: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 26. Dezember 2014

Suiten

In etwa dort, wo meine Wohnung in München ist, wird eine andere angeboten. Die Bausubstanz ist aus der ganz schlechten Zeit, sie hat eine etwas schlechtere Lage, das Fenster ist winzig, sie verfügt über eine grosse Dachschräge und kostet für 22 m² im sechsten Stock, vulgo ausgebauter Speicher

200.000 Euro

Insofern sind die 7700 Startpreis pro m² für sog. Suiten zwischen Hauptverkehrsstrassen eigentlich gar nicht so entsetzlich teuer. Was sie aber nicht sind, ist das, wofür man sie hält: Ein Ort für Reiche. Damit - und mit diesen Vorurteilen - habe ich mich in der FAZ beschäftigt. Auf dass unsere bayerischen Aufkleberautonomen etwas lernen.

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Stoff für Träume

Man merkt, dass es München gut geht - der Stoffladen hat sich vergrössert, und es gibt hier einfach Leute, die für einen Meter Brokat 200 Euro oder mehr bezahlen können und wollen. Und erst die Kissen - man braucht heute viele Kissen. Das sieht man so in den Zeitschriften, die man wohl aktuell liest, und in München ist zwar nicht jeder so reich, aber das reiche Klientel ist da. Und diese Ecke der Stadt sieht zudem erfreulicherweise noch so aus, als könnten kleine Handwerker überleben, selbst wenn das nur noch für jene stimmt, die die Herrschaften beliefern, die weiter oben residieren.



Studenten, fürchte ich, gibt es hier so gut wie keine mehr. Seit damals, als ich hier öfters war, sind die Mieten zu sehr gestiegen, und die Zahl derer, die für eine kleine Wohnung 300.000 Euro ausgeben, ist vermutlich noch kleiner als die Kundschaft des Stoffhändlers. Das muss man erst mal verdienen, und wie man weiss, ist diese Summe über dem, was heute in diesem Lande allein schon als reich gilt - trotz der unsicheren Mühlsteinwährung, die ab Januar noch mehr internationales Gewicht für den Freischwimmer im Finanzstrudel bekommt. Gerne kaufen würden würden vermutlich viele, aber können - das ist eher unwahrscheinlich. Sollten hier doch noch Studenten eigene Wohnungen gemietet haben, also nicht WGs, was heute wohl Standard ist, dann kostet das ungefähr so viel wie H4. Es war übrigens mal ein lustiges Viertel, auch für Ärmere. Das ist es schon etwas länger nicht mehr. Dafür leistet man sich roten Samt mit Granatapfelmotiv, und Knotenschnüre aus Seide. Auch eine Art Aphrodisiakum.



Das wird man auch brauchen, wenn es so weiter geht. Statt sich wie die Italiener damit abzufinden, dass das Wohnen nun mal so teuer ist, und man dafür Opfer zu bringen hat in Form von Verschuldung und Genüg- und günstiger Zweisamkeit, wird mehr verlangt und gefordert. Ich hatte hier, in dieser Stadt vor zwei Monaten ein ziemlich komisches Erlebnis mit jemandem, der unbedingt etwas tun wollte - aber eben nicht für den Preis, den er dafür hätte erzielen können. Da half auch kein Erklären, wie sich das insgesamt alles anders als schlechte Angebot erklärt, nein, da wurde gedrückt und dieser unerfreuliche Eindruck vermittelt, man sei gar nicht der Chancengewährer, sondern nur derjenige, der sich auch noch zu bedanken habe. Ich weiss nicht, wo die das lernen - aber es zieht bei mir nicht. Vielleicht, weil es mir selbst unendlich peinlich wäre. Vermutlich aber auch, weil so ein Verhalten für mich jede Menge unangenehme Folgeerscheinungen hat. Ich kann es in gewisser Weise nachvollziehen, es mag nötig sein. Blöd nur, wenn ich angesichts der Anforderung selbst nicht schlecht bin, es eigentlich gar nicht brauche und obendrein Zeit und Nerven kostet. Auch das macht dieser soziale Umschwung aus Leuten, die einen werden gierig, und die anderen misstrauisch.



Ich stehe ziemlich lang allein vor dem Schaufenster und überlege mir, was mir gefallen könnte - keine Sorge, so viel Geld würde ich für Stoffe nicht ausgeben, aber so als Inspiration ist es ganz hübsch. Der Laden, fällt mir später auf, sollte vielleicht WLAN anbieten, denn das zieht die Leute wirklich an, selbst wenn sie dann nicht auf die Produkte schauen, sondern auf ihre Endgeräte. Aber so kommen dann viele Leute mit einem eher leeren und mit gleichmachenden Dingen befüllten Raum zusammen. Ich lebe ja nicht mehr in München, bei uns ist das alles noch recht anders. Mehr so rotbrokatig denn frierend hoffen, dass der Akku reicht. Auch das ist eine Form von Arm und Reich dicht beieinander.



Ich sollte wieder öfters nach München, heraus aus meiner Wohlfühlblase, und mich dem Zeitgeist stellen. Allerdings ist es kalt, es kommt der Schnee, und der Münchner in die Berge zum Rodeln - ich wäre also nicht klug, meine Brokatstühlchen zu verlassen und meine Füsse weg vom Seidenteppich zu bewegen. Zwei Tage München reichen dann auch.

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