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Donnerstag, 22. Januar 2009
In der Hölle der Freundlichkeit.
Es gibt eine gewisse Form der Freundlichkeit, die ich fliehe. Oder besser, zu fliehen versuche. Früher war es nicht so schlimm, damals war niemand so arg entsetzlich freundlich. Durch ein paar ohnehin nicht schöne Entwicklungen jedoch gibt es nun jemanden, der alle unerfreulichen Eigenschaften der Freundlichkeit in sich vereint und als vollkommene Distanzlosigkeit wieder ausspuckt. Anfassen, anquatschen, begleiten, niederlabern, ausquetschen, Ratschläge dümmster Natur geben und bei all der Freundlichkeit immer ein Ziel im Auge haben. ... Zwischen dem Punkten und diesen Worten liegen ein paar Minuten des Ringens, aber, ja, ehrlich, ich gebe es zu, auch wenn ich mich dafür nicht leiden kann - die Person ist das Produkt katholischer Erziehung und südostasiatischer Aufdringlichkeit. Und ich bin machtlos. Machtlos, und wenn es dann endlich vorbei ist, vollkommen geschlaucht. ich stehe vor dem Spiegel, schneide Grimassen und sage Dinge, die ich nie sagen würde.

Die Person wäre nach hiesigen Begriffen in all ihrer Freundlichkeit dreist, unverschämt und indiskret. Sie ist vollkommen gefühllos, was schwache Zeichen angeht, inmer noch gefühllos, wenn man deutliche Hinweise aussendet, und von der gleichen maultierartigen Gefühllosigkeit, wenn man freundlich und bestimmt das Ende ausdrückt. Es spielt keine Rolle, ob es deutsche oder englische Signale sind - letztere müsste er eigentlich besser verstehen. Haustüren bieten da keinen Schutz, er konmt gerne mit. Ich habe einfach keine Methode gelernt, mit so etwas im Rahmen umzugehen. Es gibt keinen zivilisatorisch gerechtfertigten Weg, um schnell und ohne psychische Belastung zu entfliehen. Und ganz ehrlich: Südostasien interessiert mich auch nicht.
Er schafft etwas, das bislang nur eine Japanerin geschafft habe: Dass ich wegen einem Menschen voreingenommen bin. So, wie ich immer etwas bescheuert lächle, wenn ich eine Japanerin sehe - ich will nicht wissen, wie ich aussah, als ich das letzte Mal in Schönbrunn war - formt sich in meiner Vorstellung der südostasiatische Raum zu einer riesigen Menge an überfreundlich-unhöflichen Menschen zusammen, und wenn ich nicht wüsste, dass es nur noch mehr distanzlose Freundlichkeit und Bemühen um den anderen zur Folge hätte, wäre ich schon lange mal explodiert. Weil es aber keine höfliche oder unhöfliche Lösung gibt, trage ich draussen einen Dufflecoat mit Kapuze, und springe schnell über Pfützen, wenn ich ihn sehe. Und denke mir: Freundlichkeit ist nichts. Höflichkeit ist alles.

Die Person wäre nach hiesigen Begriffen in all ihrer Freundlichkeit dreist, unverschämt und indiskret. Sie ist vollkommen gefühllos, was schwache Zeichen angeht, inmer noch gefühllos, wenn man deutliche Hinweise aussendet, und von der gleichen maultierartigen Gefühllosigkeit, wenn man freundlich und bestimmt das Ende ausdrückt. Es spielt keine Rolle, ob es deutsche oder englische Signale sind - letztere müsste er eigentlich besser verstehen. Haustüren bieten da keinen Schutz, er konmt gerne mit. Ich habe einfach keine Methode gelernt, mit so etwas im Rahmen umzugehen. Es gibt keinen zivilisatorisch gerechtfertigten Weg, um schnell und ohne psychische Belastung zu entfliehen. Und ganz ehrlich: Südostasien interessiert mich auch nicht.
Er schafft etwas, das bislang nur eine Japanerin geschafft habe: Dass ich wegen einem Menschen voreingenommen bin. So, wie ich immer etwas bescheuert lächle, wenn ich eine Japanerin sehe - ich will nicht wissen, wie ich aussah, als ich das letzte Mal in Schönbrunn war - formt sich in meiner Vorstellung der südostasiatische Raum zu einer riesigen Menge an überfreundlich-unhöflichen Menschen zusammen, und wenn ich nicht wüsste, dass es nur noch mehr distanzlose Freundlichkeit und Bemühen um den anderen zur Folge hätte, wäre ich schon lange mal explodiert. Weil es aber keine höfliche oder unhöfliche Lösung gibt, trage ich draussen einen Dufflecoat mit Kapuze, und springe schnell über Pfützen, wenn ich ihn sehe. Und denke mir: Freundlichkeit ist nichts. Höflichkeit ist alles.
donalphons, 00:56h
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Mein Blut gab ich für Tand
- aber wenigstens hatte ich damit Stoff für eine Geschichte in der FAZ. Darf ich besonders die Skeptiker bitten, sich das durchzulesen und mich wissen zu lassen, ob ich auf meine alten Tage tatsächlich einen den leicht dementen Eindruck mache, der mit der von ihnen befürchteten Zahnlosigkeit einhergeht? Ich diskutiere gern darüber. Wirklich.
(Nein, ich bin nicht angefressen. Es interessiert mich nur.)
Ansonsten: Bin ich eigentlich der einzige, der darüber redet, dass das Vereinigts Königreich vor der Kernschmelze steht? Es ist schwer, so etwas zu beurteilen, aber ich habe den Eindruck, ganz unten in einem Wellental zu sitzen, und hoch über mir, vom Scheitel des Tsunami, fällt gerade die HMS UK herunter, ohne jemals wieder in der Lage zu sein, die Wellen zu beherrschen. Ich denke aber, Lehman war ein Lustspiel gegen das, was jetzt kommen wird.
(Nein, ich bin nicht angefressen. Es interessiert mich nur.)
Ansonsten: Bin ich eigentlich der einzige, der darüber redet, dass das Vereinigts Königreich vor der Kernschmelze steht? Es ist schwer, so etwas zu beurteilen, aber ich habe den Eindruck, ganz unten in einem Wellental zu sitzen, und hoch über mir, vom Scheitel des Tsunami, fällt gerade die HMS UK herunter, ohne jemals wieder in der Lage zu sein, die Wellen zu beherrschen. Ich denke aber, Lehman war ein Lustspiel gegen das, was jetzt kommen wird.
donalphons, 11:53h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Dienstag, 20. Januar 2009
Empfehlung heute - Dass ich das noch erleben darf
Ambrose Evans-Pritchard, das Sturmgeschütz des britischen Peso beim Torygraph rutscht angesichts der Krise seiner Exfreunde in den Banken auf den Knien und ahnt, dass Ihrer Majestät Königreich demnächst die Kolonien um Aufnahme wird anbetteln müssen.
Da fragt man sich: Nur Panik eines unverbesserlichen Gesinnungsschreiber oder wirklich der Moment, da die Insel untergeht? Oder wie wäre es mit ein paar sauberen Euro im Kurs von 1,5o Pfund? Wir haben die Aufnahme von Zypern überlebt, wir packen auch die Insel. Is eh scho wuascht.
Da fragt man sich: Nur Panik eines unverbesserlichen Gesinnungsschreiber oder wirklich der Moment, da die Insel untergeht? Oder wie wäre es mit ein paar sauberen Euro im Kurs von 1,5o Pfund? Wir haben die Aufnahme von Zypern überlebt, wir packen auch die Insel. Is eh scho wuascht.
donalphons, 21:15h
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Wertlos
Wertlos I: Das britische Pfund. Inzwischen macht man sich auf der Insel gar nicht mehr die Mühe, Ereignisse wie den 28-Milliarden-Verlust der Royal Bank of Scotland - nach einem 32-Milliarden-Bailout zu beschönigen. Das Land braucht geld, und statt es sich zu borgen, geht es zur Zentralbank und lässt es drucken. 50 Milliarden Pfund. Das sieht nicht nach Weimar aus, das ist Weimar. Ich darf hier an meine Worte von vor einem Jahr erinnern, zum Thema Orte an denen man nicht sein will: 1. London. Europäisches Finanz- und Immobilienzentrum zu sein, mit einer Immobilienblase im Rücken, ist kein Spass. Zeit, an die Wiederansiedlung von Wölfen in Notting Hill nachzudenken.
Wertlos II: Chrysler. Übersetzt bedeutet diese Meldung: Fiat bekommt 35% von Chrysler für die Verlagerung alter Maschinen und Produktionsstrassen nach Amerika, um dort Fiats zu verkaufen. Früher nannte man das Industrieabfallexport und war froh, wenn die Chinesen das Zeug kauften. Kein Wunder, dass die Daimler AG ihren Rest an Chrysler inzwischen komplett abgeschrieben hat.
Wertlos III: Die Freunde der Blasmusik, die in einer grossen süddeutschen Zeitung eine Kaufempfehlung für Postbankaktien lasen, nach der die Deutsche Bank irgendwann ein Übernahmeangebot würde machen müssen. Bei vermuteten 50 Euro erschien der damalige Kurs von 20 bis 25 recht angenehm. Wie ich nun gestern hören durfte, hat das diejenigen kalt erwischt, sie sich daraufhin die Aktien auf Kredit gekauft haben. Ein Jahr 6% Zinsen zahlen, dann 100% Gewinn machen und aussorgen. Das sind die leute, die jetzt wie blöd die Postbank verkaufen, um die Privatinsolvenz zu umgehen. Aktionär sein ist ok, aber Aktien mit Schulden zu finanzieren - sollte nach 1929 eigentlich nicht mehr gemacht werden.
Wertlos IV: Steuersenkungen. Die Freunde der Blasmusik aus Wertlos III werden den Teufel tun und irgendwas davon ausgeben. Die werden sparen, sparen, sparen, um ihre Vermögensverluste auszugleichen. Und nochmal sparen, wenn sie sich die prekäre Lage der EU-eigenen AmrandedesAbgrunds-Staaten anschauen. Es wird dauern, aber es wird auch bei uns durchschlagen, und einen fiesen Effekt der Rezessionsverlängerung haben. Steuersenkungen sind im oberen Bereich unserer Gesellschaft nichts anderes als staatliche Ausgleichszahlungen für das unverantwortliche Gezocke, das die Probleme erst verursacht hat. Ich halte nichts von Enteignungen und Zwangsverwaltung, selbst wenn das bei einer Reihe von Konstrukten des grauen Kapitalmarkts dringend erdorderlich wäre, aber diese Krise sollte man die Verursacher zumindest selbst bezahlen lassen, wenn man sie schon nicht zur Verantwortung zieht. Mich würde ja interessieren, wieviel Typen wie der Westerwelle in den letzten Monaten verloren haben.
Wertlos II: Chrysler. Übersetzt bedeutet diese Meldung: Fiat bekommt 35% von Chrysler für die Verlagerung alter Maschinen und Produktionsstrassen nach Amerika, um dort Fiats zu verkaufen. Früher nannte man das Industrieabfallexport und war froh, wenn die Chinesen das Zeug kauften. Kein Wunder, dass die Daimler AG ihren Rest an Chrysler inzwischen komplett abgeschrieben hat.
Wertlos III: Die Freunde der Blasmusik, die in einer grossen süddeutschen Zeitung eine Kaufempfehlung für Postbankaktien lasen, nach der die Deutsche Bank irgendwann ein Übernahmeangebot würde machen müssen. Bei vermuteten 50 Euro erschien der damalige Kurs von 20 bis 25 recht angenehm. Wie ich nun gestern hören durfte, hat das diejenigen kalt erwischt, sie sich daraufhin die Aktien auf Kredit gekauft haben. Ein Jahr 6% Zinsen zahlen, dann 100% Gewinn machen und aussorgen. Das sind die leute, die jetzt wie blöd die Postbank verkaufen, um die Privatinsolvenz zu umgehen. Aktionär sein ist ok, aber Aktien mit Schulden zu finanzieren - sollte nach 1929 eigentlich nicht mehr gemacht werden.
Wertlos IV: Steuersenkungen. Die Freunde der Blasmusik aus Wertlos III werden den Teufel tun und irgendwas davon ausgeben. Die werden sparen, sparen, sparen, um ihre Vermögensverluste auszugleichen. Und nochmal sparen, wenn sie sich die prekäre Lage der EU-eigenen AmrandedesAbgrunds-Staaten anschauen. Es wird dauern, aber es wird auch bei uns durchschlagen, und einen fiesen Effekt der Rezessionsverlängerung haben. Steuersenkungen sind im oberen Bereich unserer Gesellschaft nichts anderes als staatliche Ausgleichszahlungen für das unverantwortliche Gezocke, das die Probleme erst verursacht hat. Ich halte nichts von Enteignungen und Zwangsverwaltung, selbst wenn das bei einer Reihe von Konstrukten des grauen Kapitalmarkts dringend erdorderlich wäre, aber diese Krise sollte man die Verursacher zumindest selbst bezahlen lassen, wenn man sie schon nicht zur Verantwortung zieht. Mich würde ja interessieren, wieviel Typen wie der Westerwelle in den letzten Monaten verloren haben.
donalphons, 10:24h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 19. Januar 2009
Bei den Stützen der Gesellschaft
sind jetzt die Kommentare frei zugänglich, ohne Registrierung, und nur mit Freischaltung - das mache ich, sobald ich kann.
donalphons, 17:28h
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Wir können reden
Dieser Beitrag über die Mauer des Westviertelszeigt in etwa die Möglichkeiten auf, in denen sich das Projekt bei der FAZ entwickeln kann.

Ich hoffe, es behagt, auch wenn ich ein wenig über Architekturkontinuität vom Mittelalter bis heute doziere.

Ich hoffe, es behagt, auch wenn ich ein wenig über Architekturkontinuität vom Mittelalter bis heute doziere.
donalphons, 15:11h
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Mein Feinbild FAZ und ich.
Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.
Paul Sethe, zurückgetretener Herausgeber und Mitgründer der FAZ
Ich mochte die FAZ nicht.
Das hat mit meiner individuellen Geschichte zu tun, und dem reaktionären bayerischen Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin. Der sog. "Historikerstreit", in dem die FAZ wissenschaftlich fahrlässig am Pulverfass der Neueren Geschichtsschreibung zündelte, war auf dem Niveau meiner Heimatstadt und meines Gymnasiums eine Brandfackel in den Händen unserer Rassisten und Altnazis. Man kann sich das heute nacht mehr vorstellen, aber Bayern unter Strauss war ein Sammelbecken unglaublicher Charaktere: Ein Religionslehrer erzählte damals, wie toll die Partisanenbekämpfung an der Ostfront war. Unser Geschichtslehrer war sudetendeutscher Flüchtling und hatte die Vertreibung noch voll mitbekommen. Dass man ihn am Ende des Krieges noch in eine Waffen-SS-Uniform gesteckt hatte, sollte uns verdeutlichen, dass man diese Organisation nicht in Bausch und Bogen verurteilen durfte. Und der Direktor war voll auf der Linie mit dem Straussschen Diktum, dass die Deutschen von Auschwitz nichts mehr hören brauchten. Den Versuch einer ausgewogenen Ausstellung über Südafrika verbot er mit Brandschutzgründen. Der Historikerstreit war Munition für eine tiefbraune, lokale "Forschungsstelle", deren Mitglieder bald danach den Verfassungsschutz beschäftigten, und für alle anderen, die endlich aufräumen wollten mit dem Gejammer der Juden. Das Lokalblatt gehörte der Tochter der Nazis, der die anderen beiden Lokalblätter kassiert hatte, und las sich, als hätte es 68 oder gar 45 nie gegeben. Die FAZ hat, vermutlich ohne es in dieser Schärfe zu beabsichtigen, mein Privatleben und meine Kollegstufenzeit mit LK Geschichte massivst beeinträchtigt.
Andererseits kenne ich auch den linken Zugang zu den Juden - die entweder als Kronzeugen für die gute Linke herzuhalten haben, oder als Verantwortliche für Israel. Auch nicht gerade nett. Ich fand lange Zeit Claus Leggewie für seinen Einsatz im Historikerstreit toll - bis ich ihn dann mal am ZKM erlebte, wo er Blogs allgemein runterputzte und sie als Instrument einer Elite identifizierte, das man nicht den Idioten überlassen durfte. Hallo? Das Leben dreht so manchen um, sie gehen von ganz links nach ganz rechts, sie brodern und maxeinern, sie lassen sich kaufen und pfeifen auf ihre alten Überzeugungen, weil jemand gut zahlt, manche Tucholskys kriegen wieder die Kurve und viele Blogger bleiben Werbedeppen. Der Fluch dieser Zeit ohne echte Überzeugung ist der Zwang für Menschen mit Überzeugung, ständig nachzujustieren.
Es ist im ersten Moment noch schmerzlicher, wenn in so einem Prozess nicht nur lumpige, neue Feindbilder entstehen, sondern auch alte Qualitätsfeindbilder verschwinden. Die FAZ zum Beispiel ist politisch absolut nicht auf meiner Linie, aber sie ist es in fundierten Beiträgen im Internet, während die SZ Klickstrecken macht und SPON die Gosse bedient. Ich habe ein Faible für Texte, die sich mit der Argumentation Mühe geben. Seit gut anderthalb Jahren ist die FAZ neben dem österreichischen Standard und der NZZ die einzige deutschsprachige Medienseite, die ich täglich besuche - weil sie mich mit so viel Medienmüll verschont und über weite Strecken fundiert schreibt. Ich kann mit einem Reaktionär aus Überzeugung vermutlich besser als mit einem Neoliberalala, der Pressemitteilungen abschreibt. Und als mich die FAZ im Oktober letzten Jahres fragte, ob ich für sie ein Portrait schreiben wollte, habe ich nach einigem Abwägen erkannt, dass es für mich kein Problem mehr ist. Und für die FAZ war mein Mao-Zitat auch kein Problem.
Als ich dann letzte Woche gefragt wurde, ob ich mir vorstellen konnte, auch für die FAZ zu bloggen, fuhr ich hin, habe mit den Verantwortlichen gesprochen, mich auf ein Experiment festgelegt - und damit kommen wir zu den Fragen und Antworten:
Bloggst Du für die FAZ?
Ich würde es so sagen: Ich benutze die Softwarebasis eines Blogs, um bei FAZ.net eine Art literarisches Sachbuch über das real existierende Bürgertum, seine Geschichte und seinen Niedergang zu verfassen, entlang meiner eigenen Erlebnisse in dieser Klasse, die auch die meinige ist. Das Konzept, die Planung, das alles entspricht nicht allzu sehr dem, was bloggen gemeinhin ausmacht.
Zahlen sie dafür?
Ja. (Don druckst an einem abgründigen Lächeln Richtung Essen, Berlin und Kiel herum, von der Art "aber ich glaube trotzdem nicht an Profibloggen")
Wieviel?
Aber, aber. Wollen wir nicht erst mal inhaltlich reden?
Beeinträchtigt es Deine anderen Blogs?
Nein, erstens muss und will ich bei der FAZ anders und bewusster schreiben, zweitens wendet es sich nicht zwingend als Leser von Rebellen ohne Markt, und drittens ist es inhaltlich gewollt ein zu enges Korsett, als dass es mir reichen würde.
Keine Zweifel? Warum ausgerechnet Du?
Doch, natürlich Zweifel. Ich habe viele Freiheiten, es fällt ganz sicher aus dem Umfeld raus, und es berührt mit dem Thema Bürgertum ziemlich unkeusch und abgebrüht einen eher heiligen Wesenskern der FAZ. Ich weiss nicht, ob das gut geht. Aber es gibt nur einen Weg, es herauszufinden. Und ich? Weil ich hoffentlich der richtige Autor für das passende Thema bin.
Was ist anders?
Die Software muss ich erst mal neu lernen. Es ist Wordpress ähnlich, aber nicht identisch. Ich muss die Kommentare freischalten. Das Layout ist breiter, ich muss mir mit den Bildern was einfallen lassen. Ich würde lügen, wenn ich das alles als Routine sehen würde. Aber am Ende ist es auch nur ein Blogger mit einem Rechner und einem Thema.
Und wo finde ich das?
Bei den Stützen der Gesellschaft.
Paul Sethe, zurückgetretener Herausgeber und Mitgründer der FAZ
Ich mochte die FAZ nicht.
Das hat mit meiner individuellen Geschichte zu tun, und dem reaktionären bayerischen Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin. Der sog. "Historikerstreit", in dem die FAZ wissenschaftlich fahrlässig am Pulverfass der Neueren Geschichtsschreibung zündelte, war auf dem Niveau meiner Heimatstadt und meines Gymnasiums eine Brandfackel in den Händen unserer Rassisten und Altnazis. Man kann sich das heute nacht mehr vorstellen, aber Bayern unter Strauss war ein Sammelbecken unglaublicher Charaktere: Ein Religionslehrer erzählte damals, wie toll die Partisanenbekämpfung an der Ostfront war. Unser Geschichtslehrer war sudetendeutscher Flüchtling und hatte die Vertreibung noch voll mitbekommen. Dass man ihn am Ende des Krieges noch in eine Waffen-SS-Uniform gesteckt hatte, sollte uns verdeutlichen, dass man diese Organisation nicht in Bausch und Bogen verurteilen durfte. Und der Direktor war voll auf der Linie mit dem Straussschen Diktum, dass die Deutschen von Auschwitz nichts mehr hören brauchten. Den Versuch einer ausgewogenen Ausstellung über Südafrika verbot er mit Brandschutzgründen. Der Historikerstreit war Munition für eine tiefbraune, lokale "Forschungsstelle", deren Mitglieder bald danach den Verfassungsschutz beschäftigten, und für alle anderen, die endlich aufräumen wollten mit dem Gejammer der Juden. Das Lokalblatt gehörte der Tochter der Nazis, der die anderen beiden Lokalblätter kassiert hatte, und las sich, als hätte es 68 oder gar 45 nie gegeben. Die FAZ hat, vermutlich ohne es in dieser Schärfe zu beabsichtigen, mein Privatleben und meine Kollegstufenzeit mit LK Geschichte massivst beeinträchtigt.
Andererseits kenne ich auch den linken Zugang zu den Juden - die entweder als Kronzeugen für die gute Linke herzuhalten haben, oder als Verantwortliche für Israel. Auch nicht gerade nett. Ich fand lange Zeit Claus Leggewie für seinen Einsatz im Historikerstreit toll - bis ich ihn dann mal am ZKM erlebte, wo er Blogs allgemein runterputzte und sie als Instrument einer Elite identifizierte, das man nicht den Idioten überlassen durfte. Hallo? Das Leben dreht so manchen um, sie gehen von ganz links nach ganz rechts, sie brodern und maxeinern, sie lassen sich kaufen und pfeifen auf ihre alten Überzeugungen, weil jemand gut zahlt, manche Tucholskys kriegen wieder die Kurve und viele Blogger bleiben Werbedeppen. Der Fluch dieser Zeit ohne echte Überzeugung ist der Zwang für Menschen mit Überzeugung, ständig nachzujustieren.
Es ist im ersten Moment noch schmerzlicher, wenn in so einem Prozess nicht nur lumpige, neue Feindbilder entstehen, sondern auch alte Qualitätsfeindbilder verschwinden. Die FAZ zum Beispiel ist politisch absolut nicht auf meiner Linie, aber sie ist es in fundierten Beiträgen im Internet, während die SZ Klickstrecken macht und SPON die Gosse bedient. Ich habe ein Faible für Texte, die sich mit der Argumentation Mühe geben. Seit gut anderthalb Jahren ist die FAZ neben dem österreichischen Standard und der NZZ die einzige deutschsprachige Medienseite, die ich täglich besuche - weil sie mich mit so viel Medienmüll verschont und über weite Strecken fundiert schreibt. Ich kann mit einem Reaktionär aus Überzeugung vermutlich besser als mit einem Neoliberalala, der Pressemitteilungen abschreibt. Und als mich die FAZ im Oktober letzten Jahres fragte, ob ich für sie ein Portrait schreiben wollte, habe ich nach einigem Abwägen erkannt, dass es für mich kein Problem mehr ist. Und für die FAZ war mein Mao-Zitat auch kein Problem.
Als ich dann letzte Woche gefragt wurde, ob ich mir vorstellen konnte, auch für die FAZ zu bloggen, fuhr ich hin, habe mit den Verantwortlichen gesprochen, mich auf ein Experiment festgelegt - und damit kommen wir zu den Fragen und Antworten:
Bloggst Du für die FAZ?
Ich würde es so sagen: Ich benutze die Softwarebasis eines Blogs, um bei FAZ.net eine Art literarisches Sachbuch über das real existierende Bürgertum, seine Geschichte und seinen Niedergang zu verfassen, entlang meiner eigenen Erlebnisse in dieser Klasse, die auch die meinige ist. Das Konzept, die Planung, das alles entspricht nicht allzu sehr dem, was bloggen gemeinhin ausmacht.
Zahlen sie dafür?
Ja. (Don druckst an einem abgründigen Lächeln Richtung Essen, Berlin und Kiel herum, von der Art "aber ich glaube trotzdem nicht an Profibloggen")
Wieviel?
Aber, aber. Wollen wir nicht erst mal inhaltlich reden?
Beeinträchtigt es Deine anderen Blogs?
Nein, erstens muss und will ich bei der FAZ anders und bewusster schreiben, zweitens wendet es sich nicht zwingend als Leser von Rebellen ohne Markt, und drittens ist es inhaltlich gewollt ein zu enges Korsett, als dass es mir reichen würde.
Keine Zweifel? Warum ausgerechnet Du?
Doch, natürlich Zweifel. Ich habe viele Freiheiten, es fällt ganz sicher aus dem Umfeld raus, und es berührt mit dem Thema Bürgertum ziemlich unkeusch und abgebrüht einen eher heiligen Wesenskern der FAZ. Ich weiss nicht, ob das gut geht. Aber es gibt nur einen Weg, es herauszufinden. Und ich? Weil ich hoffentlich der richtige Autor für das passende Thema bin.
Was ist anders?
Die Software muss ich erst mal neu lernen. Es ist Wordpress ähnlich, aber nicht identisch. Ich muss die Kommentare freischalten. Das Layout ist breiter, ich muss mir mit den Bildern was einfallen lassen. Ich würde lügen, wenn ich das alles als Routine sehen würde. Aber am Ende ist es auch nur ein Blogger mit einem Rechner und einem Thema.
Und wo finde ich das?
Bei den Stützen der Gesellschaft.
donalphons, 03:14h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 18. Januar 2009
Frankfurter!
Das Exil in Aschaffenburg (Bayern) ist nur 30 Kilometer entfernt und bequem auf der Autobahn zu erreichen, hat echte Wirtschaft statt maroder Banken, die Stadt hat einen sozialdemokratischen Bürgermeister, keine Schulden, ein grandioses Barockschloss und Parks, und gilt als die "fränkische Riviera". Das Land wird von einer maroden, pseudosozialdemokratischen CSU regiert, die den Bürgern für die Prügel bei der letzten Wahl die Stiefel leckt. Billiger ist es dort sowieso.
donalphons, 21:03h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 18. Januar 2009
Die zweite Stufe
Meinen Aufenthalt im Würzburger Schlossgarten habe ich abrupt beendet. Ich war zwar ohnehin durch und durchgefroren, aber als die Nachricht kam, dass im Haus zwei Leitungen gefroren sind, rannte ich zum Auto und fuhr heim. Mit Tempo 200.

Geplatzte Leitungen sind schon in modernen Häusern unschön, aber ich wohne in einem Baudenkmal, wo schon eine übergelaufene Waschmaschine Folgekosten von 10.000 Euro haben kann. Die Reparatur einer verzogenen Tür aus der Zeit um 1720 würde mehr kosten, als eine neue Tür mit Rahmen und Einbau. Und weil das Haus in manchen Bereichen - wie etwa meine Wohnung - immer noch manche Drähte aus der Zeit besitzt, in der Elektrifizierung der avantgardistischste Schnickschnack war... 200 ist nicht langsam, man sollte sich konzentrieren, aber es geht einem viel durch den Kopf. Ich hatte das alles schon mal, ich muss das nicht nochmal erleben.

Normalerweise führen solche Vorgänge, selbst, wenn sie der Nachlässigkeit der Mieter und nicht der Qualität des Hauses geschuldet sind, im Familienrat zur Diskussion, ob es nicht doch besser wäre, den Stadtpalast mit seinen 50 plus x Räumen und Hinterhaus und Holzlegen und Waschhaus zu verkaufen. Nachdem man mit solchen Objekten Steuern sparen kann, wäre es absolut kein Problem, einen Käufer zu finden, und unter normalen Bedingungen ist das klassische Argument: Wir verkaufen es, und wir haben ausgesorgt. Gerade meine Frau Mama, die ein gespaltenes Verhältnis zum Haus hat, versteht sich darin fast so gut, wie ich in der Empörung, für so etwas banales wie Geld 160 Jahre Familientradition zu verkaufen. Geld hat jeder Depp, aber wer hat schon einen Stammsitz? Als diesmal jedoch die Gefahr gebannt war, dachte niemand daran, sich der Sorgen mit einem Verkauf zu entledigen. Vielmehr sprachen wir über ein anderes Haus.

Ein Haus, das die Tochter von Bekannten bewohnt. Ein kleines Haus, das meine Eltern kauften, um dem Wohnfluch im Stadtpalast zu entgehen, den alle Generationen davor klaglos hingenommen hatten, und den ich so schätzte, dass ich mit fünf zarten Jahren plärrte und schrie, als ich aus dem Geburtshaus - und hoffentlich dereinst auch meinem Sterbehaus - ausziehen musste. Die erste Immobilie in einer Vorstadt reichte bald nicht mehr, und so bauten sie ein anderes, und vermieteten das kleine Haus. Dessen Mieter nun würden es gerne kaufen, das Geld wäre da, der Preis hätte sich in den letzten 35 Jahren auch angenehm vervierfacht. Es wäre weniger Arbeit für mich, und genug, um -

um was? Dann hat man Geld. Genau zu dem Zeitpunkt, da die grosse Bankenkrise in ihre zweite Stufe tritt. Bisher hatten wir, um eine Flugzeuganalogie zu bemühen, das Versagen der Triebwerke und das Platzen der Brennkammern. Was jetzt kommt, ist der Einschlag der glühenden Trümmer in die Tanks. Das Problem ist nicht mehr Subprime oder Autokredite oder amerikanische Studenten, sondern Bereiche, die lange Zeit als gesund galten. Ich sage hier schon länger, dass Gewerbeimmobilien das neue Subprime sind. Wenn die Banken bisher Risikopositionen abgeschrieben haben und den Rest für gesund erklärten, stehen sie jetzt vor neuen Herausforderungen. Bei einer Rezession von drei, vier Jahren sind die allgemeinen Bewertungen einfach nicht mehr zu halten. Bei 2% Wirtschaftsschrumpfung und Deflation vieler Assets muss man über alle, wirklich alle Bereiche weiter abschreiben, abschreiben, abschreiben. Nicht so viel, wie im Bereich Derivate, aber beim niedrigen Eigenkapital vieler Banken reichen schon 2, 3% über die gesamten Assets, um die Dinger explodieren zu lassen. Natürlich kann die Politik Geld nachpumpen. Aber kein Mensch käme auf die Idee, in den explodierenden Tank eines Flugzeugs Kerosin zu pumpen in der Hoffnung, dass es das Feuer rausdrückt und sogar die Triebwerke wieder anspringen. Und für meine kleine Welt würde die Zufuhr von Kerosin durch einen Hausverkauf nur bedeuten, dass ich es so schnell wie möglich wieder los werden müsste.
Es gibt zu viele Banken, als dass man sie retten könnte. Es gibt zu viele Schulden, als dass man sie bezahlen könnte. Es gibt zu viele künstliche Werte, aber nur das, was stofflich auf der Welt vorhanden ist. Es ist ein Missverhältnis, das zuungunsten der künstlichen Werte ausgehen wird und muss. Ich bin sehr froh, dass der deutsche Finanzminister Steinbrück heisst, der bislang einen bemerkenswert guten Job gemacht hat. Trotzdem ist es nicht die Zeit, in der man auf Kerosinkanistern sitzen möchte. Brandschutzräume, das sind die besten Asset unserer Tage.

Geplatzte Leitungen sind schon in modernen Häusern unschön, aber ich wohne in einem Baudenkmal, wo schon eine übergelaufene Waschmaschine Folgekosten von 10.000 Euro haben kann. Die Reparatur einer verzogenen Tür aus der Zeit um 1720 würde mehr kosten, als eine neue Tür mit Rahmen und Einbau. Und weil das Haus in manchen Bereichen - wie etwa meine Wohnung - immer noch manche Drähte aus der Zeit besitzt, in der Elektrifizierung der avantgardistischste Schnickschnack war... 200 ist nicht langsam, man sollte sich konzentrieren, aber es geht einem viel durch den Kopf. Ich hatte das alles schon mal, ich muss das nicht nochmal erleben.

Normalerweise führen solche Vorgänge, selbst, wenn sie der Nachlässigkeit der Mieter und nicht der Qualität des Hauses geschuldet sind, im Familienrat zur Diskussion, ob es nicht doch besser wäre, den Stadtpalast mit seinen 50 plus x Räumen und Hinterhaus und Holzlegen und Waschhaus zu verkaufen. Nachdem man mit solchen Objekten Steuern sparen kann, wäre es absolut kein Problem, einen Käufer zu finden, und unter normalen Bedingungen ist das klassische Argument: Wir verkaufen es, und wir haben ausgesorgt. Gerade meine Frau Mama, die ein gespaltenes Verhältnis zum Haus hat, versteht sich darin fast so gut, wie ich in der Empörung, für so etwas banales wie Geld 160 Jahre Familientradition zu verkaufen. Geld hat jeder Depp, aber wer hat schon einen Stammsitz? Als diesmal jedoch die Gefahr gebannt war, dachte niemand daran, sich der Sorgen mit einem Verkauf zu entledigen. Vielmehr sprachen wir über ein anderes Haus.

Ein Haus, das die Tochter von Bekannten bewohnt. Ein kleines Haus, das meine Eltern kauften, um dem Wohnfluch im Stadtpalast zu entgehen, den alle Generationen davor klaglos hingenommen hatten, und den ich so schätzte, dass ich mit fünf zarten Jahren plärrte und schrie, als ich aus dem Geburtshaus - und hoffentlich dereinst auch meinem Sterbehaus - ausziehen musste. Die erste Immobilie in einer Vorstadt reichte bald nicht mehr, und so bauten sie ein anderes, und vermieteten das kleine Haus. Dessen Mieter nun würden es gerne kaufen, das Geld wäre da, der Preis hätte sich in den letzten 35 Jahren auch angenehm vervierfacht. Es wäre weniger Arbeit für mich, und genug, um -

um was? Dann hat man Geld. Genau zu dem Zeitpunkt, da die grosse Bankenkrise in ihre zweite Stufe tritt. Bisher hatten wir, um eine Flugzeuganalogie zu bemühen, das Versagen der Triebwerke und das Platzen der Brennkammern. Was jetzt kommt, ist der Einschlag der glühenden Trümmer in die Tanks. Das Problem ist nicht mehr Subprime oder Autokredite oder amerikanische Studenten, sondern Bereiche, die lange Zeit als gesund galten. Ich sage hier schon länger, dass Gewerbeimmobilien das neue Subprime sind. Wenn die Banken bisher Risikopositionen abgeschrieben haben und den Rest für gesund erklärten, stehen sie jetzt vor neuen Herausforderungen. Bei einer Rezession von drei, vier Jahren sind die allgemeinen Bewertungen einfach nicht mehr zu halten. Bei 2% Wirtschaftsschrumpfung und Deflation vieler Assets muss man über alle, wirklich alle Bereiche weiter abschreiben, abschreiben, abschreiben. Nicht so viel, wie im Bereich Derivate, aber beim niedrigen Eigenkapital vieler Banken reichen schon 2, 3% über die gesamten Assets, um die Dinger explodieren zu lassen. Natürlich kann die Politik Geld nachpumpen. Aber kein Mensch käme auf die Idee, in den explodierenden Tank eines Flugzeugs Kerosin zu pumpen in der Hoffnung, dass es das Feuer rausdrückt und sogar die Triebwerke wieder anspringen. Und für meine kleine Welt würde die Zufuhr von Kerosin durch einen Hausverkauf nur bedeuten, dass ich es so schnell wie möglich wieder los werden müsste.
Es gibt zu viele Banken, als dass man sie retten könnte. Es gibt zu viele Schulden, als dass man sie bezahlen könnte. Es gibt zu viele künstliche Werte, aber nur das, was stofflich auf der Welt vorhanden ist. Es ist ein Missverhältnis, das zuungunsten der künstlichen Werte ausgehen wird und muss. Ich bin sehr froh, dass der deutsche Finanzminister Steinbrück heisst, der bislang einen bemerkenswert guten Job gemacht hat. Trotzdem ist es nicht die Zeit, in der man auf Kerosinkanistern sitzen möchte. Brandschutzräume, das sind die besten Asset unserer Tage.
donalphons, 00:25h
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Samstag, 17. Januar 2009
An die Tugend
Tugend, Tugend, lass mich schauen,
was hinter mir an Wut und Schmerz
die Fallenden in namenlosem Grauen
hinab begleitet höllenwärts.
- Oh Kind, zu schlimm ist der Bericht
über solche Dinge spricht man nicht.
Tugend, warum ist es denn verboten
Steuerhinterziehung und unehlich Kind
seriös natürlich, ohne derbe Zoten
so amüsant zu zeigen, wie sie sind?
- Oh Kind, wer hat Dich das gelehret
mit solchen Worten man nur Unheil mehret.
Ach Tugend, warum sollte ich nicht wissen
was bei uns daheim doch jeder kennt.
Die Staatsparteiler wollen ihren Bissen,
und der Bonze zu den Schweizern rennt.
- Oh Kind, Du scheinst mir recht verdorben
mit solchen Themen hat man viele Sorgen.
Tugend, ach hör auf, mich fort zu zerren,
ich denke, es gibt ein Recht der freien Rede;
ich möchte gern die Wahrheit plärren
über Ehebruch und grosse Nachbarsfehde.
- Oh Kind, Deine Gier geht mir auf den Nüsse
mit solchen Themen fängt man sich Schüsse.
Tugend, ich bin doch schon dreizehn Jahre
ich gucke Porno und tu Bilder ins VZ
und Klaus meint, der Papa bald erfahre
was der Tennislehrer und die Mama von Janette...
- Oh Kind, halt endlich Dein verottet Maul
man hält still, selbst bei Sex mit einem Gaul.
*
Oh Tugend, ich sehe, du willst nur schützen
den Spiesser, den Reichen und die Bürgerschaft
die Typen, die so gerne die Gesellschaft stützen
und in Rottach schmoren, im eignen Bonzensaft.
- Ja, oh Kind, genau darüber spricht man nicht.
Und hoffentlich hält auch Don Alphonso dicht.
* Tiepolos Höllensturz wurde in Würzburg in einen älteren, ikonographisch unpassenden Rahmen eingefügt
was hinter mir an Wut und Schmerz
die Fallenden in namenlosem Grauen
hinab begleitet höllenwärts.
- Oh Kind, zu schlimm ist der Bericht
über solche Dinge spricht man nicht.
Tugend, warum ist es denn verboten
Steuerhinterziehung und unehlich Kind
seriös natürlich, ohne derbe Zoten
so amüsant zu zeigen, wie sie sind?
- Oh Kind, wer hat Dich das gelehret
mit solchen Worten man nur Unheil mehret.
Ach Tugend, warum sollte ich nicht wissen
was bei uns daheim doch jeder kennt.
Die Staatsparteiler wollen ihren Bissen,
und der Bonze zu den Schweizern rennt.
- Oh Kind, Du scheinst mir recht verdorben
mit solchen Themen hat man viele Sorgen.
Tugend, ach hör auf, mich fort zu zerren,
ich denke, es gibt ein Recht der freien Rede;
ich möchte gern die Wahrheit plärren
über Ehebruch und grosse Nachbarsfehde.
- Oh Kind, Deine Gier geht mir auf den Nüsse
mit solchen Themen fängt man sich Schüsse.
Tugend, ich bin doch schon dreizehn Jahre
ich gucke Porno und tu Bilder ins VZ
und Klaus meint, der Papa bald erfahre
was der Tennislehrer und die Mama von Janette...
- Oh Kind, halt endlich Dein verottet Maul
man hält still, selbst bei Sex mit einem Gaul.

Oh Tugend, ich sehe, du willst nur schützen
den Spiesser, den Reichen und die Bürgerschaft
die Typen, die so gerne die Gesellschaft stützen
und in Rottach schmoren, im eignen Bonzensaft.
- Ja, oh Kind, genau darüber spricht man nicht.
Und hoffentlich hält auch Don Alphonso dicht.
* Tiepolos Höllensturz wurde in Würzburg in einen älteren, ikonographisch unpassenden Rahmen eingefügt
donalphons, 00:52h
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Und ich bin nicht da
Bank of America? Fast pleite. Schon wieder.
Citigroup? Da ist die Katastrophe absehbar.
Ackermann im Krankenhaus, alle verkaufen die Anteile an chinesischen Banken, die Spekulanten fliehen die Postbank, ach, es sind bewegte Tage, in denen wir leben. Wer immer Ende Dezember sagte, das Schlimmste sei vorbei, sollte vielleicht in den nächsten Monaten hübsch still sein. Das Schlimmste ist nicht vorbei, es wird auch nicht vorbei sein, denn das Schlimmste ist nicht die Krise, sondern die, die sie angerichtet haben. Und die sind immer noch da.
Ich nicht. Ich bin unterwegs, ich habe zu planen, einzurichten und zu besprechen. Nicht so schlimm. Es werden noch mehr spannende Tage kommen. Spätestens am Montag, wenn die Hessenwahl vorbei ist, und die Banken auch in Frankfurt die grosse, rostige Heckenschere auspacken.
Citigroup? Da ist die Katastrophe absehbar.
Ackermann im Krankenhaus, alle verkaufen die Anteile an chinesischen Banken, die Spekulanten fliehen die Postbank, ach, es sind bewegte Tage, in denen wir leben. Wer immer Ende Dezember sagte, das Schlimmste sei vorbei, sollte vielleicht in den nächsten Monaten hübsch still sein. Das Schlimmste ist nicht vorbei, es wird auch nicht vorbei sein, denn das Schlimmste ist nicht die Krise, sondern die, die sie angerichtet haben. Und die sind immer noch da.
Ich nicht. Ich bin unterwegs, ich habe zu planen, einzurichten und zu besprechen. Nicht so schlimm. Es werden noch mehr spannende Tage kommen. Spätestens am Montag, wenn die Hessenwahl vorbei ist, und die Banken auch in Frankfurt die grosse, rostige Heckenschere auspacken.
donalphons, 10:26h
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Empfehlung heute - Die Dinge, die da kommen
Es wird sich einiges ändern, und dennoch wird hier alles bleiben, wie es ist. Ich werde konzentrierter arbeiten und gewisse Vorgaben einhalten, aber hier und auch sonst wird alles so weitergehen, wie es ist.
Es ist nämlich so mit dem Bloggen: Eigentlich ist es gar keine revolutionäre Tätigkeit, es ist vielmehr reaktionär, beharrend, manchmal sogar stupide und fordernd. Jeden Tag ein Beitrag. Schreibblockade? Jammer nicht rum, fang an zu schreiben. Unsicherheit? Es gibt nur einen Weg, es auszuprobieren. Keine Lust? Da könnte ja jeder kommen. Bloggen ist Punk, der sich am Riemen reisst. Kein Wunder, wenn die Gaudischreiber lieber twittern. Ist einfach, geht schnell, ist auch und vor allem kuschlig. Trifft leider nicht nur die Schlechten.
Man muss sich manchmal zwingen. Pflichtbewusstsein und Durchhaltevermögen - sicher, nur Sekundärtugenden der Kategorie Zehennagelaufsteller - können helfen. Manches muss halt vergehen, anderes bleibt. Und wächst. Man muss sich halt durchbeissen. Von nichts kommt nichts, sagte meine Grossmutter immer, und sie hatte damit natürlich wie immer recht.
Es ist nämlich so mit dem Bloggen: Eigentlich ist es gar keine revolutionäre Tätigkeit, es ist vielmehr reaktionär, beharrend, manchmal sogar stupide und fordernd. Jeden Tag ein Beitrag. Schreibblockade? Jammer nicht rum, fang an zu schreiben. Unsicherheit? Es gibt nur einen Weg, es auszuprobieren. Keine Lust? Da könnte ja jeder kommen. Bloggen ist Punk, der sich am Riemen reisst. Kein Wunder, wenn die Gaudischreiber lieber twittern. Ist einfach, geht schnell, ist auch und vor allem kuschlig. Trifft leider nicht nur die Schlechten.
Man muss sich manchmal zwingen. Pflichtbewusstsein und Durchhaltevermögen - sicher, nur Sekundärtugenden der Kategorie Zehennagelaufsteller - können helfen. Manches muss halt vergehen, anderes bleibt. Und wächst. Man muss sich halt durchbeissen. Von nichts kommt nichts, sagte meine Grossmutter immer, und sie hatte damit natürlich wie immer recht.
donalphons, 10:20h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 15. Januar 2009
Der Welt verloren
Über verschneite Felder und leere Strassen führt der Weg in die fränkischen Hügel, und im gleissenden Dunst erscheint langsam, schemenhaft die braune Masse von Schloss Weissenstein, erst ein Schatten, eine Verfärbung im Nebel, undefiniert, amorph, dann stofflich und erst aus der Nähe strukturiert, Architektur, Form. Ich fahre in den ersten Hof, stelle den Wagen ab, und betrete durch die kleine Eisenpforte - das grosse Tor ist verschlossen und wird es auch noch bis zum Ende der Winterpause bleiben - den Hof vor dem Schloss. Niemand ist hier.
Ich überquere den weiss verschneiten, fast unberührten Platz, folge vereinzelten Fussspuren im Schnee, die den Wegen zwischen den Rondellen folgen. Die Tore des Marstall sind mit Bretterverschlägen verschlossen, und hinter den Fenstern der Prunkräume sind Holzläden eingebaut. Ein wenig Schnee liegt auf den bemoosten Sandsteinfiguren, ein paar Vögel geben Töne von sich, aus dem wenig gepflegten Wald hinter dem Schloss, verstimmt und leise, aber ich bin hier, auf dieser Bühne glanzvoller Feste des Barocks, das einzige lebende Wesen.
Auf der anderen Seite an den spitzengekrönten Spalieren angekommen, verlasse die umbaute Fläche durch die kleine Eisentür, die sich zur Kastanienallee hin öffnet, und gehe entlang der braunen, bröckelnden Parkmauer die Strasse hinunter. Nach ein paar Schritten verblassen die Säulen, bossierten Steine und Fensterumrahmungen schon wieder in der überfeuchten Luft. Unten, am Cafe, wo ich Kuchen und Torten kaufe für die Termine in Frankfurt, bleibt vom Schloss nicht mehr als ein Schatten, eine Ahnung zwischen Schnee und Nebel.
Die Wärme, die helle Stimme der Verkäuferin, ihr Lachen, als ich ihr sage, dass ich immer auf dem Weg nach Frankfurt hier einkaufe, weil es dort niemanden gibt, der diesen Kuchen so machen könnte, ihre Freundlichkeit, mir eine Kiste für den Transport zu geben, das alles löst sich auf beim Rückweg über die menschenleere Allee, über den verlassenen Schlosshof, vorbei an den stummen Statuen, die den Krieg und die Kunst, die Tugenden und die Götter verherrlichen, und kein Wort verlieren über die Pleite, den Niedergang, den ihr Erbauer mit diesem hellbraunen Steingebirge erlitt, als er sich finanziell übernahm.
Auch die Vögel sind verstummt; das Knirschen des Schnees unter den dünnen Ledersohlen meiner schwarzen Schuhe, das kalte, zischende Atmen sind die einzigen verbliebenen Geräusche, als ich wieder die kleine Pforte öffne, den Wagen erreiche und die Torte verstaue. Mit einem heiseren Bellen springt der Motor an, ich habe lange, zu lange gebraucht, ich habe einen Termin zu halten, und in dem Ort nicht angemessener Eile jagt der Wagen auf die hügelige Landstrasse zurück Richtung Autobahn und Frankfurt, während das Schloss im schmutzig beschlagenen Rückspiegel wie ein kalter Fiebertraum in sich zerfällt, sich auflöst im Nebel, Licht und dem aufgewirbelten Dreck der Strasse, die dorthin führt, wo Menschen sind.
Ich überquere den weiss verschneiten, fast unberührten Platz, folge vereinzelten Fussspuren im Schnee, die den Wegen zwischen den Rondellen folgen. Die Tore des Marstall sind mit Bretterverschlägen verschlossen, und hinter den Fenstern der Prunkräume sind Holzläden eingebaut. Ein wenig Schnee liegt auf den bemoosten Sandsteinfiguren, ein paar Vögel geben Töne von sich, aus dem wenig gepflegten Wald hinter dem Schloss, verstimmt und leise, aber ich bin hier, auf dieser Bühne glanzvoller Feste des Barocks, das einzige lebende Wesen.
Auf der anderen Seite an den spitzengekrönten Spalieren angekommen, verlasse die umbaute Fläche durch die kleine Eisentür, die sich zur Kastanienallee hin öffnet, und gehe entlang der braunen, bröckelnden Parkmauer die Strasse hinunter. Nach ein paar Schritten verblassen die Säulen, bossierten Steine und Fensterumrahmungen schon wieder in der überfeuchten Luft. Unten, am Cafe, wo ich Kuchen und Torten kaufe für die Termine in Frankfurt, bleibt vom Schloss nicht mehr als ein Schatten, eine Ahnung zwischen Schnee und Nebel.
Die Wärme, die helle Stimme der Verkäuferin, ihr Lachen, als ich ihr sage, dass ich immer auf dem Weg nach Frankfurt hier einkaufe, weil es dort niemanden gibt, der diesen Kuchen so machen könnte, ihre Freundlichkeit, mir eine Kiste für den Transport zu geben, das alles löst sich auf beim Rückweg über die menschenleere Allee, über den verlassenen Schlosshof, vorbei an den stummen Statuen, die den Krieg und die Kunst, die Tugenden und die Götter verherrlichen, und kein Wort verlieren über die Pleite, den Niedergang, den ihr Erbauer mit diesem hellbraunen Steingebirge erlitt, als er sich finanziell übernahm.
Auch die Vögel sind verstummt; das Knirschen des Schnees unter den dünnen Ledersohlen meiner schwarzen Schuhe, das kalte, zischende Atmen sind die einzigen verbliebenen Geräusche, als ich wieder die kleine Pforte öffne, den Wagen erreiche und die Torte verstaue. Mit einem heiseren Bellen springt der Motor an, ich habe lange, zu lange gebraucht, ich habe einen Termin zu halten, und in dem Ort nicht angemessener Eile jagt der Wagen auf die hügelige Landstrasse zurück Richtung Autobahn und Frankfurt, während das Schloss im schmutzig beschlagenen Rückspiegel wie ein kalter Fiebertraum in sich zerfällt, sich auflöst im Nebel, Licht und dem aufgewirbelten Dreck der Strasse, die dorthin führt, wo Menschen sind.
donalphons, 10:12h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 15. Januar 2009
Empfehlung heute - Verlegen
ist Thomas Knüwer nicht, wenn er die Geschichte der Verleger auseinander nimmt.
donalphons, 00:58h
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Morgen in Bildern
Mein persönlicher Höhepunkt des Tages - eines Tages, der von sehr viel Streit und Ärger geprägt war - war der Moment, an dem ich die Stimme des Blutes verspürte und nachher gemerkt habe, dass doch mehr von meinem Herrn Papa in mir steckt, als man so gemeinhin glauben möchte. Ich weiss nicht mal, ob ich das gut finden sollte - als ich klein war, empfand ich diese Facette meines Vaters, die ich nur indirekt erleben musste, höchst einschüchternd - aber es war wohl der Schlüssel, um die bayerische Version der calabresischen Mafia mit ihrem Wunsch nach mehr Geld für Immobilien ohne Gegenleistung massiv einzuschüchtern. Investoren wissen es natürlich später dennoch nicht zu würdigen, aber es war einfach gut für das private Wohlbefinden. Nachdem ich gestern Nacht in Vorbereitung des absehbaren Konflikts nicht geschlafen habe, werde ich heute sanft ruhen.

Und morgen dann in aller Früh aufbrechen, zum Arbeitsplatz von Herrn Ackermann, dessen baldigen Abschied inzwischen mit einem Tag Verspätung auch noch andere fordern- leise, verhalten, aber es scheint, als sei für Ackermann der letzte Weg heim in die Schweiz im Terminkalender eingetragen. Besonders erbaulich bei diesen rabenschwarzen Meldungen: Den PR-gefütterten Fanboys von Joe in den Wirtschaftsredaktionen dürfte das Maul heute mit einer Mischung aus Rizinus, Teer und Sekundenkleber ausgewaschen worden sein. Es wird lange dauern, bis diese Herrschaften wieder zum gesponsorten Hosianna in der Lage sind. Neben Ackermann frage ich mich auch beim von der Wiwo zur Deuba gewechselten Herrn Baron, wie lange der sich noch wird halten können.

Nun also, Frankfurt, wie auf dem obigen Bild "FFM09" zu sehen ist - links der schmutzige Mainbach, rechts der bröckelnde Turm, darunter die Kaschemmen des echten Bordellbetriebs, der eine bessere Performance als alle Frankfurter Vermögensverwalter haben dürfte, und ein paar abgerissene Gestalten, Opfer der Kostensenkungen im Bankengeschäft: Die Stadt, der Müll und das Klumpenrisiko. Zu Zynismus besteht trotzdem kein Anlass: Für die heutigen Nachrichten haben sich die Finanzmärkte eigentlich wacker geschlagen. Jeder Stand des DAX über 4000 ist in meinen Augen der Beweis, dass die Faxgeräte solche Verlustmitteilungen immer noch in schwarzer Kokaintinte ausdrucken. Und das ist keine linke Schadenfreude: Die heutigen Reaktionen mit dem Absturz der Banken sind ein schlagender Beweis dafür, dass die Börsen aktuell nicht in der Lage sind, Entwicklungen zu erkennen und auch nur die kurzfristige Zukunft korrekt einzupreisen. Wenn sogar ich hier niederschreiben kann, dass die Deuba in ihrem Gewerbeimmobilienportfolio extreme Risiken hat, sollte das auch jedem Banker, Trader und Journalisten klar sein, der mal einen Blick in die Bilanz wirft. Oder können die keine Bilanzen lesen? Das wird nicht nur bei der Deuba das grosse Thema der ersten beiden 09er Quartale. Vor allem, weil solche Projekte oft von mehreren Banken finanziert werden, die im Zweifelsfall unterschiedliche Interessen verfolgen. Ich hatte 2002 mal das Vergnügen mit einem Startup, dessen Kreditgeber uneins waren. Damals ging es um ein paar lumpige zweistellige Millionenbeträge, aber es hat Scharen von Beratern, Anwälten und Geiern geholfen, die Verluste noch zu verdoppeln. Gestern in Hall ging es in keinem Fall um weniger als 200 Millionen. Refinanzierung in den nächsten Wochen, spätestens zu Herbst. Und ein grosser Teil der damit verbundenen Risikopositionen stecken im Bereich Wealth Management und Privatkundengeschäft. Das nun steht zwar so nicht in der Bilanz, aber die Jungs wissen alle, was gerade am grauen Kapitalmarkt los ist.

Diese Krise frisst sich gerade wie ein Krebs durch die Klasse, die sich für die bessere Gesellschaft und das Bürgertum gehalten hat. Es ist noch nicht so weit wie 1929, aber es ist gut möglich, dass ein ganzer Lebensstil in ein paar Jahren wegen des veränderten Konsum- und Risikoverhaltens verschwindet. Man muss Prada und Poltrona Frau nicht mögen, man kann Villen mit 240 m² dekadent finden und die Mitgliedschaft im Konzertverein als Spiessertum abtun, aber die Vorstellung einer durchgeschalteten Aldigesellschaft in einem von Staatskonzernen zwangsveropelten Mashup aus Ost-DDR und West-Bonzen finde ich noch weniger erfreulich, als, sagen wir mal, ein Konzert mit den Wesendonkliedern. Bedauerlich auch, weil sich in den letzten Jahren eine Gesellschaft entwickelt hat, die sich losgesagt hat vom kackbraunen Bürgertum der Nazizeit und der bleiernen Adenauerphase, und selbst in der bayerischen Provinz an bessere Zeiten anknüpfen konnte. Es gab, ungeachtet aller Probleme, so etwas wie eine schmale Brücke der Läuterung und Einsicht über die Abgründe des 20. Jahrhunderts hinweg, und es wäre das Ende dieses Weges und der Bundesrepublik wie wir sie kennen, würde diese Krise im Schnellgang das Bürgertum in eine grosse Gruppe der Verlierer und ein paar wenige Profiteure ganz im Stil der 20er Jahre aufteilen. Das ist in meinen Augen das eigentliche Problem dieser Zeit und das Risiko für eine Gesellschaft, die sich bei mir daheim sicher wird halten können, aber was hat man davon, wenn in Zukunft die kapitalistalinistische Ostzone gleich hinter der Altmühl beginnt, wo der Trash des Privatfernsehens und der billige Frass der Multis die Stützen der Gesellschaft sind und den Lebenshorizont definieren, weil es einfach und billig ist.

Und morgen dann in aller Früh aufbrechen, zum Arbeitsplatz von Herrn Ackermann, dessen baldigen Abschied inzwischen mit einem Tag Verspätung auch noch andere fordern- leise, verhalten, aber es scheint, als sei für Ackermann der letzte Weg heim in die Schweiz im Terminkalender eingetragen. Besonders erbaulich bei diesen rabenschwarzen Meldungen: Den PR-gefütterten Fanboys von Joe in den Wirtschaftsredaktionen dürfte das Maul heute mit einer Mischung aus Rizinus, Teer und Sekundenkleber ausgewaschen worden sein. Es wird lange dauern, bis diese Herrschaften wieder zum gesponsorten Hosianna in der Lage sind. Neben Ackermann frage ich mich auch beim von der Wiwo zur Deuba gewechselten Herrn Baron, wie lange der sich noch wird halten können.

Nun also, Frankfurt, wie auf dem obigen Bild "FFM09" zu sehen ist - links der schmutzige Mainbach, rechts der bröckelnde Turm, darunter die Kaschemmen des echten Bordellbetriebs, der eine bessere Performance als alle Frankfurter Vermögensverwalter haben dürfte, und ein paar abgerissene Gestalten, Opfer der Kostensenkungen im Bankengeschäft: Die Stadt, der Müll und das Klumpenrisiko. Zu Zynismus besteht trotzdem kein Anlass: Für die heutigen Nachrichten haben sich die Finanzmärkte eigentlich wacker geschlagen. Jeder Stand des DAX über 4000 ist in meinen Augen der Beweis, dass die Faxgeräte solche Verlustmitteilungen immer noch in schwarzer Kokaintinte ausdrucken. Und das ist keine linke Schadenfreude: Die heutigen Reaktionen mit dem Absturz der Banken sind ein schlagender Beweis dafür, dass die Börsen aktuell nicht in der Lage sind, Entwicklungen zu erkennen und auch nur die kurzfristige Zukunft korrekt einzupreisen. Wenn sogar ich hier niederschreiben kann, dass die Deuba in ihrem Gewerbeimmobilienportfolio extreme Risiken hat, sollte das auch jedem Banker, Trader und Journalisten klar sein, der mal einen Blick in die Bilanz wirft. Oder können die keine Bilanzen lesen? Das wird nicht nur bei der Deuba das grosse Thema der ersten beiden 09er Quartale. Vor allem, weil solche Projekte oft von mehreren Banken finanziert werden, die im Zweifelsfall unterschiedliche Interessen verfolgen. Ich hatte 2002 mal das Vergnügen mit einem Startup, dessen Kreditgeber uneins waren. Damals ging es um ein paar lumpige zweistellige Millionenbeträge, aber es hat Scharen von Beratern, Anwälten und Geiern geholfen, die Verluste noch zu verdoppeln. Gestern in Hall ging es in keinem Fall um weniger als 200 Millionen. Refinanzierung in den nächsten Wochen, spätestens zu Herbst. Und ein grosser Teil der damit verbundenen Risikopositionen stecken im Bereich Wealth Management und Privatkundengeschäft. Das nun steht zwar so nicht in der Bilanz, aber die Jungs wissen alle, was gerade am grauen Kapitalmarkt los ist.

Diese Krise frisst sich gerade wie ein Krebs durch die Klasse, die sich für die bessere Gesellschaft und das Bürgertum gehalten hat. Es ist noch nicht so weit wie 1929, aber es ist gut möglich, dass ein ganzer Lebensstil in ein paar Jahren wegen des veränderten Konsum- und Risikoverhaltens verschwindet. Man muss Prada und Poltrona Frau nicht mögen, man kann Villen mit 240 m² dekadent finden und die Mitgliedschaft im Konzertverein als Spiessertum abtun, aber die Vorstellung einer durchgeschalteten Aldigesellschaft in einem von Staatskonzernen zwangsveropelten Mashup aus Ost-DDR und West-Bonzen finde ich noch weniger erfreulich, als, sagen wir mal, ein Konzert mit den Wesendonkliedern. Bedauerlich auch, weil sich in den letzten Jahren eine Gesellschaft entwickelt hat, die sich losgesagt hat vom kackbraunen Bürgertum der Nazizeit und der bleiernen Adenauerphase, und selbst in der bayerischen Provinz an bessere Zeiten anknüpfen konnte. Es gab, ungeachtet aller Probleme, so etwas wie eine schmale Brücke der Läuterung und Einsicht über die Abgründe des 20. Jahrhunderts hinweg, und es wäre das Ende dieses Weges und der Bundesrepublik wie wir sie kennen, würde diese Krise im Schnellgang das Bürgertum in eine grosse Gruppe der Verlierer und ein paar wenige Profiteure ganz im Stil der 20er Jahre aufteilen. Das ist in meinen Augen das eigentliche Problem dieser Zeit und das Risiko für eine Gesellschaft, die sich bei mir daheim sicher wird halten können, aber was hat man davon, wenn in Zukunft die kapitalistalinistische Ostzone gleich hinter der Altmühl beginnt, wo der Trash des Privatfernsehens und der billige Frass der Multis die Stützen der Gesellschaft sind und den Lebenshorizont definieren, weil es einfach und billig ist.
donalphons, 00:25h
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