: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 15. April 2010

Der essentielle Ernesto

Es begann vor ein paar Wochen am Gardasee.



Wir fuhren heim, und auf dem Gepäckträger war ein Rad. Nur ein Rad. Es hätten auch zwei sein können, aber leider war das gebrauchte Moser-Rennrad in diesem anderen Radladen zu gross für meine nicht wirklich langen Beine. Und wie es nun mal so ist: Man denkt an das schreiend bunte Ding zurück, und dann fahren sie einem auch schon entgegen, die de Rosas, die Bassos, die Tomassinis und die Colnagos, die klingenden italienischen Namen, idealerweise ausgerüstet mit Campagnolo, alles italienisch, so wie man es schon früher immer gern gehabt hätte. Als Schüler, als schon ein Rad für 1000 Mark eine Investition war. Heute bekäme man für 500 Euro keinen guten Rahmen aus Italien mehr, da gibt es nur noch Zeug aus Fernost. Ich fuhr also die Gardesana hinunter und dachte, vielleicht schaue ich mich doch mal nach einem ordentlichen Colnago um. Aus Frust heraus wurde es dann doch ein gepflegtes Müsing mit Shimano 600. Bis dann heute morgen mein Auge eigentlich auf einen Verkäufer von Berglaufrädern gefallen ist, und dessen Berglaufräder wiederum waren an dem hier:



Grossbild

Das ist ein Colnago Mapei Dream, gebaut ungefähr 2000. Mit der fast kompletten Chorus-Gruppe von Campagnolo. Ein papageienbunter, italienischer Kindertraum. Und weil der Besitzer wegen eines neuen Mountainbikes das Rad nicht mehr fuhr, gab es das quasi als Dreingabe zu den (hier nicht abgebildeten) Berglaufrädern. Heute habe ich keinen Frust mehr, es geht mir blendend, da nehme ich das doch gerne dazu.



Er ist, zugegeben, in einer harten Farbgestaltung. Es ist kein dezentes Rad, es verbirgt nicht seine Herkunft, nicht weniger als 17 Mal findet man darauf den Namen von Ernesto Colnago. Es gehört ein gewisses Selbstbewusstsein dazu, so etwas zu tun, aber Colnago ist halt der Traum vieler Kinder, da kann man sich das schon leisten, wenn aus den Kindern Männer wurden, die endlich die weit mehr als 3000 Euro auf den Tisch legen können, um sich den Traum zu erfüllen.



Schliesslich ist alles dran, was man haben möchte. Campagnolokurbeln zum Beispiel, mit ihren unnachahmlichen Oberflächen, die man sofort erkennt. Gedichte in Aluminium, Spitzenwerke italienischer Formgebung. Schwerer, teurer, aber eben auch schöner als der Krempel aus Fernost. Ein Fanal gegen den Fetisch Zweckmässigkeit.



Da sind die Laufräder von Campa, mit ihren hohen Felgen, den Messerspeichen und den klassisch geformten Naben, die von ihrer Grösse her recht gut zum voluminösen Rahmen passen. Der ist erheblich dicker als der Müsing: Auch aus Aluminium, und wenn man genau hinschaut, ahnt man auch, warum er so bunt ist:



Mit den dicken Schweissnähten und den gebeulten Rohren ist er nackt vielleicht doch nicht so schön wie das Müsing. Das Colnago ist brutal zerklüftet und nicht wirklich klassisch. Absolut kein Vergleich zu einem alten Stahlrahmen. Aber darauf kommt es nicht an, es ist ein sehr steifer und leichter Rahmen mit sehr schönen Komponenten, bis auf:



Die Carbonteile. Leider wurden die originalen Bremsschaltgriffe aus Aluminium gegen die Exemplare der höchsten Gruppe von Campa ausgetauscht. Und die sind aus Carbon, leicht und stilistisch nicht passend. Wie auch die Carbon-Sattenstütze.Aber - egal.

Warum noch ein Rennrad, wird die schnöde Vernunft jetzt fragen, die schon an Teekannen leidet, und die Antwort; nun, die lautet: Irgendwann muss es eben ein Edelitaliener mit Campa sein. Und in meinem Keller am Tegernsee ist noch viel Platz.

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