: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 4. Januar 2013

Wägbarkeiten des Schicksals

In Dantes göttlicher Komödie ereilt alle Schufte eine Bestrafung, die zu ihren Taten passt. Im vierten Höllenkreis etwa treten die Geizigen auf (heute würde man sagen, die neureichen FDP-Wähler), die schwere Lasten sinnlos gegeneinander schieben. Das Hübsche an dieser Vorstellung ist, dass sie bis heute wie eine gerechte Strafe erscheinen mag: In der Hölle geht es so weiter, wie das Leben ohnehin schon war, da muss man sich nicht gross umstellen. Nur dauert es dann etwas länger.





Nun muss man fairerweise sagen, dass Dantes göttliche Komödie insgesamt so lustig wie eine Sprachglosse eines Popkulturforschers ist, oder ein Cartoon in der Welt oder eine Ansprache der Bundeskanzlerin. Eher wird eine Wüste ein korngelbes Ackerland, eher entschuldigt sich eine Gendertröte mal für ihre Vorverurteilung, als dass man wirklich herzhaft lachen könnte. Nachdem das Wetter hier schlecht wurde, habe ich wieder ein wenig hineingelesen, und es fällt mir nicht ganz leicht, die Faszination zu begreifen, die mein damals 16 Jahre junges Ich dazu brachte, oberhalb von Florenz zu sitzen und jenes Buch, verteilt über den ganzen Urlaub, auszulesen. Dante, das zeigte sich mir bald in der Vita Nova, ist ein eher trockener Mensch gewesen, und insgesamt war das auch nicht gerade eine Zeit für Jux und Tollerei: Wer damals ein Leichtfuss war, hatte es nicht leicht im Leben, denn selbst bei besten Bedingungen traf man damals auf bigotte Priester, gedungene Mörder, bösartige Gatten, Räuber oder einfach nur Menschen, die einen erdolchten, weil ihnen der Familienname nicht passte. Das mag ein Grund sein, warum Dante die Leichtfüsse wie mich nicht speziell gewürdigt hat: Zu kurze Lebenserwartung vor der Dressur zu etwas Unerfreulichem. Mei. Auch bloggende Medienjournalisten waren mal goldige Kinder.





Wenn schon nicht beim Rasen über einen Alpenpass oder beim Totfressen in Valeggio oder beim Spannen in der Opernpause (nur Mozart, Rossini, Händel oder eventuell auch die Fledermaus), dann wäre für mich so ein Übergang durch Sturz in die Lasagne sicher keine schlechte Idee, auch wenn italienische Freundinnen betont haben, dass meine Lasagne für italienische Weihnacht überhaupt nicht gehen würde und ja nur so etwas wie ein Gemüseauflauf mit Nudelteigplatten sei - ihnen fehlt 1 Kilo Hackfleisch und der Wein. Aber zu Besuch ist jemand aus nördlicheren Gefielden, der

Einschub, das muss ich kurz erklären, weil es doch irgendwo typisch ist, also, es gibt doch jetzt so Sensoren in jeder Ecke des Autos. und der Sensor, der den Hydraulikdruck im Bremskraftkraftverstärker zum rechten Vorderrad misst - der hängt an einem Kabel. Und dieses Kabel wiederum ist verschmort. Und deshalb dachte das zentrale System, die Bremse vorne rechts sei ausgefallen, und fuhr das ganze Auto auf Notbetrieb mit Minimalgeschwindigkeit herunter. Und zwar ausgerechnet den Irschenberg hoch. Muss man sich mal vorstellen: Beinahe niedergewalzt vom LKW, weil ein Kabel eines Sensors ein Sicherheitsproblem vortäuschte, das es gar nicht gab. Ich bin mit exakt so einer wie hier angezeigten wirklich kaputten Bremse vom Comer See bis nach St. Gallen gefahren, über den San Bernardino, es war laut und klang schlimm, aber es ging. Aber wehe, ein Kabel...Einschub Ende





gerade eine Panne hatte, und statt eines Hotels hier einkehrte. Und nach solchen Erlebnissen stellt man keine Fragen nach gehackten Fleisch mehr, da ist man froh, dass man den Löffel nicht abgegeben hat, ohne vorher eine Suppe zu erhalten.

Nun. Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Leichtfüssigkeit irgendwann eine phänomenale Strafe nach sich ziehen wird, aber leichtfüssig, wie ich den Pecorino über die Lasagne reibe, denke ich mir: Ob das alles mit dem Berechnen der mir zustehenden Lektion überhaupt so schnell geht? Und bin ich dann nicht schon viel weiter, habe Neues angestellt und dann passt das gar nicht mehr? Zwei Dinge kann ich wirklich famos, das Überbacken und das Wegschieben, und aus der Verantwortung stehlen muss ich mich erst gar nicht: Ich drücke mich, bevor sie zu mir kommt. Ich kann dafür Lasagne. und zwar ziemlich gut.





Der Besuch dagegen ist so, wie es sein soll, pflichtbewusst und strebsam. Aber ich denke so bei mir: So fleissig und korrekt, dass man am Ende noch so ein dummes Kabel, von dessen Existenz man gar nichts geahnt hat, auch noch bedenkt, kann man doch gar nicht sein. Wenn man alle denkbaren Probleme ausräumt, erwischen einen eben die undenkbaren Katastrophen, und vielleicht um so übler, weil man sich dafür keinen Plan gemacht hat. Wer ohnehin weiss, wie wachklig all unser Dasein ist, der nimmt das alles hin und weiss schon, wie er es nochmal ein wenig hinausschiebt. Kostet nur etwas schlechtes Gewissen, aber das wiegt nicht schwerer als so eine Lasagne. Es ist fraglos falsch. So wie alles bei mir, meine nicht stattfindende Karriere, mein Dahintreiben, meine Lust am Zuschauen bei anderer Leute Untergang, hey FDP und Piraten in Berlin, nix mehr Bundestag, höhö.

Aber der Beweis, dass der moralische Weg der richtige für das Schäkern mit dem Schicksal ist, wird noch zu liefern sein. Dante jedenfalls war zeitlebens nach dem Buch ne arme Sau.

Und meine Lasagne trifft den Magen mit der Wucht eines Flugzeugabsturzes, der dann vielleicht, hoffentlich, ich wünsche es uns allen, woanders aus der ewigen Rechnung des Schicksals gestrichen werden kann.

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