Sex kaufen

Das Original ist gut 2 mal 2 Meter gross, und die Figuren wären in Lebensgrösse - wären sie denn lebendige Menschen gewesen. Aber es sind Götter, und was zwischen ihnen an Geschlechtlichem passiert, hat Ovid gedichtet. Weil Ovid in der Renaissance als Klassiker galt, und durch sein heidnisch geprägtes Sujet auch nicht anstössig wie echte Pornographie war, konnte er mit dieser Szene in der Galerie der Farnese in Rom erscheinen. Auch noch Ende des 16. Jahrhunderts, als die Gegenreformation längst in Sachen Spiessigkeit dem dem Protestantismus wetteiferte. Dazu kommt noch in diesem Falle, über den wir hier reden dürfen, der förderliche Umstand, dass wir hier Zeugen ehelicher Pflichterfüllung werden, denn Hera verführt hier ihren eigenen Mann Zeus. Gemalt haben das die Brüder Annibale und Agostino Carracci, und es ist der Kunstgeschichte noch nicht ganz klar, wer von den beiden das gemacht hat. Annibale war bekannt und bekam den Auftrag, aber Agostino, dessen Ruf nicht so glänzte, war der Spezialist für Anzügliches.



Was bei mir auf dem Sofa gelandet ist, ist dagegen mit 20 mal 30 Zentimetern winzig. Und hat auch ganz andere Farben und weicht in Details deutlich ab. Es ist gut 50 Jahre jünger als das Original, und hat viel von der klassisch-leichten Erscheinung der Fresken mit ihrem hellen Hintergrund und den pastellartigen Farben verloren. Es ist vielmehr im Stil des damals beliebten Chiaroscuro gehalten, eine mit dramatischen Effekten spielende Kunstrichtung, mit der sich zuerst Caravaggio respektlos von der Kunst der Renaissance und damit der Carraccis abwandte.

Kurz, was auf meinem Sofa ist, ist eine spätere Kopie und ein Bastard. Die Muskeln und Körper sind noch klassisch wie beim an Michelangelo geschulten OOriginal, aber die Effekte sind bereits barock. Und wahrscheinlich kommt das Bild auch nicht aus Italien, sondern aus Holland. Die Fresken der Galleria Farnese wurden nämlich später, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Pornographie in Stichen verbreitet, als das soziale Klima noch spiessiger als in der Zeit um 1600 wurde. Und dann hat jemand in Holland das grosse, schamlose Fresco aus Rom ganz klein und fein auf Leinwand gemalt, und die Farben und das Licht nach seinem Gusto dazu erfunden. Ausserdem schlägt der Pfau, das Symbol der Hera, kein Rad mehr. Dafür kommt ihre Nacktheit und das generelle Treiben vor dem dunklen Hintergrund noch besser, noch verderbter zur Geltung. Das ist hier aus dem Kontext gerissen, da ist keine römische Galerie: Hier zieht nur ein alter Lüstling, von der Gier getrieben, das glänzend-nackte Objekt seiner Begierden auf das Bett.



Hübsches Beispiel für die sonderbaren Wege der Kunst angsichts veränderter Moralvorstellungen: DieWelt wird reaktionär und sexfeindlich, und aus dem Common Sense der Lebensfreude wird einerseits der 30-jährige Krieg, und andererseits eben die rein pornographische Darstellung, herausgerissen aus der Entrückung und klein dargeboten, damit man sich im Versteck daran ergötzen kann. Fein sind die Details, wo es wichtig wird für das Verlangen.

Die einen bringen sich für die Religion um, die anderen werden gezwungen. Lust im Kleinformat zu geniessen. So ist das in Welten, in denen Bischöfe, schwarze Knallköpfe und Moralschwarzerinnen meinen, sie müssten Zwänge ausüben und Verbote aussprechen. Sie löschen vielleicht den Glanz der Freuden, aber in unserer ewigen Nacht der Lust schimmert weiter im Verborgenen das weisse Fleisch. Das ist nicht mehr klassich. Das ist Spass.

Es war, auf den Quadratzentimeter gerechnet, das teuerste Bild, das ich habe. Ich zahle aber gern für Sex und man weiss auch nie, ob man das nicht später einmal brauchen wird, wenn sie uns ansonsten jeden Spass wegfiltern.

Das ist die eine nackte, hässliche Wahrheit. Es gibt noch ejne, aber dazu irgendwann einmal.

Freitag, 20. Dezember 2013, 11:10, von donalphons | |comment