Braucht keiner mehr

In Deutschland ist es ja schon recht lange her, dass in grossen Mengen alte Aussteuerwäsche auf die Antikmärkte kommt. Zumeist unbenutzt und ohne Tadel, weil man früher die guten Sachen aufgehoben hat und später neue Sachen hatte. Irgendwann in den 60er, 70er Jahren war dann auch Schluss mit den Initialen stickenden Grossmüttern. Diese Tradition hat sich in Italien - ländlicher, katholischer, verheirateter - länger gehalten. Inzwischen aber gibt es kein Halten mahr: Ständeweise wird die alte Wäsche mit Bommeln, Blütenmustern und Initialen verkauft. Spottbillig.



Tagelang müssen die alten Damen an Prunkstücken hingenäht haben, die jetzt für 10, 20 Euro verschleudert werden. Riesentischdecke , 12 kleine Deckchen, 12 Servietten, alles mit Monogramm und grossclangeeignet: 120 Euro. Bei uns gehen die Preise längst wieder in die andere Richtung. In Italien ist es so gut wie unverkäuflich. Dann, ein paar Stände weiter, eine höchst komplexe Terrine aus Bisquitporzellan, eine Arbeit in Rokokotradition aus Capo di Monte: Auf ihren breiten Füssen steht sie da, gross, sehr gross, die S-Klasse unter den Terrinen, man schluckt und denkt sich: Kann ich mir eh nicht leisten. Das waren in den früheren Jahrzehnten die typischen, hochrepräsentativen Hochzeitsgeschenke, die Schaustücke, so etwas steht in der römischen Stadtwohnung eines Adligen aus Orvieto immer noch, begiert und bewundert von mir: Capo di Monte , das Nymphenburg Italiens.



Kein Sprung, keine Blüte ist angeknackst, alles fein, die weitaus weniger schön gearbeiteten, neuen Stücke am Lago Maggiore waren jenseits der finanziellen Möglichkeiten, oder besser gesagt: Bei solchen Summen setze ich andere Prioritäten. Es sind Prunkstücke, an denen ein Töpfer lange hinarbeitet, es ist nett, so etwas zu haben, aber üblicherweise wurde es verschenkt. Das ist diesmal jedoch kaum anders, für einen lächerlichen Betrag - vermutlich von beiden Seiten so wahrgenommen, wie kann der Deutsche diesen alten Plunder mögen und so viel bezahlen? - wechselt die Terrine den Besitzer. Capo di Monte leidet in Italien offensichtlich unter dem gleichen Problem, wie das Arzberg-Goldrand von Tante Erna.. Handarbeit hin, Prunkform her.



Es passt alles nicht mehr in den italienischen Lebensstil. Es passt auch nicht zwingend nach Deutschland, aber dort gibt es durchaus wieder Küchenschränke und Anrichten und Tafeln, auf denen so etwas eine eine dominante Position einnehmen kann. Also ich kann so etwas schon brauchen. Ich hatte vermutlich auch Glück, dass hier keine Briten und Amerikaner vor mir waren, die wissen, was andernorts dafür genommen wird. Das hier ist die Realität: Man will das alles nicht mehr haben. Man schenkt Wohnungseinrichtungen in Form von Möbeln, man arbeitet Listen ab, man stickt nicht mehr, und meine kleinen Deckelschalen, vor ein paar Jahren noch in Mantua bei einem Juwelier gekauft, gibt es dort auch nicht mehr. Britische Silberwaren: Durchaus noch. Aber Capo die Monte? Ich wüsste selbst nicht, wo ich das noch kaufen könnte - ausser eben an Orten mit Touristen aus dem Commonwealth. Da hat Capo di Monte noch den Klang der Grand Tour durch Italien. Ein Italien, in dem sich die Einweggeschirre in den Cafes wie eine Pest ausbreiten.

Dienstag, 24. Mai 2011, 01:42, von donalphons | |comment

 
Die Initialen meiner Großmutter und die meiner Urgroßmutter sind in die Kissen gestickt. Das Leinen haben sie selbst gewebt.
Und ich war die Einzige, die die Sachen haben wollte. Genau so wie das Silberbesteck.
Ja, ich gelte als altmodisch in der Verwandtschaft.
Noch.

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Deren Kinder werden dann vermutlich kotzen, wenn es soweit ist.

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