Freerider unter der Erde

Bei uns sind Freerider irgendwo zwischen Schädling und Pest anzusiedeln. Der Tegernsee ist über weite Strecken ein aufgelassenes Skigebiet, am Wallberg sind keine grösseren Pisten mehr, und auch in den Blaubergen ist über Monate kaum jemand zu sehen. Das ist gut für die Natur und das Wild, das die Winterruhe braucht. Kommt dann doch mal ein verirrter Freerider und heizt durch den Wald, ist das nicht gerade erfreulich. Es sind generell zu viele Menschen am Berg und es gibt genug Alternativen für diejenigen, die wirklich rasen wollen, gleich nebenan, am Spitzingsee zum Beispiel.





Nun ist es aber so, dass im Moment die Inversionswetterlage dafür sorgt, dass in den Bergen der Schnee schon etwas leidet, und Freerider sich im Moment vermutlich eher in der Schweiz amüsieren. Und ich selbst bin auch nicht auf dem Berg, sondern in der Mainebene oder sogar noch drunter, und das länger als geplant, weil ich dachte, alle S-Bahnen gehen zur Galluswarte. Tun sie nicht, manche fahren auch nach Griesheim an den Bahnhof, der oben zu sehen ist. Deshalb muss ich wieder zurück zum Hauptbahnhof, und dort sind dann wieder diese "Infoscreens". Und auf denen spielt man Freeridervideos. Verschneite Berge, Sportler im Helikopter, und das alles nur, damit hier in der Frankfurtes U-Bahn auf die Screens geschaut wird - sonst schauen die Menschen ja auf ihre Mobilgeräte. Es ist ein Kampf um Aufmerksamkeit in einer Gegend, die nicht gerade geeignet ist, dem Menschen als angenehm zu erscheinen.





Ich persönlich, der ich schon den Flughafenbus als klaustrophobisches Erlebnis in Erinnerung habe, ich, der ich freie Sicht gewöhnt bin und sonst jeden Meter Bewegung als Erholung erlebe - ich sehe das anders. Ich finde das spannend. Da haben wir also Räume und Bereiche, die wir so scheusslich und unfreundlich machen, dass jeder, der einen anspricht, entweder Geld oder die Fahrkarte sehen will. Ich weiss, viele finden es absurd, dass sich ein jeder am Berg grüsst, aber bittschön, das hier ist die Alternative. Die vielgerühmte Anonymität der grossen Stadt. Jeder verkrümelt sich in seine digitale Welt, und das merken nur die NSA und die Werbeanbieter. Manche haben ein Buch dabei, das finde ich lobenswert. Aber niemand ist hier gerne. Nichts ist hier erfreulich. Aber es macht sich auch keiner Gedanken. Das ist halt so, man drückt sich weg und lenkt sich ab. Dabei sind das wirklich interessante Phänomene, die hier geboten werden. Wie der Gegensatz zwischen dem Freerider und den Zwangsfahrern hier unten. Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Menschen in der U-Bahn und der Kuh, der man zur Milchleistungssteigerung und Stimmungsaufhellung im Stall Musik vorspielt?





Wann die da drüben vor der Tafel das letzte Mal auf so einem Berg gewesen sind? Wann sie diese silbrig kalte Luft geatmet haben? Erinnern sie sich überhaupt? Wissen sie, wie es ist, das zu leben?

Einer meiner alten Freunde hat hier ein Büro in einem der Türme. Oben, wegen der guten Aussicht. Bei der Süddeutschen Zeitung haben sie ein Tumblr eingerichtet, wegen der Aussicht von ihrem Turm draussen am Rangierbahnhof. Da sieht man die Berge so schön. Sicher, man sieht das. Man sieht auch den Freerider auf dem Infoscreen.

Wenn man hinabsteigt in die Unterwelten oder in die Feierabendstaus, und denkt, man kommt voran. Es gibt Chancen. Da geht sicher was. Den Winter powert man durch. So wie der Freerider. Dabei will das Wild in den Bergen seine Ruhe, und ich auch. Einmal auf den Berg gehen, hinunterfahren, kochen und dann endlich wieder die Finsternis geniessen.

Dienstag, 17. Dezember 2013, 00:40, von donalphons | |comment