Überkultur

Wer Blogs schon nicht schätzt, sollte sich auf gar keinen Fall Twitter antun. Wenn Blogs der Strassenanzug sind, dann ist Twitter eher sowas wie die dreckige Unterwäsche. Im Blog erzählen sie, dass sie Interesse an Kunst haben und Diskriminierung hassen. Und bei Twitter, was sie sich sonst so anschauen. Und wie Don Dahlmann komme ich überhaupt nicht damit klar, dass das eine das andere nicht ausschliesst, sondern einfach nebenbei miteinander läuft.

Die belustigten Reaktionen auf solche Formate befremden mich aber noch mehr. Und das sich offenbar niemand fragt, über was und warum er gerade lacht.





Im Palazzo Schifanoia in Parma ist unter den Monatsbildern auch eines vom Karneval, bei dem die Misshandlung der Anderen gezeigt wird: Zur allgemeinen Belustigung hat man damals psychisch Kranke, körperlich Entstellte und sozial Ausgegrenzte zusammengetrieben und nackt durch die Strasse gejagt. Dieses Detail ist innerhalb eines riesigen Saales mit umfassendem Bildprogramm nur ein kleiner Streifen, und viel grösser ist natürlich das dargestellt, was die Este in dieser Jahreszeit der Hochreinaissance tun. Man muss sich vielleicht etwas weniger über solche Bildprogramme wundern, wenn man weiss, mit welchem Menschenbild die Este ihr Fürstentum eroberten und beherrschten. Noch weniger wundern muss man sich jedoch, wenn man unsere Gegenwart kennt, die auch mit so einer sozialen Schnittstelle aufwartet. Und vieles, das man heute mit der Frage "Wie konnten sie nur?" der Vergangenheit vorwirft, wird man bei ähnlicher Gelegenheit auch bei uns tun. Und davon liefern wir reichlich. Eine Folge von zu vielen Menschen, die sich ihr kulturelles Weltbild frei zusammenstellen.

Der wirklich spannende Aspekt in dieser Sache ist in meinen Augen die Sozialkontrolle. Denn die gibt es natürlich weiterhin, und das, was das TV zeigt, sind nachgerade Experimente für ein Verhalten, das die Beteiligten vehement ablehnen würden, wenn man es auf sie anwenden würde. Was sich wirklich ändert, ist also der Kontrollmechanismus und seine Reizmuster, weg von "so etwas tut man nicht" hin zu "geh weg das langweilt mich". Was das ist, wird vorgegeben von Zeremonienmeistern, die, wenn sie sterben, von Panegyrikern besungen werden, die es so auch in der Renaissance gegeben hat. Und es finden sich auch genug Menschen mit moralischer Attitüde, die sagen: Ich kenn die. Das sind okaye Leute. Traut ihnen. Ganz ehrlich, ich empfinde historisch fundiert begründet keine Trauer um das Aussterben der Hauptlinie der Este, und bei TV-Mitarbeitern und ihren Helfern ist das auch nicht anders.





Sozialkontrolle ist auch der Aspekt, weshalb man sich damit vielleicht doch auseinannder setzen sollte, denn natürlich sind solche Veranstaltungen nur die Übungsgelände. Glaube bitte keiner, dass man das nur mal eben so macht, und dann geht es wieder ganz normal weiter. Sonderlich weit scheint mir der Weg von "Den mag ich nicht der soll Maden fressen" hin zu "Die sind anders die sollen mit einem Schild um den Hals die Strassen schrubben" nicht zu sein. Es wäre deshalb ganz famos, wenn diejenigen, die dergleichen so sehen, unter sich blieben und das unter sich ausmachen würden. Vor allem, weil das mittelfristig sicher zu einem Überdenken solcher Methoden führen wird. Anders werden sie es kaum lernen. Solange kann man ja schon mal ein paar Bücher lesen und noch welche nachkaufen, so lange es sie noch gibt; in München etwa hat die Buchhandlung Goltz geschlossen, was wirklich ein harter Schlag für "mein" Viertel ist, das schon lange nicht mehr meines ist.

Damit ich noch mehr unterbringe, habe ich meiner Wohnung zum 5-jährigen Jubiläum so einen passenden Schrank geschenkt. Eigentlich wollte ich ein eingebautes Regal haben, aber der Besuch beim Schreiner brachte zu Tage, dass er so etwas kann und zwar so gut, dass ich mich bitte ganz hinten anstellen möchte: 6 Monate Lieferzeit momentan. Und dann habe ich eben für einen Bruchteil und einen noch kleineren Bruchteil des OVP eine Buchvitrine in einem Münchner Vorort ersteigert.So baue ich mir langsam meine Alpenfestung zusammen, und so wunderlich man die Menschen hier finden kann, sie haben andere Themen und Interessen und irgendwie nettere Methoden der Sozialkontrolle.





Zu Zeiten der Este musste man sich übrigens ständig überlegen, wie man kulturell Abstand bewahrte. Man musste Bibliotheken anlegen und Musiker an den Hof holen und menschlich nicht ganz einfache Autoren betreuen. Heute reicht es eigentlich schon, exakt so zu bleiben, wie man ist; dem Rest wird ein Unterhaltungsprogramm geboten. das exakt auf seine Wünsche zugeschnitten ist und sie auch nicht zum Schleppen schwerer Bretter zwingt, die all die Kunstbände ettragen. Die Gesellschaft bricht auseinander, eine übergeordnete Identität gibt es nicht mehr, wir spielen Elite ohne die dafür nötige Unterschicht, und die Abgehängten üben Abhängen.

Der Bücherschrank jedenfalls hat genau die richtige Grösse.

Freitag, 1. Februar 2013, 12:42, von donalphons | |comment

 
mein Leben ist kompliziert genug
Zeitline?

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Mit Grippe und 39,2 Fieber nicht zu machen.

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Gute Besserung!

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Haben se den Bücherschrank etwa wieder selbst, mit offenem Verdeck, gen Gmund transportiert?
.
Na ja, gute Besserung.

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gute Besserung!

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Ihre Beobachtungen decken sich mit meinen, die ich in den letzten Jahren sammeln konnte. Es werden die primitivsten Instinkte beim Menschen bedient, da es anscheinend der gemeinsame Nenner ist. Das Problem, dass die Gesellschaft auseinander bricht, ist meines Erachtens auf die Wiedervereinigung zurück zuführen. Es gab und gibt keine übergeordnete "deutsche" Identität. Die BRD Bevölkerung konnte sich damit trösten, dass es der Bevölkerung der DDR materiell ja viel schlechter geht. Und umgekehrt, war man in der DDR der Meinung den besseren Gesellschaftsentwurf zu haben. Dies stabilisierte beide Gesellschaften. Nachdem dies weggefallen ist, und man keine neuen gemeinsamen Identitäten entwickelt hat, muss man die Bevölkerung durch Bedienen niederer Instinkte in Schach halten. Das Andere wäre ja auch mühsamer.

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"Nachdem (....) muss man die Bevölkerung durch Bedienen niederer Instinkte in Schach halten."
.
Nachdem? Nee, das war schon immer so. Nur kennt der jeweilige Betrachter oder Betroffene natürlich nur die kleine Zeitspanne, die er persönlich überblickt. Und auch nur, wenn's ihn betrifft und er's reflektiert. Das ist ein Riesen-Filter.
Fragt mal den Kulturwissenschaftler unter uns.

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Das Grundgesetz faselt:

Art 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Warum setzt das eigentlich niemand durch?

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kann man seine schutzrechte nicht auch aufgeben... in sm studios greift ja auch keiner ein (und das ist auch gut so), bei handlungne die auf offener straße schon zum einsatz diverser sixpacks führen würden.

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Der Schutz des Menschen vor sich selbst:
http://www.rechtslexikon.net/d/grundrechtsverzicht/grundrechtsverzicht.htm

Muss der Staat eingreifen, wenn esoterische Dumpfbacken beschliessen, sich aus dem Genpool zu eliminieren?
http://de.wikipedia.org/wiki/Siriusfall

Oder wie wärs mit dem Kannibalen von Rothenburg, d.h. mit seinem Opfer?

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auch von mir gute genesung!

was sie, lieber don, konstatieren, beschäftigt auch die burginsassen. man hat sich bereits von einigen menschen verabschiedet, aus verschiedenen gründen: einseitiges mangelndes einfühlungsvermögen und mögen von junglekamp. insbesondere das letzte dürfte einem zu denken geben, aber man bemerkt es oft bereits an der art des sozialverhaltens - und dann ist es nur noch ein kleiner schritt vom ekel bis zum löschen der kontaktdaten.

wenn jemand sich dschungelaffin verhält, kann man kaum von ihm behaupten, dass er moralisch integer sei.

gesellschaft ist das andere; zu oft erscheinen tv-programme als übungsplatz für bestimmte verhaltensweisen; bei don dahlmann hat ein kommentator auf fahrenheit verwiesen, nicht zu unrecht. im prinzip blickt man in eine dystopische mischung aus 1984, fahrenheit und filmen wie blade runner, running man usw.

im übrigen werden den zuschauern ein faible für primitivste gefühlsregungen unterstellt, und daraus ergibt sich das elendiglich verkommene angebot. es gibt schon noch ein paar formate, die eben nicht darauf zielen und manchmal sogar tatsächlich kritisch mit ihren themen umgehen, aber die masse ist anderes gewöhnt, will anderes und bekommt anderes zum grauezellendurchspülen.

reflexe, die bleiben. wie bei hirntoten.

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Twitter, Dschungel und Piraten...
... kommen schlicht in meinem Leben nicht vor. Deswegen finde ich Schränke, Portraits, Bildbänder (Taugt das "The Jacobean Country House" / From the Archives of "Country Life" was?) Kronleuchter, Rennräder und Gamaschen aus Schladminger Loden relevant.

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Hat die richtige Größe, aber nicht die richtige Farbe (zumindest meiner unmaßgeblichen Meinung nach).

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Gute Besserung Don,
nach fünf Tagen sollte es jetzt langsam aufwärts gehen.
Da Sie jetzt nicht laufen und radeln sollten, sich überhaupt nicht anstrengen sollten, dürfen wir auf Funde aus den Speicherkarten hoffen.
Bekommen Sie Ingwer am Tegernsee?

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Bei 39,2° könnte man ja auch mal 'nen schönen Fieberwahn durchleben und den dann in die Tasten hauen.

Nein? Äh ... Schon gut. Auch von mir: Alles Gute!

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das wäre schon interessant, was der Don im Wahn erlebt. In einem mitteleuropäischen Land wird jetzt Gras erlaubt. Das wäre vielleicht ein Ersatz für den verschmähten Wein und das unagenehme Fieber.
Mann fühlt sich halt so schwach und hilflos und kalt und dann noch die schmerzen in rücken und gliedern.. Ich verstehe wenn Zahnärztinnen bei Fieber ein paar Paracetamol einwerfen und lieber weiterarbeiten.

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wenn man den umgang mit bewusstseinserweiternden substanzen im weitesten sinne nie gelernt hat, sollte man den quatsch im hohen alter nicht mehr anfangen...
Krebs, AIDS oder Parkinson lasse ich als ausnahme immer gelten ...

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also jetzt werden Sie doch sehr unangenehm rollproll.
Nicht daß Sie in der Sache nicht recht haben. Diese Warnung ist recht und richtig.
"im hohen Alter" ist die Frechheit square. Ich bin vier, sechs Jahre älter als der DA und langsam sensibel für solche Aussagen. Um "die Alten" schonen, werden Tränke, Windeln&Co ü50 angeboten! Sicher brauche ich schon manchmal eine lesehilfe und amerikanische blaue rhomben werden auch irgendwann nötig
aber alt? moi? hohes alter?
Und der Don ist eh unsterblich. Obelix altert auch nicht.

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man hörte gar von leute, die sich nen zeh abgehakct haben um sich einen schuh anzuziehen, der gar nicht für sie bestimmt war ...

nachtrag: was bin ich und wenn ja wie alt ? ;)

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E tu rollprolle?
Schon damals hat die Jugend Ernst JÜnger das Meskalin missgönnt.

Oder haben Sie um 17:08 nur die Woerter "Umgang" und "Quatsch" vertauscht?

(verzeihen Sie mir Nordfriesen bitte das "Nordic-Stalking" in letzter Zeit – aber Ihre Beiträge sind so reizvoll)

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Ja genau. Um ein Bewusstsein zu erweitern, muss man erst mal eines haben.

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alles über 25 ist .... alt. wenn man damit einmal seinen frieden gemacht hat, lässt sich der ohnehin unaufhaltsame alterungsprozess doch recht entspannt angehen ;)

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"alles über 25 ist .... alt."

Das mag im Paläolithikum seine Berechtigung gehabt haben, auch heutzutage bei Bewerbungsgesprächen in gewissen Werbeagenturen. (^_^)

Der demographische Wandel lässt aber den hiesigen Hausherren als jungen Hüpfer erscheinen. Auch in Relation zum Alter vieler seiner "Epigonen" steht er - altertechnisch - ganz gut da, schätze ich mal ...

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ich will ja niemanden in schutz nehmen, der das gar nicht benötigt, doch beispringen schon, nicht ohne jedoch einen kleinen tadel hinterherzuschieben mich genötigt zu sehen:
von alt kann zwar noch nicht die rede sein mit mitte zwanzig, aber:

der verfall beginnt - mit 25.

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wo analytik über affekt triumphiert ist der trollerei kein einfach geschäft. chapeau mlle Laura ;)

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(merci à vous pour mlle, et pardon, parce que c'est mme.)

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Wie meinen Sie das, "ohne die dafür nötige Unterschicht"?

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Wie meinen Sie das, "ohne die dafür nötige Unterschicht"?

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Fieberwahn, keine "Meinung"...

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Und noch was, lieber Don: Bin ich ein Schuft, wenn gerade Ihnen nicht so recht glaube, dass Sie was gegen Schadenfreude haben?
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Wenn ich nur dran denke, wieviele Leute Sie schon zum lebenslängichen Kloputzen abkommandieren wollten.
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Die Vorstellung, wie sich Bulmahn und Schavan gegenseitig im Dschungelcamp ankeifen, ist mir, ehrlich gesagt, auch nicht nur unangenehm.

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der trifft obwohl Sie fleißig und gut daran schreiben, uns Lesern Werte zu vermitteln. schavan, v d Leyen und Ulla Schmidt im jungelkamp und ich kaufe einen Fernseher

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Ich mag, wie gesagt, hässliche Prälaten und Fürstinnen auf Leinwand, aber sowas? Es gibt Grenzen.

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