Das schnelle Ende der langsamen Wirtschaftspresse
Im englischen Sprachraum gibt es eine Vielzahl professioneller Quellen zu Wortschaftsthemen. Es gibt natürlich auch den Dreck des Investorenfernsehens, und der Weg, den das Wall Street Journal genommen hat, ist auch kein guter. Aber es gibt die FT, es gibt Bloomberg, es gibt die NYT und riesige Mengen erstklassiger Blogs.
In Deutschland gab es die unseriöse FTD und das langweilige, alte Handelsblatt, und beide hatten das Glück, dass ihnen niemand ein gutes Blog entgegen setzte. Was da sonst noch bei Manager Magazin, Gruner + Jahr und Holtzbrinck Magazine voller PR-Material der neoliberalen Journaillekauferei produzierte, ging ohnehin von selbst den Bach runter; ich sehe nicht, wie die langfristig überleben wollen. Und nun hat auch das Handelsblatt einen neuen Chef. Jemand, den ich persönlich nicht als Journalisten bezeichnen würde, sondern eher als Niederschreiber trendiger Meinungsstücke.
Ich habe mir das Handelsblatt jetzt mal eine Weile angeschaut, und muss sagen: Es hat nicht gewonnen. Es hatte immer noch, trotz aller dummdreisten Modernisierungsversuche des Vorgängers, die gute, alte Anmutung eines Blattes, das der Schraubenhersteller und der Sparkassenvorstand mit Informationsgewinn lesen konnte. Wenn man sich jetzt anschaut, was daraus wurde, welche Themen vor allem gefahren werden, bleibt eigentlich nur politische Meinungsmache, Kriecherei für das System und speichelleckerische Börsensabberei übrig. Man sieht dort keine Tiefe mehr, niemand geht richtig in eine Bilanz rein, es zählt der Augenblick und nicht die in Tagen wie diesen sicher nicht einfache Analyse. Ich möchte nicht sagen, dass das Handelsblatt erst seit gestern auf diesem Weg ist, aber in den letzten Tagen war dieser Trend mehr als nur penetrant. Ich meine, da so etwas wie eine gestaltende Hand zu erkennen, die den Laden sauber in eine Richtung schaltet.
Dass man sich gestern noch Cartoons eines Onlineportals für eine Klickstrecke zog, ist auch nicht gerade ein Zeichen von Seriosität. Eine neue, jüngere Zielgruppe, scheint es, soll da angesprochen werden, Infotainment ist das Stichwort, an das ich denke, das richtige Blatt für diese Zeit, wo die Statements von drei Ökonomen zusammen jede Krise beenden können, wo man einfach nicht mehr nachschaut (auch heute Nachmittag nicht, bei den neuen Quartalsberichten), wie es denn mit Level 3 aussieht. Dafür jede Menge Meinung, Zahlen braucht doch keiner mehr.
Nun bin ich ja nur ein ahnungsloser Blogger, aber ich denke, man kann und sollte sich als Wirtschaftsjournalist bei diesen Trends sehr warm anziehen - die alten Leser sterben oder wenden sich ab, und für den austauschbaren Dreck der Wirtschafts-PR braucht es keine Schlachtschiffe der Wirtschaftsberichte auf Papier mehr. Ich glaube nicht, dass diese Medien in 10 Jahren komplett verschwunden sind, aber es wird ein sehr kleiner Markt sein. Und das Zukunftskonzept ist sicher nicht die Anpassung an neoliberale Zeitgeister, sondern eher das, was man in den USA gerade erleben kann. Aber dafür bräuchte man freie Geister, den Mut zum anders sein, und unbequeme Wahrheiten. Nichts, was ich in den kommenden Jahren von der deutschen Wirtschaftspresse erwarten würde.
In Deutschland gab es die unseriöse FTD und das langweilige, alte Handelsblatt, und beide hatten das Glück, dass ihnen niemand ein gutes Blog entgegen setzte. Was da sonst noch bei Manager Magazin, Gruner + Jahr und Holtzbrinck Magazine voller PR-Material der neoliberalen Journaillekauferei produzierte, ging ohnehin von selbst den Bach runter; ich sehe nicht, wie die langfristig überleben wollen. Und nun hat auch das Handelsblatt einen neuen Chef. Jemand, den ich persönlich nicht als Journalisten bezeichnen würde, sondern eher als Niederschreiber trendiger Meinungsstücke.
Ich habe mir das Handelsblatt jetzt mal eine Weile angeschaut, und muss sagen: Es hat nicht gewonnen. Es hatte immer noch, trotz aller dummdreisten Modernisierungsversuche des Vorgängers, die gute, alte Anmutung eines Blattes, das der Schraubenhersteller und der Sparkassenvorstand mit Informationsgewinn lesen konnte. Wenn man sich jetzt anschaut, was daraus wurde, welche Themen vor allem gefahren werden, bleibt eigentlich nur politische Meinungsmache, Kriecherei für das System und speichelleckerische Börsensabberei übrig. Man sieht dort keine Tiefe mehr, niemand geht richtig in eine Bilanz rein, es zählt der Augenblick und nicht die in Tagen wie diesen sicher nicht einfache Analyse. Ich möchte nicht sagen, dass das Handelsblatt erst seit gestern auf diesem Weg ist, aber in den letzten Tagen war dieser Trend mehr als nur penetrant. Ich meine, da so etwas wie eine gestaltende Hand zu erkennen, die den Laden sauber in eine Richtung schaltet.
Dass man sich gestern noch Cartoons eines Onlineportals für eine Klickstrecke zog, ist auch nicht gerade ein Zeichen von Seriosität. Eine neue, jüngere Zielgruppe, scheint es, soll da angesprochen werden, Infotainment ist das Stichwort, an das ich denke, das richtige Blatt für diese Zeit, wo die Statements von drei Ökonomen zusammen jede Krise beenden können, wo man einfach nicht mehr nachschaut (auch heute Nachmittag nicht, bei den neuen Quartalsberichten), wie es denn mit Level 3 aussieht. Dafür jede Menge Meinung, Zahlen braucht doch keiner mehr.
Nun bin ich ja nur ein ahnungsloser Blogger, aber ich denke, man kann und sollte sich als Wirtschaftsjournalist bei diesen Trends sehr warm anziehen - die alten Leser sterben oder wenden sich ab, und für den austauschbaren Dreck der Wirtschafts-PR braucht es keine Schlachtschiffe der Wirtschaftsberichte auf Papier mehr. Ich glaube nicht, dass diese Medien in 10 Jahren komplett verschwunden sind, aber es wird ein sehr kleiner Markt sein. Und das Zukunftskonzept ist sicher nicht die Anpassung an neoliberale Zeitgeister, sondern eher das, was man in den USA gerade erleben kann. Aber dafür bräuchte man freie Geister, den Mut zum anders sein, und unbequeme Wahrheiten. Nichts, was ich in den kommenden Jahren von der deutschen Wirtschaftspresse erwarten würde.
donalphons, 00:49h
Mittwoch, 14. April 2010, 00:49, von donalphons |
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sephor,
Mittwoch, 14. April 2010, 11:35
Muss irgendwann Mitte der 90er gewesen sein, dass ich zum letzten mal das H-Blatt gelesen habe.
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donalphons,
Mittwoch, 14. April 2010, 11:53
Es war nicht schlecht, und es war unverzichtbar. Das ist jetzt anders.
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sephor,
Mittwoch, 14. April 2010, 11:59
Damals fand ich den Finanzteil der FAZ weitaus überzeugender. Ja, ja ... damals.
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donalphons,
Mittwoch, 14. April 2010, 12:01
Es hilft ja nichts. Neue Zeiten bräuchten neue Feuerleger.
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donalphons,
Mittwoch, 14. April 2010, 12:02
Es hilft ja nichts. Neue Zeiten bräuchten neue Feuerleger.
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sephor,
Mittwoch, 14. April 2010, 12:12
Ja, genau - den Herrn B., der so gern griechischen Schrott kauft und das auch noch schreibt, zum Beispiel.
Ok, stand ja auch "nur" in der F.A.S.
Ok, stand ja auch "nur" in der F.A.S.
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kroesus2,
Mittwoch, 14. April 2010, 11:35
Aber es gibt doch Lichblicke..
wie 'Das Kapital' (in)der FTD oder den Lucas Zeise.
Oder den 'Weissgarnix' http://www.weissgarnix.de/ und den 'egghat' http://egghat.blogspot.com/
Leider hat sich ja der geschätze Autor dieses blogs weitgehend aus diesem Bereich zurückgezogen...
Oder den 'Weissgarnix' http://www.weissgarnix.de/ und den 'egghat' http://egghat.blogspot.com/
Leider hat sich ja der geschätze Autor dieses blogs weitgehend aus diesem Bereich zurückgezogen...
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donalphons,
Mittwoch, 14. April 2010, 11:41
Ja, ich weiss. Die FAZ ist doch mehr Arbeit, als ich dachte, und dazu kommt auch noch ein erweitertes Privatleben, um es mal so zu sagen.
Aber wenn Spanien im Juni zusammenbricht...
Aber wenn Spanien im Juni zusammenbricht...
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sephor,
Mittwoch, 14. April 2010, 11:50
...holen wir uns ein paar Gastarbeiter, die für Herrn Ramsauer die Straßen teeren. Die alte Möhre soll ja schließlich auf makellosem Untergrund fahren, nicht wahr?
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donalphons,
Mittwoch, 14. April 2010, 11:54
Die alte Möhre hat eine wunderbare Federung.
Und mich wollte nun mal das Feuilleton haben. Das ist bei der FAZ strikt getrennt. Aber da draussen wären auch hunderte anderer Journalisten, die das könnten.
Und mich wollte nun mal das Feuilleton haben. Das ist bei der FAZ strikt getrennt. Aber da draussen wären auch hunderte anderer Journalisten, die das könnten.
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egghat,
Mittwoch, 14. April 2010, 13:45
Danke für die Blumen!
Die Frage ist nicht, ob es genügend Leute können, sondern wie zum Teufel man davon leben soll. Als Wirtschaftsblogger lebt man in Deutschland in einer Nische. Richtig viele Leser wird man damit nie erreichen. Und dann wird es mit der Refinanzierbarkeit schwierig. Werbung bringt kaum was ein. Abogebühren kann man nicht nehmen. Um Spenden betteln bringt alle drei Monate mal einen Zehner. Und ein wie ich finde sehr spannendes Modell wie Kachingle (5 Dollar in einen Topf und bei jedem Blog, das mitmacht, auf den Kachingle Button klicken und am Ende des Monats wird das Geld im Verhältnis der Abrufe auf die geklickten Blogs verteilt) interessiert auch niemanden (auf der Liste meiner Kachingler sind glaube ich zwei echte Leser). Reich wird man i Wirtschaftstheme nur, wenn man unseriös wird und anfängt Aktien zu pushen ... Oder anderweitig Reichtum verspricht ...
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egghat,
Mittwoch, 14. April 2010, 17:09
Don: War das eigentlich eine Antwort ...
... auf das hier?
http://www.faz.net/s/RubCEB3712D41B64C3094E31BDC1446D18E/Doc~E6B640F8029DB425AB1608506DCF9F180~ATpl~Ecommon~SMed.html
http://www.faz.net/s/RubCEB3712D41B64C3094E31BDC1446D18E/Doc~E6B640F8029DB425AB1608506DCF9F180~ATpl~Ecommon~SMed.html
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latifundius,
Mittwoch, 14. April 2010, 21:17
FAZ von heute
Ich fand das heute im Feuilleton auch gut aufbereitet - und das Gesamturteil ist ja nicht gerade freundlich für die beteiligten Parteien.
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latifundius,
Mittwoch, 14. April 2010, 22:34
Das Problem ist halt, dass es außerhalb der entsprechenden Kreise kaum jemanden interessiert, was Blogger sind und was sie machen - ich war heute mal wieder geschäftlich in Berlin und habe mir den Artikel im Flieger angesehen.
Wenn dieser Artikel beschreibt, was der Don unter "Berlin" versteht, dann kann ich auch sein Unbehagen verstehen (und das sage ich als Ursprungsberliner).
Nichts gegen alternative Lebensentwürfe, aber wenn ich mit der Beschäftigung des Bloggens kein Geld verdienen kann, brauche ich vielleicht einen anderen Job, der fürs Essen reicht (Bloggen kann ich ja immer noch am Wochenende). Und nein - Werbung und Media Consluting zählt nicht ...
Wenn dieser Artikel beschreibt, was der Don unter "Berlin" versteht, dann kann ich auch sein Unbehagen verstehen (und das sage ich als Ursprungsberliner).
Nichts gegen alternative Lebensentwürfe, aber wenn ich mit der Beschäftigung des Bloggens kein Geld verdienen kann, brauche ich vielleicht einen anderen Job, der fürs Essen reicht (Bloggen kann ich ja immer noch am Wochenende). Und nein - Werbung und Media Consluting zählt nicht ...
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stralau,
Mittwoch, 14. April 2010, 22:10
Wortschaft gefällt mir!
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amelia,
Mittwoch, 14. April 2010, 22:49
"Bilanzen sind sowas von trocken und langweilig, das will doch keiner lesen" lautet meistens die offizielle Begründung, warum niemand mehr hineinschaut. Stattdessen wird unreflektiertes Cheerleading mit Hilfe von PR-Sätzen betrieben. Wer es liest, ist leider hinterher häufig dümmer, als wenn er gar nichts gelesen hätte.
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donalphons,
Donnerstag, 15. April 2010, 01:47
Dabei wäre es doch leicht: was ist bei Level 3? Das ist dann doch schon spannend genug.
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sephor,
Donnerstag, 15. April 2010, 10:45
Level 3 hat´s Ihnen irgendwie angetan, stimmt´s?
Das weitaus größere Risiko liegt m.E. aber in den Level 1 assets, die über Nacht zu Level 3 werden.
Pardon, bin heute nicht gut gelaunt, weil erkältet. Da hilft wohl nur ein neuer Beitrag von Ihnen.
Das weitaus größere Risiko liegt m.E. aber in den Level 1 assets, die über Nacht zu Level 3 werden.
Pardon, bin heute nicht gut gelaunt, weil erkältet. Da hilft wohl nur ein neuer Beitrag von Ihnen.
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amelia,
Donnerstag, 15. April 2010, 16:16
Den möglichen Verlust von 5,4 Milliarden Dollar in einem 8,8 Milliarden Dollar schweren Immobilienfonds von Morgan Stanley hat aber die englischsprachige Presse sehr schnell wieder abgeschüttelt. Alle damit beschäftigt, den Gewinn von JP Morgan zu bejubeln (der zufälligerweise ungefähr so hoch war wie das, was von dem Morgan-Stanley-Fonds noch übrig bleiben könnte), ohne allerdings allzu sehr zu hinterfragen, wie der eigentlich zu Stande kam.
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arboretum,
Donnerstag, 15. April 2010, 12:24
Dieses Posting hast Du großartig bebildert.
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jordanus,
Freitag, 16. April 2010, 01:03
Was passiert mit der Wirtschaftspresse der USA gerade?
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ericschreyer,
Freitag, 16. April 2010, 15:14
Blogs als Wissens-Speicher sind nicht ohne
Das iPad wird die Medienlandschaft interessanter machen, weil auf mittlere Sicht das Papier verschwindet. Dann gibt es nur noch Online-Zeitungen mit quasi unbegrenzter Kapazität, so dass neben Meinung auch Hintergrund in beliebiger Fülle geliefert werden kann.
Blogs müssen dann eine noch bessere Auswahl ihrer Themen treffen. Als thematisch eng begrenzter Wissens-Speicher werden Blogs aber immer eine Daseinsberechtigung haben, wenn auch keine besonders große Reichweite, aber: mit interessanten Zielgruppen. Qualität geht vor Quantität.
@egghat: nicht den mut verlieren, auch wenn man von Anerkennung nicht abbeißen kann ....
Blogs müssen dann eine noch bessere Auswahl ihrer Themen treffen. Als thematisch eng begrenzter Wissens-Speicher werden Blogs aber immer eine Daseinsberechtigung haben, wenn auch keine besonders große Reichweite, aber: mit interessanten Zielgruppen. Qualität geht vor Quantität.
@egghat: nicht den mut verlieren, auch wenn man von Anerkennung nicht abbeißen kann ....
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