: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 19. Januar 2013

Die Streifen, auf die alle abfahren

Ich fahre wirklich gern Auto. Wenn es einmal ganz schlimm wird, lege ich die CD mit italienischen Hits der 70er Jahre ein und denke mich zurück an die Gardesana. Ich bin einmal mit einem Mädchen dort entlang gefahren und habe genau das gehört - unter anderem Fred Bongusto - und so schlimm kann es eigentlich gar nicht sein, dass mich das nicht ein wenig anhebt. Wenn es ganz übel kommt, denke ich mir: Die Villa, die ich mir einst dort kaufen wird, wird sich selbst beleuchten, wenn ich komme, und genau dieses Lied abspielen. Das hat beim Heimfahren geholfen. Zwischen den diversen Bildern von mal mehr, mal weniger schlimmen Unfällen. Was wollten die alle hier? Und warum genau fuhr ich überhaupt weg?



Besonders schön sind natürlich auch die Nachrichten nicht. Hat also Armstrong zugegeben, was nicht mehr zu leugnen war, und alle reden über den befleckten Radsport. Was er zweifelsohne ist, Doping war immer mit dabei, es ist nur irgendwann jemandem aufgefallen, und jetzt kommt das eben alles ans Licht. Ich wünschte mir, die Kollegen könnten so freundlich sein und von - ja, was nun - vielleicht professionellem Werbebannerdurchdiegegendfahren sprechen. Denn darum geht es im Kern. Um Markenbotschaften, die im TV erscheinen sollen. Dass da ein Radler mit dranhängt, interessiert nur in Form seiner Platzierung. Diese Differenzierung würde ich gern lesen.



Wobei: Natürlich sind Menschen für solche Stars auch beim Radfahren anfällig. 1999 hat Armstrong die Tour de France auf Laufrädern gewonnen, die zwar keine Rolf Verctor Pro waren, aber zumindest so aussahen. 1999 gewann jemand - bislang noch ohne dass man ihm Doping nachgewiesen hätte, dafür mit einer wenig beliebten Taktik des Hinterradlutschens - damit auch die Strassen-Weltmeisterschaft. Und deshalb findet man diese Laufreäder auch noch recht häufig; Menschen glauben eben gern, dass ihnen so etwas hilft, wie es scheinbar den Profis geholfen hat. Freundlicherweise muss man aber sagen: Hobbyradler kaufen Räder und keine Eigenblutbehandlung.



Noch etwas: Ja, die ganzen Fälle sind schlimm, und das alles sieht nach einem rabenschwarzen Zeitalter aus. Alle deuten auf die Radler und sagen, das sei, vielleicht neben China und der DDR, der absolute Sündenpfuhl. Mich erinnert das ein wenig an die früheren Fälle, als damals noch einzelne Nationen andere Nationen runtermachten; ihre Radler seien natürlich sauber. Und die Nationen - hier besonders Frankreich, Italien und Spanien - haben das bei ihren Göttern gern geglaubt. Was sich als Fehler herausgestellt hat, denn diese Perversion von Sport geht nun mal nur, wenn man in allen Bereichen an das Limit geht. Wundert sich eigentlich kein Fussballfan, dass das Siglo d'Oro des spanischen Fussballs justament zu der Zeit war, als Spanien auch beim Doping führend war? Solche Unsicherheiten gibt es jetzt auf zwei Rädern nicht mehr. Aber auf zwei Beinen sollte man vielleicht mal bedenken - und hier besonders die ganzen neuen Kickerfreunde, die viel Geld in den Stadien lassen - dass an der Spitze auch kleinste Vorteile viel ausmachen können. Man bedenke: In Deutschland dominiert Fussball so, dass dagegen alles andere kaum Bedeutung hat. Und so beinhart sind dann auch die Fans, wie in gewissen italienischen Regionen mit dem Profiradeln. Rückblickend glaubt dem Profiradsport kein Mensch mehr, und ich gehe gern radeln, weil es gesund hält und man etwas von der Landschaft sieht - sonst nichts.



Aber jene, die da singen, dass Fussball ihr Leben wäre, sollten bedenken, wie kurz das Leben sein kann, kurz wie die Beine von Lügen. Profiradler werden im Schnitt so schlecht bezahlt, dass manche Teams die Räder verkauften, um sich Doping leisten zu können. Fussballer dagegen...

Ich sage es mal so: In meinen Augen ist das wie bei den Bankstern. Es gab vor der Finanzkrise Möglichkeiten, die nicht sauber waren, aber alle machten mit, weil sie gar nicht anders konnten. Intern wie extern. Sobald die Möglichkeiten da sind, werden sie auch genutzt. Viele Profiradler, viele Leichtathleten waren mit dabeu, und alle anderen stehen beiseite und sagen: Nein, wir nicht. Als ob jemand, der einem anderen mit voller Wucht die Beine wegtritt, dann plötzlich den Moralischen kriegt, wenn es um EPO geht.

Der Radsport hat es hinter sich. Was bleibt, ist der Breitensport, und das würde ich auch den ganzen Stadiongehern raten. Fangt an, Euch selber gut zu finden, statt Hemden von Idolen zu tragen, die gar keine andere Möglichkeit haben, als das Letzte aus sich heraus zu holen. Redet am Montag über Eure Bergwanderungen, über den Dauerlauf am See oder am Fluss, über die Radtour zu einem Biergarten, raucht und trinkt weniger, findet Euch selber gut. Man braucht keine WCS-Streifen und kein Gegröle. Kaum etwas ist so hässlich wie ein Betonklotz mit Zigtausend Menschen, die sich nicht benehmen, oder ein Alpenpass voller Brüllaffen. Es geht auch ohne. Das ist die Lektion beim Radeln, denn egal was war: Es ist beliebt, die Leute machen es gern auch ohne Idole. Und vielleicht kann man davon etwas lernen, wie vielleicht der ein oder andere Bolzer von Armstrong gelernt hat.

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