ich nämlich überhaupt nichts, womit ich mich hätte entschädigen können. In Berlin ging ich mit voller Börse auf die Märkte und kam mit vollen Silberkisten heim, hier jedoch, in der ehemals armen, bayerischen Provinz, im Nebel der Donauniederung, nur Tand, Glump und Müll. Ich hatte schon alles abgelaufen, und ging nochmal ein Schleifchen aus der anderen Richtung, nur so, kaum ein Umweg - und da war unterhalb eines Tapeziertischs bei einem Händler von Installationswerkzeug und gebrauchtem Badzubehör etwas in Blaugold und barocken Formen, fast verdeckt von Sackleinen, aber doch erkennbar. Ich bekomme dann immer solche Heiterkeitsanfälle, so ein Nein, nein, das kann hier nicht sein, das ist nicht der Ort für Rokoko, aber dann bückte ich mich, und doch -



Ich bin bekanntlich ziemlich oft aus Interesse in Kirchen. Ich kenne auch die Idee, den Glauben durch Verbreitung von Vernunft abschaffen zu lassen und mir dann so ein Gebäude als exzentrische Wohnung zu kaufen. Oder zumindest irgendwas davon abzubekommen. Kirchen sind so voll mit dem Zeug, die wissen es gar nicht zu schätzen. Heute jedenfalls war ein guter Tag, dieses Bemühen fortzustetzen, denn der Verkäufer hatte eine Geschichte, und die geht so:



Die Gitter stammen aus den Resten eines Beichtstuhls, der im Speicher einer Tiroler Kirche vor sich hingammelte, die man dem Zeitgeschmack entsprechend um 1900 wieder in den gotischen Zustand zurückversetzt hatte, was übrigens auch die Website der Gemeinde voller blödem Stolz verkündet. Was halbwegs wertvoll erschien, landete im Speicher, blieb dort liegen, und vor einer Woche entschied dann der Pfarrer, dass das alte, inzwischen reichlich abgeblätterte Gelumpe auch weg musste. Durch diesen Sündenfall also komme ausgerechnet ich, der ich von den Sünden der Bürger erzähle, zu Beichtstuhlgittern. Ramponiert, beschädigt, aber gerade im Verfall grandios und prachtvoll.



Es ist übrigens keine ganz schlechte Arbeit. Wer immer das um 1730 geschnitzt hat, war kein gewöhnlicher Dorfschnitzer, sondern hatte wirklich Ahnung vom internationalen Geschmack. In unserer durchgestylten Welt kann man sich das kaum mehr vorstellen, aber der Unterschied zwischen den sündigen, verwanzten Schlafkammern der Berghöfe und diesem Prunk bei Geständnis und Vergebung muss enorm gewesen sein. Fast ein kleiner Palast der Einsicht in etwas, für das sich ein denkender Mensch vor niemandem rechtfertigen muss. All der Glanz und das Gold nur für die Dummheit.



Was macht man mit solchen Gittern, wenn man weder eine Kirche gründet, noch einen Hang zum Nachspielen der besten Sexszenen aus Aretinos Kurtisanengesprächen hat? Verleimen, einpacken, und wieder mitnehmen in den Süden, an den Rand der Berge, die gleichermassen Kunst und die ihr innewohnenden Dummheit schufen, und aufhängen als Mahnung für etws, das ich vielleicht erst noch erleben muss. Oder als Wappen meiner Tätigkeit im Aussprechen des Unaussprechlichen. Wer weiss.

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