: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 22. Dezember 2013

Vorgeschenke

Ich habe ein Stammhaus (Baujahr 1600), in dem ich lebe und ein Elternhaus (Baujahr 1977/8) im mittlerweile recht gut beschriebenen Westviertel der Stadt, also dort, wohin man generell gezogen ist, als man dachte, Kinder müssten mit Wiesen, Wäldern und Seen aufwachsen. Die längste Zeit meines Lebens jedoch war ich im Stammhaus, in dem ich auch geboren wurde, und insofern ist der Versuch meiner Eltern, der Tradition zu entgehen, in mir grandios gescheitert. Rückblickend auf Jahrhunderte der Familiengeschichte wird das Westviertel also dereinst als grandioser Fehler erscheinen, der keinen Bestand hat. Aber das wäre unfair, denn natürlich war es dort auch nicht schlecht, und auch heute noch gibt es dort etwas zu holen.



Es ist nämlich so, dass ich nicht der einzige bin, der ausgeflogen ist. Im Westviertel, in den grosszügig geplanten Einliegerwohnungen sind nur die wenigsten geblieben. In den 60er und 70er Jahren war es eigentlich unvorstellbar, dass all die gut ausgebildeten Kinder einfach so in die Welt ziehen und damit mehr oder weniger verschwinden würden. Man ging davon aus, dass sie in der Regel bleiben und da weiter machen, wo die Geschichte bis zu ihnen führte. Dass ich zwischen drei Orten kreise und nicht dort arbeite, wo mein Arbeitgeber ist, ist da fast schon ein Beharren auf der alten Heimat. Der Rest ist weg. Weil aber Traditionen nicht so einfach mit den Kindern verschwinden, wird zu Weihnachten natürlich gebacken. Das können sie. Es sind nur nicht mehr so viele Abnehmer da.



Aber die Rezepte zielen nun mal mit ihren Mengen auf 6 oder 10 Personen, und dadurch entseht ein Überschuss. Und ist dann erst mal jedes Zierteller voll, beginnt die Überlegung der Endlagerung. Wie schön ist es zu wissen, dass zumindest das ein oder andere Kind noch innerhalb von einer Stunde zu erreichen ist, oder gar auf die Schnelle kommen kann. Dass ich auf diese Art und Weise erst gar nicht dazu komme, selbst zu backen, ist der eine Teil der Geschichte. Der andere, hier viel kolportierte Teil ist aber, dass ich eigentlich oft Teig lieber als Plätzchen mag und deshalb früher gek

ich glaube, das wäre jetzt indiskret und auch in einer Art bezeichnend, die keinen hier etwas angeht und weil es ist, wie es ist, wird der Überschuss eben im Elternhaus gesammelt und dann komme ich mit dem Rad.



Das ist zwingend nötig, wenn ich 2014 öfters mal über die Berge fahren werde. Eventuell, das muss sich aber noch zeigen, habe ich im Februar etwas Zeit, um auf einen ganz hohen Berg zu fahren, nämlich den höchsten Berg Spaniens. Und das geht nur so mittelgut, wenn ich mich in kugelförmiger Gestalt hochrolle. Deshalb fahre ich lieber jetzt mit dem Rad, dann kann ich auch begründen, warum ich gar keinen Platz habe, jetzt sofort alles mitzunehmen. Ein wenig mehr Fett finde ich im Winter vertretbar, aber man muss sich entscheiden: Entweder die volle Ladung Plätzchen oder die grosse, ganze Lasagne. Ich mache das so, dass ich mir die Plätzchen bis zum 6. Januar durch Kleintransporte einteile und stets nur mit dem Rad hole. Meine Disziplin ist natürlich allenfalls so hart wie Grütze, aber immerhin, sie ist vorhanden.



Übrigens, an meinen Wänden sind Abgüsse und Kopien klassischer Schönheit, die sind ja auch eine Art geistig-moralischer Bremse, und immer, immer, immer tue ich nach jedem Plätzchen den Deckel auf die Dose. Auch das ist ein wenig Sport. Und es macht wirklich einen Unterschied, ob sie immer offen rumliegen, oder aus dem Auge und ab und zu sogar aus dem Sinn sind.

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Sonntag, 22. Dezember 2013

Du verspielst nur einmal

Da war dieses Bild bei Twitter, vom bewusstlosen Polizisten, den zwei andere Polizisten in Sicherheit bringen. Und der einzige Kommentar des Autors. Yolo. You only live once. Es gab natürlich keinen Aufschrei der Demonstrationsbefürworter, dass das zu weit ginge. Ich weiss nicht, ob der Verfasser des Tweets bei den Krawallen in Hamburg dabei war, oder nur einer von denen, die die Randale bei Twitter eine Stufe weiter drehen: Aber das war dann der Punkt, an dem es mir wirklich verging. Ich verzichte auf ein Kulturzentrum gerne, wenn sich die Kultur so äussert. Und auf eine Piratenpartei, deren Mandatsträger dort ebenfalls die Sau rauslassen, kann ich genauso verzichten.



Sie wollen angeblich Lebensräume (sic!) und eine Stadt für alle, aber es fällt mir schwer, mir das Leben in einer Stadt vorzustellen, die nach deren Wünschen und Regeln funktioniert. Zumindest kann ich es mir überhaupt nicht vorstellen, dass ich in so einer Stadt einen Platz hätte. Ich habe nämlich durchaus einen Wunsch, nicht behelligt zu werden von Leuten, die denken, sie hätten das Recht, ihre Überzeugungen auf Kosten der Allgemeinheit auszuleben. Die Kaputtmacher des Gemeinwesens stehen auf beiden Seiten, der Luxusquartiersanierer macht das Leben nicht einfacher und die Schmierer und Randalierer auch nicht. Beide verlangen ihre Freiheit, der eine ökonomisch und die anderen im Sinne des Demonstrationsrechts, aber am Ende leiden darunter alle. Mir ist klar, manche Immobilienmakler sind schuld am schlechten Ruf der Münchner Vermieter, aber wenn man solche Probleme lösen will, braucht man andere Gesprächsangebote als bedrohte Passanten.

Und was man auch braucht, ist die Erkenntnis, dass nicht mal eine 1%-Minderheit so leben will, wie die Aktivisten der Roten Flora und des Schwarzen Blocks. Der Rest möchte zwar durchaus gerne niedrige Mieten, aber auch moderne Annehmlichkeiten, sichere Gebäudestrukturen und eine verlässliche Hausverwaltung, die dafür sorgt, dass nicht jeder einfach so Fenster einschlagen kann, die dann monatelang unrepariert bleiben. Man stelle so einem Randalierer mal für vier Wochen das fliessende Wasser und die Heizung ab, dann versteht auch er, was ich meine. Da wird man über ganz andere Dinge sprechen müssen, als über die Reichweite von Flaschen und Wasserwerfern. Ernsthafte Auseinandersetzung mit der Gentrifizierung wird nicht eben leichter, wenn die Debatte mit Böllern und Steinen geführt wird. Fände es super, wenn manche Leute einfach zugeben würden, dass es ihnen um die Randale und einen ganz bestimmten Lebensstil geht - dann könnte man trennen zwischen berechtigten Anliegen und Rabauken, die Themen hijacken, weil sie auf ihre Art sowas wie die Erika Steinbach der Linken geworden sind. Auf jeden Fall: Verzichtbar.

Solange jedenfalls die Piratenpartei nicht in der Lage ist, Typen wie Oliver Höffinghof loszuwerden, muss man denen weiter wünschen, dass sie nicht nochmal in Parlamente kommen. YOLO gilt auch für Parteien.

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Freitag, 20. Dezember 2013

Sex kaufen

Das Original ist gut 2 mal 2 Meter gross, und die Figuren wären in Lebensgrösse - wären sie denn lebendige Menschen gewesen. Aber es sind Götter, und was zwischen ihnen an Geschlechtlichem passiert, hat Ovid gedichtet. Weil Ovid in der Renaissance als Klassiker galt, und durch sein heidnisch geprägtes Sujet auch nicht anstössig wie echte Pornographie war, konnte er mit dieser Szene in der Galerie der Farnese in Rom erscheinen. Auch noch Ende des 16. Jahrhunderts, als die Gegenreformation längst in Sachen Spiessigkeit dem dem Protestantismus wetteiferte. Dazu kommt noch in diesem Falle, über den wir hier reden dürfen, der förderliche Umstand, dass wir hier Zeugen ehelicher Pflichterfüllung werden, denn Hera verführt hier ihren eigenen Mann Zeus. Gemalt haben das die Brüder Annibale und Agostino Carracci, und es ist der Kunstgeschichte noch nicht ganz klar, wer von den beiden das gemacht hat. Annibale war bekannt und bekam den Auftrag, aber Agostino, dessen Ruf nicht so glänzte, war der Spezialist für Anzügliches.



Was bei mir auf dem Sofa gelandet ist, ist dagegen mit 20 mal 30 Zentimetern winzig. Und hat auch ganz andere Farben und weicht in Details deutlich ab. Es ist gut 50 Jahre jünger als das Original, und hat viel von der klassisch-leichten Erscheinung der Fresken mit ihrem hellen Hintergrund und den pastellartigen Farben verloren. Es ist vielmehr im Stil des damals beliebten Chiaroscuro gehalten, eine mit dramatischen Effekten spielende Kunstrichtung, mit der sich zuerst Caravaggio respektlos von der Kunst der Renaissance und damit der Carraccis abwandte.

Kurz, was auf meinem Sofa ist, ist eine spätere Kopie und ein Bastard. Die Muskeln und Körper sind noch klassisch wie beim an Michelangelo geschulten OOriginal, aber die Effekte sind bereits barock. Und wahrscheinlich kommt das Bild auch nicht aus Italien, sondern aus Holland. Die Fresken der Galleria Farnese wurden nämlich später, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Pornographie in Stichen verbreitet, als das soziale Klima noch spiessiger als in der Zeit um 1600 wurde. Und dann hat jemand in Holland das grosse, schamlose Fresco aus Rom ganz klein und fein auf Leinwand gemalt, und die Farben und das Licht nach seinem Gusto dazu erfunden. Ausserdem schlägt der Pfau, das Symbol der Hera, kein Rad mehr. Dafür kommt ihre Nacktheit und das generelle Treiben vor dem dunklen Hintergrund noch besser, noch verderbter zur Geltung. Das ist hier aus dem Kontext gerissen, da ist keine römische Galerie: Hier zieht nur ein alter Lüstling, von der Gier getrieben, das glänzend-nackte Objekt seiner Begierden auf das Bett.



Hübsches Beispiel für die sonderbaren Wege der Kunst angsichts veränderter Moralvorstellungen: DieWelt wird reaktionär und sexfeindlich, und aus dem Common Sense der Lebensfreude wird einerseits der 30-jährige Krieg, und andererseits eben die rein pornographische Darstellung, herausgerissen aus der Entrückung und klein dargeboten, damit man sich im Versteck daran ergötzen kann. Fein sind die Details, wo es wichtig wird für das Verlangen.

Die einen bringen sich für die Religion um, die anderen werden gezwungen. Lust im Kleinformat zu geniessen. So ist das in Welten, in denen Bischöfe, schwarze Knallköpfe und Moralschwarzerinnen meinen, sie müssten Zwänge ausüben und Verbote aussprechen. Sie löschen vielleicht den Glanz der Freuden, aber in unserer ewigen Nacht der Lust schimmert weiter im Verborgenen das weisse Fleisch. Das ist nicht mehr klassich. Das ist Spass.

Es war, auf den Quadratzentimeter gerechnet, das teuerste Bild, das ich habe. Ich zahle aber gern für Sex und man weiss auch nie, ob man das nicht später einmal brauchen wird, wenn sie uns ansonsten jeden Spass wegfiltern.

Das ist die eine nackte, hässliche Wahrheit. Es gibt noch ejne, aber dazu irgendwann einmal.

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Freitag, 20. Dezember 2013

Alles eine Frage der Entfernungseinstellung

0,5 Meter: Silber



1,5 Meter: Öl



4,5 Meter: Kristall



Würde ich erzählen, was näher als 0,5 Meter ist, wäre es sehr, sehr indiskret.

Seit Berlin kreisen meine Gedanken aber um das Thema Käuflichkeit und Anreize, und vielleicht komme ich ja auf eine Antwort, wenn ich nur lang genug auf dem Sofa liege und mich nicht ablenken lasse.

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Nachgelegt

Jetzt kommt also doch kein Internetausschuss. Weil sich ein paar Ministerien um Kompetenzen rangeln. Das ist schlecht. Für Politiker, Lobbyisten, Gschaftlhuber und Tarnorganisationen.

Aber ich denke, ich kann auch prima ohne so ein Gremium, in dem die gleiche GroKo sitzt, die auch sonst vier Jahre lang nerven wird, schreibe ich in der FAZ und im Kommentarblog.

Diese Regierung braucht viel kritische Begleitung.

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Donnerstag, 19. Dezember 2013

Heimat

ist dort, wo man das, was man braucht und kennt , überall und ohne Aufwand haben kann. Wo es einfach da ist und ist, wie es ist. Man macht sich darüber gar keine Gedanken.



Fremde ist, wo es das alles vielleicht auch gibt, aber nur mit Aufwand, Verrenkungen und nie in der natürlichen Absolutheit, die man von daheim kennt. Fremde heisst nicht, dass es etwas nicht gibt, Fremde heisst, dass man es schon kriegen kann, wenn man dafür vieles in Kauf nimmt.

Zwischen mir und meiner Bäckerei liegt ein Dutzend Baudenkmäler zwischen 1380 und 1800. In Berlin und Frankfurt läge dazwischen Berlin und Frankfurt.

Und deshalb ist das hier Heimat.

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Mein Biedermeiergemälde und Dein Überleben als PR

Was ich ja auf den Tod nicht ab kann zutiefst verachte am liebsten mit einem Stromkabel an den E schon immer schwierig fand, ist Distanzlosigkeit. Man hat das im Internet öfters bei Stalkern, dieses "Ey schaut mal wir sind echt gute Kumpel wa"-Getue. Normalerweise lasse ich das über mich ergehen, reagiere nicht und denke mir, es sollte Nacht werden und dann hätte ich gern ein Bleirohr und ein gutes Alibi.

Aber das habe ich nie und dann ärgere ich mich. Ich ärgere mich, weil der damit durch kommt und es wieder tun wird, und vielleicht wird er auch nie mit seinen Beinen so gegen ein Bleirohr rennen, dass er eine Weile die Freuden des Hüpfens geniesst. Und ich frage mich, ob ich nicht auch eine Mitschuld an der Ungerechtigkeit des Daseins trage. Weil ich zu nett bin. Der liebe Don vom Dotcomtodstreicheln, so kennt man mich.

Aber dann gibt es so Tage, da sitze ich mit schwer erträglichen Leuten in einem Zug, der aus Frankfurt kommt. Ich habe schlecht gegessen und zu wenig Tee getrunken. Am Bahnhof stehe ich dann 20 Minuten in der Kälte und erlebe, wie mich jemand zur Seite hupt, weil er seine Karre halb auf dem Behindertenparkplatz abstellt, nur weil er mal eben einen Brief einwerfen und keine 25 Meter gehen will. Und wenn ich daheim bin, finde ich eine Karte vor, dass das Biedermeiergemälde unzustellbar war. Es. ist. einfach. nicht. da.

Und dann gehe ich in meine Wohnung, mache einen Tee, aber er hat noch nicht fertig gezogen, da lese ich nicht nur vom neuen Internetausschuss der GroKo, nein, ich lese auch, wie so ein distanzloser PRler, dem andere PRler viel zu oft den Eindruck gaben, dass seinesgleichen das Antlitz der Welt nicht entstellt, da kommt also so ein Berliner PRler daher und schmeisst sich an den Lars Klingbeil ran. Wahrscheinlich weil Google ihn dafür bezahlt. Oder aus Prinzip? Ich weiss es nicht. Aber es ist ein ganz besonderer Abend und es ist Vollmond.

Jeder zivilisierte Mensch wird mir deshalb zugestehen, dass ich dann gar keine andere Wahl habe, als in den dreckigen Sumpf zu stechen, den Google, ein gewisser Herr und andere Mitspieler in Berlin aus Gründen der politischen Einflussnanhme angemischt haben. Das ist natürlich alles legal, aber legal ist es auch, den unmöglichen Typen einmal in der FAZ und einmal im Kommentarblog vorzuführen und Google mal darauf hinzuweisen, mit was sie sich da abgeben.

Und dass das erst der Anfang ist.

ES DAUERT NÄMLICH VERDAMMT LANG, BIS MEINE SÜDTIROLERIN AUS WIEN WIEDER HIERHER KOMMT UND DIE LEUTE, DIE MIT SOWAS IM VEREIN STECKEN KNÖPFE ICH MIR AUCH NOCH VOR.

Die sollen ruhig mal merken, wie die Öffentlichkeit zu PR-Mauscheleien via Twitter steht.

Also. Wenn Ihr zufälligerweise PRler sein solltet. Und dazu neigt, etwas Blödes auf Twitter zu machen und zwar so, dass ich es mitbekomme. Überlegt Euch gut: Hat der Postbote das Biedermeiergemälde beim Nachbarn abgegeben oder wieder mitgenommen?

Das kann über den nächsten naturprallen Pitch hinaus von grosser Bedeutung sein. Ich meine es Euch nur gut. Denn wie wir alle hier wissen. Ich bin der liebe Don und der höflichste Mensch von der Welt.

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Dienstag, 17. Dezember 2013

Zurück Marsch Marsch

Die Favelas und ihre Zeichen.



Man könnte auch bleiben.



Meide nicht die ird'schen Schätze.



Die ausgesetzten Brüder.



Hic sunt Mobilgeräte für wenig Geld.



Zum Abschied winkt die Stadt.



Ich habe einen Zug ohne Zwischenhalt. Als ich ankomme, ist es sehr kalt, aber alles fügt sich wieder.

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Dienstag, 17. Dezember 2013

Freerider unter der Erde

Bei uns sind Freerider irgendwo zwischen Schädling und Pest anzusiedeln. Der Tegernsee ist über weite Strecken ein aufgelassenes Skigebiet, am Wallberg sind keine grösseren Pisten mehr, und auch in den Blaubergen ist über Monate kaum jemand zu sehen. Das ist gut für die Natur und das Wild, das die Winterruhe braucht. Kommt dann doch mal ein verirrter Freerider und heizt durch den Wald, ist das nicht gerade erfreulich. Es sind generell zu viele Menschen am Berg und es gibt genug Alternativen für diejenigen, die wirklich rasen wollen, gleich nebenan, am Spitzingsee zum Beispiel.





Nun ist es aber so, dass im Moment die Inversionswetterlage dafür sorgt, dass in den Bergen der Schnee schon etwas leidet, und Freerider sich im Moment vermutlich eher in der Schweiz amüsieren. Und ich selbst bin auch nicht auf dem Berg, sondern in der Mainebene oder sogar noch drunter, und das länger als geplant, weil ich dachte, alle S-Bahnen gehen zur Galluswarte. Tun sie nicht, manche fahren auch nach Griesheim an den Bahnhof, der oben zu sehen ist. Deshalb muss ich wieder zurück zum Hauptbahnhof, und dort sind dann wieder diese "Infoscreens". Und auf denen spielt man Freeridervideos. Verschneite Berge, Sportler im Helikopter, und das alles nur, damit hier in der Frankfurtes U-Bahn auf die Screens geschaut wird - sonst schauen die Menschen ja auf ihre Mobilgeräte. Es ist ein Kampf um Aufmerksamkeit in einer Gegend, die nicht gerade geeignet ist, dem Menschen als angenehm zu erscheinen.





Ich persönlich, der ich schon den Flughafenbus als klaustrophobisches Erlebnis in Erinnerung habe, ich, der ich freie Sicht gewöhnt bin und sonst jeden Meter Bewegung als Erholung erlebe - ich sehe das anders. Ich finde das spannend. Da haben wir also Räume und Bereiche, die wir so scheusslich und unfreundlich machen, dass jeder, der einen anspricht, entweder Geld oder die Fahrkarte sehen will. Ich weiss, viele finden es absurd, dass sich ein jeder am Berg grüsst, aber bittschön, das hier ist die Alternative. Die vielgerühmte Anonymität der grossen Stadt. Jeder verkrümelt sich in seine digitale Welt, und das merken nur die NSA und die Werbeanbieter. Manche haben ein Buch dabei, das finde ich lobenswert. Aber niemand ist hier gerne. Nichts ist hier erfreulich. Aber es macht sich auch keiner Gedanken. Das ist halt so, man drückt sich weg und lenkt sich ab. Dabei sind das wirklich interessante Phänomene, die hier geboten werden. Wie der Gegensatz zwischen dem Freerider und den Zwangsfahrern hier unten. Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Menschen in der U-Bahn und der Kuh, der man zur Milchleistungssteigerung und Stimmungsaufhellung im Stall Musik vorspielt?





Wann die da drüben vor der Tafel das letzte Mal auf so einem Berg gewesen sind? Wann sie diese silbrig kalte Luft geatmet haben? Erinnern sie sich überhaupt? Wissen sie, wie es ist, das zu leben?

Einer meiner alten Freunde hat hier ein Büro in einem der Türme. Oben, wegen der guten Aussicht. Bei der Süddeutschen Zeitung haben sie ein Tumblr eingerichtet, wegen der Aussicht von ihrem Turm draussen am Rangierbahnhof. Da sieht man die Berge so schön. Sicher, man sieht das. Man sieht auch den Freerider auf dem Infoscreen.

Wenn man hinabsteigt in die Unterwelten oder in die Feierabendstaus, und denkt, man kommt voran. Es gibt Chancen. Da geht sicher was. Den Winter powert man durch. So wie der Freerider. Dabei will das Wild in den Bergen seine Ruhe, und ich auch. Einmal auf den Berg gehen, hinunterfahren, kochen und dann endlich wieder die Finsternis geniessen.

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Mal was anderes

Normalerweise geht es bei mir in der FAZ ja nur um Bürgertum,. bessere Kreise und Tegernseeanwohner, aber ich hatte auf dem Weg zwischen Tegel und Friedrichstrasse einen sehr netten Taxifahrer, der mal erzählt hat, was ihn ans Steuer brachte. Die Geschichte ist nicht wirklich schön, sondern mehr so eine ERklärung für Abstiegsängste im Zeitalter der Oligarchie, die mehr und mehr auf Menschen verzichten kann. In der FAZ und im Kommentarblog.

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Montag, 16. Dezember 2013

Lichter ausblasen

Am Freitag, Samstag und Sonntag war das Licht am Bahnhof kaputt.

Aber in der gleichen Zeitspanne war es auch bei der Accountingfirma kaputt.

Man weiss auch, wie zuverlässig die Verkehrsmittel in Berlin so sind.

Der Rest ist eine einfach Gleichung, und ich traue meinen Silberstempeln mehr als Firmenabschlüssen, die unterschrieben wurden von anderen Firmen, die nicht mal in der Lage sind, ihr Firmenschild zu reparieren.





Wie lange dauert es eigentlich, bis sich in einer Lampe schwarze Ablagerungen finden? Selbst in der schlechten Luft Berlins geht das sicher nicht von heute auf morgen. Ich frage, weil ich auch, um, etwas Ruhe zu haben, Ruhe vor dem Trubel im Hotel und Ruhe vor den Menschenmassen in der Oranienburger Strasse, dorthin gegangen bin, wo kein Berliner je seine Schritte hinlenkt, weil, das riecht ja schon nach Bildung, und das braucht man noch weniger als der Münchner seine Figuren vom Agaia-Tempel:





Es gibt nicht so schrecklich viel, was in Berlin wirklich an Paris erinnert, ausser vielleicht unabsichtlich diese Centre-Pompidou-Rohre entlang der Strasse, die bei Tag wirklich scheusslich aussehen, und eben diese Kugellampen. Man muss sie nicht mögen, Tucholsky hat sich über diese Tortenaufsätze bitterlich beklagt, aber da hat Berlin dann doch so eine genz besondere Fin-de-Siecle-Stimmung. Aber die muss jemand eingeworfen haben, jedenfalls ist das Glas zerschlagen, und jetzt sammelt sich drinnen schwarze Brühe.

Einmal sieht man etwas Hübsches. Und dann ist es kaputt und fällt dem Desinteresse zum Opfer. Als ob man unbegrenzt viel davon in dieser Kulissenstadt hätte.





Das Wiener Cafe ist eine Fälschung und echte Wiener Cafes zerfallen anders; aber immerhin, ein Kronleuchter, und dort bin ich dann am nächsten Tag. Fast alle Kronleuchter, die am Tegernsee hängen, kommen aus Berlin, dazu noch alle im Hausgang und der funkelnde Korbleuchter im Schlafzimmer, von dem ich sogar zwei Stück entdeckt habe, einen im Wedding an der Grenze zu Pankow und den anderen in einer Kiste in Kreuzberg, auf einem Flohmarkt. Ich bin gesättigt, so gesättigt, dass ich diesmal nicht auf die Flohmärkte schaue. Ich habe einen Termin, da komme ich an der Strasse des 17. Juni vorbei, aber ich lasse das Taxi nicht anhalten. Es wäre sicher heute anders, ein paar Leute kenne ich dort sicher noch, aber es ist zu lange her und ausserdem, so viel ist weg... irgendwann wird auch das Cafe schliessen und andere Menschen werden aus dem Süden kommen, und das holen, was hier nicht mehr hell entflammt.

Es ist vieles anders geworden und dennoch gleich geblieben. Als ich dann gerade noch einen Flug erwische, habe ich nicht mal Zeit, mir Gedanken über meine Apathie zu machen, dann bin ich auich schon in Frankfurt, wo alle Lichter leuchten.

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