In der Hölle der Freundlichkeit.

Es gibt eine gewisse Form der Freundlichkeit, die ich fliehe. Oder besser, zu fliehen versuche. Früher war es nicht so schlimm, damals war niemand so arg entsetzlich freundlich. Durch ein paar ohnehin nicht schöne Entwicklungen jedoch gibt es nun jemanden, der alle unerfreulichen Eigenschaften der Freundlichkeit in sich vereint und als vollkommene Distanzlosigkeit wieder ausspuckt. Anfassen, anquatschen, begleiten, niederlabern, ausquetschen, Ratschläge dümmster Natur geben und bei all der Freundlichkeit immer ein Ziel im Auge haben. ... Zwischen dem Punkten und diesen Worten liegen ein paar Minuten des Ringens, aber, ja, ehrlich, ich gebe es zu, auch wenn ich mich dafür nicht leiden kann - die Person ist das Produkt katholischer Erziehung und südostasiatischer Aufdringlichkeit. Und ich bin machtlos. Machtlos, und wenn es dann endlich vorbei ist, vollkommen geschlaucht. ich stehe vor dem Spiegel, schneide Grimassen und sage Dinge, die ich nie sagen würde.



Die Person wäre nach hiesigen Begriffen in all ihrer Freundlichkeit dreist, unverschämt und indiskret. Sie ist vollkommen gefühllos, was schwache Zeichen angeht, inmer noch gefühllos, wenn man deutliche Hinweise aussendet, und von der gleichen maultierartigen Gefühllosigkeit, wenn man freundlich und bestimmt das Ende ausdrückt. Es spielt keine Rolle, ob es deutsche oder englische Signale sind - letztere müsste er eigentlich besser verstehen. Haustüren bieten da keinen Schutz, er konmt gerne mit. Ich habe einfach keine Methode gelernt, mit so etwas im Rahmen umzugehen. Es gibt keinen zivilisatorisch gerechtfertigten Weg, um schnell und ohne psychische Belastung zu entfliehen. Und ganz ehrlich: Südostasien interessiert mich auch nicht.

Er schafft etwas, das bislang nur eine Japanerin geschafft habe: Dass ich wegen einem Menschen voreingenommen bin. So, wie ich immer etwas bescheuert lächle, wenn ich eine Japanerin sehe - ich will nicht wissen, wie ich aussah, als ich das letzte Mal in Schönbrunn war - formt sich in meiner Vorstellung der südostasiatische Raum zu einer riesigen Menge an überfreundlich-unhöflichen Menschen zusammen, und wenn ich nicht wüsste, dass es nur noch mehr distanzlose Freundlichkeit und Bemühen um den anderen zur Folge hätte, wäre ich schon lange mal explodiert. Weil es aber keine höfliche oder unhöfliche Lösung gibt, trage ich draussen einen Dufflecoat mit Kapuze, und springe schnell über Pfützen, wenn ich ihn sehe. Und denke mir: Freundlichkeit ist nichts. Höflichkeit ist alles.

Donnerstag, 22. Januar 2009, 00:56, von donalphons | |comment

 
... ich hatte einmal in einem völlig aus den Näten platzenden Zug - und da ich mit Rückenschmerzen keine Lust hatte, wegen einer auf dem Nachbarsitz geparkten Hadtasche leidend zu stehen - eine Japanerin o.Ä. sehr höflich darum gebeten, denselben doch freizumachen. Es half nichts, in allen Sprachen nicht. Sie lächelte einfach dement zurück. Ich musste erst deutlich und dann laut werden, bis alle anderen Insassen auf uns glotzten. Da lenkte sie ein. Aber ich möchte eigentlich nicht wissen, was sie später ihren Freundinnen erzählt hat...

Berichtet, mit leichtem Angstschweiß, der HH.

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Als "noch jüngerer" Mensch, war es mir, trotz knappen Budget möglich, für längere Zeit Asien (mit Rucksack) zu bereisen. Um mich wirklich umfassend für diesen längeren Aufenthalt zu wappnen und mich nicht sofort als ignoranter Ausländer zu outen, habe ich auch die Grundzüge zweier ostasiatischer Sprachen gebüffelt. Dabei erinnere ich mich auch heute noch gerne einer Begebenheit:

Im tiefen Süden Thailands und mitten auf dem Land überkam uns die unbezwingbare Lust auf eine Mehlspeise. Da es unbedingt "Narretia del Imperatore" also auf gut Deutsch "ein Kaiserschmarrn" sein musste, machten wir uns auf die Suche nach Milch. Diese war in keinem, der ohnehin seltenen, Kramerläden zu bekommen und so suchten wir einen Reisbauern, mit Schweinen und Ziegen auf dem Hof, auf. Seine Gattin blickte aus dem Fensterrahmen auf mich und nun war es Zeit die frischerworbenen Sprachkentnisse einzusetzen. In bestem Thai bat ich die Dame also um etwas Milch. Sie lächelte! Ich versuchte es nochmal: Sie lächelte immer noch! Als ich meine Bitte ein drittes Mal vortrug brach sie in schallendes Gelächter aus. Daraufhin versammelte sich die ganze Familie und stimmte, nach einer kurzen Erklärung ihrerseits, darin ein. Wir machten uns mit hochrotem Kopf von dannen.

2 Minuten später kam uns allerdings der, der Englischen Sprache mächtige, Sohn des Hauses mit einer Plastiktüte Milch nachgelaufen. Mit vom lachen verweinten Augen erklärte er mir, dass ich durch einen Betonungsfehler nicht gefragt hätte ob ich "etwas Milch", sondern ob ich etwas von "ihrer" (die Dame betreffend) Milch haben könnte.

Den Kaiserschmarrn werde ich nie vergessen. Er war auch bei 35 Grad im Schatten köstlich.

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Mit Gepäck versehene Sitzmoeglichkeiten in vollen S Bahnen leeren sich automatisch, wenn man nach dem ersten ungehörten Versuch einfach dezente Anstalten macht, sich einfach drauf zu setzen. Das funktioniert immer.

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@hiddensee:
allerdings nur, wenn man auch den entsprechend ueberzeugenden Koerperbau und Gesichtsausdruck besitzt.

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Umgekehrt hat mir eine ältere Dame, die sich neben mich in die U-Bahn setzte, mal ihre Handtasche fast auf den Schoß gepackt, weil sie offenbar der Meinung war, dass ich (obwohl ich wirklich nur meinen eigenen Sitz belegt habe und überdies recht schmal gebaut bin) zu viel Platz einnahm. Da ist man erst mal perplex. Es war aber keine Japanerin.

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@ Hiddensee
... guter Trick - warum bin ich nur nicht darauf gekommen?

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Hiwwelhuber, Japanerinnen, die nach Europa kommen, haben sehr oft auch eine tiefe beziehung zu ihrer Handtasche. Es ist nur normal, dass sie denen grösseren Raum einräumen. Ausserdem ist es etwas unhöflich, einer Frau, die damit zeigt, dass sie Abstand haben möchte, denselben zu nehmen. Ein wahrer Ehrenmann hätte versucht, sein Begehr dezent mit Körpersprache und einem freundlichen Lächeln auszudrücken, und wer weiss, wenn sie den Platz angeboten hätte...

(Mein Problem, meine schwache Seite ist, dass ich Asiatinnen gegenüber immer vollkommen hilflos bin, wie Wachs, ganz schrecklich. Einmal hat mich eine japanische Musiklehrerin über den Haufen gefahren und mein Rad geschrottet, und ich habe Stunden damit zugebracht, sie von der Begleichung des Schadens abzubringen.)

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In einem vollen Zug hat man keinen Abstand haben zu wollen. Oder zu möchten. Man kann nicht immer überall alles haben, bloß weil man eine Dame ist – oder glaubt, eine zu sein. (In diesem Fall wohl eher zweiteres.)

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@andreaffm

Erinnert mich irgendwie an "Ein Wagen von der Linie 8" des Münchner Volkssängers Weiss Fertl. Als er gebeten wurde er möge doch Rücksicht auf die Dame nehmen.

Zitat: In da Trambahn gibts koa Dame, nur an Hamme!
Übersetzt: In der Straßenbahn gibt es keine Dame nur einen Hammel.

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@andreaffm: Was mich manchmal (obwohl ich es ungern zugebe) nervt, ist, dass ich in einer halb leeren U-Bahn sehr oft die erste bin, die nicht mehr alleine sitzt. Die anderen Fahrgäste, neben denen noch Plätze frei wären, sind halt oft männlich, häufig ausländisch aussehend, oder sie riechen etwas streng etc (Großstadt halt). Da merkt man recht deutlich die Vorurteile der Fahrgäste.

Auch wenn ich dabei ein schlechtes Gewissen habe, verbarrikadiere ich mich deswegen auch gerne zwischen auf die Plätze neben mir gelegte Taschen, meine eigenen ausgestreckten Beine etc. - vor allem nach einem stressigen Arbeitstag. Wenn die Bahn sich füllt, nehme ich sie natürlich wieder weg. Ich habe aber auch schon mal mit dem Gedanken gespielt, zur Tarnung einfach eine leere Bierflasche vor mich auf das Tischchen zu stellen (soll angeblich Wunder wirken, wenn man alleine sitzen bleiben will).

Oh je. Ich habe schon einen schlechten Charakter!

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Wenn der Bus leer ist, stelle auch erst einmal meine Taschen neben mich auf den Sitz, ganz einfach, weil die zu schwer sind, als dass ich sie die ganze Zeit auf dem Schoß haben möchte. Wenn es voll wird, nehme ich die dann schon weg.

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Ich brauch meine Tasche auf dem Schoß als Buchstütze :)

Eine nützliche Strategie ist auch, sich mit dem Rücken zur Fahrtrichtung zu setzen. Vielen Leuten wird da schlecht und der Platz neben einem bleibt lange frei.

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Ich weiß, aber in den meisten Bussen sind das die Plätze, wo jemand gegenüber sitzt und dann weiß keiner so recht, wohin mit den Beinen. Das ist mir zu eng. Außer in den Gelenkbussen, da gibt es Rückwärtsplätze, wo niemand gegenüber sitzt, die nehme ich dann gerne.

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Eine Idee, auf die anscheinend nur Frauen kommen: Wenn sie sich im Zug auf einen freien Zweier-Sitz setzen, der einem Einzelplatz gegenüber liegt (auf dem ich sitze), denjenigen Platz zu wählen, der mir direkt gegenüber liegt. Einmal war ich nahe daran, die Dame darum zu bitten, auf den anderen Platz zu rücken, damit wir beide unsere Beine ausstrecken können. Ich habe es mir dann aber höflicherweise doch verkniffen.

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@amelia
... vielleicht sind das ja Solidarisierungsversuche?
Grinst der HH.

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@don
... ach Gott, bin leider gebürtiger Proletarier, da kämpft man sein ganzes Leben lang mit einer kavarierhaften Sozialisierung ;-)
Auch höhere Bildung nutztdabei nur begrenzt ;-)

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@ amelia: Ich vermute eher, die meisten Frauen wollen auch einen Fensterplatz. Ich nicht, ich setze mich heutzutage wegen der Klimaanlagen im Zug nie ans Fenster, denn dort ziehen die noch schlimmer. Nach jeder längeren ICE-Fahrt bin ich mehr oder weniger erkältet, die Schleimhäute mögen die Klimaanlage nicht, die Kontaktlinsen auch nicht.

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Wenn ich die Mitreisenden nicht kenne, mag ich, ehrlich gesagt, persönlich lieber Gangplätze. Da fühlt man sich nicht so eingesperrt.

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Ich habe ja mal in New-Economy-Zeiten den damaligen HR-Chef von Ixos, einen unerträglich schleimigen Menschen, in der vollen S-Bahn angeschnauzt, weil er einen ganzen Sitzplatz für sein Butterbrot brauchte. Nicht mal eine Tasche -- ein Butterbrot! Ich hatte schon einen Sitzplatz, aber genügend andere nicht, und keiner sagte was, weil dieser Kerl so ein widerliche Aura von selbstgerechter Wichtigkeit verströmte. Die Lady, für die ich den Platz freigeblafft habe, arbeite allerdings als kleines Rädchen auch bei der Klitsche, und kam dann auf einer enormen Schleimspur dahergeschwommen, um sich zu entschuldigen, daß sie sich samt ihrer schweren Tasche (auf dem Schoß) auf den Platz des Butterbrots setzte.

Paar Monate später wurde der Laden an irgendwelche Ammis verkauft...

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