: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 14. Dezember 2012

Über das Weiss

Wenn man in diesem Blog fast beliebig einen Tag des Sommers aufschlägt, sieht man dort pralle Früchte und goldenes Getreide, das sich im warmen Wind über dem Jura wiegt. Nachdem ich ein positiv eingestellter Mensch bin, würde ich nun sagen: Dieses schöne Land ist zwar manchmal nicht ganz so schön, aber, wenn man es stets mit dem Rad durchmisst, sehr abwechslungsreich.





Abwechslungsreich ist auch die Ausgestaltung der Hoffnungen von Frühjahr und Sommer, die auf einen frostigen Winter treffen; so haben gleich 6 prominente deutsche Blogger und Internetaktivisten Bücher vorgelegt, Haeusler, Bunz, Passig/Lobo, Bekedahl und (hoho) die Schramm Frau, und vielleicht ist 2013 dann wieder eines der Jahre, in denen die Lust am netzbegleitenden Buch wieder schwerst nachlässt. Falls die geneigte Leserschaft nicht weiss, um welche Bücher es sich da handelt: Macht nichts, kaum jemand weiss das. Und während ich so durch Eis und Schnee knirsche, sage ich mir zwei Dinge; Rutsch nicht aus wie die. Und: Das hier wird alles wieder grünen und gedeihen. Vielleicht muss man noch mehr aus der Provinz zeigen, vielleicht muss man sie besser verstehen, um die richtigen Bücher zu machen. Hier quatscht niemand über die Bedeutung des Internets, man nutzt es halt, aber man hat auch sonst ein Leben, und zwar gar kein schlechtes. Nicht mal in diesen Tagen. (Dass man dann am Abend eine vollkommen gegenteilige Geschichte hört, die einem dann, wie man das hier sagt, das Standgas einstellt, ist eine andere Sache. Wie man so schön sagt: Gesundheit....)





An solchen Winternachmittagen. allein da draussen, gehen einem so Dinge durch den Kopf, die sich erweitern und Verschüttetes freilegen; da war beispielsweise mal diese Kulturveranstaltung eines längst vergangenen Berliner Prekariats, das damals noch Lesebühne hiess, wo sich einer ohne Vermögen darüber freute, dass der Friseur ein Sonderangebot von 4 Euro hatte. Man kann über Trickle-down-Effekte viel Schlechtes sagen, so richtig glaube ich auch nicht dran, aber diese Freude, dass man da auf dem letzten Cent genau hinkommt und so gut wie nichts weitergeben muss, und sich die Badreinigung auch noch gespart hat, das hat mir damals den Abend schlagartig verdorben. Würde ich mich hinstellen und mich freuen, weil die Orangen so billig sind, obwohl mir klar ist, dass diese Preise in Italien nur durch sklavenähnliche Ausbeutung von Migranten in Calabrien und Sizilien möglich ist, und EU-Förderung - ich würde mir allseits wenig Freude machen. Ich habe übrigens trotzdem Bücher aus diesem Umfeld gekauft, die allesamt von finanziell prekär lebenden Berlinern auf der Suche nach dem Nichts handelten, ich habe sie gelesen und nicht wirklich genossen; und mit dem Eindruck habe ich sie weggelegt, dass sie die Probleme nur erkennen, wenn es sie selbst betrifft. Das ist, was vom Wähnen und Denken übrig blieb.





Es ist kein Wetter für warme, freundliche Gedanken. Mein Mitleid hebe ich mir eher für die jungen Leute in Spanien und Italien auf, für die das Prekariat keine Attitüde, sondern Schicksal ist, und die das nicht einfach so beenden könnten, weil es dort nicht die immer noch vergleichsweise guten Möglichkeiten des deutschen Arbeitsmarktes gibt. Natürlich kommen da keine Romane heraus, oder Filme über Studienabbrecher und was da an Prekariatskreislaufwirtschaft sonst noch sein Geld letztlich zu Apple trägt. Die Geschichten, die ich privat aus Italien höre, sind extrem ätzend und launeverderbend, und so wenig Verständnis die deutschen Medien für die 5Stelle haben - ich glaube, man muss diese Menschen verstehen. Die ganze deutsche Debatte rund um BGE ist Ausdruck eines zynischen sozialen Luxus, abgestrengt und vorgetragen von Leuten, deren sozial Frage bei ihrer Wohnungtür anfängt, deren Miete sie nicht bezahlen, und bei der Füllung ihres Kühlschranks endet, weil: Wir haben es ja. Wir können es uns wirklich von unseren Überschüssen leisten, eine solche Schicht zu ernähren und zu erhalten. Es geht. Und dann wiederum verstehe ich meine italienischen Freunde, wenn die sagen: Dann gebt es lieber uns, wir hängen uns auch entsprechend rein. Das tun sie wirklich, wenn sie die Möglichkeit haben, auch wenn dabei Jahr für Jahr weniger bei ihnen ankommt. Dort bin ich in diesen kalten Gedanken. Und mein Hass auf alle, die ihre Ideologie des BGE vor den wichtigen ersten Schritt eines Mindestlohns setzen, der ist so grenzenlos wie das Weiss auf den Feldern.

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Übersetzungsdienst Don Alphonso

"Die belgischen Verleger haben sich mit Google geeinigt"

heisst

"Sich nach langen, schmerzvollen Erfahrungen demütig und bäuchlings in den kalten Schlamm der Verwertung gelegt habende Winzblättchen heben in chinesischer Kotau-Tradition die Bürzel und flehen um die Einführung der kleinsten Adword-Protuberanz Googles"

Da darf man sich jetzt schon auf die entwürdigende Zeremonie freuen, die man hierzuilande Keese und Döpfner angedeihen lassen wird - wenn das nachher nicht sowieso die ersten sein sollten, die die Fronten wechseln und zum besten Rabatt überlaufen. Dann gibt es vielleicht sowas wie Volksgmail und Volksdatenmissbrauch zum Fastnulltarif.

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