: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 21. Oktober 2013

Das tut man einfach nicht

Manchmal dauern Geschichten etwas länger, aber jetzt passt das Klima und überhaupt, man sollte vielleicht darüber reden, bevor der Winter kommt und dann die Menschen wieder von Dächern springen. Ich weiss, wovon ich da rede, vor knapp 30 Jahren war das noch ein Drama und wir fanden, dass alle anderen Schuld sind, aber heute sehe ich die Sache ein klein wenig anders.



Generell leben wir in einer Gesellschaft, in der es immer irgendwie weiter geht. Es gibt viele Ungerechtigkeiten und nicht jeder kriegt alles, was er gern hätte, aber diverse Todesursachen der Vergangenheit sind nicht mehr existent. Niemand muss verhungern. Niemand muss erfrieren (ok, eventuell der Besoffene, der gestern Nacht auf der Treppe vor dem Rathaus schlief und als ich ihm Hilfe anbot, nach seinem Messer suchte und meinte, mich abstechen zu wollen, aber er hat es nicht gefunden und war auch etwas langsam). Die meisten Krankheiten haben, zumindest in dem Lebensalter, in dem man Spass haben kann, viel von ihrem Schrecken verloren; weder Schwangerschaft noch Schnittwunden bringen uns um. Statt dessen bringen wir uns selber um.

Unaktueller Anlass ist der Mann, der mit seinen Startups nicht mehr weiter wusste, und sich dann eben das Leben genommen hat. Weil er offensichtlich keine Möglichkeit mehr sah, etwas zu bewegen. Weil er auch recht sensibel war. Und nicht dumm, aber auch nicht klug genug um zu sehen, dass es hierzulande immer genug andere Möglichkeiten gibt. ja, noch nicht mal Privatinsolvenz und Hotel Mama sind schlimm, man kann das im Internet ja durchaus kaschieren, wenn man will. Und wieder neu anfangen. Deutschland ist gross. Ich habe selbst am Band gearbeitet, schlimmer als bei Springer ist das sicher nicht.



Und nicht umsonst gibt es ja auch Hilfen. Man kann nicht nur beim Amokllauf auf Unzurechnungshähigkeit plädieren, sondern auch bei allen anderen, kleineren Problemen. Und natürlich denkt man sich immer auch, was man denn hätte tun können, welche Möglichkeiten es gäbe, warum etwas aussichtslos erscheint, wenn es immer Auswege in Hülle und Fülle gibt, nur halt nicht immer da, wo man sie vielleicht gern hätte. Würde man das, was in Deutschland und in besonders in Berlin als deprimierende Zustände betrachtet, etwa auf Italien oder Spanien übertragen, könnte sich dort ein grosser Teil der Jugend mit gutem Recht umbringen.

Ich habe in Italien ein Rennrad von einem jungen Mann stehen, der es verkaufen musste, wie alles, was er sich bis Anfang 30 erarbeitet hat, weil er zurück zu Mama musste.In einen Ort, der nach italienischen Vorstellungen jetzt eher eine triste Arbeiterstadt ist. In sein altes Kinderzimmer. Immerhin, die Wohnung gehörte seiner Mutter und das war schon was, meinte er, und diese zwei, drei Jahre würde er auch durchstehen, dann käme etwas anderes. Dazu hat er sich halt mit Mama arrangiert, was jetzt vielleicht auch nicht cool ist, aber das Leben geht weiter.



Und das ist dann der Punkt, wo es wirklich bei mir aussetzt. Ich kann es bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen, dass Menschen sich lieber in den Suizid hineinreden, als über die Hürde zu klettern, anderen, erst mal Wildfremden ihre Situation zu erklären und um Hilfe zu bitten - weil es ihnen als die leichtere Lösung erscheint. Das Suchen nach wenig erbaulichen Auswegen ist in dieser Lage natürlich immer schwer und bedeutet sicher auch die Aufgabe einiger Freiheiten; was natürlich dann eher ungut erscheint, wenn man die gewährte Hilfe nutzt, um im alten Stil weiter zu machen. So kann man sich natürlich auch alle weiteren Wege verrammeln.

Aber meines Erachtens gibt es immer noch eien Pflicht bei der Sache und die lautet: Wartet mit dem Blödsinn gefälligst, bis die Reihe an Euch ist. Eltern haben natürlich keine Rechte an Kindern ausser einem, die Augen zu schliessen mit dem Gefühl, dass alles schon irgendwie werden wird. Wenn sich das danach als falsch herausstellt: Mei, sie kriegen das nicht mehr mit. Diese ultimative Selbstverwirklichung durch Selbstmord bzw. ein theatralischer Versuch ist so ziemlich das Assligste, was man machen kann und diese Ichfixiertheit, die dahinter steht, kein Ausdruck von Sensibilität, sondern von einem ziemlichen Paket Arschlochigkeit.



Tschuldigung. Ich höre jetzt schon das Gewinsel, dass solche Sager natürlich nochmal extra Rumtrampeln auf gefährdeten Menschen sind, die ohnehin schon nicht meht ein und aus wissen. Wie wäre es da, nur mal so ins Blaue besprochen, mit etwas nachdenken, ob es wirklich keinen anderen Weg mehr gibt, und dass diese Wege einen oft noch nicht mal auf das Niveau einer Kassenkraft drücken?

Auch dieser Winter geht vorbei. Und sollte es das Übliche berliner Debakel aus kein geld, keine Wohnung, kein Job und keine Perspektive sein: Hier haben wir gerade Übervollbeschäftigung. Und wer sich gern umbringt, wenn es sonst nicht mehr Berlin sein kann:

Darwin. Aber wartet gefälligst, denn es ist schon verdammt schwer, sich so fiese Eltern vorzustellen, die so etwas verdient hätten

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