Der Altherrenclub geht auf den Berg
Weil es unten trüb wird, über dem See und auch in manchen Hirnen. Ich mag das Netz gerne, aber andererseits bin ich auch ganz froh, dass ich mir mein tatsächliches Leben davon nicht sozial erobern lasse.
Ich gehe allein. Ich habe einen Stock dabei, denn ganz traue ich einem Kniegelenk noch nicht, das mit etwas Pech, mit mir dran, jetzt auch in einer Klinik sein könnte. Zum Glück haben drei Wochen Mocassintragen in Italien auch gereicht.
Einen Hut habe ich auch auf. Nicht wegen der Sonne, nur falls doch etwas sein sollte. Der Stock schützt das Bein, der Hut das Gesicht. Muss ja nicht jeder sehen, wie ich dann mit schmerzverzerrten Gesicht den Berg runterhumple. Oder bei einer Hütte verkrieche.
Oder was man sonst so bei einem Sehnenschaden am Berg macht. Am Berg, der mich lange höhnisch gerufen hat. Jetzt ist er dran, der Berg. Und weil es ja keiner sieht, wenn es weh tut, machen wir es auch gleich sportlich. Nicht am Mittag, wo es keine Rolle spielt, wie lang man braucht. Sondern wieder einen Wettlauf mit der Sonne.
Sie geht unter. Ich komme hoch. Idealerweise sollte es sich die Waage halten. Bei 1000 Höhenmetern ist ein Gatter. Bei 1000 Höhenmetern ist die Sonne noch da, und es hat noch nicht im Knie geknackt. An dieser Stelle fange ich an zu glauben, dass es der Altherrenclub schaffen wird. Nicht in Rekordzeit. Aber nicht langsamer als die Sonne.
Am Hohlweg über dem Abgrund sind ein paar Bäume aus dem Fels gebrochen, und haben Teile des Pfades mit hinunter gerissen. Überall Geröll und Brocken, und eine von Wurzeln durchdrungene Felswunde in der Vegetation. Einen Stein, nach Jahrmillionen zum ersten mal am Tageslicht, nehme ich mit.
Andere Steine bleiben da. Oben, am letzten Anstieg, der mir auf nicht gerade freundliche Weise in etwa die Grenzen des Wohlbehagens aufzeigt, haben Leute Steinmanderl errichtet. Es ist der richtige Weg, und vielleicht auch das richtige Verhalten: Langsam kommt man sicher auf den Berg. Man soll sich Zeit lassen, nichts überstürzen.
Und es ist hell, oben, zwischen den Bäümen, wölbt sich der blaue Himmel. Das letzte Stück ist hässlich, aber auch das letzte Stück, und hier gibt der Altherrenclub nicht mehr auf: Es geht voran. Schritt für Schritt. Keine Rekordzeit. Nicht mal eine gute Zeit. Aber angesichts der Realiäten eine akzeptable Zeit. Andere liegen in der Klinik. Nochmal andere sind tot. Und weitere sind einfach nur bescheuert. Ich komme oben an.
Mit Vorsprung, aber die Sonne will sich gerade hinter einer Wolkenwand vorzeitig wegschummeln. Langsam kommt man sicher auf den Berg, aber es muss jetzt sehr schnell gehen, denn es wird hier oben schnell windig und kalt. Und finster. Dunkel. Schwarz.
Grossbild
Drüben Richtung Benediktenwand, drei, vier Bergketten weiter, ist dann auch der Winter schon da. Und wird wohl nicht mehr gehen. Die Natur hat ihre Ruhe von den Menschen, monatelang wird sich kaum einer dort hinauf verirren, und ich selbst werde nur diesen Hügel hier hochklettern und runterrutschen - dass es geht, weiss ich jetzt.
Es wäre also gar nicht nötug gewesen, hier wie ein alter Mann bekleidet hochzusteigen. Na, frage ich den Berg. Aber der Berg mag gerade nicht mehr rufen, er tut so, als würde er mich nicht hören. Er macht es wieder, wenn ich unten bin, und irgendwann wird er rufen und ich werde nicht mehr antworten können, aber das dauert noch lange, da werden noch viele Wodkastöme durch Säufer fliessen.
Ich bleibe noch, solange es geht, runter geht es ja immer etwas schneller und den Weg kenne ich auswendig. Es reicht, wenn ich im letzten Licht ankomme, und im ersten Nebel, der sich aus dem Flachland langsam ins Tal über den See schiebt. Oben sieht man hunderte von Kilometern weit. Und dass man unten nicht besonders weit sieht.
Dann einigen sich Wolken und blauer Himmel auf ein Unentschieden, weiter kommt das schlechtere Wetter nicht aus dem Westen, der See ist die Grenze, und mit der Ahnung, dass auch morgen wieder alles gut sein wird, heisst es Abschied nehmen. Man soll es nicht übertreiben, morgen dann Arbeit und anderes, wir sehen uns wieder mit dem Rodel an der Leine.
Den Steilweg hinunter, nicht zu schnell, der ist gefährlich, und dann über die Waldautobahn zurück in die Finternis. Am Rand gefällte Bäume, im Winter wird man sie ins Tal schleifen und dabei auch gleich die Rodelbahn planieren.
Daheim dann: Tomatensuppe, Dusche, Tee, und zeitig zu Bett, so gegen 11 Uhr.
Und eine lange Nacht, in der kein Ruf des Berges an mein Ohr dringt.
Ich gehe allein. Ich habe einen Stock dabei, denn ganz traue ich einem Kniegelenk noch nicht, das mit etwas Pech, mit mir dran, jetzt auch in einer Klinik sein könnte. Zum Glück haben drei Wochen Mocassintragen in Italien auch gereicht.
Einen Hut habe ich auch auf. Nicht wegen der Sonne, nur falls doch etwas sein sollte. Der Stock schützt das Bein, der Hut das Gesicht. Muss ja nicht jeder sehen, wie ich dann mit schmerzverzerrten Gesicht den Berg runterhumple. Oder bei einer Hütte verkrieche.
Oder was man sonst so bei einem Sehnenschaden am Berg macht. Am Berg, der mich lange höhnisch gerufen hat. Jetzt ist er dran, der Berg. Und weil es ja keiner sieht, wenn es weh tut, machen wir es auch gleich sportlich. Nicht am Mittag, wo es keine Rolle spielt, wie lang man braucht. Sondern wieder einen Wettlauf mit der Sonne.
Sie geht unter. Ich komme hoch. Idealerweise sollte es sich die Waage halten. Bei 1000 Höhenmetern ist ein Gatter. Bei 1000 Höhenmetern ist die Sonne noch da, und es hat noch nicht im Knie geknackt. An dieser Stelle fange ich an zu glauben, dass es der Altherrenclub schaffen wird. Nicht in Rekordzeit. Aber nicht langsamer als die Sonne.
Am Hohlweg über dem Abgrund sind ein paar Bäume aus dem Fels gebrochen, und haben Teile des Pfades mit hinunter gerissen. Überall Geröll und Brocken, und eine von Wurzeln durchdrungene Felswunde in der Vegetation. Einen Stein, nach Jahrmillionen zum ersten mal am Tageslicht, nehme ich mit.
Andere Steine bleiben da. Oben, am letzten Anstieg, der mir auf nicht gerade freundliche Weise in etwa die Grenzen des Wohlbehagens aufzeigt, haben Leute Steinmanderl errichtet. Es ist der richtige Weg, und vielleicht auch das richtige Verhalten: Langsam kommt man sicher auf den Berg. Man soll sich Zeit lassen, nichts überstürzen.
Und es ist hell, oben, zwischen den Bäümen, wölbt sich der blaue Himmel. Das letzte Stück ist hässlich, aber auch das letzte Stück, und hier gibt der Altherrenclub nicht mehr auf: Es geht voran. Schritt für Schritt. Keine Rekordzeit. Nicht mal eine gute Zeit. Aber angesichts der Realiäten eine akzeptable Zeit. Andere liegen in der Klinik. Nochmal andere sind tot. Und weitere sind einfach nur bescheuert. Ich komme oben an.
Mit Vorsprung, aber die Sonne will sich gerade hinter einer Wolkenwand vorzeitig wegschummeln. Langsam kommt man sicher auf den Berg, aber es muss jetzt sehr schnell gehen, denn es wird hier oben schnell windig und kalt. Und finster. Dunkel. Schwarz.
Grossbild
Drüben Richtung Benediktenwand, drei, vier Bergketten weiter, ist dann auch der Winter schon da. Und wird wohl nicht mehr gehen. Die Natur hat ihre Ruhe von den Menschen, monatelang wird sich kaum einer dort hinauf verirren, und ich selbst werde nur diesen Hügel hier hochklettern und runterrutschen - dass es geht, weiss ich jetzt.
Es wäre also gar nicht nötug gewesen, hier wie ein alter Mann bekleidet hochzusteigen. Na, frage ich den Berg. Aber der Berg mag gerade nicht mehr rufen, er tut so, als würde er mich nicht hören. Er macht es wieder, wenn ich unten bin, und irgendwann wird er rufen und ich werde nicht mehr antworten können, aber das dauert noch lange, da werden noch viele Wodkastöme durch Säufer fliessen.
Ich bleibe noch, solange es geht, runter geht es ja immer etwas schneller und den Weg kenne ich auswendig. Es reicht, wenn ich im letzten Licht ankomme, und im ersten Nebel, der sich aus dem Flachland langsam ins Tal über den See schiebt. Oben sieht man hunderte von Kilometern weit. Und dass man unten nicht besonders weit sieht.
Dann einigen sich Wolken und blauer Himmel auf ein Unentschieden, weiter kommt das schlechtere Wetter nicht aus dem Westen, der See ist die Grenze, und mit der Ahnung, dass auch morgen wieder alles gut sein wird, heisst es Abschied nehmen. Man soll es nicht übertreiben, morgen dann Arbeit und anderes, wir sehen uns wieder mit dem Rodel an der Leine.
Den Steilweg hinunter, nicht zu schnell, der ist gefährlich, und dann über die Waldautobahn zurück in die Finternis. Am Rand gefällte Bäume, im Winter wird man sie ins Tal schleifen und dabei auch gleich die Rodelbahn planieren.
Daheim dann: Tomatensuppe, Dusche, Tee, und zeitig zu Bett, so gegen 11 Uhr.
Und eine lange Nacht, in der kein Ruf des Berges an mein Ohr dringt.
donalphons, 23:40h
Freitag, 4. November 2011, 23:40, von donalphons |
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benign_neglect,
Samstag, 5. November 2011, 00:25
Am Sonntag...
..schau' ich auch mal wieder vorbei.
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pade,
Samstag, 5. November 2011, 11:17
Altherrenclub
Wieviele Mitglieder gibt es denn im Altherrenclub? Im Schatten war nur einer zu sehen.
Vielen Dank für die schönen Bilder und Ihren dargestellten Auf- und Abstieg.
Schönes Wochenende!
Vielen Dank für die schönen Bilder und Ihren dargestellten Auf- und Abstieg.
Schönes Wochenende!
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first_dr.dean,
Samstag, 5. November 2011, 11:57
Schöne Bilder, ja sogar spannend - der Kampf mit dem Sonnenuntergang, die gewählte Perspektive. Und Steinmanderlbilder!
Andererseits...
Aus deiner Stellung als privilegierter 7/8-weißer-15/16-cis-4/4-heterosexueller 13/16-gesunder 1/2-gealterter Mann heraus hast du in deinen Bildern den Aspekt der ageism- und barrierefreien Demisexualität vernachlässigt! Außerdem lautet der ableistische Subtext deiner Bilderserie: "wandern und sich dabei freuen kann eigentlich fast jeder", was bedenkliche eskapistische Tendenzen in sich trägt, sowie Gefahren apolitischen So-Seins, und die Position der Marginalisierten eklatant misrepräsentiert.
Ich gehe davon aus, du hast es nachträglich selbst gemerkt.
P.S.
Grüße vom Altherrenclub Hamburg, der nach Austausch der Fahrradkette neuerdings mit einem alten "Hercules Pegasus", phänomenal merkwürdiger Gangschaltung und fast neuen Schwalbe Marathon-Reifen (5,5 Bar) Hamburg nebst Umgebung durcheilen wird, dabei in der Hoffnung dass der schöne Herbst noch einige Wochen anhalten wird. Bilder gewünscht?
P.P.S.
Was macht deine Grippe? Du bist doch nicht etwa halbgrippekrank den Berg hochgekeucht?
Andererseits...
Aus deiner Stellung als privilegierter 7/8-weißer-15/16-cis-4/4-heterosexueller 13/16-gesunder 1/2-gealterter Mann heraus hast du in deinen Bildern den Aspekt der ageism- und barrierefreien Demisexualität vernachlässigt! Außerdem lautet der ableistische Subtext deiner Bilderserie: "wandern und sich dabei freuen kann eigentlich fast jeder", was bedenkliche eskapistische Tendenzen in sich trägt, sowie Gefahren apolitischen So-Seins, und die Position der Marginalisierten eklatant misrepräsentiert.
Ich gehe davon aus, du hast es nachträglich selbst gemerkt.
P.S.
Grüße vom Altherrenclub Hamburg, der nach Austausch der Fahrradkette neuerdings mit einem alten "Hercules Pegasus", phänomenal merkwürdiger Gangschaltung und fast neuen Schwalbe Marathon-Reifen (5,5 Bar) Hamburg nebst Umgebung durcheilen wird, dabei in der Hoffnung dass der schöne Herbst noch einige Wochen anhalten wird. Bilder gewünscht?
P.P.S.
Was macht deine Grippe? Du bist doch nicht etwa halbgrippekrank den Berg hochgekeucht?
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donalphons,
Samstag, 5. November 2011, 15:31
Allein bin ich schon schlimmer als 3 Homofistanten aus der Uckermark und Rostock.
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gabriele spangenberg,
Samstag, 5. November 2011, 15:36
Lieber Don, auf welchem Berg waren sie?
Sieht ja aus wie bei uns in Köln...
Sieht ja aus wie bei uns in Köln...
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donalphons,
Samstag, 5. November 2011, 15:53
Auf der Neureuth, das ist der Berg vor der Terrasse.
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auch-einer,
Samstag, 5. November 2011, 20:18
"3 Homofistanten aus der Uckermark und Rostock"
das hört sich sehr nach drohung an, davor hätten sogar aglio und olio*) reissaus genommen.
andererseits, ein ziemlich guter titel für ein blog, oder?
----
*) kennt noch wer den den jungen sympathischen dr.julius borg, bekannt als der frauenarzt von bischofsbrück?
das hört sich sehr nach drohung an, davor hätten sogar aglio und olio*) reissaus genommen.
andererseits, ein ziemlich guter titel für ein blog, oder?
----
*) kennt noch wer den den jungen sympathischen dr.julius borg, bekannt als der frauenarzt von bischofsbrück?
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fritz_,
Samstag, 5. November 2011, 19:09
So ähnlich habe ich mich "mit Knie" vor einer Woche abends auf Niedersachsens höchsten Berg geschleppt.
Der Rest der coolen Gang hatte nach dem Bezwingen der Hohneklippen bei Schierke keine Lust mehr auf eine weitere Etappe der lauten Ruhe am Berg.
Völlig recht haben Sie mit dem Wettlauf gegen die Sonne, den sollte man tunlichst gewinnen. Nach Sonnenuntergang ist der Wald finster wie im Bärenarsch.
Der Rest der coolen Gang hatte nach dem Bezwingen der Hohneklippen bei Schierke keine Lust mehr auf eine weitere Etappe der lauten Ruhe am Berg.
Völlig recht haben Sie mit dem Wettlauf gegen die Sonne, den sollte man tunlichst gewinnen. Nach Sonnenuntergang ist der Wald finster wie im Bärenarsch.
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