: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 23. April 2010

Totalitäre Lektüre

In den letzten paar Tagen habe ich ein wenig bei den italienischen Futuristen rumgelesen, und auch bei dem, was da sonst noch kam. Gerade in Sachen Technikbegeisterung und die Frage, inwiefern diese Technik das Alte hinwegfegt. Das Ergebnis dieses Diskurses sind weitgehend bekannt: Die italienischen Fasschisten marschierten zwar mit dieser Maschinenideologie in Italien durch, aber der Duce schmiss sich sogleich an die alten Eliten ran, und machte mit ihnen gemeinsame Sache. Faktisch blieb Italien dann auch Königreich, und Leute wie Marinetti passten sich zähneknirschend und reichlich opportunistisch an. Man machte etwas andere Fassaden und schlechte Autos und verlor einen Krieg. Grosse Ideale, kleine Ergebnisse, und trotzdem habe ich ein gewisses Faible gerade für die italienischen Futuristen. Ausserdem waren nicht alle nachher Faschisten.

Was mich dann aber doch etwas verstört, ist das Weglegen eines Buches aus dieser Zeit, in diesem Fall von d'Anunzio, um dann nach meinem Blog zu schauen, dem hier, die Blogbar, und dem bei der FAZ, wo gerade noch ein Beitrag über die Ritterlichkeit der Verneinung irgendwelcher Aschewolken steht. Ich habe ja aus meiner divergierenden Haltung an manchen kritischen Texten der Zeitung zum Internet das letzte Mal keinen Hehl gemacht - diesmal jedoch steht da wieder was von Michael Seemann. Ich zitiere das mal ohne Link, aber mit Kommafehlern :

Die Grundprämisse des Kontrollverlusts und meine theoretischen Überlegungen dazu, sollen als Grundlage dieser Analysen dienen. Denn es wird keinen Weg zurück geben. Deswegen ist elegisches Lamentieren über erodierende Werte, Institutionen, Kulturtechniken und andere vermeintliche Errungenschaften nicht nur müßig, sondern kontraproduktiv. Es gilt die Situation schonungslos zu erfassen und sich emanzipative Strategien zu entwickeln, die den CTRL-Verlust managen, ohne ihn rückgängig machen zu wollen.

Das ist keine utopische Forderung, sondern pragmatische Notwendigkeit. In diesen Zeiten ist nichts radikaler als der Realismus.


Schonungslos! Strategien! Kontraproduktiv! Notwendigkeit! Radikaler! Und was für ein pathetischer, aufgeblasener, gequirlter Schwachsinn! Und der meint das vermutlich sogar ernst.

Ich gebe gern zu, dass es sich normalerweise nur wie das technikliebende Geblubber aus dem Berliner Sumpf liest, aber wenn man davor erst mal Marinetti und Consorten gelesen hat... da ist die Suche nach Unterschieden schwerer, als das Finden der Ähnlichkeiten. Und dann noch der Ton der Ausrottung, feine Sache.

Nächste Woche bin ich in Brescia, wo noch eine Tribüne für den Duce auf einem Platz steht. Ich werde mich darunter stellen und mir den Seemann darauf vorstellen:

DÄNN ÄS WÜRRRD KÄINÄN WEEEEHG ZURRRÜCK GEBÄHN (Fingerfuchtel)! IN DIR SAUERKRAUT MIT DE TOHN APFONSO! DÖSWÖGN ISTH (feuchtes Spucken) ÄLÄGISCHÖS LAMTENIERÄN ÜBÄR ÄROMPIERÄNDÄ WÖRTE (Husten), INTUSITIONÄN, KULTURRRTÄCHNIKN ZEZICK! ZEZACK! und so weiter.

Und vermutlich lachen - spätestens, wenn er in meiner Vorstellung dann nach dem Weg zum Dönerstand fragt.

Offenlegung: Ich selbst habe beim Kullern auf dem Boden auch gemerkt, dass es aussieht wie in Berlin, und ich dringend mal wieder staubsaugen müsste.

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