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Sonntag, 9. Oktober 2011
Heute ist vieles besser
Es ist nicht ganz zu bestreiten, dass ich - wie soll ich sagen - dass ich der Vergangenheit nicht ablehnender gegenüber stehe, als Gegenwart und Zukunft. Das hat viel mitder Kulturgeschichte zu tun, denn die Distanz, die die Menschheit immer unter ihren Möglichkeiten bleibt, ist meines Erachtens eine Konstante, und nicht wiklich schmeichelhaft. Seit Anbeginn der Zeiten etwa wissen wir, dass es weh tut, sich die Köpfe einzuschlagen. Es wäre an der Zeit für ewigen Frieden und naja... Seit vier Jahren wissen wir, dass Banken brandgefährlich sind, und dass sie mehr Eigenkapital bräuchten, und wir machen Stresstests und, siehe Dexia... wir kommen voran, angesichts der Möglichkeiten im Krebsgang seitwärts. Und sagen wir es mal so:
Früher war einfach die Unvernunft sehr viel schöner. Mit dem Wissen und der neuen Technik verschwindet das weniger Elaborierte, das Unausgereiftere - nur um einem Zustand Platz zu machen, in dem immer alles Beta ist. Dafür aber auch immer neu und ohne Schrunden. Dabei wird das Alte nicht zwingend schlechter, es wird nur etwas Anderes produziert, verkauft, vermarktet und mit neuen Fehlern den Kunden zugemutet. Man kann mit Wissenschaft die Risiken berechnen und die Vorsorge, meist ein Kostenfaktor, so klein wie möglich halten. Am Ende kommen dabei Carbonrahmen heraus, die extrem leicht und steif sind, aber nicht umfalle dürfen. Alles ist ohne Fett und Überflüssiges, aber das hat doch gar nicht wirklich geschadet! Natürlich muss da kein Flammenfurnier auf Möbel, natürlich braucht keiner Chippendalesofas, natürlich ist so ein Lampenschirm verfinsternd. Aber es ist hübsch. Und es durfte so sein, während heute vieles nicht mehr so sein darf, weil: Ineffektiv. Effektiv dagegen ist das Wegwerfen nach einem Jahr.
Und so kommt es dann zu Neuerungen. Grossen Würfen. Weg mit dem Alten. Und wenn es dann schief geht, liegt es gar nicht an mangelnden Tests und der Unfähigkeit, die Folgen des eigenen Tuns abzuschätzen, sondern an alten Resten. Da passte eine Datenbank nicht. Da hat man in den 70ern was falsch berechnet. Da wurden früher Sachen eingelagert. Die Vergangenheit ist sowas wie die Restmülldeponie der Gegenwart geworden. Nie ist die Gegenwart schlicht und einfach mies, immer muss es das Alte sein.
Und weil das so ist, hatte ich diese Woche plötzlich wahnsinnig viel Lust, mal wieder ganz etwas anderes mit alten Sachen zu tun. Ich hatte ein paar Ersatzteile günstig im Internet gefunden - nur hingen die noch an einem alten Rennradrahmen dran. Und ich hatte noch eine Kiste alter Trümmer, die zufälligerweise passten. Vielleicht, wenn die Gegenwart angenehm gewesen wäre, hätte ich den Rahmen auch noch den Winter über liegen lassen. So aber habe ich ihn restauriert und gepäppelt und poliert und wieder zu einem Stück Fortbewegung gemacht. Er ist fast 20 Jahre alt und geht prima, weil ich es kann. Ich tue so etwas gerne. Und natürlich kommt man dabei nostalgisch etwas ins Schwärmen. Und dann mag man denken: Der ist ein Nostalgiker.
Aber dem ist nicht so. Es gibt schon tolle Sachen. Zum Beispiel, der Apfelsaft. Früher gab es eine Zeit, da machte man den selbst. Auch in meiner Familie gab es eine Quelle für diesen Saft aus eigenen Früchten. Doch dann, aufgrund der Umstände, versiegte sie eines Tages, und ich trinke ja ohnehin nur Tee und Saft nur, wenn er so wäre, wie damals - was er aber nicht mehr war. Man vergisst kleine Bedürfnisse, und obendrein: Sicher, man kann Saft kaufen, aber dann die Flaschen und/oder der Müll, dazu ist man letztlich doch zuu bequem, also weiterhin Tee und Saft nur für Gäste. Bis dieses Wochenende meine Marmladenfrau so Kartons dabei hatte. Und natürlich fragt man, was das sein mag. Es ist so, dass in diesen Kartons Saft ist, 70% Apfel und 30% Birne, aus dem Garten der Dame, und zwar gleich 5 Liter und in einem Beutel mit Zapfhahn. Einmal geöffnet, hält der Saft theoretisch 6 Monate.
Keine Flaschen. Wenig Müll, sogar der Karton ist wiederverwendbar. Keine verlorenen Deckel mehr. Ein Mal, ein kurzes Mal schafft es der Mensch, an seine Möglichkeiten heranzukommen: Echter Saft aus echten Früchten ohne Spritzerei und aus der Region mit einem Zapfhahn, und es hält und funktioniert. Es stürzt nicht ab, es schmeisst den Nutzer nicht raus, es ist 100% verfügbar und tropft auch nicht. Das ist wirklich mal ein Fortschritt. Also Gegenwart. Halt Dich ran. Dann bin ich auch netter zu Dir.Du dumme Sau.
Früher war einfach die Unvernunft sehr viel schöner. Mit dem Wissen und der neuen Technik verschwindet das weniger Elaborierte, das Unausgereiftere - nur um einem Zustand Platz zu machen, in dem immer alles Beta ist. Dafür aber auch immer neu und ohne Schrunden. Dabei wird das Alte nicht zwingend schlechter, es wird nur etwas Anderes produziert, verkauft, vermarktet und mit neuen Fehlern den Kunden zugemutet. Man kann mit Wissenschaft die Risiken berechnen und die Vorsorge, meist ein Kostenfaktor, so klein wie möglich halten. Am Ende kommen dabei Carbonrahmen heraus, die extrem leicht und steif sind, aber nicht umfalle dürfen. Alles ist ohne Fett und Überflüssiges, aber das hat doch gar nicht wirklich geschadet! Natürlich muss da kein Flammenfurnier auf Möbel, natürlich braucht keiner Chippendalesofas, natürlich ist so ein Lampenschirm verfinsternd. Aber es ist hübsch. Und es durfte so sein, während heute vieles nicht mehr so sein darf, weil: Ineffektiv. Effektiv dagegen ist das Wegwerfen nach einem Jahr.
Und so kommt es dann zu Neuerungen. Grossen Würfen. Weg mit dem Alten. Und wenn es dann schief geht, liegt es gar nicht an mangelnden Tests und der Unfähigkeit, die Folgen des eigenen Tuns abzuschätzen, sondern an alten Resten. Da passte eine Datenbank nicht. Da hat man in den 70ern was falsch berechnet. Da wurden früher Sachen eingelagert. Die Vergangenheit ist sowas wie die Restmülldeponie der Gegenwart geworden. Nie ist die Gegenwart schlicht und einfach mies, immer muss es das Alte sein.
Und weil das so ist, hatte ich diese Woche plötzlich wahnsinnig viel Lust, mal wieder ganz etwas anderes mit alten Sachen zu tun. Ich hatte ein paar Ersatzteile günstig im Internet gefunden - nur hingen die noch an einem alten Rennradrahmen dran. Und ich hatte noch eine Kiste alter Trümmer, die zufälligerweise passten. Vielleicht, wenn die Gegenwart angenehm gewesen wäre, hätte ich den Rahmen auch noch den Winter über liegen lassen. So aber habe ich ihn restauriert und gepäppelt und poliert und wieder zu einem Stück Fortbewegung gemacht. Er ist fast 20 Jahre alt und geht prima, weil ich es kann. Ich tue so etwas gerne. Und natürlich kommt man dabei nostalgisch etwas ins Schwärmen. Und dann mag man denken: Der ist ein Nostalgiker.
Aber dem ist nicht so. Es gibt schon tolle Sachen. Zum Beispiel, der Apfelsaft. Früher gab es eine Zeit, da machte man den selbst. Auch in meiner Familie gab es eine Quelle für diesen Saft aus eigenen Früchten. Doch dann, aufgrund der Umstände, versiegte sie eines Tages, und ich trinke ja ohnehin nur Tee und Saft nur, wenn er so wäre, wie damals - was er aber nicht mehr war. Man vergisst kleine Bedürfnisse, und obendrein: Sicher, man kann Saft kaufen, aber dann die Flaschen und/oder der Müll, dazu ist man letztlich doch zuu bequem, also weiterhin Tee und Saft nur für Gäste. Bis dieses Wochenende meine Marmladenfrau so Kartons dabei hatte. Und natürlich fragt man, was das sein mag. Es ist so, dass in diesen Kartons Saft ist, 70% Apfel und 30% Birne, aus dem Garten der Dame, und zwar gleich 5 Liter und in einem Beutel mit Zapfhahn. Einmal geöffnet, hält der Saft theoretisch 6 Monate.
Keine Flaschen. Wenig Müll, sogar der Karton ist wiederverwendbar. Keine verlorenen Deckel mehr. Ein Mal, ein kurzes Mal schafft es der Mensch, an seine Möglichkeiten heranzukommen: Echter Saft aus echten Früchten ohne Spritzerei und aus der Region mit einem Zapfhahn, und es hält und funktioniert. Es stürzt nicht ab, es schmeisst den Nutzer nicht raus, es ist 100% verfügbar und tropft auch nicht. Das ist wirklich mal ein Fortschritt. Also Gegenwart. Halt Dich ran. Dann bin ich auch netter zu Dir.
donalphons, 01:58h
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In Dick und Dünn
Sehr feiner Beitrag bei Deus Ex Machina über die Frage, ob und wie man Kalorien für alle beschaffen kann, und wie lange das noch statistisch gut geht (so es denn überhaupt "gut" geht).
donalphons, 01:57h
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