: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 26. März 2015

Irre

Es kommt halt einiges zusammen: Der offensichtlich mit Asicht herbeigeführte Absturz eines Flugzeuges mit diesem Text einer jungen Autorin, die manchen nicht sensibel genug ist im Umgang mit Depression und psychischen Störungen. Letztere bekam einen Shitstorm ab.

Man kann, selbst wenn es schwer ist, Depressionen auch überwinden, statt anderen zur Last zu fallen, und generell glaube ich ohnehin, dass Lust und Leid keine Parameter von Geld und Vermögen sind, sondern von der Bereitschaft, das Leben anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Das ist übrigens auch einer der Punkte, warum ich kein Anhänger von innergentilen Beziehungen bin: Gerade an der Spitze der Gesellschaft tritt das Unvermögen, mit dem Leben klar zu kommen, besonders deutlich hervor, und dann schon bei geringsten Anlässen. Mindervermögende sind vielleicht auch doof, komplexbeladen oder bescheuert, aber es kommt wenigstens nicht zwingend bei der erstbesten Gelegenheit zum Tragen.



Man kann es überwinden wollen und man kann sich darin suhlen, so wie es manche - besonders junge Frauen - bei Twitter machen, und jeden, der sie für doof hält, als ableistisch bezeichnen, nur eine Stufe unter dem Nazi. Man sollte deshalb dennoch den Einzelfall betrachten und niemanden abschreiben, und früher dachte ich auch, man könnte da trotzdem mal einen Gastbeitrag schreiben lassen - die Person, die gerade versucht, mit einem Anwalt etwas gegen mich zu erreichen, hat mich da eines Besseren belehrt, ich passe mittlerweile auf und schaue genau hin, bevor ich zusage. Gerade jetzt ist, nach dem Tod von Schirrmacher, nicht die Lebensphase, wo man sich über Streit mit aus der Bahn geworfenen Prolletten freuen würde, nur weil man einmal zur falschen Person zu freundlich war. Da denkt man sich dann nur, warum eigentlich so u... - und das ist kein netter Gedanke. Und eigentlich will ich doch nett sein.

Aber ganz unabhängig vom Zwang, sich beruflich mit solchen Fragen zu beschäftigen, und Burn-Out ist stets ein Thema: Es ist ja nicht so, dass man sich wirklich Depressive als Freunde zwangsläufig heraussucht. In den meisten Fällen rutschen Menschen, die man kennt und schätzt, in solche Probleme hinein, oft in einem längeren Prozess. Und auch da gibt es dann solche und solche, wie im realen Leben: Die Egomanen, die das auch wirklich ausleben und die wirklich mit keiner Faser an das denken, was sie anrichten und die anderen, die das durchaus tun und dadurch noch mehr reinrutschen, aber sich weiterhin eine gewisse Empathie behalten. Was ich selbst lernen musste, und zwar mehrfach auf die harte Tour: Man zahlt bei der ersten Variante drauf. Und zwar heftig. Da bin ich inzwischen auch ein wenig intolerant geworden und neige dazu, mir die Geistesmodelle der gefühlten Benachteiligung gar nicht mehr zu eigen zu machen - natürlich ist an dem Käfig, den sie sich errichten, alles stimmig. Aber es ist nicht meiner und ich möchte da nicht betroffen sein.

Schlimm ist es für die, die nicht einfach weggehen können: Eltern und Verwandte. Auch das ist so eine Sache, die ich im Internet lernte: Wie gehässig sich solche Leute oft über diejenigen äussern, die die eigentlichen Probleme mit ihrem Verhalten bekommen. Wie sie, die selbst wie die Axt im Walde auftreten. weinerlich werden, wenn es mal nicht die gewünschten Reaktionen gibt. Ich weiss nicht, ob geschlossene Stationen und Psychopharmaka die richtigen Antworten sind.



Aber einfach zuschauen und noch mehr Mitleid in diese selbstzerstörerischen Leute hineinzubuttern, ist, nach meiner Erfahrung, wenig zielführend. Es gibt einfach welche, so hart es einzusehen ist, die ein Talent dafür haben, sich erst selbst in die Probleme zu bringen und dann alle, die ihnen helfen wollen, obendrein. Nicht ohne das Haus der Eltern zu sprengen, nicht ohne den Lokführer, nicht ohne ein voll besetztes Flugzeug - das ist dann der Endpunkt. los geht das schon viel früher, beim demolierten Schrank, bei der getretenen Katze, beim Drogenmissbrauch, beim Schlitzen - und nun kann man darüber gern reden. wie lange Nachsicht sinnvoll ist und wann man eben nicht mehr der nette, nachgiebige Freund sein darf.

Das ist bitter, und oft genug hilft es den Betroffenen nicht. Aber es gibt nun mal welche, die andere in den Abgrund reissen, denen das auch Spass macht, und die daraus ihre Befriedigung ziehen, und wenn sie davon kommen, es woanders gleich wieder tun. Die einen sind darauf angewiesen, dass sie Hilfe bekommen und die anderen nutzen das schamlos aus. Die Differenzierung ist moralisch schwierig und menschlich schmerzhaft. Ich selbst - ich werde mit den schwarzen Momenten meines Lebens schon fertig und freue mich, wenn ich helfen kann. Ein paar Mal sass ich neben Leuten im Auto, zu denen ich mich heute nicht mehr setzen würde. Im Nachhinein wundere ich mich fast, dass so relativ wenig passierte, als man am Studienort meiner Freundin auf die irre Idee kam, einen ehemaligen Junkie mit einem schweren Dachschaden in ihre Studenten-WG aus Gründen der Inklusion zu stecken. Aber es ging wenigstens halbwegs gut zu Ende - für die anderen.



Trotzdem, ich bin Historiker. Wir leben in einer Epoche, die selbst den gefühlt Chancenlosen einen früher undenkbaren Luxus und Hilfsangebote zur Verfügung stellt. Wir gehen flauschigst mit psychischen Erkrankungen um und machen ADHS und Anorexie zu Smalltalkthemen. Wir zahlen und akzeptieren, dass Verwandte dafür den höchsten Preis zahlen. Nur nicht diesen Leuten auf die Füsse treten, die Erkrankung als Zeichen der Krankheit unserer Kultur verstehen - das ist das Credo und so etwas liest die gestörte Luxusirre bei Twitter gern. Man lasse sie nicht ins Cockpit, man setze sich nicht zu ihr ins Auto und, statt sich für die nur mittelwindelweiche Beschäftigung mit dem Thema zu entschuldigen, ballere ihr eine rein, wenn sie ihr Drecksnaul bei Twitter aufreisst.

Vielleicht findet sie dann ihre Eltern doch wieder etwas netter.

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