Rechnen und Schrauben mit Krampus und Nikolaus

Es fehlt in dieser Welt nicht an Schuldzuschreibungen an die Hersteller von Kartoffelchips: Sie wären exakt so entwickelt, dass die Käufer immer weiter essen würden, bis nichts mehr da wäre - der Nachgeschmack würde sie zwingen. Und dann werden die Menschen fett und ungesund und nicht ausreichend ernährt und wir alle müssten dafür zahlen, und zwar sehr viel. Ausserdem sind jede Menge fragwürdiger Stoffe drin. Das erinnert stark an ein anderes Elend, die Zigaretten. Ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass Chips in den nächsten Jahren gesellschaftlich massiv verachtet jund ihre Konsumenten sozial ausgegrenzt werden. Ich dagegen bin da anderer Meinung, denn ich kann sehr wohl aufhören. Normalerweise esse ich so etwas ohnehin nicht, aber vor vor etwas mehe als 10 Jahren stellte ich fest, dass ich nicht mehr stundenlang in der Nacht Autofahren konnte. Und es amerikanischer Panzerfahrer erzählte mir, dass sie sich im zweiten Weltkrieg mit Chips wachgehalten haben, denn das langsame Kauen hält das Bewusstsein auf Trab. Ich habe das ausprobiert, und es stimmt. Allerdings erstze ich in Italien die Chips dutch Grissini mit Salz und Rosmarin. In Deutschland gäbe es auch eine Alternative. Aber die hat einen schweren Nachteil:



Ich kann damit offensichtlich nicht aufhören, und schon gar nicht, wenn ich dazu Tee trinke. Ich mag auch eigentlich Plätzchen nicht besonders, mit Ausnahme von einer bestimmten Bäckerei. Normalerweise kaufe ich dort, packe sie weg und bringe sie anderen mit. Aber diesmal hatte ich Besuch, der keinesfalls Torte wollte, und als der Besuch dann weg war... diese Silberschalte ist nicht ganz klein und recht tief und war am Abend gehäuft voll. Ernährungswissenschaftler dieser Welt! Schaut auf diese Schale. Das Übel sind nicht die Chips, das Böse haust in meiner Bäckerei.



Wie es nun mal so ist - der Besuch war nur kurz da, erkannte dann auch, dass ich vielleicht doch nicht ganz das Wahre bin, und ging wieder, was mich auch nicht gerade unglücklich zurückgelassen hat - blieb dann genug Zeit für Einsicht und auch die Erkenntnis, dass mir der Bewegungsmangel in dieser Zwischenzeit nicht wirklich gut tut. Draussen schneit es, aber drinnen, ist mir dann eingefallen, stehen ja noch ein paar Pakete, und wenn ich jetzt wieder direkt auf das Gewicht eines mittelrunden Kalbes zugehe, kann ich ja auch mal etwas zusammenschrauben, was mir im Frühjahr leichter über die Berge hilft. Auch Schrauben ist Bewegung, besonders, wenn man sich den Daumen dabei überdehnt und dann wie ein Gummiball durch die Wohnung zum kalten Wasser hüpft.



Zentrum der Angelegenheit sind jede Menge Teile, die im Laufe der Zeit abgefallen sind; so etwa ein ehemals furchtbar teurer Laufradsatz, den mir mein italiensicher Händler als Ersatz mitgab, falls sich beim originalen Satz meines Specialized Probleme entstehen würden, und an den nur eine bestimmte, extrem teure Art der Ritzel passt. Da habe ich auch noch welche, aber nur in der mörderischen 11-23-Abstufung für Götter, Helden und keinesfalls für Gelehrte, wie ich einer bin. Aber dann kam noch eine XTR-Kurbel für Bergräder meines Weges, die jemand nicht mehr haben wollte, weil sie etwas lädiert war. Für ein Schlammrad. Versteh einer die Leute, aber gut, ich nehme das gerne. Das wären dann 23 Zähne hinten und 24 Zähne vorn, damit kommt man überall hoch, und mit 46 vorn und 11 hinten auch relativ schnell wieder runter.



Reifen, Lenker, Sattel, Sattelstütze, Bremsen, Schaltwerk, Umwerfer, das alles lag noch in Kisten und kostete gar nichts; im Milchmädchenrechnen hatte ich stets eine Eins mit Auszeichnung.Und in einer anderen Kiste war noch ein Rahmen einer untergegangenen italienischen Firma, den ausser mir keiner haben wollte: Gekauft zum "Billiger als ein Essatzsteueratz"-Preis. Während Stahlrahmen zunehmend unerschwinglich werden und Plastik teuer bleibt, will niemand mehr Aluminium haben. Auch nicht, wenn so ein 1200-Gramm-Rahmen aus Metall auch nicht schwerer als ein 1200-Gramm-Rahmen aus Carbon ist. Nicht nur ich bin gut im Milchmädchenrechnen.



Fehlen also nur noch die Bremsschaltgriffe. Das ist nicht ganz so einfach, denn mit drei Shimanokettenblättern braucht man spezielle Schalthebel, die auch drei Blätter ansteuern, und bei 10-fach Ritzeln hinten - wir erinnern uns, etwas anderes passt nicht - kann man auch nicht mehr so einfach die unproblematischen Campagnolohebel mit Shimano kreuzen, und zudem sind diese speziellen Hebel auch selten und gesucht und teuer. Auch gebraucht sind sie teurer als alles, was das Rad bisher gekostet hat. Aber dann bot jemand welche für lumpige 40 Euro an. Wegen einiger Sturzschäden. Wenn man will, kann man die beschädigten Zierteile für 10 Euro austauschen. Aber mir macht ein wenig Patina nichts.



Etwas mehr macht mir dann aber der Sturz im Renngeschehen, der zum Verkauf führte; es ist nicht wirklich schön zu hören, dass das Material jetzt verkauft wird, weil das mit dem Rennradeln für den Besitzer nun vorbei ist. Für immer. So ein Rad ist leichter repariert als ein Mensch, und dann schraubt man doch eine Spur bewusster. Was ich damit sagen will: Ich kann das Fahren eines Rennrades uneingeschränkt empfehlen, es ist sicher, die Kompnenten sind exzellent, es ist leicht, und die Geschwindigkeiten sind, verglichen mit dem Auto, lächerlich gering. So ein Rennrad ist eigentlich eine wunderbare Sache, um es ruhig anzugehen. Man muss nicht rasen, man hat ja genug Reserven, wenn es doch mal eilen sollte.Man ist so flink, man kann auch über kleinste Nebenrouten fahren. Riskant wird es erst, wenn man es übertreibt und meint, man müsste auf Teufel komm raus rasen. Ich würde nicht über dicke mittelalte Männer in Lycra auf Colnagos lachen, die tun was für ihre Gesundheit und die italienische Wirtschaft; jeder Chipskäufer im Supermarkt würde die Ächtung mehr verdienen. Das Fimas, das ich gerade aufbaue, hat auch genug Platz für breite Reifen und einen hohen Vorbau; wenn ich die Post-Plätzchen-Panik überwunden habe und begreife, dass ich das gar nicht brauche, um auf den Berg zu kommen, wird es ein Gästerad. Das Ziel heisst ankommen und sich dabei gut fühlen.Dann kann man auch im hohen Alter noch klug milchmädchenrechnen.

Mittwoch, 5. Dezember 2012, 20:42, von donalphons | |comment

 
Besten Dank für diesen Motivationsblog zum zweiten Advent!

Plätzchen allerdings müssen aus dem heimischen Backofen sein und nicht vom Bäcker.

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Gern geschehen.

Nachdem wir mit der Bäckerei blutsverwandt sind, ist das quasi wie von daheim. Und so gut könnte ich das auch nicht.

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Plätzchen aus der Backerei erinnern mich vom Preis-Leistungsverhältnis oft an Zwetschgendatschi...

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Das ist aber im Gegensatz zu Datschi auch echte Arbeit.

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Gibt es auch ein Bild vor der Vernichtung der Plätzchen? Diese gähnende Leere in der Silberschale macht mich depressiv.

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So richtig froh war die Besucherin auch nicht, die hatte ganz andere Vorstellungen. Ich kann aber noch Plätzchen nachtragen.

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Ich bitte darum.

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wenn ich jetzt wieder direkt auf das Gewicht eines mittelrunden Kalbes zugehe (...)

Jaja, diese saisonalen Jojo-Effekte sind auch mir nicht unbekannt. Habe es auch aufgegeben, damit zu hadern, seit ich weiß, dass sich das im Frühjahr wieder von alleine gibt, wenn die Kilometerleistung steigt.

Und was das andere angeht: Selbst bei meiner überschaubaren Beschäftigung mit gebrauchten Rennrädern und Komponenten habe ich genügend unschöne Geschichten gehört. Selbst wenn es nicht schwerwiegende Stürze sind, welche die Rennradlerei final ausbremsen, allein die vielen Räder, die wegen Rückenproblemen ihres Besitzers wieder auf den Markt kommen, geben zu denken.

Neulich hats mich mit dem Rad meiner Frau fast hingelegt, als mir mangels Klick oder Käfig der linke Fuß vom Pedal rutschte. Bin es einfach nicht mehr gewohnt, dass der Fuß nicht fixiert ist beim Reintreten. Ich hab mich grad noch abgefangen, aber zwei Zehen waren übelst verstaucht (und das Oberrohr hat mich schmerzhaft daran erinnert, dass ich durchaus einen Unterleib habe).

Hatte ich schon gesagt, dass ich die hier angestellten Milchmädchenrechnungen völlig plausibel finde?

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"Hatte ich schon gesagt, dass ich die hier angestellten Milchmädchenrechnungen völlig plausibel finde? "

wirtschaftsjournalist ?

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Mein Beileid.

Ganz ehrlich, das mit dem Gewicht ist noch nicht relevant, ich war ja auch genug Bergwandern, aber eine Erklärung ist immer ganz gut, und Abnehmen ist nun mal gesellschaftlich akzeptierter als "Na wenn der Rahmen so billig ist". Ich bin gestern auch brav meine 25 Kilometer geradelt und werde das heute wieder tun, obwohl hier alles hartgefroren ist.

Bei Rückenproblemen bin ich etwas skeptisch, das klingt mitunter wie eine Ausrede, weil man ja wirklich viel tun kann: Breitere Reifen, weichere Sättel, anderer Lenker und Vorbeu. Es gibt keinen Grund, auf einem Rennrad anders als auf einem Hollandrad zu sitzen, wenn man will. Bei Leistungssportlern ist ds was anderes, die sind mit 30, 35 dann wirklich oft kaputt. Aber darum gehr es ja nicht, es geht um zwei Stunden Bewegung in schöner Landschaft.

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Also, wenn es irgendeinen Beruf gibt, dessen Beshreibung wirklich nicht geschützt sein sollte, damit alle, die es tun, da auch moralisch reinpassen, dann ist es "Wirtschaftsjournalist".

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@rollproll: ;-)
Trotz langjähriger Schreibtätigkeit für die Wirtschaftswoche, Blick durch die Wirtschaft (aus dem Hause FAZ) sowie später auch gelegentlich Handelsblatt und FTD habe ich mich nie so bezeichnet (oder gar gefühlt). Ich glaube, Wirtschaftsjournalist nennt sich nur, wer tief verwurzelt ist in der Ersatzreligion der Marktgläubigen.

@don: Klar kann es gut sein, dass "Rücken" vielfach nur Platzhalter ist andere (und sei es zeitliche) Unpässlichkeiten. Aber da ich Erklärungen wie "ich habe einfach keine Zeit für dieses Hobby" in der Ebucht und in den Kleinanzeigenportalen mindestens genauso oft gelesen habe wie "wegen Rückenproblemen" scheint es mir nicht von vorn herein völlig unplausibel.

Als mir seinerzeit Sir Walter I in die Hände fiel, habe ich mit der Sitzhaltung auch erst mal gefremdelt und eine ganze Weile rumprobiert mit Sattelhöhen und Lenkerneigung und Vorbauhöhe, bis ich das Gefühl hatte, jetzt passt es. Und wie gesagt, mit dem 26''-MTB danach bin ich trotz allenRumprobierens nie so recht an dem Punkt gekommen, an dem ich das Gefühl hatte, mit dem Rad so etwas wie eine Einheit zu bilden. Warum sollte das anders sozialisierten Leuten mit dem Rennrad nicht ähnlich gehen?

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na da ham wa ja gleich int schwatte getroffen.
ich verbuche "wirtschaftsjournalist" auch unter "very serious people"* um mal einen ihrer wirtschaftsbloggenden kollegen zu zitieren.
*= leute die man nicht all zu serious nehmen sollte ;)

die gesundheitlichen gründe sind nicht unbedingt von der hand zu weisen. ein "richtiges" rennrad ist halt ein schlimmer schleifstein, wenn man es alterstauglich macht könnte man auch guten gewissens zum trekkerfahrer mutieren. langsamer als man dann ohenhin schon unterwegs ist wird man dann auch nicht mehr, bequemer dürftes aber in jedem fall sein.

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Das kommt wirklich darauf an, man kann so ein Rad auch komfortabel machen, ohne dass es auffällt. 1 Zentimeter Gel auf den Lenker, 28er Reifen, einen weichen, breiteren Sattel gibt es auch in der 250-Gramm-Klasse, dazu noch eine Specialized-Sattelstütze mit Einsatz, dann ist das alles auch nicht härter als ein beliebiges Trekkingrad.

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