: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 20. Oktober 2013

Warum Sobooks kein Buchladen wird

Manche haben sich auf der Buchmesse gewundert, warum ich zu SoBooks noch keine Kritik geschrieben habe. Ja, also, was soll man an Kritiken über eine Firma schreiben, die noch "i.Gr." ist, ihre Website mit rudimentären Funktionen gerade erst freigeschaltet hat, und deren Buchbeschreibungen voller Fehler sind, was auf Hektik und zu wenig Zeit vor dem Start zur Buchmesse schliessen lässt? Vielleicht, dass halt mal wieder alle Startupfehler von den üblichen Leuten gemacht wurde: Am Anfang zu sehr das Maul aufgerissen, dann Ewigkeiten nicht in die Pötte gekommen, dann nahte die Buchmesse und man hat halt das herausgeschoben, was fertig war. Eine closed Beta. Gemeinhin würde man im wahren Leben ja eher keine Geschäfte eröffnen, in denen die Kisten herumstehen, die Ware noch nicht ausgepackt ist, nur wenige überhaupt rein dürfen und die Registrierkasse noch nicht arbeitet, nur um sehr spezielle Dinge wie Mitspracherechte zu verkaufen, für die dann aber auch genug andere da sein müssten, um mitzureden, was sie aber nicht sind, weil ja nicht jeder darf. So viel zum gesunden Menschenverstand.

Es stört hoffentlich niemanden, wenn ich ein derartig scheussliches Thema mit hübschen Bildern aus Bayreuth verziere? Danke.







Nun weiss man von Sascha Lobo allgemein, dass er nicht zum ersten Mal eine Firma gründet; andere Fälle verschwinden in einem Wust romanhafter Ausschmückung der üblichen, lahmen Klitschen ohne Sinn und Verstand, und ich bin jetzt zu faul, die geheimen DCT-Files herauszukramen und das alles noch einmal nachzuerzählen. Wie auch immer, das Scheitern des grossartigen Blogvermarkters "Adical" hat wohl jeder miterlebt und aus dem Claim "Ich mach Euch alle reich", den Sascha Lobo in die Bloglandschaft kotzte, blieb wenig mehr als ein nervenaufreibender Prozess und Seiten wie Bildblog und Leute wie Niggemeier, die mit solchen Versprechungen richtig gut rangefüttert wurden. Aber wenig bekamen.

Lobo zog sich in der Folge wieder auf das Projektgeschäft und Verfassen von eher weniger toll verkauften Büchern jenseits des Internets zurück, aber jetzt ist er also wieder da, mit Firma. Zu deren Gründung gibt es die öffentlich verbreitete Story dieses berufsmässigen Werbers, der behauptet, das wäre so beim Trinken auf einem Buchmesseempfang passiert; eine Story, mit der diese Figur ihr Image als leicht angetrunkenes Genie poliert, Die Wahrheit ist allerdings viel profaner: Lobo und seine Freunde wollten anfänglich nur einen Webshop für ihre EBooks haben, um selbst mehr an den Erlösen zu partizipieren, mussten sich dann aber von einem Spezialisten anhören, dass Aufwand und Ertrag in keinem sinnvollen Verhältnis stehen. So etwas muss grösser werden, damit die Kosten hereinkommen, denn die technische Plattform kostet mit 10 Büchern kaum mehr als mit 100.000. Und so kam es eben zur Überlegung, wie man so ein System gegen die anderen Konkurrenten positionieren könnte.

Lässt man weitere formschöne Erfindungen wie "Diskursmöglichkeiten, Debatten, Kommentare, Interaktion" einmal weg, kommt am Ende eine Art Dumpingsystem einer Paywall für Inhalte ohne DRM heraus. Daran ist nichts Schlechtes, nur sollte man sich eben bewusst sein: Sobooks vertreibt Daten gegen Bezahlung und möchte, dass die Käufer auch gleichzeitig durch Interaktion die Werbung machen. Im Verkauf der Daten lockerer als Amazon und beim Marketing, wenn es gut läuft, wie StudiVZ Second Life werkenntwen Facebook. Der Kundennutzen sind Bücher, die der Nutzer nicht mehr unter DRM hat, oder gar nur mietet, solange er zahlt, sondern halt auf seinem Gerät hat und behalten kann. Plus Zugang zu den Debattenmöglichkeiten bei Sobooks. Was natürlich ein fairerer Deal als das ist, was andere tun, solange es die Firma so gibt.







Ja, aber.

Das "Ja aber" ist eine simple Rechnung. Mit der Arbeit soll das Projekt in diesem halbfertigen Ruinenzustand schon mehr als eine Million gekostet haben. Firmen kosten nun mal Geld. Und ich habe überhaupt keine Zweifel, dass dieses Projekt noch erheblich mehr Geld kosten wird, bis es reibungslos läuft. Und angesichts eines Buchmarktes, bei dem die Backlist zunehmend bedeutungslos sind, und Bücher selten länger als 3 Monate laufen, wird auch ständiges Nacharbeiten nötig sein, selbst wenn die Plattform fertig ist. Sicher, vieles können die beteiligten Verlage vielleicht selbst über eine API liefern, und in Berlin sind genug Hungerleider, die sowas als Praktikum durchschauen. Und selbst, wenn der einzige Lohn, den ich bei Lobo für gerechtfertigt halten würde, den Wert von Spucke im Gesicht kaum überschreitet: Auch so einer muss Döner essen. Oder, um nicht mit dem H4-Schick anderer Berliner daherzukommen, auch mal selbst verkochte Nudeln in einer Kneipe unter Politikasozialen zahlen. Oder wird die FDP uinzwischen aus diesem Borschartds oder wie das heisst gepeitscht?

Nehmen wir also mal an, dass alle Kosten für das Projekt Ende 2014 eher bei 2-3 Millionen liegen, nach deren Selbsteinschätzung. Und nehmen wir an, dass sie die gern zurück hätten. Und vielleicht gern auch noch sowas wie Profit.

So eine Buchdatei kostet bei Sobooks deutlich unter 10 Euro. Und der Verlag wird da eher 50 oder 60% selbst einbehalten, aber gehen wir ruhig davon aus, dass Sobooks pro Buch 3 Euro vor allem verdient.

Um nur die angelaufenen Kosten bis Ende 2014 hereinzuholen, müsste Sobooks von diesen Datensätzen als gut eine Million verkaufen.







1 Million Bücher. Wer den Buchmarkt kennt, weiss, dass das nicht ganz einfach ist, wenn man gerade mal 1000 Follower bei Twitter hat, und auch von Lobos Followern mögen nur kleine Bruchteile seine Bücher lesen. Nur sehr wenige Menschen kaufen mehr als 50 Bücher pro Jahr und selbst wenn sie es tun, dann nicht bei den wenigen Verlagen, die bei Sobooks sind. Geghen wir aber mal davon aus, dass jeder Kunde durchschnittlich 10 Bücher dort ersteht.

Dann bräuchte Sobooks 100.000 Kunden. Nur um unter meinen Annahmen nicht in den roten Zahlen zu enden.

Das geht auch mit Spiegel online nicht, ausser man heisst Dick und schreibt über Rechtschreibfehler spiessige Zoten.

Das heisst, Sobooks muss entweder rasend schnell andere Verlage rumkriegen, ihre Bücher dort billiger zu verramschen und zwar ohne den ganzen DRM-Kram, damit die Kunden dort mehr Bücher kaufen und der Laden irgendwann profitabel wird. Meine Meinung ist, dass Sobooks schon eine viertel Million Kunden und ein sehr viel breiteres Sortiment und natürlich auch Angestellte für den Vertrieb bräuchte, vor allem aber Kunden, die wirklich vor allem dort einkaufen, um die alle reich zu machen.







Und dafür braucht man sicher auch vier, fünf Jahre, wenn es gut geht. Glaubt hier jemand ernsthaft, so einer wie Lobo würde sich ernsthaft ein halbes Jahrzehnt mit aller Kraft auf so etwas einlassen?

Meines Erachtens ist das Geschäftsmodell von Sobooks ein ganz anderes: Es ist der Versuch, eine akzeptierte Paywall unter vereinfachten Nutzerbedingungen einzuführen. Ich finde diese Idee nicht ganz schlcht, sie kommt halt nur von Leuten, die nicht eben als Heilsbringer in Erscheinung treten. Es sind Leute, die Profit wollen, und der, siehe oben, ist aus dem Büchern allein eher kaum zu erwarten.

Aber es gibt ja auch noch genug Verlage, Zeitungen und Medienkonzerne, die alle nicht wissen, wie sie eine Paywall machen sollen. Und wenn Sobooks eine gewisse, funktionierende Nutzerbasis auf der einen Seite und eine Paywall auf der anderen Seite haben sollte, ist das schon mal was, was andere erst mal schaffen müssten. Mitsamt Dikurs. und Marketingmöglichkeiten im sozialen Bereich. Und so etwas kostet in den kranken Strukturen herkömmlicher Verlage weitaus mehr als ein paar Millionen. Da ist Sobboks einfach die schlankere Lösung.

Das sind meines Erachtens die einzigen Kunden, auf die Lobo und Co, es wirklich abgesehen haben: Dass irgendein Verlag diesen vertriebskanal selbst haben und nebenbei noch an der Konkurrenz verdienen möchte. Amazon übernimmt solche Klitschen immer mal wieder, Holtzbrinck hat unter hohen Kosten Lovelybooks gemacht, der Reading Room bei der FAZ blieb leider Rudiment: Jetzt kommt Lobo und bietet die Alternative an.

Es geht gar nicht um das Verkaufen von Büchern. es geht um die Millionen der Verlage. Hochziehen, verticken an blöde Firmen, die das nicht selbst können, reich werden.

Ich weiss schon, warum ich denen sofort den Anwalt an den Hals hetzen würde, würde da auch nur eine Zeile von mir stehen. Über Texte kann man mit mir reden, über Nw Economy nicht.

Und, liebe Verlage; Schaut Euch die Performance an. Denkt nach. Wer einen Lobo zu brauchen meint, glaubt auch bei Krankheit an einen Wunderheiler.

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