: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 14. Januar 2009

Stützen der Gesellschaft

In der Regel muss es, wenn es soweit ist, sofort sein. Manchmal bin ich schon unterwegs, ohne überhaupt zu wissen, was und vor allem wer dort sein wird. Wenn mich mal einer fragt, wie ich damit klarkomme, sage ich, dass ich an den Herausforderungen wachse. Das klingt besser, als es ist. Es ist der Preis, den ich für den Rest zahle, es bewahrt den Status quo, und wenn ich Konflikte austragen muss, mache ich das eben. Es gibt Leute, die vor dem Nichts stehen, und andere, die damit rechnen, dass irgendwann die Gasheizung explodiert. Es ist immer eine ziemlich seltsame Atmosphäre, wenn ich zu solchen Terminen muss. Und nur selten ruft einer an und sagt, ich soll mir Zeit lassen. So wie heute.


(Grossbild)

Ich gehe hinunter zum See. Es ist ruhig, und ich habe das Glück, den Strand ganz für mich alleine zu haben. Am Strand ist es noch wärmer als auf dem Berg, viel zu hell und, angesichts der sonstigen Wetterberichte, nachgerade ungerecht. Als würde das Wetter die hohen Preise und die Abgeschlossenheit des Wohnungsmarktes rechtfertigen wollen, als gäbe es Lebensrabatte für die Stützen der Gesellschaft.

Natürlich ist dem nicht so, was hinter den Bergen wartet, ist das gleiche Elend wie überall sonst auch, Gier, falsche Ratschläge, und am Ende eine hohe Rechnung, weil es nicht genug war, weil es nie genug ist, weil man für den kleinsten Vorteil alles zu tun bereit ist. Unfassbar. Unfassbar blöd, das alles. Besonders erbost: Die das alles gemacht haben, um ihren Kindern die beste Ausbildung zahlen zu können. Wenn ich nicht so ausgeglichen, sonnendurchwirkt und zufrieden angekommen wäre, hätte ich vielleicht sogar etwas Doppeldeutiges gesagt.

Dann eben später, an einem anderen Ort.

... link (12 Kommentare)   ... comment


Die Bankrotterklärung des Josef Ackermann

Ich tippe eher auf sowas wie grossen Knatsch zwischen Deutscher Bank und Postbank (Nobrainer)

Ich lag mit meiner Prognose am Anfang der Woche absolut richtig: Die Deutsche Bank will mit der Post über einen Rabatt bei der Übernahme der Postbank verhandeln. Das ist meines Erachtens der falsche Weg. Die Deutsche Bank sollte besser mit der PR-Tretmine Ackermann über seinen Abgang verhandeln - und über eine Kompensation der von ihm angerichteten Schäden.

Denn der miserable Deal mit der Bostbank ist nur eine der Fehlleistungen der letzten Zeit. Bei den New Yorker Zockern kann man vielleicht noch eine Art Eigenleben als Erklärung für die Pleite geltend machen, aber die 29,75%-Übernahme der Postbank zum ersten Quartal 2009 für 57,25 Euro pro Aktie - mehr als das Vierfache des aktuellen Kurses der Postbank - lässt bezweifeln, ob Ackermann da sowas wie eine Due Diligence hat durchführen lassen. Oder auch nur einen blassen Schimmer von dem hatte, was nach ein paar Monaten ohne substanzielle Veränderung im Markt Realität sein würde. Dass die Post in drei Jahren nochmal 20,25% der Aktien für 42,80 Euro an die Deutsche Bank verkaufen kann, ist so eine Art garantierte Wertberichtigung, der die Aktionäre der Deutschen Bank für drei Jahre schädigen wird.

Ich glaube auch nicht, dass sich Ackermann auf "Unvorhersehbarkeit" wird herausreden können. In diesem Marktumfeld muss man mit allem rechnen. Ackermann wollte so schnell wie möglich eine Alternative zum - von ihm geförderten und jetzt krepierenden - Investmentbankengeschäft, um sich weiterhin als genialer Turnaround-Manager präsentieren zu können, der die Krise besser als andere meistert. Dafür hat er die Postbank angekauft, und das in einer Geschwindigkeit, die nicht im Mindesten den Anforderungen einer sauberen Prüfung und Bewertung der Postbank angemessen gewesen wäre. Und kaum ist der Deal durch, hat die Postbank nur noch rote Zahlen zu vermelden, als wäre sie ein drittklassiges Startup, das sich an einen blöden Medienunternehmer verscheuert hat.

Ackermann hat sich massiv verspekuliert, und das mit einem absoluten Anfängerfehler. Die Marktkapitalisierung für die Postbank liegt aktuell gerade mal bei 2,81 Milliarden Euro; allein für die erste Tranche wären knapp 4 Milliarden von der Deutschen Bank fällig. Die Kosten für Integration und Anpassung sind da noch nicht mal angedacht. Ackermann würde also über 3 Milliarden allein beim aktuellen Kurs draufzahlen. Und so jemand, mit diesen Qualitäten in Vorhersage und Bewertung, soll die Geschicke der grössten deutschen Privatbank in der grössten Krise seit 1945 führen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ackermann noch lange Chef der Deutschen Bank bleibt.

... link (54 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 13. Januar 2009

Alle meine Freunde

Alle meine Hamburger Freunde erzählen mir, dass die Alster zugefroren ist, und alles in der Kälte erstarrt. Schön, aber eisig kalt. Komischerweise tauen bei uns auf 1100 Meter inzwischen den Bäche wieder auf.



Viele meiner Münchner Freunde aus dem Bereich, der sich nicht mit den Freuden des grauen Kapitalmarkts beschäftigt, haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Ich kenne dort eigentlich keinen, der nicht einen normalen Arbeitsplatz hat. Aus Berlin höre ich weniger klagen, aber dort haben ja auch nur die wenigsten einen normalen Arbeitsplatz, den sie verlieren könnten. Dort ist es eher das Entsetzen über die Jahresabrechnung der BAWAG - hier, wenn ich das so sagen darf, ist es nicht so schlimm, denn wenn man im T-Shirt draussen sitzen kann, braucht man keine Heizung.



Alle meine Freunde, die reich sind oder reiche Eltern haben, sind momentan ziemlich aufgekratzt. Alle haben verloren, und wenn ich ihnen sage, dass mit dem dicken Ding der Citigroup, wo der nächste Bailout ansteht, ihr Portfolio noch etwas dünner wird, schreien sie durchs Telefon, ich soll aufhören - selbst wenn sie mich oben auf dem Berg anrufen und fragen, ob ich ein passendes Objekt gefunden habe, und wie schlimm alles ist.



Alle meine Freunde mit Ahnung von der Thematik verstehen nicht, wie ich in Zeiten wie diesen so ruhig bleiben kann. Wenn es irgendetwas gibt, das sie gerade nicht ertragen könnten, dann wäre es das Besteigen eines Berges und die stundenlange Trennung vom Informationsfluss. Ich glaube, die könnten sich oben auch nicht eine Stunde in die Sonne setzen. "Rentner" wäre auch nicht mein Lebensentwurf, aber ich glaube, von den alten Herrschaften auf den anderen Bänken könnten sie einiges lernen. Nicht, dass die auch unbeschadet durchgekommen wären, aber die haben trotzdem den Willen, das Leben zu geniessen.



Und da oben ist es ja auch kostenlos. Es ist so schön, dass ich beim Überschreiten des Bergrückens, wenn die Kette der Blauberge auftaucht, hysterisch zu lachen beginne. Die Anstrengung, die dünne Luft, die Wärme, die Sonne, der Blick. Ich wünschte, alle meine Freunde könnten das sehen, sich mal frei machen, das ganze andere Zeug vergessen. Es kostet nichts, aber es befreit ungemein. Und es sorgt dafür, dass vom Winter 2008/9 etwas anderes in Erinnerung bleibt, als vergeudete Angst vor dem Unausweichlichen.



Bis dann der Anruf kommt und unvermittelt eine Verpflichtung ausspricht, nicht sofort, aber morgen, unaufschiebbar, schnell, unvorbereitet, so ist der Job, das sind seine Tücken, da ist man schneller in Hall in einem Hotel und erzählt was, von dem man selbst nicht so die tolle Ahnung hat, als man gemeinhin glauben möchte. Es geht wieder runter, die Piste ist schnell, extrem schnell, es sind kaum Leute unterwegs, man lässt es einfach laufen über Schnee und durch diese delikate Tegernseer Luft, die einen beschwingt und lustig macht, auch wenn der Rest, wie für alle meine Freunde, absolut nicht lustig ist.

... link (4 Kommentare)   ... comment


Ein unterschätztes Problem der Berge

Rücksichtslos die Rodelpistenkurveninnenseiten kreuzende Rowdytannen und herumlungernde Hoolfichten, die Ärger suchen.

... link (34 Kommentare)   ... comment


Zu schön

Ich mein, 12. Januar, dezente 12 Grad plus auf der Terrasse, endlich eine spezielle Kanne nur für die Mischung aus Schwarz- und Pfefferminztee, zwei gebackene Camenbert, frisches Brot und so viel Sonne, dass man fast nicht hinschauen kann -



Da muss man sich doch nebenbei auch mal mit etwas web2.0-menschlichem Elend beschäftigen. Und bei der Klitsche von Pleitier Peter Turi mittels Rechnung nachschauen lassen, ob schon grössere Bezahlprobleme oder - bis zur Zwangsvollstreckung - erst mal nur Zahlungsunwilligkeit vorliegt. Überschrift für den Ernstfall habe ich schon: Turi2 wird Turibrei.

... link (10 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 12. Januar 2009

Drei Sonnenuntergänge

Eine der widerlichen Seiten des Winters sind die Sonnenuntergänge, die die ohnehin schon kurzen Tage knackig beschliessen: Die Sonne rauscht unter den Horizont, es wird Nacht und dunkel und kalt, und das alles in ein paar Minuten. Kein Spektakel, kein grosses Theater, nur der Hinweis, dass es Zeit wird für den offenen Kamin und das Eisbärenfell. Es sei denn, man hat einen einigermassen steilen Berg vor der Haustür.



Dann dauert der Wechsel vom Tag zur Nacht, diese obskure Zwischenzeit, ungefähr eine Stunde. Denn während die Sonne untergeht, geht der Betrachter vom Fusse des Berges im scheinbar letzten Tageslicht hinauf, es ist eine Art Paarlauf, immer an der Kante des Tages entlang.



Denn auf der ersten Alm schneidet die Sonne noch durch die Bäume durch, es bleibt auch etwas Zeit, sich zu erinnern: Ziemlich genau jetzt würde in Hamburg schon die Sonne untergehen, aber das hier ist Süden und ein paar hundert Kilometer näher am südlichen Wendekreis, das bringt am Abend 25 Minuten, nicht viel, aberauch nicht wenig, wenn die Tage kurz und kalt sind.



Oben auf der zweiten Alm wäre dann tatächlich Sonnenuntergang, hinter dem Mangfallgebirge muss sie sein, denn die Kondensstreifen der Flieger schimmern noch rosarot. Es wird hier oben nicht so schnell kalt wie im Tal, die Wiese ist schon wieder weitgehend schneefrei, man kann warten und zuschauen, wie sich das Blau im Schwarz der Nacht auflöst.



Und trotzdem ist dann im Westen immer noch genug goldener Schimmer am Horizont, um für die Abfahrt genug zu sehen. So zieht sich der Tag dann bis nach fünf, bis man unten ist und den Rodel verstaut, ist es halb sechs, und ein paar Kinder bequengeln ihre genervten Eltern am Hügel neben dem Parkplatz, dass sie nochmal da hoch und runterrutschen wollen. Da Guiecke, dort Verärgerung, und das alles bricht plötzlich herein, nach einem einsamen Aufstieg in Stille und Gelassenheit.

Das finde ich dann wirklich finster.

... link (22 Kommentare)   ... comment


An einem diesigen, bitterkalten Wintertag

kann man dennoch normalerweise nicht einfach so mal eben in Urlaub fahren.



Das kostet nur viel Geld, die Bucherei nervt, man ist ständig in Eile, und überhaupt.



Deshalb ist es ja auch gar nicht so dumm, nicht in den Urlaub zu fahren, sondern nach zweitzuhause.



Wo man bei drei Grad draussen - in der Sonne sicher sehr viel mehr - überhaupt nicht versteht, was die mit dem Gewäsch von der Rekordkälte haben.



Hier ist es fast schon wieder Vorfrühling.

(Aus der Serie: Tage, an denen man weiss, warum man kein Aktiendepot besitzt)

... link (23 Kommentare)   ... comment


Transfer

Es ist nur ein Gefühl, aber es sagt mir, dass nächste Woche etwas sehr Dickes passieren wird; eines dieser Ereignisse, von dem man nicht zwingend in einer hektischen Stadt hören möchte, die voll ist von Geschnatter und käuflicher Meinung. Der Knall möchte bittschön gedämpft ankommen und sich ausgetobt haben, bevor er als Grummeln dort aufläuft, auf der ersten Anhöhe der Alpen über dem See und vor dem Berg, den es dann vielleicht zu überwinden gilt, sei es nur nach Österreich, oder doch gleich wieder in die Schweiz.



Der Aufbruch kommt eher als gedacht, und dennoch später als beansichtigt, Familiengeschichten, Termine, Arbeit, ausserdem Einpacken, denn manches geht, versteckt im Convoi wintersportfreudiger Münchner, an den See und macht Platz für Neues. Ich warte noch auf ein Jugendstilservice aus Limoges, das vielleicht ganz fein wäre, mit seinen das Kommende nicht ahnen lassenden, verspielten Formen, weiss und unschuldig und den Goldmalereien, die kaum unpassender sein könnten als in diesen bleiernen Tagen des Wartens.

... link (10 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 10. Januar 2009

Die Skalpe meiner Feinde - die Kamera der Japanerinnen

Nehmen wir mal an, wir haben uns im Mai 2006 eine dieser superschnieken kleinen Edelkameras gekauft, die wir in Salzburg und Wien in den Händen dieser feinen, jungen Japanerinnen sehen. Diese ultraschlanken Metallkästchen mit riesigen Displays, die mehr ein Modeartikel denn ein technisches Gerät sein könnten, wäre da nicht die modernste Technik des 21. Jahrhunderts verbaut, weshalb es auch keine Knöpfe mehr gibt, sondern ein zweifarbiges Gehäuse ohne Unterbrechungen und ein berührungssensibles Touchpad, auf dem dann fein manikürte japanische Finger - ist eigentlich schon mal jemandem aufgefallen, dass es absolut keine einzige japanerin mit abgekauten Fingernägeln gibt? - Bilder herumschieben und lustige Rähmchen einfügen. Kurz, die Sorte Kamera, die wirklich kein Arbeitsgerät für die Mille Miglia mehr ist, sondern das Gadget, dessen Prestige etwas teurer ist. 400 Euro. Das kostete die Pentax Optio T10 vor 32 Monaten, als sie auf den Markt kam, und es war keine von den Billigklunkern, die mit angeblichen Riesennachlässen beim Grosshändler an Idioten vertickt werden.



Wenn wir das bezahlt haben, sollten wir es tunlichst vermeiden, heute im Photofachgeschäft in der Innenstadt eine frische SD-Karte zu kaufen. Wir könnten etwas entsetzt vor der Vitrine stehen, in der gerade sowas wie eine Preisindung stattfindet. Da ist nämlich unsere Kamera - unbenutzt, originalverpackt und funkelnd - für 50 Euro zu haben. Was in etwa bedeutet, dass selbst bei diesem teuren Luxusprodukt der Wertverlust nach 32 Monaten bei 87,5% liegt.

Früher sagte man in unseren Kreisen, wir seien zu arm, um uns schlechte Dinge leisten zu können. Oder auch, wie meine Grossmutter immer sagte "Das Glump is zwoamoi deia", und natürlich hatte sie damit wie immer recht. Hatte. Denn der Preisverfall auch hochwertigster Technikgegenstände ist ein Widerspruch, vielleicht sogar der hedtigste Widerspruch zu dieser alten Sicherheit. Bei diesem Wertverfall besitzt man auch die besten und exklusivsten Dinge nicht mehr - selbst wenn die Kamera bis heute durchgehalten haben sollte, zwei andere Pentax, die ich besass, haben jeweils nur ein paar Monate gehalten. Bei diesem Wertverfall least man allenfalls, man zahlt monatlich 10 Euro für das Gefühl, eine Kamera zu besitzen, aber eigentlich ist es nur ein Kameraupdate, das man da in Händen hält, das nur dazu geschaffen wurde, um wieder zu verschwinden und teuer ersetzt zu werden. Früher kaufte man teuer, weil das Teure seinen Wert behielt, heute kauft man teuer Geliehenes, um bald wieder teuer zu leihen.

Wenn wir das alles weiter denken, fällt uns ein, dass wir das auch aus der Religion kennen, die uns verarscht, wir hätten unsere Lebenszeit nur geliehen. Die Gadgetindustrie ist klüger, sie gaukelt Besitz vor, tatsächlich aber hat man das Eigentum nur temporär geborgt, bis zum Ausfall und Kauf des nächsten Gadgets. Und wie der Idiot im Mittelalter findet man dieses Leihverhältnis mit irgendwelchen japanischen Fabrikbesitzern normal. Es gibt Blogs, die das alles begeistert empfehlen, es ist ein Lebensstil, und wir fragen uns, wann der erste die Kirche der Gadgets eröffnet, wo man gegen Bezahlung den ganzen Plunder jährlich neu bekommt, wo einem der Ablass dieser Dinge nach einem Jahr gewährt wird und man immer das Gefühl hat, den richtigen technischen Lebensstil in seiner jeweiligen Ausformung anzugehören.

Vormodern wäre das natürlich, aber das Perverse daran ist: Vormodern funktioniert bis heute, weil der Mensch vormodern ist, sich ungern Gedanken macht und obendrein trotzdem gern modern wäre. Etwas, das in dieser Kombination nicht möglich ist, es sei denn, man findet jemanden, der einem das Leben und das Umfeld für Geld entprechend definiert. Wir dagegen sagen uns, dass wir um unsere Vormodernität wissen und daran arbeiten, aber gegen so einen Skalp von denen, die sich von der Kirche der Gadgets jedes Jahr den Arsch bis zum Haaransatz aufreissen lassen, haben wir natürlich nichts einzuwenden. Den Wertverlust haben sie, wir haben das Gadget.

Und Angst, dass es wieder so ein miserables Drecksding wie die anderen Pentax ist.

... link (18 Kommentare)   ... comment


Empfehlung heute - Zufrieden.

Die Katze bekommt das Licht, die Streichelei und 7 (abgezählt, weil Diät, Jahreswende war vor kurzem und der Tisch immer erreichbar) Knuspertaschen.



Und ich bekomme einen Versuch von Blogwerbung bei Anke Groener.

... link (5 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 10. Januar 2009

Ihr seid alle Chinesen, nur wir sind Graubündner

Bloomberg steht jetzt nicht gerade in Verdacht, antiamerikanisch und linksradikal zu sein. Trotzdem ist heute mein Kellergewölbe die Hölle zugefroren, als ich das hier gelesen habe: Eine feine Analyse, warum die neuen Schulden der USA eine Madoff-artige Betrugsmasche sind, und die Chinesen kaum anders können, als weiterhin reinzuzahlen. Überflüssig zu sagen, dass es diese Texte sind, für die man hofft, dass die chinesischen Fonds die Übersetzung von Satyam, den Ausdruck von einem Lenovodrucker und den Transport von einem Opel Astra übernehmen lassen. Sind die Meldungen da drin auch schrecklich, wirklich schrecklich, wenn man sie zu Ende denkt - dort steht dann der Staatsbankrott - ist die erlebte Realität dann doch eine andere.



Schliesslich hat der hier ansässige Konzern auch dieses Jahr mit einer Steigerung von 4,1% abgeschlossen, trotz Lehman und Finanzkrise - einfach, weil er das Zeug baut, das die Leute haben wollen. Und wenn ich morgen an den See fahre, wird auch alles gut sein, denn der See ist der Ort, wo die Leute mit diesen Autos aus dieser Stadt hinfahren wollen. So einfach ist das. Ich und meine Freunde, wir sind Graubündner, und es ist ziemlich beruhigend, gerade nicht von den Kreditkäufen der Chinesen abhängig zu sein.

Das erlaubt einem auch die Freiheit, die es sonst unter den Sklaven Chinas nicht gibt: Vielleicht ist es jemandem aufgefallen, wie unsagbar wenig man im Moment über die Menschenrechte ich China hört. Tibet - nichts mehr. Staatliche Morde - nichts. Westliche Unterdrückungshelfer -- ungeschoren. Diktatur - egal. Arbeitsbedingungen - irrelevant. Zwangsarbeit - war da was? Das alles gibt es weiterhin, aber keiner scheint Lust zu haben, die Chinesen auf dem grossen Dollarsack damit zu ärgern. Ich habe, so von meinem privaten Graubünden aus gesehen, fast den Eindruck, als gäbe es da so eine Art stillschweigende Übereinkunft. Der Westen braucht das Geld, China braucht den Absatzmarkt, Störungen gibt es ohnehin zu viele, also kümmert sich jeder um sein eigenes Zeug und seine eigene erfolterterderliche Sicherheit.

Man kann das auch etwas weiterdrehen. Sudan, zum Beispiel. Simbabwe. Kenia. Das sind alles keine Nachrichten, wenn sogar Handtaschenseiten schliessen müssen, weil das eBusiness dann doch nicht mehr so rockt. Es sieht so aus, als ginge dem befürchteten Wirtschaftsprotektionismus schon lange ein Protektionismus der Menschenrechte voraus, als blickte jeder nur noch auf seine Sachen und liesse zu, was woanders sein mag, denn jeder kaut am eigenen Problem.

Und dabei übersieht man, wenn es die neue Lage es jetzt wieder erlaubt, mal eben einen Regenwald abzuholzen, eine Startbahn zu planieren, die Arbeitgeberbedingungen zu lockern und die Steuerprogression zuugunsten der Reichen zu verändern. Was dem totalitären Mörder in China seine billigen Strafgefangenenarbeiter, ist dem Seehofer, der Merkel und dem Westerwelle das Steuerprogressionsgeschenk an meinesgleichen. Das Geld des echten Chinesen wird zugunsten des Regimes in fette amerikanische Ärsche geschoben, das Geld der deutschen Chinesen zugunsten des Machterhalts von Auswüchsen a la Koch in die Ärsche der Banken und der Reichen.

Eigentlich müsste ich CSU oder FDP wählen, eigentlich könnte es mir egal sein, was aus euch dummen chinesischen Cretins mit und ohne Blog wird, weil es euch ja auch egal ist, wenn man sich so umhört und umliest. Das Konjunkturpaket nach Gusto der Union ist blanker Raub zugunsten der Besserverdienenden. Sie bescheissen euch, sie beklauen euch, weil es gerade jeder macht und keiner aufpasst. Schon gar nicht ihr, ihr blöden, denkfaulen Chinesen.

... link (20 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 8. Januar 2009

Antidot du jour

Es gibt beim Blog nakedcapitalism nach all den schlechten Nachrichten des Linküberblicks immer ein nettes Tierbild, das von den Katastrophen ablenken soll. Ich glaube, das brauche ich heute auch:



Ihr, selbst wenn ihr nichts von Wirtschaft versteht, braucht das auch. Glaubt mir, ihr braucht ein Antidot. Egghat hat die Details der Rettungsaktion der neuen Staatsbank Commerzbank, die wegen der kommenden Abschreibungen gerade nochmal wegen der Fusion mit der Dresdner dem Tod von der Schippe gesprungen sein dürfte. Coba/Dreba teilverstaatlicht. Vor zwei Jahren hätte man für die aktuelle Regierungspolitik einen Lafontaine noch ausgelacht.

Das ist der Grund, warum meine Jahresprognose auch so bitter negativ ausfällt: Das, was wir wissen, ist nichts gegen das, was vor uns verborgen ist. Die Coba würde ich trotz allem als weitaus stabiler und besser kontrolliert als viele andere Banken dieser Welt einschätzen. Wenn es denen schon so dreckig geht, wie muss das erst bei anderen aussehen? Oder Satyam - indische Firma, aber testiert von PWC nach amerikanischen Massstäben: kein Grund, nicht mit einem Milliardenschwindel durchzukommen. Lehman, Bear Stearns, Citibank und WaMu ging es ja auch gut, bis der Zusammenbruch kam.

Das ist keine Zeit mehr für Prognosen auf Basis der zugänglichen Daten. Man sollte 2009 nach dem Worst Case Szenario leben und handeln. Trau keinem, glaub nichts.

... link (44 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 8. Januar 2009

Real Life 07.01.09 - der grosse Bailout der Vororte

"Diesen werden wir die Trauer hinzufügen, von der wir sagen dürfen, dass sie ausschliesslich aus der Meinung und der daraus entstandenen Enttäuschung entstanden ist"
Baruch Spinoza, Kurze Abhandlung von Gott, dem Menschen und dessen Glück


Sieh es doch einfach so, sagt Iris. Es wird so oder so kommen, die unten haben 200 Euro mehr für eine neue Glotze, und Papa kann 400 Euro mehr investieren. Ausserdem war es nicht gerade höflich von Dir, das Sozialgerede gerade jetzt auf das Tapet zu bringen, da er ohnehin schon den Eindruck hat, dass der Abstand zwischen denen und uns nicht mehr allzu gross ist. So wie die unten das Geld zum Ausgeben brauchen, braucht er es, um wieder Tritt zu fassen.



In gewisser Weise hat sie recht. Papa ist wie alle, die verloren haben: Besessen davon, die Rückschläge wieder gut zu machen. Kein neuer Motor für den seit Monaten in der Garage gammelden Sportwagen. Keine drei Wochen Skifahren, und keine neue Ausrüstung bei Bogner. Zum Glück kamen die wirklich brutalen Schläge erst im Dezember mit der Post, sonst hätte er auch dem Konzertverein gekündigt, und du müsstest ohne Iris durch das Foyer streifen. Papa ist getrieben von den Verlusten und gepeinigt von der Angst, er könnte hinter andere zurückfallen. Papa ist lächerlich viel reicher als alles, was du jemals besitzen wirst, auch nach dem ganzen Unglück bist du immer noch ein Nichts, aber der Unterschied ist: Du hast zweimal ein schmales Plus gemacht, und er ein einziges, dickes Minus. Es war keine Anerkennung, dass er sich mit Dir über seine Pläne nach Steuersenkungen unterhalten hat. Eher der Wunsch, sich Bestätigung zu holen. Was bei dir nicht so arg toll ist, der du eigentlich für massive Steuererhöhungen bist. Denn es gibt immer noch zu viel Vermögen in Deutschland, das gehortet und Verbrechern zur vorgeblichen Vermehrung gegeben wird.

Aber Papa hat das alles schon durchgerechnet, wenn sich die CSU durchsetzt. Höherer Sockelfreibeitrag: Bringt ihm 400 Euro. Ende der Progression: 20.000, 25.000, wenn es der Seehofer macht. Einparungen 40.000. Da kommt was zusammen. Und jetzt kommst du ins Spiel. Wohnimmobilien. Denkmalschutz. Berlin. Welches Viertel, wo krepieren gerade die Denkmal-AfA-Fonds. Er würde, wenn die Zinsen ordentlich gefallen sind und die Inflation droht, 2010 massiv leveragen, noch ein paar Positionen auflösen und dann gleich auf zwei Stockwerke gehen. Kudamm. Savignyplatz. Mehringdamm. Was sagst du dazu. Das müsste doch, 300 m², dann alle zwei Jahre eine Wohnung restaurieren und immer schön abschreiben; in acht Jahren ist sicher wieder Boom. Dass du auf Steinbrück setzt, passt nicht in diese Träume von der schnellen Erholung durch einen Sonderweg in das Berliner Baugestrüpp. Überhaupt, was soll das: Die nehmen euch doch alles. Das ist längst überfällig, und es haben alle was davon.

Und die oben werden noch mehr horten können. Als hätte die Krise ihren Kern nicht darin, dass irgendwo zu viel gehörtet wurde, zu viele Zinsen sollte und zu leichtfertig vergeben wurde. Versuchst du zu erklären, aber das kommt nicht an. Denn der Staat hat den kleinen Leuten schon die Ersparnisse gerettet, jetzt soll er den Reichen helfen, die Verhältnisse wieder ind Lot zu bekommen. Steuern runter, das sieht er als sein Recht an.

Du bist ja nie hier, sagt Iris. Du hättest im Dezember hier sein sollen, als er die Steuer für 2007 mit dem Berater durchgegangen ist. Da war schon klar, dass er würde nachzahlen müssen. Und dann jeden Tag die Kurse, die Briefe der Banken, und dann noch so ein Ding am grauen Kapitalmarkt, das neues Kapital brauchte. Alle wollten sein Geld, überall waren Löcher im Portfolio, jeden Tag wieder ein, zweitausend Euro einfach so weg. Schmuck, Kleider, Urlaub, alles wäre besser gewesen. Kannst du das nicht verstehen? Er hat immer nur gespart. Er hat nur viel ausgegeben, wenn es erwartet wurde, für sich bräuchte er das alles nicht. Es macht ihm nichts, jetzt noch mehr zu sparen, denn er will wieder dorthin, wo er 2007 war.

Und deshalb wählt er die CSU und jeden anderen Rattenfänger, der Steuersenkungen verspricht. Und die Leute im Piusviertel sind mit den paar Kröten vom Freibetrag zufrieden und wählen sie auch. Soll doch der Staat die Schulden machen, die sie nicht zu machen brauchen. Jedem seinen Bailout, unten 2 Zoll mehr Diagonale, oben zwei Immobilien mehr - wer soll das in Berlin eigentlich für ihn machen? Die Immobilien finden, die Organisation, das kostet doch auch einen Haufen? Hat dein Vater überhaupt Erfahrung im Altbausanieren? Bei deiner Wohnung blieb das alles an mir hängen.

...

Nein.

Er meinte, mir zuliebe, schliesslich bekomme ich die ja mal, und du kennst dich doch da oben aus, also, ich finde es ja auch nicht so toll, aber

... link (13 Kommentare)   ... comment


Kann man sich Feinde machen,

die man sich schon mal gemacht hat? Falls ja, steht die Anleitung dazu an der Blogbar.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Empfehlung heute - Schöner Winter

Es gibt ein Licht, das man nur in schneereichen Winternächten findet, und das ist dann wirklich schön.



Er kann aber auch so sein. Hässlich. Noch hässlicher war aber vermutlich der Abend der drei Hooligans, die heute morgen von der Polizei hochgenommen wurden, weil sie unter lautem Geschrei ein Fahrrad demoliert hatten, und wenn ich sowas sehe, bin ich nach einigen Erlebnissen inzwischen wirklich absolut jenseits aller Bedenken, die Ordnungskräfte zu rufen.

... link (4 Kommentare)   ... comment



: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 6. Januar 2009

Der unfeine Tod des feinen Porzellans

Gestern war ein scheusslicher Tag. Manche werden sagen, dass die Pleite des Porzellanherstellers Wedgwood nach über 250 Jahren unvermeidlich war, war die Firma doch massiv überschuldet und litt am Konsumeinbruch auf dem amerikanischen Hauptmarkt. Und nach etwas Recherche muss ich konzidieren, dass Wedgwood, die mir seit meiner Kindheit als Inbegriff vollendeter britischer Tischkunst bekannt waren, in den letzten Jahren sicher nicht besonders gut beraten war, die meisten Linien in Indonesien von Arbeitern fertigen zu lassen, die 150 Pfund im Monat kosteten, aber daheim weiter Preise verlangten, als wären die Mitarbeiter noch immer im Hauptsitz Etruria mit Löhnen um die 2000 Pfund beschäftigt. Ich glaube, wer Wedgwood will, möchte nicht irgendetwas, das in Fernost von Billigstarbeitern gepresst und bedruckt wird, das nichts mehr zu tun hat mit der Tradition des Industriellen, Aufklärers und Künstlers Josiah Wedgwood, der seinerzeit gegen die Ausbeutung von Skalven agitierte.



Leider erwischt es neben Wedgwood - die Serie "english royal homes" in der Mitte - und Waterford, dem früher exquisiten irischen, jetzt leider osteuropäischen Hersteller der Glasschalen links, auch Hutschenreuther, die heute über die Rosenthal AG zum Konzern gehören. Auch Hutschenreuther hat eine besondere Geschichte; 1857 brannte die Weberstadt Selb nieder, und der Firmengründer setzte alles daran, die Bewohner mit seiner Porzellanfabrik wieder in Lohn und Brot zu setzen. 1917 übernahm Hutschenreuther dann die Firma Paul Müller, führte sich als Luxusabteilung weiter, und wenn ich wirklich etwas zu feiern habe, dann nehme ich das sog. Direktorengeschirr von Paul Müller, von dem die Sauciere abgebildet ist. Dieses Geschirr, weiss die Familientradition zu berichten, gehörte einem im Voralpenland tätigen Direktor, und war der grosse Stolz dieser gewiss nicht armen Seitenlinie, von der aus es mir nach drei Erbgängen - der letzte war geprägt von einem "wer will heute noch Goldrand" - zugefallen ist.

Ich will Goldrand. Und nicht nur, weil ich gerne auftrage, und ich ohnehin nur mit der Hand spüle. Ich mag edles Porzellan nicht nur, weil wir eine dicke Familientradition des Porzellanfetischismus haben, sondern auch, weil es für diesen Fetischismus einen Grund gibt, einen gutbürgerlichen Grund, der aus Porzellan mehr als nur Tischzierde macht. Denn anhand von Porzellan lässt sich die Aufklärung erzählen, anhand ihrer Verbreitung entstand das Bürgertum, die Demokratie, ein guter Teil der Industrialisierung, nur um jetzt möglicherweise, nachdem die Zwecke erfüllt sind und sich jeder alles überall kaufen kann, wieder zurückzufallen in die Hände der wenigen, die es sich leisten können und wollen, wie schon zu Beginn.

Als im 16. Jahrhundert zum ersten Mal asiatische Keramiken in grösserem Stil nach Europa importiert wurden, zögerte man nicht, sie mit Gold zu fassen: Seladonschalen zum Beispiel waren eine Weile die teuersten Handeslgüter der Erde, und selbst reiche Fürsten hatten selten mehr als ein paar Stücke asiatischen Porzellans in ihren Wunderkammern. Es dauerte bis ins 17. Jahrhundert, bis man überhaupt wagen konnte, davon zu essen, und abgesehen von den allerreichsten Schichten gab es keinen Markt. Das blieb auch noch im 18. Jahrhundert so, als Augarten, Meissen, Nymphenburg und KPM ein Monopol hatten und darüber wachten, dass die Preise hoch und die Kundschaft exklusiv blieb. Josiah Wedgwood war einer der frühen Rebellen, der das aufstrebende Bürgertum mit Serienfertigung und günstigeren Preisen im Auge hatte, andere folgten später in anderen Ländern und auf anderen Gebieten nach: Christofle wurde als Lieferant günstigen Silbers berühmt, Baccarat wurde erst nach der französischen Revolution vom fensterglashersteller zur Luxusmarke, und erst mit der Versilberung wurde Silber zum Gegenstand des täglichen Gebrauchs.

Gemeinhin denkt man ja, das Bürgertum wollte den Adel nur nachäffen; tatsächlich aber waren die Machthaber gar nicht so arg begeistert, wenn die Untertanen nach derartigen Dingen strebten. Für die Bürger bedeutete der Luxus vor allem, dass sie auch Zeit hatten, ihn zu nutzen, Tee zu trinken, nicht dauernd schuften mussten und sich über den Kuchen hinweg unterhalten zu können, über Politik etwa und Repression, oder Bücher von Heine lesen - Bürger, die Zeit haben, kommen auf die für Machthaber unerfreulichsten Ideen. Metternich wusste schon, warum er seine Spitzel in die Cafehäuser schickte, und warum er den Bürger mit Zeit fürchtete. Wer Porzellan besass, dokumentierte nicht nur seinen gesellschaftlichen, sondern auch indirekt seinen intellektuellen Aufstieg. Was für die Bürger seit dem 19. Jahrhundert von zentraler Wichtigkeit war, blieb für Arbeiter und andere aufsteigende Schichten auch im 20. Jahrhundert erst mal entscheidend: Etwas Gutes zu besitzen und die Zeit zu haben, es zu nutzen

Man mag das heute vielleicht als kindisch erachten, aber genau das war der Unterschied: Man schaue sich nur mal das Schokoladenmädchen von Jean-Étienne Liotard an: Der aussergewöhnliche Reichtum ihrer gnädigen Frau wird nicht nur durch das chinesische Lacktablett und die Silberarmierung des Porzellans verdeutlicht, sondern auch durch die Knicke in der Schürze: Sie kommt frisch aus der Truhe, sie wird also nicht immer getragen. Es ist ein Haushalt, der sogar seinen Dienstboten mehr als ein Kleid bezahlen kann. Für das 18. Jahrhundert: Ausserordentlich. Der Wunsch, sich selbst und der Familie, den Kindern mehr als nur den Alltag, das Normale, das Übliche bieten zu können, brachte die Arbeiter auf die Strasse, das Soziale in die Parlamente und die Gesellschaft voran, man wollte es schaffen und es auch zeigen, und so komisch es heute scheinen mag, wenn der Treiber dieser Entwicklung Goldrand und Spitzendecken waren:



Darf ich fragen, wohin eine Spielekonsole und ein neues Handy jedes Jahr uns gesellschaftlich so treiben werden?

Ich halte diese Frage, so komisch sie für manche scheinen mag, für hochgradig wichtig. Was lernt man davon? Benehmen? Kaum. Ausdrucksfähigkeit? Sicher nicht. Soziales Engagement? Wenn der andere mit einer anderen marke kein akzeptabler Mensch mehr ist? Das Leben als Ladevorgang, als Folge kurzfristiger Lebenszyklen vielleicht. Wenn ein feines Teeservice das Zeichen für die Zeit ist, die man sich erarbeitet hat, was sind dann die Mugs und Coffee2Gos? Die Negation, das Fehlen der Zeit, in der man eben arbeiten muss, um flexibel und einsatzbereit zu sein. Ich will nicht wissen, wieviele meiner Trouvaillen ich Leuten verdanke, die alles los werden wollen, um möglichst mit einer Kiste umziehen zu können, und für die der Starbucks überall das gleiche Internet hat.

Porzellan, gutes Porzellan zumal ist auch heute teuer, wenn man nicht gerade auf Antikmärkten jagen geht, aber mein nicht seltenes Entsetzen über 100 Euro teure Imaritellerchen ist lächerlich, wenn am Stand daneben demnächst wertlose Handys für 300 Euro verkauft werden. Es gibt einen Paradigmenwechsel, der einen iPOD mit 1000 bei iTunes runtergeladenen, kostenpflichtigen Modemusiken mehr Sozialprestige zuweist, als einem Schlosgartenservice; ich lese öfters, dass Leute in der Bahn etwas auf dem iPOD hören, als am Teetisch besprechen, und das ist es letztlich, was Wedgwood umgebracht hat: Ein partieller Wertewandel unter Thatchers Kindern und Ausgeburten von London über Berlin und Moskau bis Jakarta. Und wenn das ganze System wackelt, macht eine Firma eben ein 20 Pfund Bürobilligkleid aus Polyester und Viscose in China und zieht damit ein Modell mit Pappbecher am Bahnhof an.

Daraus resultieren zwei Fragen, eine für uns alle: Ist das Fortschritt? Und eine für uns Elite: Wie weit ist es noch bis zum Tag, da sich das Pack wieder soweit selbst verblödet, dass wir, mit Porzellan von Augarten und Nymphenburg im Grase sitzend, die Schlossgärten für uns alleine haben?

... link (75 Kommentare)   ... comment


1929

Oh. Adolf Merckle ist angeblich tot. Zum Zug überrollt. Da kommt auf die Banken sicher noch etwas zu.

Manchmal frage ich mich schon, ob es nicht an der Zeit ist, das Thema "Geld" zu demystifizieren und von "Lebensfreude" zu trennen.

... link (46 Kommentare)   ... comment