: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 5. Dezember 2014

Knallen. Es muss knallen

Es war irgendwie absehbar, dass dieser Gastbeitrag nicht ganz ohne emotionale Reaktionen bleiben würde. Und ich habe gelernt, dass solche Beiträge wirklich wichtig sind, weil das Denken vieler Menschen nicht unbedingt so kühl ist, wie es sein sollte. Es geht um Sexkauf und zwar nicht um die Form, die ich hier praktiziere.



Formeller Anlass ist die sich bildende Koalition aus Emmas, Femen, Schwedinnen und katholischer Kirche für ein Bündnis zur "Abschaffung" - höhö - von Prostitution, ohne mit den Betroffenen zu reden oder sie auch nur einzulassen - und das mit Steuergeldern. Nun kann ich mich ja bequem aus der Affaire ziehen und sagen, dass mir Sex in meinem Alter eh langsam egal sein kann, ich nicht mehr viel versäume und meinen Spass schon früher und mehr als ausreichend hatte. Und warum sollte ich mir, in meiner privilegierten Situation, den Stress antun, so einen "riskanten" Beitrag bei der FAZ zu bringen.

Es sind ja nicht meine Privilegien, an die dieser von Moralin besoffene Mob will.

Da habe ich zwei Antworten. Die eine ist, dass ich generell nicht will, dass solche Figuren darüber zu befinden haben, wie ich mein Leben zu gestalten habe. Es geht mir nicht darum, ob ich das tun will - es geht mir darum, dass ich und jeder die Freiheit hat. sein Sexualleben nach eigenem Willen und Plaisier zu gestalten. Wenn jemand dafür zahlen will, soll es so sein und wenn Bezahung gewünscht wird, ist das auch in Ordnung. Solange da eben freier Wille dahinter ist. Und wenn diese Tätigkeit gewählt wird, weil es die bessere Alternative zu Unannehlichkeiten dieses Systems ist, nehme ich das auch gern hin, selbst wenn ich auch der Meinung bin, dass die Gehaltsunterschiede in Deutschland generell zu gross sind, und Frauen besonders am unteren Ende mehr verdienen sollten. Was die dann tun, muss mir auch nicht gefallen. Mir gefällt sehr vieles nicht, ich bin eigentlich ein enormer Spiesser. der schon kaum den Anblick von Piercings erträgt. Aber es ist deren Freiheit und die habe ich nicht nur hinzunehmen, sondern auch zu respektieren. So, wie ich auch nicht angepflaumt werden möchte, wenn ich gut gekleidet zuammen mit einer Frau im Abendkleid in die Oper gehe, nur weil jemand das als Verschwendung und kulturelle Arroganz ablehnt.

Generell: Freiheit sind nicht die Grenzen, in denen ich lebe. Freiheit ist die Abwesenheit von Grenzen. Kleines Beispiel: Ich esse nicht in England. Aber ich will die Freiheit haben, in England essen zu können. Das ist das eine.

Das andere ist: Diesen Kriegsschauplatz haben sich die Emmas absichtlich herausgesucht. Bigotte Leute die sie sind, suchen sie sich wie ihre Nichten aus der Netzblase mit Shirtgate das leichteste Opfer. Das, wo sie sich überhöhen und mit Vorbehalten spielen können. Für die Emmas ist die Prostitution, was der Jude für die NPD ist: Projektionsfläche für weit verbreitete Vorurteile. Und wie jeder Jude und jeder Kenner der Geschichte Frankreichs und Englands in der frühen Neuzeit vermutlich weiss - es muss dazu gar keine realen Juden geben, Antisemitismus funktioniert auch in deren Abwesenheit. Es wird immer etwas gegben, das man als jüdisch diffanieren kann. So ist das auch mit dem Sex. Wenn die Prostitution weg ist, wird sich der totalitäre Sexismus, der sich Feminismus nennt, gleich die nächsten Abweichungen ihrer Norm suchen, finden und als Gewalt gegen Frauen und Rape Culture bekämpfen, selbst wenn es das Phänomen auch unter Homosexuellen und für Frauen gibt. Sie werden immer einen Grund finden, Praktiken, Lust und Gedanken verbieten zu wollen. Und dann stehen sie halt irgendwann auch bei mir. Je eher man sie aus dem Felde schlägt, um so besser ist es.

Ja, und deshalb bin ich der Meinung, dass der schmutzige Schützengraben im Streit um die Prostitution ein phantastischer Ort für mich, meine an sich makellose Identität mitsamt nichtarischer Moralwumme und meine Überzeugungen ist. Denn es ist nicht so, dass ich meine Ruhe habe, wenn sich diese Koaltion dort ihren bigotten Hass verbreitet. Die Prostitution ist nur ein schwacher Punkt in der Front der Freiheit gegen die totalitären Bemühungen, und natürlich meinen die auch nicht nur meine Gastautorin. Die meinen mich, mein Gelächter und meine persönliche Freiheit, zu denken und zu lieben, was und wen immer ich will.

Ausserdem habe ich eine wirklich tolle Gastautorin nicht nur gefunden. sondern auch rumgekriegt, das zu machen. Natürlich sind solche Beiträge nicht ohne Risiko, aber publizistisch ist das für mich - befriedigend.

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